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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Lebens-Mahlzeit.

§. 3. Wie aber das Christenthum überall verdorben ist, so auchKlag über
die Ver-
derbnuß
der heuti-
gen Welt
in diesem
Stücke,

hie; nichts will so kaum hervor als das Göttliche Lob; es fehlet al-
lenthalben; die Stimm des Weinens übertrifft die Stimm des
Danckens und Jubilierens; es ist denen schwach-glaubigen Zioniten
immer im Hertzen; ja wann wir unter die Zahl der 24. Aeltesten ge-
hörten, so wollten wir mit ihm unaussprechlich schön dem HErren im
Hertzen unter einander klingen und spielen a. Aber, aber die übel-ange-
wandte Zeit stoßt uns alleweil vor den Kopf und lasset uns nicht einen
fröhlichen Blick in die himmlische psallierende Chöre hinein thun: Der
Schächer am Creutz hat auch nicht gesungen, wiewohlen er von GOtt
ist begnadiget worden; gleichwohl mag die Betrachtung der unver-
anlaßten und unverdienten Liebe GOttes ein heimlich Lob im Ver-
borgenen erwecket haben, welches erst in der Ewigkeit ausgebrochen
seyn wird: Wir leben leyder! nicht zu Salomons Zeiten, da die
Erde vom Loben und Dancken ergellete, sondern sind wiedergekom-
mene, so nach ihrer Gefängnuß stincken und Malzeichen von ihren
getragenen schweren Kettenen haben, dazu des Weinens an denen
Wasser-Flüssen Babylons gewohnt sind.

§. 4. Was also unsere heutige Musicanten betrifft, so ist gewiß,insonder-
heit der
Musican-
ten.

daß es bey vielen nur einen fleischlichen Kützel der äusseren Sin-
nen ist mit lieblichen Thönen der anmuthigen Melodeyen, und
daß es wohl nicht bey allen eine lebendige, Göttliche Bewegung der
sieben Geister GOttes ist in überschwencklichem Genuß des Evange-
liums und übernatürlichen Regung des Lebens Christi in ihnen aus
dem Vatter.

§. 5. Ach daß wir nur jetzt, ehe die Seelen-Krafft völlig erschwachetErmah-
nung daß
man das
Lobe
GOttes

und der Leib noch weniger ein Werckzeug ein nach GOtt sehnenden Gei-
stes seyn kan, da der Leib seine Munterkeit und die Seele ihre Leb-
hafftigkeit völlig verlohren und der arme, versaumte Mensch dasje-
nige nicht mehr ins Werck setzen kan, was er ehemahls nicht wollte,
da er noch könnte, wodurch er sich der unaussprechlichen Süßigkeit
des Göttlichen Lobs beraubet, indem er sich dem Streit entzogen,
und nicht alle Leibs- und Gemüths-Kräfften daran gestrecket Christum
JEsum zu essen um durch solch Geheimniß-reiches Essen sein herr-
lich Wunder-Leben in sich zu empfahen, mithin ein Lob-klingender

Nach-
a Eph. V. 19.
Lebens-Mahlzeit.

§. 3. Wie aber das Chriſtenthum uͤberall verdorben iſt, ſo auchKlag uͤber
die Ver-
derbnuß
der heuti-
gen Welt
in dieſem
Stuͤcke,

hie; nichts will ſo kaum hervor als das Goͤttliche Lob; es fehlet al-
lenthalben; die Stimm des Weinens uͤbertrifft die Stimm des
Danckens und Jubilierens; es iſt denen ſchwach-glaubigen Zioniten
immer im Hertzen; ja wann wir unter die Zahl der 24. Aelteſten ge-
hoͤrten, ſo wollten wir mit ihm unausſprechlich ſchoͤn dem HErren im
Hertzen unter einander klingen und ſpielen a. Aber, aber die uͤbel-ange-
wandte Zeit ſtoßt uns alleweil vor den Kopf und laſſet uns nicht einen
froͤhlichen Blick in die himmliſche pſallierende Choͤre hinein thun: Der
Schaͤcher am Creutz hat auch nicht geſungen, wiewohlen er von GOtt
iſt begnadiget worden; gleichwohl mag die Betrachtung der unver-
anlaßten und unverdienten Liebe GOttes ein heimlich Lob im Ver-
borgenen erwecket haben, welches erſt in der Ewigkeit ausgebrochen
ſeyn wird: Wir leben leyder! nicht zu Salomons Zeiten, da die
Erde vom Loben und Dancken ergellete, ſondern ſind wiedergekom-
mene, ſo nach ihrer Gefaͤngnuß ſtincken und Malzeichen von ihren
getragenen ſchweren Kettenen haben, dazu des Weinens an denen
Waſſer-Fluͤſſen Babylons gewohnt ſind.

§. 4. Was alſo unſere heutige Muſicanten betrifft, ſo iſt gewiß,inſonder-
heit der
Muſican-
ten.

daß es bey vielen nur einen fleiſchlichen Kuͤtzel der aͤuſſeren Sin-
nen iſt mit lieblichen Thoͤnen der anmuthigen Melodeyen, und
daß es wohl nicht bey allen eine lebendige, Goͤttliche Bewegung der
ſieben Geiſter GOttes iſt in uͤberſchwencklichem Genuß des Evange-
liums und uͤbernatuͤrlichen Regung des Lebens Chriſti in ihnen aus
dem Vatter.

§. 5. Ach daß wir nur jetzt, ehe die Seelen-Krafft voͤllig erſchwachetErmah-
nung daß
man das
Lobe
GOttes

und der Leib noch weniger ein Werckzeug ein nach GOtt ſehnenden Gei-
ſtes ſeyn kan, da der Leib ſeine Munterkeit und die Seele ihre Leb-
hafftigkeit voͤllig verlohren und der arme, verſaumte Menſch dasje-
nige nicht mehr ins Werck ſetzen kan, was er ehemahls nicht wollte,
da er noch koͤnnte, wodurch er ſich der unausſprechlichen Suͤßigkeit
des Goͤttlichen Lobs beraubet, indem er ſich dem Streit entzogen,
und nicht alle Leibs- und Gemuͤths-Kraͤfften daran geſtrecket Chriſtum
JEſum zu eſſen um durch ſolch Geheimniß-reiches Eſſen ſein herr-
lich Wunder-Leben in ſich zu empfahen, mithin ein Lob-klingender

Nach-
a Eph. V. 19.
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[1079/1175] Lebens-Mahlzeit. §. 3. Wie aber das Chriſtenthum uͤberall verdorben iſt, ſo auch hie; nichts will ſo kaum hervor als das Goͤttliche Lob; es fehlet al- lenthalben; die Stimm des Weinens uͤbertrifft die Stimm des Danckens und Jubilierens; es iſt denen ſchwach-glaubigen Zioniten immer im Hertzen; ja wann wir unter die Zahl der 24. Aelteſten ge- hoͤrten, ſo wollten wir mit ihm unausſprechlich ſchoͤn dem HErren im Hertzen unter einander klingen und ſpielen a. Aber, aber die uͤbel-ange- wandte Zeit ſtoßt uns alleweil vor den Kopf und laſſet uns nicht einen froͤhlichen Blick in die himmliſche pſallierende Choͤre hinein thun: Der Schaͤcher am Creutz hat auch nicht geſungen, wiewohlen er von GOtt iſt begnadiget worden; gleichwohl mag die Betrachtung der unver- anlaßten und unverdienten Liebe GOttes ein heimlich Lob im Ver- borgenen erwecket haben, welches erſt in der Ewigkeit ausgebrochen ſeyn wird: Wir leben leyder! nicht zu Salomons Zeiten, da die Erde vom Loben und Dancken ergellete, ſondern ſind wiedergekom- mene, ſo nach ihrer Gefaͤngnuß ſtincken und Malzeichen von ihren getragenen ſchweren Kettenen haben, dazu des Weinens an denen Waſſer-Fluͤſſen Babylons gewohnt ſind. Klag uͤber die Ver- derbnuß der heuti- gen Welt in dieſem Stuͤcke, §. 4. Was alſo unſere heutige Muſicanten betrifft, ſo iſt gewiß, daß es bey vielen nur einen fleiſchlichen Kuͤtzel der aͤuſſeren Sin- nen iſt mit lieblichen Thoͤnen der anmuthigen Melodeyen, und daß es wohl nicht bey allen eine lebendige, Goͤttliche Bewegung der ſieben Geiſter GOttes iſt in uͤberſchwencklichem Genuß des Evange- liums und uͤbernatuͤrlichen Regung des Lebens Chriſti in ihnen aus dem Vatter. inſonder- heit der Muſican- ten. §. 5. Ach daß wir nur jetzt, ehe die Seelen-Krafft voͤllig erſchwachet und der Leib noch weniger ein Werckzeug ein nach GOtt ſehnenden Gei- ſtes ſeyn kan, da der Leib ſeine Munterkeit und die Seele ihre Leb- hafftigkeit voͤllig verlohren und der arme, verſaumte Menſch dasje- nige nicht mehr ins Werck ſetzen kan, was er ehemahls nicht wollte, da er noch koͤnnte, wodurch er ſich der unausſprechlichen Suͤßigkeit des Goͤttlichen Lobs beraubet, indem er ſich dem Streit entzogen, und nicht alle Leibs- und Gemuͤths-Kraͤfften daran geſtrecket Chriſtum JEſum zu eſſen um durch ſolch Geheimniß-reiches Eſſen ſein herr- lich Wunder-Leben in ſich zu empfahen, mithin ein Lob-klingender Nach- Ermah- nung daß man das Lobe GOttes a Eph. V. 19.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1079. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1175>, abgerufen am 21.11.2024.