Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.haben, bezüglich der Freifrau von Börte, wußte, so setzte ich mich auch keiner Beschämung aus, wenn es mißlang. Der Plan diente also nur dazu, meinen winterlichen Spaziergang noch durch den Reiz der Phantasie zu würzen. Es ging ein tüchtiger Sturmwind, als ich in der dritten Woche des Decembers dem Gemeindewirthshaus des Gebirges zusteuerte. Es war in diesem Winter noch wenig Schnee gefallen, sonst hätte ich auch schwerlich so bequem bis zu dem hochgelegenen Orte Vordringen können. Allein an diesem Tage versuchte der Wind vergebens, wie es schien, dichte, graue Schneewolken auseinanderzujagen. Er hinderte sie nur im Verein mit der Kälte, ihre Flocken fallen zu lassen. II. Wer kein Neuling ist in den Dörfern, weiß auch in einer ihm noch neuen Gegend bald, was er zu thun hat, damit sein Erscheinen in städtischem Gewand und zu einer Zeit des allseitigen Heimbleibens nicht in allzubelästigendem Grade die glotzende Neugier der im Winter fast müßigen Bauern und das blöde Anlächeln ihrer Weiber errege. Meistens genügt es, mit dem Wirthe Freund zu werden. Ich hatte ihm bald einen complicirten Viehhandel deutlich gemacht, der mich angeblich hieherführte, und sobald der Wirth kein Zeichen giebt, daß ihn der winterliche Besuch irgendwie befremde, haben, bezüglich der Freifrau von Börte, wußte, so setzte ich mich auch keiner Beschämung aus, wenn es mißlang. Der Plan diente also nur dazu, meinen winterlichen Spaziergang noch durch den Reiz der Phantasie zu würzen. Es ging ein tüchtiger Sturmwind, als ich in der dritten Woche des Decembers dem Gemeindewirthshaus des Gebirges zusteuerte. Es war in diesem Winter noch wenig Schnee gefallen, sonst hätte ich auch schwerlich so bequem bis zu dem hochgelegenen Orte Vordringen können. Allein an diesem Tage versuchte der Wind vergebens, wie es schien, dichte, graue Schneewolken auseinanderzujagen. Er hinderte sie nur im Verein mit der Kälte, ihre Flocken fallen zu lassen. II. Wer kein Neuling ist in den Dörfern, weiß auch in einer ihm noch neuen Gegend bald, was er zu thun hat, damit sein Erscheinen in städtischem Gewand und zu einer Zeit des allseitigen Heimbleibens nicht in allzubelästigendem Grade die glotzende Neugier der im Winter fast müßigen Bauern und das blöde Anlächeln ihrer Weiber errege. Meistens genügt es, mit dem Wirthe Freund zu werden. Ich hatte ihm bald einen complicirten Viehhandel deutlich gemacht, der mich angeblich hieherführte, und sobald der Wirth kein Zeichen giebt, daß ihn der winterliche Besuch irgendwie befremde, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0010"/> haben, bezüglich der Freifrau von Börte, wußte, so setzte ich mich auch keiner Beschämung aus, wenn es mißlang. Der Plan diente also nur dazu, meinen winterlichen Spaziergang noch durch den Reiz der Phantasie zu würzen.</p><lb/> <p>Es ging ein tüchtiger Sturmwind, als ich in der dritten Woche des Decembers dem Gemeindewirthshaus des Gebirges zusteuerte. Es war in diesem Winter noch wenig Schnee gefallen, sonst hätte ich auch schwerlich so bequem bis zu dem hochgelegenen Orte Vordringen können. Allein an diesem Tage versuchte der Wind vergebens, wie es schien, dichte, graue Schneewolken auseinanderzujagen. Er hinderte sie nur im Verein mit der Kälte, ihre Flocken fallen zu lassen.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="2"> <head>II.</head> <p>Wer kein Neuling ist in den Dörfern, weiß auch in einer ihm noch neuen Gegend bald, was er zu thun hat, damit sein Erscheinen in städtischem Gewand und zu einer Zeit des allseitigen Heimbleibens nicht in allzubelästigendem Grade die glotzende Neugier der im Winter fast müßigen Bauern und das blöde Anlächeln ihrer Weiber errege. Meistens genügt es, mit dem Wirthe Freund zu werden. Ich hatte ihm bald einen complicirten Viehhandel deutlich gemacht, der mich angeblich hieherführte, und sobald der Wirth kein Zeichen giebt, daß ihn der winterliche Besuch irgendwie befremde,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
haben, bezüglich der Freifrau von Börte, wußte, so setzte ich mich auch keiner Beschämung aus, wenn es mißlang. Der Plan diente also nur dazu, meinen winterlichen Spaziergang noch durch den Reiz der Phantasie zu würzen.
Es ging ein tüchtiger Sturmwind, als ich in der dritten Woche des Decembers dem Gemeindewirthshaus des Gebirges zusteuerte. Es war in diesem Winter noch wenig Schnee gefallen, sonst hätte ich auch schwerlich so bequem bis zu dem hochgelegenen Orte Vordringen können. Allein an diesem Tage versuchte der Wind vergebens, wie es schien, dichte, graue Schneewolken auseinanderzujagen. Er hinderte sie nur im Verein mit der Kälte, ihre Flocken fallen zu lassen.
II. Wer kein Neuling ist in den Dörfern, weiß auch in einer ihm noch neuen Gegend bald, was er zu thun hat, damit sein Erscheinen in städtischem Gewand und zu einer Zeit des allseitigen Heimbleibens nicht in allzubelästigendem Grade die glotzende Neugier der im Winter fast müßigen Bauern und das blöde Anlächeln ihrer Weiber errege. Meistens genügt es, mit dem Wirthe Freund zu werden. Ich hatte ihm bald einen complicirten Viehhandel deutlich gemacht, der mich angeblich hieherführte, und sobald der Wirth kein Zeichen giebt, daß ihn der winterliche Besuch irgendwie befremde,
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Zitationshilfe: | Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lorm_fraeulein_1910/10>, abgerufen am 22.07.2024. |