nicht vergebens lauffen lasse, sondern dürstend zu ihr komme und trin- cke; Einem Baum, der beladen mit reiffen Früchten, kan ein läch- tzender Wanders-Mann keinen grösseren Dienst thun, als wann er fein abricht und isset; Es ist niemand so närrisch, daß er ver- meynte, er müsse zuvor etwelche Holtz-Aepffel sammlen, und zum Baum herbey bringen, damit er würdig werde von dessen edlen Früchten zu essen; Wie die thun, die immer auf ihre saure Wer- cke sehen, wie viel oder wenig sie deren haben, ehe sie zu JEsu ge- hen, und von ihm nehmen. Gleichfalls würde der die Sonnen be- schimpffen, der sich mit einem angezündeten Schweffel-Höltzlein ih- res Glantzes und Wärme würdig machen wollte; Nein, nein, heißt es, kommet zu mir, wie ihr seyd, ich kenne euch wohl vorhin, besser als ihr euch selbst kennet, was wollet ihr euch lang verbergen und schmucken, ihr seyd Geist- und Gnaden-lose, finstere, unreine, un- ter Fluch, Tod, Sünd, Höll, ligende Sünder; was wollet ihr mir euerm GOtt doch Gutes geben? Nehmen sollt ihr von mir al- les Gute, und mir übergeben all euer Böses; Jch, ich, tilge eure Sünden; Jch, ich, nehme all eure Noth und Elend; Jch stirbe vor euch, und gehe vor euch zum Vatter; Sehet auf mich, und tau- schet mit mir, gebt mir eure Missethaten mit allen ihren leidigen Früchten, dann das habt ihr, und sonst nichts, und ich will euch meine Gerechtigkeit, Liebe, Heiligkeit und Freude daran geben.
Einwurff beantwor- tet und ge- zeiget,
§. 6. Einwurff. Sagst du aber: Jst das nicht ein groß Werck, so GOTT von uns fordert, ehe er uns seine Güte schencke, sich ab- kehren von allem, das einem das Liebste ist auf Erden?
Antw. Ach du Erbarmens-würdige Seel! Was sind alle sicht- daß alle Natur- Wercke nichts ge- gen den Gnaden- Wercken gelten mö- gen.bare Ding, wo sie nicht GOtt geheiliget, und mit JEsu Liebe durchsüsset sind? Nichts als Stopplen, Knochen, daran die Welt- Kinder nagen; Was sind alle gut scheinende Natur-Werck? Nichts als Läuse der Hoffart, die aus deinem Schweiß gewachsen a; Wür- de ein König, der einem armen Bettler ein Fürstenthum verehrte, sich nicht im höchsten Grad affrontirt befinden, wann ihme der Bett- ler eine Lauß anbotte, und hernach meinte, der König habe das an- gesehen? Was ist Sünd, von deren du dich abwenden must? Als das abscheulichste Raben-Aaß? Verdienest du dann damit etwas? Jst nicht schon in der Gnad der Selbst- und Welt-Verläugnung
unaus-
aEzech. XLIV. 18.
Geiſtliche Sonnen-Wende
nicht vergebens lauffen laſſe, ſondern duͤrſtend zu ihr komme und trin- cke; Einem Baum, der beladen mit reiffen Fruͤchten, kan ein laͤch- tzender Wanders-Mann keinen groͤſſeren Dienſt thun, als wann er fein abricht und iſſet; Es iſt niemand ſo naͤrriſch, daß er ver- meynte, er muͤſſe zuvor etwelche Holtz-Aepffel ſammlen, und zum Baum herbey bringen, damit er wuͤrdig werde von deſſen edlen Fruͤchten zu eſſen; Wie die thun, die immer auf ihre ſaure Wer- cke ſehen, wie viel oder wenig ſie deren haben, ehe ſie zu JEſu ge- hen, und von ihm nehmen. Gleichfalls wuͤrde der die Sonnen be- ſchimpffen, der ſich mit einem angezuͤndeten Schweffel-Hoͤltzlein ih- res Glantzes und Waͤrme wuͤrdig machen wollte; Nein, nein, heißt es, kommet zu mir, wie ihr ſeyd, ich kenne euch wohl vorhin, beſſer als ihr euch ſelbſt kennet, was wollet ihr euch lang verbergen und ſchmucken, ihr ſeyd Geiſt- und Gnaden-loſe, finſtere, unreine, un- ter Fluch, Tod, Suͤnd, Hoͤll, ligende Suͤnder; was wollet ihr mir euerm GOtt doch Gutes geben? Nehmen ſollt ihr von mir al- les Gute, und mir uͤbergeben all euer Boͤſes; Jch, ich, tilge eure Suͤnden; Jch, ich, nehme all eure Noth und Elend; Jch ſtirbe vor euch, und gehe vor euch zum Vatter; Sehet auf mich, und tau- ſchet mit mir, gebt mir eure Miſſethaten mit allen ihren leidigen Fruͤchten, dann das habt ihr, und ſonſt nichts, und ich will euch meine Gerechtigkeit, Liebe, Heiligkeit und Freude daran geben.
Einwurff beantwor- tet und ge- zeiget,
§. 6. Einwurff. Sagſt du aber: Jſt das nicht ein groß Werck, ſo GOTT von uns fordert, ehe er uns ſeine Guͤte ſchencke, ſich ab- kehren von allem, das einem das Liebſte iſt auf Erden?
Antw. Ach du Erbarmens-wuͤrdige Seel! Was ſind alle ſicht- daß alle Natur- Wercke nichts ge- gen den Gnaden- Wercken gelten moͤ- gen.bare Ding, wo ſie nicht GOtt geheiliget, und mit JEſu Liebe durchſuͤſſet ſind? Nichts als Stopplen, Knochen, daran die Welt- Kinder nagen; Was ſind alle gut ſcheinende Natur-Werck? Nichts als Laͤuſe der Hoffart, die aus deinem Schweiß gewachſen a; Wuͤr- de ein Koͤnig, der einem armen Bettler ein Fuͤrſtenthum verehrte, ſich nicht im hoͤchſten Grad affrontirt befinden, wann ihme der Bett- ler eine Lauß anbotte, und hernach meinte, der Koͤnig habe das an- geſehen? Was iſt Suͤnd, von deren du dich abwenden muſt? Als das abſcheulichſte Raben-Aaß? Verdieneſt du dann damit etwas? Jſt nicht ſchon in der Gnad der Selbſt- und Welt-Verlaͤugnung
unaus-
aEzech. XLIV. 18.
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Geiſtliche Sonnen-Wende
nicht vergebens lauffen laſſe, ſondern duͤrſtend zu ihr komme und trin-
cke; Einem Baum, der beladen mit reiffen Fruͤchten, kan ein laͤch-
tzender Wanders-Mann keinen groͤſſeren Dienſt thun, als wann er
fein abricht und iſſet; Es iſt niemand ſo naͤrriſch, daß er ver-
meynte, er muͤſſe zuvor etwelche Holtz-Aepffel ſammlen, und zum
Baum herbey bringen, damit er wuͤrdig werde von deſſen edlen
Fruͤchten zu eſſen; Wie die thun, die immer auf ihre ſaure Wer-
cke ſehen, wie viel oder wenig ſie deren haben, ehe ſie zu JEſu ge-
hen, und von ihm nehmen. Gleichfalls wuͤrde der die Sonnen be-
ſchimpffen, der ſich mit einem angezuͤndeten Schweffel-Hoͤltzlein ih-
res Glantzes und Waͤrme wuͤrdig machen wollte; Nein, nein, heißt
es, kommet zu mir, wie ihr ſeyd, ich kenne euch wohl vorhin, beſſer als
ihr euch ſelbſt kennet, was wollet ihr euch lang verbergen und
ſchmucken, ihr ſeyd Geiſt- und Gnaden-loſe, finſtere, unreine, un-
ter Fluch, Tod, Suͤnd, Hoͤll, ligende Suͤnder; was wollet ihr
mir euerm GOtt doch Gutes geben? Nehmen ſollt ihr von mir al-
les Gute, und mir uͤbergeben all euer Boͤſes; Jch, ich, tilge eure
Suͤnden; Jch, ich, nehme all eure Noth und Elend; Jch ſtirbe
vor euch, und gehe vor euch zum Vatter; Sehet auf mich, und tau-
ſchet mit mir, gebt mir eure Miſſethaten mit allen ihren leidigen
Fruͤchten, dann das habt ihr, und ſonſt nichts, und ich will euch
meine Gerechtigkeit, Liebe, Heiligkeit und Freude daran geben.
§. 6. Einwurff. Sagſt du aber: Jſt das nicht ein groß Werck,
ſo GOTT von uns fordert, ehe er uns ſeine Guͤte ſchencke, ſich ab-
kehren von allem, das einem das Liebſte iſt auf Erden?
Antw. Ach du Erbarmens-wuͤrdige Seel! Was ſind alle ſicht-
bare Ding, wo ſie nicht GOtt geheiliget, und mit JEſu Liebe
durchſuͤſſet ſind? Nichts als Stopplen, Knochen, daran die Welt-
Kinder nagen; Was ſind alle gut ſcheinende Natur-Werck? Nichts
als Laͤuſe der Hoffart, die aus deinem Schweiß gewachſen a; Wuͤr-
de ein Koͤnig, der einem armen Bettler ein Fuͤrſtenthum verehrte,
ſich nicht im hoͤchſten Grad affrontirt befinden, wann ihme der Bett-
ler eine Lauß anbotte, und hernach meinte, der Koͤnig habe das an-
geſehen? Was iſt Suͤnd, von deren du dich abwenden muſt? Als
das abſcheulichſte Raben-Aaß? Verdieneſt du dann damit etwas?
Jſt nicht ſchon in der Gnad der Selbſt- und Welt-Verlaͤugnung
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daß alle
Natur-
Wercke
nichts ge-
gen den
Gnaden-
Wercken
gelten moͤ-
gen.
a Ezech. XLIV. 18.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/212>, abgerufen am 22.11.2024.
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