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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der verheissene
übersteigendes; da hat sich sein Glaub hoch empor geschwungen, und
ist durch eine Hertz-rührende Macht und Gewalt GOttes ausgebro-
chen als eine himmlische Blum und göttliche Frucht, eben darum
heisset es erst hier: und Abraham glaubete GOTT und das ist ihm
zur Gerechtigkeit gerechnet worden, sintemahl das die Weise ist der
biblischen Historien-Schreiber, daß sie die Sache erst alsdann ge-
schehen zu seyn melden, wann sie zu ihrem reiffen Ausbruch gekom-
men, dadurch sie vor denen Menschen scheinbar worden: Also kan
einer wohl vor GOTT gerechtfertiget seyn, daß es die Leute einem
nicht ansehen können, sonderlich wann man einer ungeordneten Le-
bens-Art gewohnt, oder heimliche Bekümmernussen hat, oder zum
Neid, Haß, Geitz hefftig versucht wird, oder sonst sich noch mit
mancherley Verderbnussen zu schleppen hat, wann aber der Glaub
zu solchen Kräfften kommt, daß er diß alles bessert, heilet, besie-
get, wegnimmt, also daß die Aenderung offenbarlich verspürt wird,
alsdann setzt es der Geschicht-Schreiber in sein Buch, und sagt:
Der Mensch hat zu der Zeit, an dem Tag geglaubt,
und ist gerecht gesprochen worden
a.

und GOtt
ihn die
süssesten
Früchten
desselben
erst recht
zu kosten
gegeben.

§. 4. Freylich hat Abraham vielleicht vorhin sein Lebtag nie so
frölich ausgesehen, als dazumahl, daß, wann ihm Moses an dem
Tag begegnet wäre, so hätte er ihne gewiß und eigentlich gefragt:
Ey Vatter Abraham was ist dir doch begegnet? Es leuchtet solch
eine helle, grosse Freud aus deinen Augen, du bist gewiß genug ge-
rechtfertiget worden, ich wüßte sonst nichts, was deiner lauteren
Seel so grosse Freud machen könnte, es muß es ihm auch das Hauß-
Gesind angemerckt, und zusammen gesagt haben, was ist doch un-
serem Herren widerfahren, wir haben ihn noch nie so hertzlich, de-
müthig, so über die Massen liebreich, so vergnügt, so freudigen,
Liecht-vollen Wesens, daneben so ernsthafft und andächtig gesehen,
wie jetzt! auch nahme sich Abraham des Zeitlichen je länger je we-
niger an, er hatte genug zu thun, den ihme gezeigten hohen Schatz
zu besichtigen und zu bewahren, sich unter den ihme geschenckten
Baum der Gerechtigkeit JEsus aufzuhalten, niederzusetzen, und sich
an dessen nunmehr vor ihne bereits reiff gewordenen Früchten zu er-
quicken, zu der Zeit fienge GOtt an viel empfindlicher sein Schilt,

hinter
a Joh. II. 11.

Der verheiſſene
uͤberſteigendes; da hat ſich ſein Glaub hoch empor geſchwungen, und
iſt durch eine Hertz-ruͤhrende Macht und Gewalt GOttes ausgebro-
chen als eine himmliſche Blum und goͤttliche Frucht, eben darum
heiſſet es erſt hier: und Abraham glaubete GOTT und das iſt ihm
zur Gerechtigkeit gerechnet worden, ſintemahl das die Weiſe iſt der
bibliſchen Hiſtorien-Schreiber, daß ſie die Sache erſt alsdann ge-
ſchehen zu ſeyn melden, wann ſie zu ihrem reiffen Ausbruch gekom-
men, dadurch ſie vor denen Menſchen ſcheinbar worden: Alſo kan
einer wohl vor GOTT gerechtfertiget ſeyn, daß es die Leute einem
nicht anſehen koͤnnen, ſonderlich wann man einer ungeordneten Le-
bens-Art gewohnt, oder heimliche Bekuͤmmernuſſen hat, oder zum
Neid, Haß, Geitz hefftig verſucht wird, oder ſonſt ſich noch mit
mancherley Verderbnuſſen zu ſchleppen hat, wann aber der Glaub
zu ſolchen Kraͤfften kommt, daß er diß alles beſſert, heilet, beſie-
get, wegnimmt, alſo daß die Aenderung offenbarlich verſpuͤrt wird,
alsdann ſetzt es der Geſchicht-Schreiber in ſein Buch, und ſagt:
Der Menſch hat zu der Zeit, an dem Tag geglaubt,
und iſt gerecht geſprochen worden
a.

und GOtt
ihn die
ſuͤſſeſten
Fruͤchten
deſſelben
erſt recht
zu koſten
gegeben.

§. 4. Freylich hat Abraham vielleicht vorhin ſein Lebtag nie ſo
froͤlich ausgeſehen, als dazumahl, daß, wann ihm Moſes an dem
Tag begegnet waͤre, ſo haͤtte er ihne gewiß und eigentlich gefragt:
Ey Vatter Abraham was iſt dir doch begegnet? Es leuchtet ſolch
eine helle, groſſe Freud aus deinen Augen, du biſt gewiß genug ge-
rechtfertiget worden, ich wuͤßte ſonſt nichts, was deiner lauteren
Seel ſo groſſe Freud machen koͤnnte, es muß es ihm auch das Hauß-
Geſind angemerckt, und zuſammen geſagt haben, was iſt doch un-
ſerem Herren widerfahren, wir haben ihn noch nie ſo hertzlich, de-
muͤthig, ſo uͤber die Maſſen liebreich, ſo vergnuͤgt, ſo freudigen,
Liecht-vollen Weſens, daneben ſo ernſthafft und andaͤchtig geſehen,
wie jetzt! auch nahme ſich Abraham des Zeitlichen je laͤnger je we-
niger an, er hatte genug zu thun, den ihme gezeigten hohen Schatz
zu beſichtigen und zu bewahren, ſich unter den ihme geſchenckten
Baum der Gerechtigkeit JEſus aufzuhalten, niederzuſetzen, und ſich
an deſſen nunmehr vor ihne bereits reiff gewordenen Fruͤchten zu er-
quicken, zu der Zeit fienge GOtt an viel empfindlicher ſein Schilt,

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a Joh. II. 11.
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[962/1058] Der verheiſſene uͤberſteigendes; da hat ſich ſein Glaub hoch empor geſchwungen, und iſt durch eine Hertz-ruͤhrende Macht und Gewalt GOttes ausgebro- chen als eine himmliſche Blum und goͤttliche Frucht, eben darum heiſſet es erſt hier: und Abraham glaubete GOTT und das iſt ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden, ſintemahl das die Weiſe iſt der bibliſchen Hiſtorien-Schreiber, daß ſie die Sache erſt alsdann ge- ſchehen zu ſeyn melden, wann ſie zu ihrem reiffen Ausbruch gekom- men, dadurch ſie vor denen Menſchen ſcheinbar worden: Alſo kan einer wohl vor GOTT gerechtfertiget ſeyn, daß es die Leute einem nicht anſehen koͤnnen, ſonderlich wann man einer ungeordneten Le- bens-Art gewohnt, oder heimliche Bekuͤmmernuſſen hat, oder zum Neid, Haß, Geitz hefftig verſucht wird, oder ſonſt ſich noch mit mancherley Verderbnuſſen zu ſchleppen hat, wann aber der Glaub zu ſolchen Kraͤfften kommt, daß er diß alles beſſert, heilet, beſie- get, wegnimmt, alſo daß die Aenderung offenbarlich verſpuͤrt wird, alsdann ſetzt es der Geſchicht-Schreiber in ſein Buch, und ſagt: Der Menſch hat zu der Zeit, an dem Tag geglaubt, und iſt gerecht geſprochen worden a. §. 4. Freylich hat Abraham vielleicht vorhin ſein Lebtag nie ſo froͤlich ausgeſehen, als dazumahl, daß, wann ihm Moſes an dem Tag begegnet waͤre, ſo haͤtte er ihne gewiß und eigentlich gefragt: Ey Vatter Abraham was iſt dir doch begegnet? Es leuchtet ſolch eine helle, groſſe Freud aus deinen Augen, du biſt gewiß genug ge- rechtfertiget worden, ich wuͤßte ſonſt nichts, was deiner lauteren Seel ſo groſſe Freud machen koͤnnte, es muß es ihm auch das Hauß- Geſind angemerckt, und zuſammen geſagt haben, was iſt doch un- ſerem Herren widerfahren, wir haben ihn noch nie ſo hertzlich, de- muͤthig, ſo uͤber die Maſſen liebreich, ſo vergnuͤgt, ſo freudigen, Liecht-vollen Weſens, daneben ſo ernſthafft und andaͤchtig geſehen, wie jetzt! auch nahme ſich Abraham des Zeitlichen je laͤnger je we- niger an, er hatte genug zu thun, den ihme gezeigten hohen Schatz zu beſichtigen und zu bewahren, ſich unter den ihme geſchenckten Baum der Gerechtigkeit JEſus aufzuhalten, niederzuſetzen, und ſich an deſſen nunmehr vor ihne bereits reiff gewordenen Fruͤchten zu er- quicken, zu der Zeit fienge GOtt an viel empfindlicher ſein Schilt, hinter a Joh. II. 11.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 962. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1058>, abgerufen am 13.06.2024.