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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Evangelii JESU.
tert wird, daß es heißt: Du hast hier keine bleibende Statt, und
weist nicht, ob du in Jerusalem, die Stadt GOttes eingehen wirst,
es ist keine rechtschaffene Buß, kein wahrer von GOtt gewürckter
Glaube, keine wahre, von dem heiligen Geist fliessende und gewürck-
te Heiligung bey dir; du lauffest mit den bösen Geistern auf dem
breiten Welt-Weg; du kennest JEsum nicht, und hast noch nichts
wesentliches von Jhm genossen, zwar seine Liebe viel von den Predi-
gern rühmen gehöret, aber in der That noch nicht gesehen, noch nicht
geschmecket wie freundlich der liebe Heyland selbsten seye; Er kan
unmöglich mit dir zu frieden seyn, noch viel weniger dein Leben gut
heissen, massen es gantz anderst als sein heiliges und unsträffliches
Leben, ja demselben gantz zuwider ist. Jch habe zwar JEsum biß-
her, wie andere Maul-Christen mit dem Munde bekannt, aber die-
se Bekanntnüß wird mich gewiß wenig nutzen, sondern nur den Zorn
GOttes gegen mich anzünden, der Richter wird mirs verweisen und
sagen: Warum hast du Mich immer HErr HErr geheissen, als ob
es dir sehr angelegen wäre, Mir, als deinem Meister und HErrn
zu gehorchen a, und nach Meinem Willen zu leben, und hast dannoch
nicht gethan, was Jch befohlen.

Darum, du hast hohe Zeit, kehre eilends um, ehe dir der Le-
bens-Faden, sammt der Gnaden-Zeit, abgeschnitten wird. Was
hilfft dir an dem Tag JEsu alles sichtbare, alle Welt-Freud, Lust
und Ergötzlichkeit? Dieses machet dir endlich nichts als Angst und
grosse Quaal; Ach O meine arme Seele! so eile dann und erret-
te dich, GOTT, der freundliche GOTT wird dir auch noch
gnädig seyn, ja, er begehret deiner; Heute, heute kanst du noch
zu JESU kommen. Ach! derowegen, auff, auff, Seele auff, und
verschlaffe eine so grosse Seligkeit nicht, es möchte dich gewiß ewig
gereuen. Mercke auf die Stimme der Trompeten des Allmäch-
tigen, und wende dich zu deinem GOtt, der zu deinem Heil zu dir auf
Erden kommen ist, der dir so freundlich zurufft, dich so liebreich locket.

§. 10. Wann, sage ich, das Hertz des Menschen so ein wenigDurch fal-
sche Vor-
stellungen
als da ist
der Vor-
theil den
die Welt.

von der Gnaden-Sonne angeschienen wird, ach! da sehnet sich der
Geist nach der Einsamkeit, da er genug betten könne, und wolte
gern aus der unleidenlich- und erschrecklichen Tyranney des höllischen
Pharaons von dem so unfruchtbaren Krafft- und Geist, aus saugendem

Welt-
a Luc. VI. 46.
B 2

Evangelii JESU.
tert wird, daß es heißt: Du haſt hier keine bleibende Statt, und
weiſt nicht, ob du in Jeruſalem, die Stadt GOttes eingehen wirſt,
es iſt keine rechtſchaffene Buß, kein wahrer von GOtt gewuͤrckter
Glaube, keine wahre, von dem heiligen Geiſt flieſſende und gewuͤrck-
te Heiligung bey dir; du lauffeſt mit den boͤſen Geiſtern auf dem
breiten Welt-Weg; du kenneſt JEſum nicht, und haſt noch nichts
weſentliches von Jhm genoſſen, zwar ſeine Liebe viel von den Predi-
gern ruͤhmen gehoͤret, aber in der That noch nicht geſehen, noch nicht
geſchmecket wie freundlich der liebe Heyland ſelbſten ſeye; Er kan
unmoͤglich mit dir zu frieden ſeyn, noch viel weniger dein Leben gut
heiſſen, maſſen es gantz anderſt als ſein heiliges und unſtraͤffliches
Leben, ja demſelben gantz zuwider iſt. Jch habe zwar JEſum biß-
her, wie andere Maul-Chriſten mit dem Munde bekannt, aber die-
ſe Bekanntnuͤß wird mich gewiß wenig nutzen, ſondern nur den Zorn
GOttes gegen mich anzuͤnden, der Richter wird mirs verweiſen und
ſagen: Warum haſt du Mich immer HErr HErr geheiſſen, als ob
es dir ſehr angelegen waͤre, Mir, als deinem Meiſter und HErrn
zu gehorchen a, und nach Meinem Willen zu leben, und haſt dannoch
nicht gethan, was Jch befohlen.

Darum, du haſt hohe Zeit, kehre eilends um, ehe dir der Le-
bens-Faden, ſammt der Gnaden-Zeit, abgeſchnitten wird. Was
hilfft dir an dem Tag JEſu alles ſichtbare, alle Welt-Freud, Luſt
und Ergoͤtzlichkeit? Dieſes machet dir endlich nichts als Angſt und
groſſe Quaal; Ach O meine arme Seele! ſo eile dann und erret-
te dich, GOTT, der freundliche GOTT wird dir auch noch
gnaͤdig ſeyn, ja, er begehret deiner; Heute, heute kanſt du noch
zu JESU kommen. Ach! derowegen, auff, auff, Seele auff, und
verſchlaffe eine ſo groſſe Seligkeit nicht, es moͤchte dich gewiß ewig
gereuen. Mercke auf die Stimme der Trompeten des Allmaͤch-
tigen, und wende dich zu deinem GOtt, der zu deinem Heil zu dir auf
Erden kommen iſt, der dir ſo freundlich zurufft, dich ſo liebreich locket.

§. 10. Wann, ſage ich, das Hertz des Menſchen ſo ein wenigDurch fal-
ſche Vor-
ſtellungen
als da iſt
der Vor-
theil den
die Welt.

von der Gnaden-Sonne angeſchienen wird, ach! da ſehnet ſich der
Geiſt nach der Einſamkeit, da er genug betten koͤnne, und wolte
gern aus der unleidenlich- und erſchrecklichen Tyranney des hoͤlliſchen
Pharaons von dem ſo unfruchtbaren Krafft- und Geiſt, aus ſaugendem

Welt-
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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/107>, abgerufen am 24.11.2024.