kein Feind angreifft, aber wie kan gar bald ein geringe Sach uns in Unordnung bringen, und die Ruh mächtig stöhren, es braucht sich nicht viel, nur etwan ein absurde, abgeschmackte Red, oder ungereimtes Verhalten gegen uns, eines halb-vernünfftigen, einbildisch-witzigen Menschen (Niais) vermag uns zu rütlen, ins Ungreiß zu bringen, häßig und verdrießlich zu machen: Wie vieles stehet uns dann noch zu er- ringen und zu überwinden vor, ehe wir unter die ruhige, stille Sternen, stäts zu GOtt eingekehrte und seinem H. Geist gantz gelassene Seelen versetzt werden können, welche die widersinnigsten, unbillichsten, unver- nünfftigsten Begegnussen, ohne einige Gemüths-Verstöhrung mit sanfftmüthigem Geist in unbetrübter, demüthiger Liebe an andern bes- seren können, ohne einigen Schaden zu leyden an ihrem Ruhe-vollen, innwendigen Liebe-Leben, ja vielmehr mit grossem Vortheil des Reichs GOttes in sich und andern, und mit reicher Vermehrung der Ge- rechtigkeit, des Friedens und der Freude im H. Geist, eben gerad wie die Sonn (so auch ein Stern, aber weit näher bey uns) mit ihrem stillen, ruhigen, sanfften Schein ohne einige Entrüstung, so wohl das Unkraut, Geschmeiß, Ungezieffer als die schöne Gewächse anzeiget: So lange du nun nicht in der Unzerstörlichkeit des sanfftmüthigen, stillen, für GOTT köstlichen Geistes alle Fehler, thorrechte Unge- reimtheiten, ja Schalck- und Boßheiten deines Nächsten ihme vor- halten, ahnden und verbessern kanst, so rühme dich noch nicht ein Stern zu seyn, der alleweil dem Zug und Leitung des H. Geistes in der göttlichen Lauffbahn folge, welches dann eine andere Eigenschafft ist, Jn Anse- hung ih- rer Be- wegung.so uns hier weiters an den Sternen zu betrachten vorkommt: Nemlich
§. 11. Die Bewegung, zumahl nichts lebendigers und geschäfftigers ist, als das himmlische Feuer und Wasser, von jenem sagt die Sulamit, sie seye starck wie der Tod a, und hart wie die Hölle, von diesem beken- Christen sind in ei- ner im- mer- währen- den Be- wegung das Reich Christi bey sich und andern auszubrei- ten,net Jgnatius, das Wasser des Lebens, das in mir ist, spricht stetiglich zu mir, komme zum Vatter: Also daß je mehr ein Mensch der göttli- chen Ruh, der stillen Ewigkeit nahet, je würcksamer ist auch das Leben, so ihn überall erfüllet, daß es wohl heissen mag:
Est Deus in nobis agitante calescimus illo.
§. 12. Es entspringe nun diese höchst-schnelle und uns unbegreiffli- che Bewegung der Sternen von dem blossen Willen des Schöpfers unmittelbar, wie es mir am einfältigsten und glaubwürdigsten vor-
kommt;
aCant. VIII. 6.
Der verheiſſene
kein Feind angreifft, aber wie kan gar bald ein geringe Sach uns in Unordnung bringen, und die Ruh maͤchtig ſtoͤhren, es braucht ſich nicht viel, nur etwan ein abſurde, abgeſchmackte Red, oder ungereimtes Verhalten gegen uns, eines halb-vernuͤnfftigen, einbildiſch-witzigen Menſchen (Niais) vermag uns zu ruͤtlen, ins Ungreiß zu bringen, haͤßig und verdrießlich zu machen: Wie vieles ſtehet uns dann noch zu er- ringen und zu uͤberwinden vor, ehe wir unter die ruhige, ſtille Sternen, ſtaͤts zu GOtt eingekehrte und ſeinem H. Geiſt gantz gelaſſene Seelen verſetzt werden koͤnnen, welche die widerſinnigſten, unbillichſten, unver- nuͤnfftigſten Begegnuſſen, ohne einige Gemuͤths-Verſtoͤhrung mit ſanfftmuͤthigem Geiſt in unbetruͤbter, demuͤthiger Liebe an andern beſ- ſeren koͤnnen, ohne einigen Schaden zu leyden an ihrem Ruhe-vollen, innwendigen Liebe-Leben, ja vielmehr mit groſſem Vortheil des Reichs GOttes in ſich und andern, und mit reicher Vermehrung der Ge- rechtigkeit, des Friedens und der Freude im H. Geiſt, eben gerad wie die Sonn (ſo auch ein Stern, aber weit naͤher bey uns) mit ihrem ſtillen, ruhigen, ſanfften Schein ohne einige Entruͤſtung, ſo wohl das Unkraut, Geſchmeiß, Ungezieffer als die ſchoͤne Gewaͤchſe anzeiget: So lange du nun nicht in der Unzerſtoͤrlichkeit des ſanfftmuͤthigen, ſtillen, fuͤr GOTT koͤſtlichen Geiſtes alle Fehler, thorrechte Unge- reimtheiten, ja Schalck- und Boßheiten deines Naͤchſten ihme vor- halten, ahnden und verbeſſern kanſt, ſo ruͤhme dich noch nicht ein Stern zu ſeyn, der alleweil dem Zug und Leitung des H. Geiſtes in der goͤttlichen Lauffbahn folge, welches dann eine andere Eigenſchafft iſt, Jn Anſe- hung ih- rer Be- wegung.ſo uns hier weiters an den Sternen zu betrachten vorkommt: Nemlich
§. 11. Die Bewegung, zumahl nichts lebendigers und geſchaͤfftigers iſt, als das himmliſche Feuer und Waſſer, von jenem ſagt die Sulamit, ſie ſeye ſtarck wie der Tod a, und hart wie die Hoͤlle, von dieſem beken- Chriſten ſind in ei- ner im- mer- waͤhren- den Be- wegung das Reich Chriſti bey ſich und andern auszubrei- ten,net Jgnatius, das Waſſer des Lebens, das in mir iſt, ſpricht ſtetiglich zu mir, komme zum Vatter: Alſo daß je mehr ein Menſch der goͤttli- chen Ruh, der ſtillen Ewigkeit nahet, je wuͤrckſamer iſt auch das Leben, ſo ihn uͤberall erfuͤllet, daß es wohl heiſſen mag:
Eſt Deus in nobis agitante caleſcimus illô.
§. 12. Es entſpringe nun dieſe hoͤchſt-ſchnelle und uns unbegreiffli- che Bewegung der Sternen von dem bloſſen Willen des Schoͤpfers unmittelbar, wie es mir am einfaͤltigſten und glaubwuͤrdigſten vor-
kommt;
aCant. VIII. 6.
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Der verheiſſene
kein Feind angreifft, aber wie kan gar bald ein geringe Sach uns in
Unordnung bringen, und die Ruh maͤchtig ſtoͤhren, es braucht ſich nicht
viel, nur etwan ein abſurde, abgeſchmackte Red, oder ungereimtes
Verhalten gegen uns, eines halb-vernuͤnfftigen, einbildiſch-witzigen
Menſchen (Niais) vermag uns zu ruͤtlen, ins Ungreiß zu bringen, haͤßig
und verdrießlich zu machen: Wie vieles ſtehet uns dann noch zu er-
ringen und zu uͤberwinden vor, ehe wir unter die ruhige, ſtille Sternen,
ſtaͤts zu GOtt eingekehrte und ſeinem H. Geiſt gantz gelaſſene Seelen
verſetzt werden koͤnnen, welche die widerſinnigſten, unbillichſten, unver-
nuͤnfftigſten Begegnuſſen, ohne einige Gemuͤths-Verſtoͤhrung mit
ſanfftmuͤthigem Geiſt in unbetruͤbter, demuͤthiger Liebe an andern beſ-
ſeren koͤnnen, ohne einigen Schaden zu leyden an ihrem Ruhe-vollen,
innwendigen Liebe-Leben, ja vielmehr mit groſſem Vortheil des Reichs
GOttes in ſich und andern, und mit reicher Vermehrung der Ge-
rechtigkeit, des Friedens und der Freude im H. Geiſt, eben gerad
wie die Sonn (ſo auch ein Stern, aber weit naͤher bey uns) mit ihrem
ſtillen, ruhigen, ſanfften Schein ohne einige Entruͤſtung, ſo wohl das
Unkraut, Geſchmeiß, Ungezieffer als die ſchoͤne Gewaͤchſe anzeiget:
So lange du nun nicht in der Unzerſtoͤrlichkeit des ſanfftmuͤthigen,
ſtillen, fuͤr GOTT koͤſtlichen Geiſtes alle Fehler, thorrechte Unge-
reimtheiten, ja Schalck- und Boßheiten deines Naͤchſten ihme vor-
halten, ahnden und verbeſſern kanſt, ſo ruͤhme dich noch nicht ein
Stern zu ſeyn, der alleweil dem Zug und Leitung des H. Geiſtes in der
goͤttlichen Lauffbahn folge, welches dann eine andere Eigenſchafft iſt,
ſo uns hier weiters an den Sternen zu betrachten vorkommt: Nemlich
Jn Anſe-
hung ih-
rer Be-
wegung.
§. 11. Die Bewegung, zumahl nichts lebendigers und geſchaͤfftigers
iſt, als das himmliſche Feuer und Waſſer, von jenem ſagt die Sulamit,
ſie ſeye ſtarck wie der Tod a, und hart wie die Hoͤlle, von dieſem beken-
net Jgnatius, das Waſſer des Lebens, das in mir iſt, ſpricht ſtetiglich
zu mir, komme zum Vatter: Alſo daß je mehr ein Menſch der goͤttli-
chen Ruh, der ſtillen Ewigkeit nahet, je wuͤrckſamer iſt auch das Leben,
ſo ihn uͤberall erfuͤllet, daß es wohl heiſſen mag:
Chriſten
ſind in ei-
ner im-
mer-
waͤhren-
den Be-
wegung
das Reich
Chriſti bey
ſich und
andern
auszubrei-
ten,
Eſt Deus in nobis agitante caleſcimus illô.
§. 12. Es entſpringe nun dieſe hoͤchſt-ſchnelle und uns unbegreiffli-
che Bewegung der Sternen von dem bloſſen Willen des Schoͤpfers
unmittelbar, wie es mir am einfaͤltigſten und glaubwuͤrdigſten vor-
kommt;
a Cant. VIII. 6.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 938. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/1034>, abgerufen am 22.11.2024.
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