Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Lebens-Mahlzeit.
oder wenig mehr einzusaugen, und dem edelen Bäumlein mitzuthei-
len vermögen, biß zuletzt alles gar erstirbet, Früchte und Blätter zu-
ruck bleiben und die gäntzliche Verdorrung erfolget; wann nun ein
solches seinem Verderben nahe gewordenes Gewächs, dessen Blät-
ter bereits gelb, die Früchte welck und eingeschmurret, die Zweige
verderret; wieder safftig und frisch wird, grunet und lebet, so sagt
man gleich, diese Verwandlung ist geschehen durch die edle Kunst ei-
nes weisen Gärtners, sonderlich wann das ersterbende Bäumlein den
Gärtner mit Geschrey und Träuen, eben wie die Seele gegen ihrem
JEsu thut, darum ersucht hätte.

Ein sol-
cher Gärt-
ner ist
JEsus.

§. 4. Schließlich ist ein solcher Gärtner in verum natura: niemand
siehet einen Fürstlichen Lust-Garten, daß er nicht gleich gedencke, das
seye an diesem wüsten, wilden Ort nicht so ohngefehr entstanden; Wa-
rum solten wir dann nicht glauben GOttes Sohn seye in die Welt
kommen und komme noch täglich in diese und jene Gegend, wann wir
himmlisch-gesinnte unter irrdischen, gedultige unter häßigen und nei-
digen, heilige unter wollüstigen, erleuchtete unter einem blind-ge-
bohrnen Volck, gereinigte und gesunde Seelen in einem Siechen-
Hauß antreffen, demüthige und abgeschiedene unter Gelt- und Ehr-
süchtigen; da ist eine Veränderung, dieses kan niemand als GOtt
im Fleisch geoffenbahret angefangen und vorgenommen haben. O ja,
JEsus ist gekommen und hat diese unflätige, stinckende und unfrucht-
bare Gegend heimgesucht, mit seinen Füssen durchwandlet, den Ver-
lohrnen nachgegangen, das Mühseelige und Elende aufgesucht; hat
mit dem Satan gekämpffet, seine hohe GOttes Gewalt unter der
armen Gestalt des sündlichen Fleisches verborgen, die Feind gefan-
gen genommen, die Einöde der menschlichen Natur mit seinem Blut
und heiligen Geist bedünget und durch die Canäle der Verkündigung
des Evangeliums in alle Welt ausgetheilet und nach dem er alles wol
eingerichtet, nach dem Gebot, so er von GOtt dem Vatter empfan-
gen, ist er wiederum hinauf gefahren in den Himmel, und hat bey sei-
ner Hinfahrt den Seegen ausgesprochen über das verwüstete Erdreich
und verhergete Land unserer Hertzen, in dem er seinem Evangelio viel
Heils-Krafft angewünscht, seine Hand über seine Jünger aufgeha-
ben und sie geseegnet, daß GOtt sie bedecke mit dem Schatten seiner
Hand und sein Wort in ihren Mund lege, damit der Himmel gepflan-

tzet

Lebens-Mahlzeit.
oder wenig mehr einzuſaugen, und dem edelen Baͤumlein mitzuthei-
len vermoͤgen, biß zuletzt alles gar erſtirbet, Fruͤchte und Blaͤtter zu-
ruck bleiben und die gaͤntzliche Verdorrung erfolget; wann nun ein
ſolches ſeinem Verderben nahe gewordenes Gewaͤchs, deſſen Blaͤt-
ter bereits gelb, die Fruͤchte welck und eingeſchmurret, die Zweige
verderret; wieder ſafftig und friſch wird, grunet und lebet, ſo ſagt
man gleich, dieſe Verwandlung iſt geſchehen durch die edle Kunſt ei-
nes weiſen Gaͤrtners, ſonderlich wann das erſterbende Baͤumlein den
Gaͤrtner mit Geſchrey und Traͤuen, eben wie die Seele gegen ihrem
JEſu thut, darum erſucht haͤtte.

Ein ſol-
cher Gaͤrt-
ner iſt
JEſus.

§. 4. Schließlich iſt ein ſolcher Gaͤrtner in verum naturâ: niemand
ſiehet einen Fuͤrſtlichen Luſt-Garten, daß er nicht gleich gedencke, das
ſeye an dieſem wuͤſten, wilden Ort nicht ſo ohngefehr entſtanden; Wa-
rum ſolten wir dann nicht glauben GOttes Sohn ſeye in die Welt
kommen und komme noch taͤglich in dieſe und jene Gegend, wann wir
himmliſch-geſinnte unter irrdiſchen, gedultige unter haͤßigen und nei-
digen, heilige unter wolluͤſtigen, erleuchtete unter einem blind-ge-
bohrnen Volck, gereinigte und geſunde Seelen in einem Siechen-
Hauß antreffen, demuͤthige und abgeſchiedene unter Gelt- und Ehr-
ſuͤchtigen; da iſt eine Veraͤnderung, dieſes kan niemand als GOtt
im Fleiſch geoffenbahret angefangen und vorgenommen haben. O ja,
JEſus iſt gekommen und hat dieſe unflaͤtige, ſtinckende und unfrucht-
bare Gegend heimgeſucht, mit ſeinen Fuͤſſen durchwandlet, den Ver-
lohrnen nachgegangen, das Muͤhſeelige und Elende aufgeſucht; hat
mit dem Satan gekaͤmpffet, ſeine hohe GOttes Gewalt unter der
armen Geſtalt des ſuͤndlichen Fleiſches verborgen, die Feind gefan-
gen genommen, die Einoͤde der menſchlichen Natur mit ſeinem Blut
und heiligen Geiſt beduͤnget und durch die Canaͤle der Verkuͤndigung
des Evangeliums in alle Welt ausgetheilet und nach dem er alles wol
eingerichtet, nach dem Gebot, ſo er von GOtt dem Vatter empfan-
gen, iſt er wiederum hinauf gefahren in den Himmel, und hat bey ſei-
ner Hinfahrt den Seegen ausgeſprochen uͤber das verwuͤſtete Erdreich
und verhergete Land unſerer Hertzen, in dem er ſeinem Evangelio viel
Heils-Krafft angewuͤnſcht, ſeine Hand uͤber ſeine Juͤnger aufgeha-
ben und ſie geſeegnet, daß GOtt ſie bedecke mit dem Schatten ſeiner
Hand und ſein Wort in ihren Mund lege, damit der Himmel gepflan-

tzet
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1142" n="1046"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Lebens-Mahlzeit.</hi></fw><lb/>
oder wenig mehr einzu&#x017F;augen, und dem edelen Ba&#x0364;umlein mitzuthei-<lb/>
len vermo&#x0364;gen, biß zuletzt alles gar er&#x017F;tirbet, Fru&#x0364;chte und Bla&#x0364;tter zu-<lb/>
ruck bleiben und die ga&#x0364;ntzliche Verdorrung erfolget; wann nun ein<lb/>
&#x017F;olches &#x017F;einem Verderben nahe gewordenes Gewa&#x0364;chs, de&#x017F;&#x017F;en Bla&#x0364;t-<lb/>
ter bereits gelb, die Fru&#x0364;chte welck und einge&#x017F;chmurret, die Zweige<lb/>
verderret; wieder &#x017F;afftig und fri&#x017F;ch wird, grunet und lebet, &#x017F;o &#x017F;agt<lb/>
man gleich, die&#x017F;e Verwandlung i&#x017F;t ge&#x017F;chehen durch die edle Kun&#x017F;t ei-<lb/>
nes wei&#x017F;en Ga&#x0364;rtners, &#x017F;onderlich wann das er&#x017F;terbende Ba&#x0364;umlein den<lb/>
Ga&#x0364;rtner mit Ge&#x017F;chrey und Tra&#x0364;uen, eben wie die Seele gegen ihrem<lb/>
JE&#x017F;u thut, darum er&#x017F;ucht ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <note place="left">Ein &#x017F;ol-<lb/>
cher Ga&#x0364;rt-<lb/>
ner i&#x017F;t<lb/>
JE&#x017F;us.</note>
          <p>§. 4. Schließlich i&#x017F;t ein &#x017F;olcher Ga&#x0364;rtner in <hi rendition="#aq">verum naturâ:</hi> niemand<lb/>
&#x017F;iehet einen Fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Lu&#x017F;t-Garten, daß er nicht gleich gedencke, das<lb/>
&#x017F;eye an die&#x017F;em wu&#x0364;&#x017F;ten, wilden Ort nicht &#x017F;o ohngefehr ent&#x017F;tanden; Wa-<lb/>
rum &#x017F;olten wir dann nicht glauben GOttes Sohn &#x017F;eye in die Welt<lb/>
kommen und komme noch ta&#x0364;glich in die&#x017F;e und jene Gegend, wann wir<lb/>
himmli&#x017F;ch-ge&#x017F;innte unter irrdi&#x017F;chen, gedultige unter ha&#x0364;ßigen und nei-<lb/>
digen, heilige unter wollu&#x0364;&#x017F;tigen, erleuchtete unter einem blind-ge-<lb/>
bohrnen Volck, gereinigte und ge&#x017F;unde Seelen in einem Siechen-<lb/>
Hauß antreffen, demu&#x0364;thige und abge&#x017F;chiedene unter Gelt- und Ehr-<lb/>
&#x017F;u&#x0364;chtigen; da i&#x017F;t eine Vera&#x0364;nderung, die&#x017F;es kan niemand als GOtt<lb/>
im Flei&#x017F;ch geoffenbahret angefangen und vorgenommen haben. O ja,<lb/>
JE&#x017F;us i&#x017F;t gekommen und hat die&#x017F;e unfla&#x0364;tige, &#x017F;tinckende und unfrucht-<lb/>
bare Gegend heimge&#x017F;ucht, mit &#x017F;einen Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en durchwandlet, den Ver-<lb/>
lohrnen nachgegangen, das Mu&#x0364;h&#x017F;eelige und Elende aufge&#x017F;ucht; hat<lb/>
mit dem Satan geka&#x0364;mpffet, &#x017F;eine hohe GOttes Gewalt unter der<lb/>
armen Ge&#x017F;talt des &#x017F;u&#x0364;ndlichen Flei&#x017F;ches verborgen, die Feind gefan-<lb/>
gen genommen, die Eino&#x0364;de der men&#x017F;chlichen Natur mit &#x017F;einem Blut<lb/>
und heiligen Gei&#x017F;t bedu&#x0364;nget und durch die Cana&#x0364;le der Verku&#x0364;ndigung<lb/>
des Evangeliums in alle Welt ausgetheilet und nach dem er alles wol<lb/>
eingerichtet, nach dem Gebot, &#x017F;o er von GOtt dem Vatter empfan-<lb/>
gen, i&#x017F;t er wiederum hinauf gefahren in den Himmel, und hat bey &#x017F;ei-<lb/>
ner Hinfahrt den Seegen ausge&#x017F;prochen u&#x0364;ber das verwu&#x0364;&#x017F;tete Erdreich<lb/>
und verhergete Land un&#x017F;erer Hertzen, in dem er &#x017F;einem Evangelio viel<lb/>
Heils-Krafft angewu&#x0364;n&#x017F;cht, &#x017F;eine Hand u&#x0364;ber &#x017F;eine Ju&#x0364;nger aufgeha-<lb/>
ben und &#x017F;ie ge&#x017F;eegnet, daß GOtt &#x017F;ie bedecke mit dem Schatten &#x017F;einer<lb/>
Hand und &#x017F;ein Wort in ihren Mund lege, damit der Himmel gepflan-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tzet</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1046/1142] Lebens-Mahlzeit. oder wenig mehr einzuſaugen, und dem edelen Baͤumlein mitzuthei- len vermoͤgen, biß zuletzt alles gar erſtirbet, Fruͤchte und Blaͤtter zu- ruck bleiben und die gaͤntzliche Verdorrung erfolget; wann nun ein ſolches ſeinem Verderben nahe gewordenes Gewaͤchs, deſſen Blaͤt- ter bereits gelb, die Fruͤchte welck und eingeſchmurret, die Zweige verderret; wieder ſafftig und friſch wird, grunet und lebet, ſo ſagt man gleich, dieſe Verwandlung iſt geſchehen durch die edle Kunſt ei- nes weiſen Gaͤrtners, ſonderlich wann das erſterbende Baͤumlein den Gaͤrtner mit Geſchrey und Traͤuen, eben wie die Seele gegen ihrem JEſu thut, darum erſucht haͤtte. §. 4. Schließlich iſt ein ſolcher Gaͤrtner in verum naturâ: niemand ſiehet einen Fuͤrſtlichen Luſt-Garten, daß er nicht gleich gedencke, das ſeye an dieſem wuͤſten, wilden Ort nicht ſo ohngefehr entſtanden; Wa- rum ſolten wir dann nicht glauben GOttes Sohn ſeye in die Welt kommen und komme noch taͤglich in dieſe und jene Gegend, wann wir himmliſch-geſinnte unter irrdiſchen, gedultige unter haͤßigen und nei- digen, heilige unter wolluͤſtigen, erleuchtete unter einem blind-ge- bohrnen Volck, gereinigte und geſunde Seelen in einem Siechen- Hauß antreffen, demuͤthige und abgeſchiedene unter Gelt- und Ehr- ſuͤchtigen; da iſt eine Veraͤnderung, dieſes kan niemand als GOtt im Fleiſch geoffenbahret angefangen und vorgenommen haben. O ja, JEſus iſt gekommen und hat dieſe unflaͤtige, ſtinckende und unfrucht- bare Gegend heimgeſucht, mit ſeinen Fuͤſſen durchwandlet, den Ver- lohrnen nachgegangen, das Muͤhſeelige und Elende aufgeſucht; hat mit dem Satan gekaͤmpffet, ſeine hohe GOttes Gewalt unter der armen Geſtalt des ſuͤndlichen Fleiſches verborgen, die Feind gefan- gen genommen, die Einoͤde der menſchlichen Natur mit ſeinem Blut und heiligen Geiſt beduͤnget und durch die Canaͤle der Verkuͤndigung des Evangeliums in alle Welt ausgetheilet und nach dem er alles wol eingerichtet, nach dem Gebot, ſo er von GOtt dem Vatter empfan- gen, iſt er wiederum hinauf gefahren in den Himmel, und hat bey ſei- ner Hinfahrt den Seegen ausgeſprochen uͤber das verwuͤſtete Erdreich und verhergete Land unſerer Hertzen, in dem er ſeinem Evangelio viel Heils-Krafft angewuͤnſcht, ſeine Hand uͤber ſeine Juͤnger aufgeha- ben und ſie geſeegnet, daß GOtt ſie bedecke mit dem Schatten ſeiner Hand und ſein Wort in ihren Mund lege, damit der Himmel gepflan- tzet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1142
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 1046. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1142>, abgerufen am 01.07.2024.