Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Sechstes Buch [Spaltenumbruch]
einfiel/ und den Prusias nicht wenig ins Ge-drange brachte. Die Römischen und Deutschen Gesandten aber vermittelten bald einen Frie- den. Dieser vertiefte den Prusias in allerley Laster; also: daß er auch seinen Kindern anderer Eh zu Liebe seinen zu Rom sich befindenden Sohn Nicomedes zu ermorden beschloß/ wo er nicht vom Rathe die Erlassung der dem Prusias versprochenen fünf hundert Talent erhielte. Der hierzu bestellte Menas aber entdeckte es nicht allein dem Nicomedes; sondern brachte auch ein Theil des Bithynischen Kriegsvolckes auf seine Seite. Attalus nahm den Nicome- des mit Freuden auf/ und brach mit ihm in Bi- thynien ein; dessen Stände häuffig zum Nico- medes fielen. Prusias suchte vergebens zu Rom Hülffe; in das Niceische Schloß nahm er 500. Thracische Deutsche von seinem Schwe- hervater Diegyl ein. Endlich flohe er nach Ni- comedien; und als die Bürger die Stadt aufga- ben/ in Jupiters Tempel; darinnen ihn aber sein Sohn Nicomedes ermorden/ und das Altar mit väterlichem Blute besprützen ließ. Atta- lus kriegte inzwischen den dem Prusias zu Hülf- fe kommenden König Diegyl gefangen; ließ ihn aber auf Hertzog Solovets Vorbitte wieder loß. Also erhielten die Deutschen unter so viel Ver- änderungen gleichwol ihren Stand und Anse- hen; und insonderheit bey denen in Syrien. Denn ob zwar nach des Antiochus Tode der sich von Rom wegspielende/ und wieder den jungen Antiochus das Reich behauptende Demetrius/ welcher den jungen König Ariarathes wegen verschmähter Heyrathung seiner Schwester aus Cappadoeien vertrieb/ und den von seiner Mutter untergesteckten Orophernes einsetzte/ von dem Könige Ptolemeus/ Attalus und Aria- rathes aus Syrien vertrieben/ und ein gemei- ner Jüngling unter dem Nahmen Alexanders eines Antiochischen Sohnes eingesetzt; ja auch Demetrius durch Hülffe der Juden vom Ale- xander erschlagen ward; so erbarmten sich doch [Spaltenumbruch] die Deutschen Fürsten des von dem Demetrius nach Gnidus zur Sicherheit geschickten und in Creta bey dem Fürsten Lasthenes sich aufhalten- den Sohnes Demetrius; und setzten ihn nach Verjagung des üppigen Alexanders/ mit Hülf- fe des Ptolomeus Philometors in Syrien auff den väterlichen Thron. Bey diesem Wachsthume der Deutschen in So viel Empörungen der Deutschen aber Römer
Sechſtes Buch [Spaltenumbruch]
einfiel/ und den Pruſias nicht wenig ins Ge-drange brachte. Die Roͤmiſchen und Deutſchen Geſandten aber vermittelten bald einen Frie- den. Dieſer vertiefte den Pruſias in allerley Laſter; alſo: daß er auch ſeinen Kindern anderer Eh zu Liebe ſeinen zu Rom ſich befindenden Sohn Nicomedes zu ermorden beſchloß/ wo er nicht vom Rathe die Erlaſſung der dem Pruſias verſprochenen fuͤnf hundert Talent erhielte. Der hierzu beſtellte Menas aber entdeckte es nicht allein dem Nicomedes; ſondern brachte auch ein Theil des Bithyniſchen Kriegsvolckes auf ſeine Seite. Attalus nahm den Nicome- des mit Freuden auf/ und brach mit ihm in Bi- thynien ein; deſſen Staͤnde haͤuffig zum Nico- medes fielen. Pruſias ſuchte vergebens zu Rom Huͤlffe; in das Niceiſche Schloß nahm er 500. Thraciſche Deutſche von ſeinem Schwe- hervater Diegyl ein. Endlich flohe er nach Ni- comedien; und als die Buͤrger die Stadt aufga- ben/ in Jupiters Tempel; darinnen ihn aber ſein Sohn Nicomedes ermorden/ und das Altar mit vaͤterlichem Blute beſpruͤtzen ließ. Atta- lus kriegte inzwiſchen den dem Pruſias zu Huͤlf- fe kommenden Koͤnig Diegyl gefangen; ließ ihn aber auf Hertzog Solovets Vorbitte wieder loß. Alſo erhielten die Deutſchen unter ſo viel Ver- aͤnderungen gleichwol ihren Stand und Anſe- hen; und inſonderheit bey denen in Syrien. Denn ob zwar nach des Antiochus Tode der ſich von Rom wegſpielende/ und wieder den jungen Antiochus das Reich behauptende Demetrius/ welcher den jungen Koͤnig Ariarathes wegen verſchmaͤhter Heyrathung ſeiner Schweſter aus Cappadoeien vertrieb/ und den von ſeiner Mutter untergeſteckten Orophernes einſetzte/ von dem Koͤnige Ptolemeus/ Attalus und Aria- rathes aus Syrien vertrieben/ und ein gemei- ner Juͤngling unter dem Nahmen Alexanders eines Antiochiſchen Sohnes eingeſetzt; ja auch Demetrius durch Huͤlffe der Juden vom Ale- xander erſchlagen ward; ſo erbarmten ſich doch [Spaltenumbruch] die Deutſchen Fuͤrſten des von dem Demetrius nach Gnidus zur Sicherheit geſchickten und in Creta bey dem Fuͤrſten Laſthenes ſich aufhalten- den Sohnes Demetrius; und ſetzten ihn nach Verjagung des uͤppigen Alexanders/ mit Huͤlf- fe des Ptolomeus Philometors in Syrien auff den vaͤterlichen Thron. Bey dieſem Wachsthume der Deutſchen in So viel Empoͤrungen der Deutſchen aber Roͤmer
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0944" n="882[884]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sechſtes Buch</hi></fw><lb/><cb/> einfiel/ und den Pruſias nicht wenig ins Ge-<lb/> drange brachte. Die Roͤmiſchen und Deutſchen<lb/> Geſandten aber vermittelten bald einen Frie-<lb/> den. Dieſer vertiefte den Pruſias in allerley<lb/> Laſter; alſo: daß er auch ſeinen Kindern anderer<lb/> Eh zu Liebe ſeinen zu Rom ſich befindenden<lb/> Sohn Nicomedes zu ermorden beſchloß/ wo er<lb/> nicht vom Rathe die Erlaſſung der dem Pruſias<lb/> verſprochenen fuͤnf hundert Talent erhielte.<lb/> Der hierzu beſtellte Menas aber entdeckte es<lb/> nicht allein dem Nicomedes; ſondern brachte<lb/> auch ein Theil des Bithyniſchen Kriegsvolckes<lb/> auf ſeine Seite. Attalus nahm den Nicome-<lb/> des mit Freuden auf/ und brach mit ihm in Bi-<lb/> thynien ein; deſſen Staͤnde haͤuffig zum Nico-<lb/> medes fielen. Pruſias ſuchte vergebens zu<lb/> Rom Huͤlffe; in das Niceiſche Schloß nahm er<lb/> 500. Thraciſche Deutſche von ſeinem Schwe-<lb/> hervater Diegyl ein. Endlich flohe er nach Ni-<lb/> comedien; und als die Buͤrger die Stadt aufga-<lb/> ben/ in Jupiters Tempel; darinnen ihn aber<lb/> ſein Sohn Nicomedes ermorden/ und das Altar<lb/> mit vaͤterlichem Blute beſpruͤtzen ließ. Atta-<lb/> lus kriegte inzwiſchen den dem Pruſias zu Huͤlf-<lb/> fe kommenden Koͤnig Diegyl gefangen; ließ ihn<lb/> aber auf Hertzog Solovets Vorbitte wieder loß.<lb/> Alſo erhielten die Deutſchen unter ſo viel Ver-<lb/> aͤnderungen gleichwol ihren Stand und Anſe-<lb/> hen; und inſonderheit bey denen in Syrien.<lb/> Denn ob zwar nach des Antiochus Tode der ſich<lb/> von Rom wegſpielende/ und wieder den jungen<lb/> Antiochus das Reich behauptende Demetrius/<lb/> welcher den jungen Koͤnig Ariarathes wegen<lb/> verſchmaͤhter Heyrathung ſeiner Schweſter<lb/> aus Cappadoeien vertrieb/ und den von ſeiner<lb/> Mutter untergeſteckten Orophernes einſetzte/<lb/> von dem Koͤnige Ptolemeus/ Attalus und Aria-<lb/> rathes aus Syrien vertrieben/ und ein gemei-<lb/> ner Juͤngling unter dem Nahmen Alexanders<lb/> eines Antiochiſchen Sohnes eingeſetzt; ja auch<lb/> Demetrius durch Huͤlffe der Juden vom Ale-<lb/> xander erſchlagen ward; ſo erbarmten ſich doch<lb/><cb/> die Deutſchen Fuͤrſten des von dem Demetrius<lb/> nach Gnidus zur Sicherheit geſchickten und in<lb/> Creta bey dem Fuͤrſten Laſthenes ſich aufhalten-<lb/> den Sohnes Demetrius; und ſetzten ihn nach<lb/> Verjagung des uͤppigen Alexanders/ mit Huͤlf-<lb/> fe des Ptolomeus Philometors in Syrien auff<lb/> den vaͤterlichen Thron.</p><lb/> <p>Bey dieſem Wachsthume der Deutſchen in<lb/> Aſien/ muͤhten ſich auch die in Jtalien nach der<lb/> von den Bojen erlittenen groſſen Niederlage<lb/> ihr Haupt wieder empor zu heben. Maſſen die<lb/> Ligurier den in Hiſpanien ziehenden Stadt-<lb/> Vogt Bebius angrieffen/ ſein Volck erlegten/<lb/> ihn biß in Maßilien jagten/ da er den dritten<lb/> Tag von den empfangenen Wunden ſtarb; ja<lb/> ſie machten ſich ſo breit: daß der Roͤmiſche Rath<lb/> beyden Buͤrgermeiſtern auftrug die Deutſchen<lb/> zu ſtillen. Sie gaben ihnen aber genung zu<lb/> ſchaffen/ biß Flaminius die Friniatiſchen/ Emi-<lb/> lius die Apuaniſchen Ligurier endlich uͤberwaͤl-<lb/> tigte/ und ihnen die Waffen abnahm. Marcus<lb/> Furius uͤberfiel hierauf auch die ſich keines Krie-<lb/> ges verſehenden Cenomannen/ und entwaffnete<lb/> ſie; der Rath aber gebot ihm einen Stilleſtand;<lb/> und Emilius gab ihnen alles abgenommene<lb/> wieder. Als die Roͤmer nun alle Deutſchen in<lb/> Ligurien fuͤr todte Leute hielten/ krochen die A-<lb/> puaniſchen wieder hinter ihren Klippen und<lb/> aus ihren Hoͤlen herfuͤr/ und ſtreifften biß nach<lb/> Bononien. Qvintus Martius zohe mit ei-<lb/> nem Heere gegen ſie; welche/ als ſie ihn durch ſte-<lb/> tes weichen in die aͤngſten Thaͤler zwiſchen die<lb/> hoͤchſten Klippen gelockt hatten/ ihn rings um-<lb/> her anfielen/ 4000. Roͤmer erſchlugen/ von der<lb/> andern Legion drey-von den Lateinern eilf Fah-<lb/> nen eroberten; und ſie nicht ehe zu verfolgen/ als<lb/> die Roͤmer zu fliehen aufhoͤreten.</p><lb/> <p>So viel Empoͤrungen der Deutſchen aber<lb/> waren kein Werck einer Leichtſinnigkeit; ſon-<lb/> dern eitel Rachen angethanen grauſamen Un-<lb/> rechts. Sintemal die nunmehr in Wolluͤſten<lb/> erſoffenen und daher auch ſo viel grimmigern<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Roͤmer</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [882[884]/0944]
Sechſtes Buch
einfiel/ und den Pruſias nicht wenig ins Ge-
drange brachte. Die Roͤmiſchen und Deutſchen
Geſandten aber vermittelten bald einen Frie-
den. Dieſer vertiefte den Pruſias in allerley
Laſter; alſo: daß er auch ſeinen Kindern anderer
Eh zu Liebe ſeinen zu Rom ſich befindenden
Sohn Nicomedes zu ermorden beſchloß/ wo er
nicht vom Rathe die Erlaſſung der dem Pruſias
verſprochenen fuͤnf hundert Talent erhielte.
Der hierzu beſtellte Menas aber entdeckte es
nicht allein dem Nicomedes; ſondern brachte
auch ein Theil des Bithyniſchen Kriegsvolckes
auf ſeine Seite. Attalus nahm den Nicome-
des mit Freuden auf/ und brach mit ihm in Bi-
thynien ein; deſſen Staͤnde haͤuffig zum Nico-
medes fielen. Pruſias ſuchte vergebens zu
Rom Huͤlffe; in das Niceiſche Schloß nahm er
500. Thraciſche Deutſche von ſeinem Schwe-
hervater Diegyl ein. Endlich flohe er nach Ni-
comedien; und als die Buͤrger die Stadt aufga-
ben/ in Jupiters Tempel; darinnen ihn aber
ſein Sohn Nicomedes ermorden/ und das Altar
mit vaͤterlichem Blute beſpruͤtzen ließ. Atta-
lus kriegte inzwiſchen den dem Pruſias zu Huͤlf-
fe kommenden Koͤnig Diegyl gefangen; ließ ihn
aber auf Hertzog Solovets Vorbitte wieder loß.
Alſo erhielten die Deutſchen unter ſo viel Ver-
aͤnderungen gleichwol ihren Stand und Anſe-
hen; und inſonderheit bey denen in Syrien.
Denn ob zwar nach des Antiochus Tode der ſich
von Rom wegſpielende/ und wieder den jungen
Antiochus das Reich behauptende Demetrius/
welcher den jungen Koͤnig Ariarathes wegen
verſchmaͤhter Heyrathung ſeiner Schweſter
aus Cappadoeien vertrieb/ und den von ſeiner
Mutter untergeſteckten Orophernes einſetzte/
von dem Koͤnige Ptolemeus/ Attalus und Aria-
rathes aus Syrien vertrieben/ und ein gemei-
ner Juͤngling unter dem Nahmen Alexanders
eines Antiochiſchen Sohnes eingeſetzt; ja auch
Demetrius durch Huͤlffe der Juden vom Ale-
xander erſchlagen ward; ſo erbarmten ſich doch
die Deutſchen Fuͤrſten des von dem Demetrius
nach Gnidus zur Sicherheit geſchickten und in
Creta bey dem Fuͤrſten Laſthenes ſich aufhalten-
den Sohnes Demetrius; und ſetzten ihn nach
Verjagung des uͤppigen Alexanders/ mit Huͤlf-
fe des Ptolomeus Philometors in Syrien auff
den vaͤterlichen Thron.
Bey dieſem Wachsthume der Deutſchen in
Aſien/ muͤhten ſich auch die in Jtalien nach der
von den Bojen erlittenen groſſen Niederlage
ihr Haupt wieder empor zu heben. Maſſen die
Ligurier den in Hiſpanien ziehenden Stadt-
Vogt Bebius angrieffen/ ſein Volck erlegten/
ihn biß in Maßilien jagten/ da er den dritten
Tag von den empfangenen Wunden ſtarb; ja
ſie machten ſich ſo breit: daß der Roͤmiſche Rath
beyden Buͤrgermeiſtern auftrug die Deutſchen
zu ſtillen. Sie gaben ihnen aber genung zu
ſchaffen/ biß Flaminius die Friniatiſchen/ Emi-
lius die Apuaniſchen Ligurier endlich uͤberwaͤl-
tigte/ und ihnen die Waffen abnahm. Marcus
Furius uͤberfiel hierauf auch die ſich keines Krie-
ges verſehenden Cenomannen/ und entwaffnete
ſie; der Rath aber gebot ihm einen Stilleſtand;
und Emilius gab ihnen alles abgenommene
wieder. Als die Roͤmer nun alle Deutſchen in
Ligurien fuͤr todte Leute hielten/ krochen die A-
puaniſchen wieder hinter ihren Klippen und
aus ihren Hoͤlen herfuͤr/ und ſtreifften biß nach
Bononien. Qvintus Martius zohe mit ei-
nem Heere gegen ſie; welche/ als ſie ihn durch ſte-
tes weichen in die aͤngſten Thaͤler zwiſchen die
hoͤchſten Klippen gelockt hatten/ ihn rings um-
her anfielen/ 4000. Roͤmer erſchlugen/ von der
andern Legion drey-von den Lateinern eilf Fah-
nen eroberten; und ſie nicht ehe zu verfolgen/ als
die Roͤmer zu fliehen aufhoͤreten.
So viel Empoͤrungen der Deutſchen aber
waren kein Werck einer Leichtſinnigkeit; ſon-
dern eitel Rachen angethanen grauſamen Un-
rechts. Sintemal die nunmehr in Wolluͤſten
erſoffenen und daher auch ſo viel grimmigern
Roͤmer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/944 |
Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 882[884]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/944>, abgerufen am 03.07.2024. |