Diese See- ligkeit ge- het schon in diesem Leben an Theils heimlich,
§. 2. Diese Seligkeit gehet an in diesem Leben, allein gar heim- lich und verborgen, wegen des alten Adams, der in täglichem Truck, Leiden/ Angst, in Abgang alles Futters/ als der Ehr/ Ruhm, durch allerhand Nachred und Lästerung; des Haab und Guts, durch Ungerechtigkeit/ Betrug/ Ubervortheilung der ar- gen Welt; der Lust und Fleisches-Kützel, durch Kranckheit, Leibes- Schmertzen, und allerhand Ungemach nothwendig gecreutziget und getödtet werden muß a; Darunter die Seligkeit, wie ein süsser Kern unter harten Schaalen und bittern Hülsen verdeckt liget; zu ge- schweigen des greulichen Ungewitters der höllischen Anfechtungen und Versuchungen des Satans, so er über dieses fremde, und ih- me gar verdrießliche Gewächs, erreget; nichts zu sagen, von denen wunderbarlichen und unausforschlichen Gerichten, welche GOttes Weisheit, Gerechtigkeit, Jalousie, Eyfer und Barmhertzigkeit offt über sein eigen Haus und liebste Kinder ergehen lasset, zur Vertil- gung des alten Adams, der in ihnen eben so arg ist, als in den Unbekehrten; Ja der die Augen der Majestät wohl mehr erbitteret; so daß Paulus wohl sagen mag: Hoffen wir allein in diesem Le- ben auf Christum/ also daß wir in unserm vielfältigen Jammer kei- ne Zusprüche, Aufmunterungen und Trost-Bächlein von JESU, als einem schon hier auf Erde innigst nahen, ja mitstreitenden mit- leidenden Heyland geniessen sollten, keine Brosamen ob dem Tisch der Seeligen empfangen, sondern gantz und gar alles erst nach die- sem zeitlichen Leben erwarten und hoffen, so sind wir die Elende- sten unter allen Menschenb; und es freylich der armen Natur und krancken Vernunfft nicht zu verdencken, daß ihro diese Geheinmuß- reiche Wahrheit, als die grösten Lugen und Albernheit vorkommt, daß nehmlich in einer mit JESU sich verbindenden Seele, Seelig- keit seyn sollte; worzu unzehliche Schwachheiten und Strauchlun- gen schlagen, welches der rechtschaffenen und mit Ernst sich zu JEsu wendender Christen, schmertzhafftestes Creutz ist; Es braucht ge- wißlich ein erleuchtetes und scharffsehendes Aug, solche Menschen se- lig zu erkennen; Und wo sich GOtt nicht durch seine Verheissun- gen verbindlich gemacht hätte, das angefangene Werck zu vollenden,
so
a 1 Cor. XV. 31. 2 Cor VII. 12. Psal. XLIV. 23. Luc. VI. Hebr. X. 34. 1 Petr. IV. 1. 1 Cor. V. 5. Rom. VI. 6. 1 Petr. IV. 14.
b 1 Cor. XV. 19.
Geiſtliche Sonnen-Wende
Dieſe See- ligkeit ge- het ſchon in dieſem Leben an Theils heimlich,
§. 2. Dieſe Seligkeit gehet an in dieſem Leben, allein gar heim- lich und verborgen, wegen des alten Adams, der in taͤglichem Truck, Leiden/ Angſt, in Abgang alles Futters/ als der Ehr/ Ruhm, durch allerhand Nachred und Laͤſterung; des Haab und Guts, durch Ungerechtigkeit/ Betrug/ Ubervortheilung der ar- gen Welt; der Luſt und Fleiſches-Kuͤtzel, durch Kranckheit, Leibes- Schmertzen, und allerhand Ungemach nothwendig gecreutziget und getoͤdtet werden muß a; Darunter die Seligkeit, wie ein ſuͤſſer Kern unter harten Schaalen und bittern Huͤlſen verdeckt liget; zu ge- ſchweigen des greulichen Ungewitters der hoͤlliſchen Anfechtungen und Verſuchungen des Satans, ſo er uͤber dieſes fremde, und ih- me gar verdrießliche Gewaͤchs, erreget; nichts zu ſagen, von denen wunderbarlichen und unausforſchlichen Gerichten, welche GOttes Weisheit, Gerechtigkeit, Jalouſie, Eyfer und Barmhertzigkeit offt uͤber ſein eigen Haus und liebſte Kinder ergehen laſſet, zur Vertil- gung des alten Adams, der in ihnen eben ſo arg iſt, als in den Unbekehrten; Ja der die Augen der Majeſtaͤt wohl mehr erbitteret; ſo daß Paulus wohl ſagen mag: Hoffen wir allein in dieſem Le- ben auf Chriſtum/ alſo daß wir in unſerm vielfaͤltigen Jammer kei- ne Zuſpruͤche, Aufmunterungen und Troſt-Baͤchlein von JESU, als einem ſchon hier auf Erde innigſt nahen, ja mitſtreitenden mit- leidenden Heyland genieſſen ſollten, keine Broſamen ob dem Tiſch der Seeligen empfangen, ſondern gantz und gar alles erſt nach die- ſem zeitlichen Leben erwarten und hoffen, ſo ſind wir die Elende- ſten unter allen Menſchenb; und es freylich der armen Natur und krancken Vernunfft nicht zu verdencken, daß ihro dieſe Geheinmuß- reiche Wahrheit, als die groͤſten Lugen und Albernheit vorkommt, daß nehmlich in einer mit JESU ſich verbindenden Seele, Seelig- keit ſeyn ſollte; worzu unzehliche Schwachheiten und Strauchlun- gen ſchlagen, welches der rechtſchaffenen und mit Ernſt ſich zu JEſu wendender Chriſten, ſchmertzhaffteſtes Creutz iſt; Es braucht ge- wißlich ein erleuchtetes und ſcharffſehendes Aug, ſolche Menſchen ſe- lig zu erkennen; Und wo ſich GOtt nicht durch ſeine Verheiſſun- gen verbindlich gemacht haͤtte, das angefangene Werck zu vollenden,
ſo
a 1 Cor. XV. 31. 2 Cor VII. 12. Pſal. XLIV. 23. Luc. VI. Hebr. X. 34. 1 Petr. IV. 1. 1 Cor. V. 5. Rom. VI. 6. 1 Petr. IV. 14.
b 1 Cor. XV. 19.
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Geiſtliche Sonnen-Wende
§. 2. Dieſe Seligkeit gehet an in dieſem Leben, allein gar heim-
lich und verborgen, wegen des alten Adams, der in taͤglichem
Truck, Leiden/ Angſt, in Abgang alles Futters/ als der Ehr/
Ruhm, durch allerhand Nachred und Laͤſterung; des Haab und
Guts, durch Ungerechtigkeit/ Betrug/ Ubervortheilung der ar-
gen Welt; der Luſt und Fleiſches-Kuͤtzel, durch Kranckheit, Leibes-
Schmertzen, und allerhand Ungemach nothwendig gecreutziget und
getoͤdtet werden muß a; Darunter die Seligkeit, wie ein ſuͤſſer Kern
unter harten Schaalen und bittern Huͤlſen verdeckt liget; zu ge-
ſchweigen des greulichen Ungewitters der hoͤlliſchen Anfechtungen
und Verſuchungen des Satans, ſo er uͤber dieſes fremde, und ih-
me gar verdrießliche Gewaͤchs, erreget; nichts zu ſagen, von denen
wunderbarlichen und unausforſchlichen Gerichten, welche GOttes
Weisheit, Gerechtigkeit, Jalouſie, Eyfer und Barmhertzigkeit offt
uͤber ſein eigen Haus und liebſte Kinder ergehen laſſet, zur Vertil-
gung des alten Adams, der in ihnen eben ſo arg iſt, als in den
Unbekehrten; Ja der die Augen der Majeſtaͤt wohl mehr erbitteret;
ſo daß Paulus wohl ſagen mag: Hoffen wir allein in dieſem Le-
ben auf Chriſtum/ alſo daß wir in unſerm vielfaͤltigen Jammer kei-
ne Zuſpruͤche, Aufmunterungen und Troſt-Baͤchlein von JESU,
als einem ſchon hier auf Erde innigſt nahen, ja mitſtreitenden mit-
leidenden Heyland genieſſen ſollten, keine Broſamen ob dem Tiſch
der Seeligen empfangen, ſondern gantz und gar alles erſt nach die-
ſem zeitlichen Leben erwarten und hoffen, ſo ſind wir die Elende-
ſten unter allen Menſchen b; und es freylich der armen Natur und
krancken Vernunfft nicht zu verdencken, daß ihro dieſe Geheinmuß-
reiche Wahrheit, als die groͤſten Lugen und Albernheit vorkommt,
daß nehmlich in einer mit JESU ſich verbindenden Seele, Seelig-
keit ſeyn ſollte; worzu unzehliche Schwachheiten und Strauchlun-
gen ſchlagen, welches der rechtſchaffenen und mit Ernſt ſich zu JEſu
wendender Chriſten, ſchmertzhaffteſtes Creutz iſt; Es braucht ge-
wißlich ein erleuchtetes und ſcharffſehendes Aug, ſolche Menſchen ſe-
lig zu erkennen; Und wo ſich GOtt nicht durch ſeine Verheiſſun-
gen verbindlich gemacht haͤtte, das angefangene Werck zu vollenden,
ſo
a 1 Cor. XV. 31. 2 Cor VII. 12. Pſal. XLIV. 23. Luc. VI. Hebr. X. 34.
1 Petr. IV. 1. 1 Cor. V. 5. Rom. VI. 6. 1 Petr. IV. 14.
b 1 Cor. XV. 19.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/198>, abgerufen am 24.11.2024.
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