§. 16. (a.) Eine rechte Freymüthigkeit gegen GOtt/ und seinem Sohn JEsu, unserm Heyland a, daß sie gantz frey, wie Kinder mit den Eltern reden, wie wir solches unter anderm im Leben der Patriarchen sehen; Jhme offenhertzig alles klaget, ihr Hertz für ih- me ausschüttetb, in allem, was ihro zustosset, von ihme alles be- gehret und erwartet, bey ihme sich Raths erholet, in allem was sie vor hat, nach seinem Wort: Jch will dich unterweisen/ und dir den Weg zeigen/ den du wandlen sollt, ich will dich mit mei- nen Augen leitenc. Der Mensch gehet gantz vertraulich mit GOtt um, und fanget erst hier das Gebett an einem Gespräch zu gleichen, da er zuvor nur als wie von weitem um Hülff ruffte, nun ist solche Seel über die Klufft hinüber gehoben, empfahet Antwort, und hat grosse Gewißheit der Erhörung, und lehret sie der Heil. Geist weiß- lich und demüthiglich mit GOtt conversiren und umgehen: Daraus dann
Heiliges Leben,
§. 17. (b.)Natürlich ein heilig Leben fliesset; dann ein jeder, der der Gemeinschafft mit GOtt gewürdiget wird, wandlet im Liecht, wie Enoch, fanget an die Tugenden in Krafft und Wesen zu be- sitzen, und thut nicht mehr nur natürliche und vermischte Wercke, die offt wohl einen grossen Schein haben vor den Leuten d, aber vor GOtt, als untauglich, verworffen werden; sondern er würckt in GOtt, und will nur ihm überall gefallen; die Gedancken und Be- gierden sind Christo unterthan, und GOtt heilig, und von weltli- chen Absichten gereiniget; das Verlangen nach himmlischen Schätzen und Gaaben, die ernstliche Begierd von allen Stäublenen der Sünd erlößt, und mit JEsu und seinem Geist durch und durch erfüllet zu werden, wird bald unersättlich, und ob das Gemüth verdüstert wird durch die Bestürmung der Sünde im Fleisch, so bricht dennoch der heitere Glantz der Gnaden-Sonn immer wieder hervor, und behal- tet die Liebe Christi immer den Sieg, und erinnert der Heil. Geist das Hertz in der Versuchung zu rechter Zeit der Gegenwart GOt- tes, und lasset seinen Beseeligten nicht viel ausschweiffen zu sinnli- chen Phantaseyen, und unnützen Andencken irrdischer Dingen, da- mit er nicht sein Kräntzlein verliere wie Dina: Aus solchem genau- en Wandel in der Forcht GOttes entspringet
§. 17. c.Geist-
aHebr. X. 19-23.
bPs. VI. 9.
cPsal. XXXII. 8.
dMatth. IX.
Geiſtliche Sonnen-Wende
Freymuͤ- thigkeit gegen GOTT.
§. 16. (a.) Eine rechte Freymuͤthigkeit gegen GOtt/ und ſeinem Sohn JEſu, unſerm Heyland a, daß ſie gantz frey, wie Kinder mit den Eltern reden, wie wir ſolches unter anderm im Leben der Patriarchen ſehen; Jhme offenhertzig alles klaget, ihr Hertz fuͤr ih- me ausſchuͤttetb, in allem, was ihro zuſtoſſet, von ihme alles be- gehret und erwartet, bey ihme ſich Raths erholet, in allem was ſie vor hat, nach ſeinem Wort: Jch will dich unterweiſen/ und dir den Weg zeigen/ den du wandlen ſollt, ich will dich mit mei- nen Augen leitenc. Der Menſch gehet gantz vertraulich mit GOtt um, und fanget erſt hier das Gebett an einem Geſpraͤch zu gleichen, da er zuvor nur als wie von weitem um Huͤlff ruffte, nun iſt ſolche Seel uͤber die Klufft hinuͤber gehoben, empfahet Antwort, und hat groſſe Gewißheit der Erhoͤrung, und lehret ſie der Heil. Geiſt weiß- lich und demuͤthiglich mit GOtt converſiren und umgehen: Daraus dann
Heiliges Leben,
§. 17. (b.)Natuͤrlich ein heilig Leben flieſſet; dann ein jeder, der der Gemeinſchafft mit GOtt gewuͤrdiget wird, wandlet im Liecht, wie Enoch, fanget an die Tugenden in Krafft und Weſen zu be- ſitzen, und thut nicht mehr nur natuͤrliche und vermiſchte Wercke, die offt wohl einen groſſen Schein haben vor den Leuten d, aber vor GOtt, als untauglich, verworffen werden; ſondern er wuͤrckt in GOtt, und will nur ihm uͤberall gefallen; die Gedancken und Be- gierden ſind Chriſto unterthan, und GOtt heilig, und von weltli- chen Abſichten gereiniget; das Verlangen nach himmliſchen Schaͤtzen und Gaaben, die ernſtliche Begierd von allen Staͤublenen der Suͤnd erloͤßt, und mit JEſu und ſeinem Geiſt durch und durch erfuͤllet zu werden, wird bald unerſaͤttlich, und ob das Gemuͤth verduͤſtert wird durch die Beſtuͤrmung der Suͤnde im Fleiſch, ſo bricht dennoch der heitere Glantz der Gnaden-Sonn immer wieder hervor, und behal- tet die Liebe Chriſti immer den Sieg, und erinnert der Heil. Geiſt das Hertz in der Verſuchung zu rechter Zeit der Gegenwart GOt- tes, und laſſet ſeinen Beſeeligten nicht viel ausſchweiffen zu ſinnli- chen Phantaſeyen, und unnuͤtzen Andencken irrdiſcher Dingen, da- mit er nicht ſein Kraͤntzlein verliere wie Dina: Aus ſolchem genau- en Wandel in der Forcht GOttes entſpringet
§. 17. c.Geiſt-
aHebr. X. 19-23.
bPſ. VI. 9.
cPſal. XXXII. 8.
dMatth. IX.
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Geiſtliche Sonnen-Wende
§. 16. (a.) Eine rechte Freymuͤthigkeit gegen GOtt/ und ſeinem
Sohn JEſu, unſerm Heyland a, daß ſie gantz frey, wie Kinder
mit den Eltern reden, wie wir ſolches unter anderm im Leben der
Patriarchen ſehen; Jhme offenhertzig alles klaget, ihr Hertz fuͤr ih-
me ausſchuͤttet b, in allem, was ihro zuſtoſſet, von ihme alles be-
gehret und erwartet, bey ihme ſich Raths erholet, in allem was
ſie vor hat, nach ſeinem Wort: Jch will dich unterweiſen/ und
dir den Weg zeigen/ den du wandlen ſollt, ich will dich mit mei-
nen Augen leiten c. Der Menſch gehet gantz vertraulich mit GOtt
um, und fanget erſt hier das Gebett an einem Geſpraͤch zu gleichen,
da er zuvor nur als wie von weitem um Huͤlff ruffte, nun iſt ſolche
Seel uͤber die Klufft hinuͤber gehoben, empfahet Antwort, und hat
groſſe Gewißheit der Erhoͤrung, und lehret ſie der Heil. Geiſt weiß-
lich und demuͤthiglich mit GOtt converſiren und umgehen: Daraus
dann
§. 17. (b.) Natuͤrlich ein heilig Leben flieſſet; dann ein jeder, der
der Gemeinſchafft mit GOtt gewuͤrdiget wird, wandlet im Liecht,
wie Enoch, fanget an die Tugenden in Krafft und Weſen zu be-
ſitzen, und thut nicht mehr nur natuͤrliche und vermiſchte Wercke,
die offt wohl einen groſſen Schein haben vor den Leuten d, aber
vor GOtt, als untauglich, verworffen werden; ſondern er wuͤrckt
in GOtt, und will nur ihm uͤberall gefallen; die Gedancken und Be-
gierden ſind Chriſto unterthan, und GOtt heilig, und von weltli-
chen Abſichten gereiniget; das Verlangen nach himmliſchen Schaͤtzen
und Gaaben, die ernſtliche Begierd von allen Staͤublenen der Suͤnd
erloͤßt, und mit JEſu und ſeinem Geiſt durch und durch erfuͤllet zu
werden, wird bald unerſaͤttlich, und ob das Gemuͤth verduͤſtert wird
durch die Beſtuͤrmung der Suͤnde im Fleiſch, ſo bricht dennoch der
heitere Glantz der Gnaden-Sonn immer wieder hervor, und behal-
tet die Liebe Chriſti immer den Sieg, und erinnert der Heil. Geiſt
das Hertz in der Verſuchung zu rechter Zeit der Gegenwart GOt-
tes, und laſſet ſeinen Beſeeligten nicht viel ausſchweiffen zu ſinnli-
chen Phantaſeyen, und unnuͤtzen Andencken irrdiſcher Dingen, da-
mit er nicht ſein Kraͤntzlein verliere wie Dina: Aus ſolchem genau-
en Wandel in der Forcht GOttes entſpringet
§. 17. c. Geiſt-
a Hebr. X. 19-23.
b Pſ. VI. 9.
c Pſal. XXXII. 8.
d Matth. IX.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/206>, abgerufen am 25.11.2024.
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