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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] welchen die Natur einen Riegel vorgeschoben/
wo menschliche Klugheit nirgends aus gewüßt/
ein Licht angesteckt/ und einen Weg über Meer
und durch Felsen gewiesen! Wie offt bist du dem/
der aus der Wiege der Morgen-Röthe biß zum
Sarche der Sonnen in einem Athem zu rennen
vermeynt/ beym ersten Ansprunge in Zügel ge-
fallen; und hast die Vermessenheit menschlicher
Rathschlüsse mit einem grausamen Untergange
bestrafft! Wir elende Menschen können ja wohl
den ersten Abrieß eines Gebäues entwerffen;
nimmermehr aber selbtes ausbauen; wenn die
Göttliche Versehung nicht den ersten Grund-
Stein legt. Diese ist die Sonne/ welche die
Jrrwische der alberen Vernunfft zernichtet;
diese ist der Wegweiser zu Lande/ und sie sitzet
beym Steuer-Ruder auf dem bittern Meere
dieser Welt/ umb uns entweder in die Strudel
des Verderbens zu stürtzen/ oder bey den Schiff-
bruchs-Klippen des Untergangs vorbey zu füh-
ren. Diese ist die oberste Gebieterin/ welcher
Gesetzen wir unterworffen; in welcher Gebiete
wir eingeschränckt sind; welche der halben Welt
Kräfften dem einigen Rom unterworffen hat.

Der Fortgang der Römischen Siege gescha-
he wider die Macedonier; welch Volck sich vor-
her der Herrschafft des Erdbodems angemaßt;
dessen König Philipp aber sich mit Annibaln
verknipft hatte. Ja das Verhängnüß spielte
den Römern nicht nur eine scheinbare Ursache
des Krieges/ nemlich den Schirm der bedräng-
ten Stadt Athen in die Hand; sondern es kün-
digte ihnen auch durch ein auf dem obersten
Kriegs-Schiffe wachsendes Lorber-Reiß den
ungezweifelten Sieg an. Ja nicht nur Phi-
lip/ sondern Thebe/ Euböa und Sparta wurden
bezwungen. Dieses Glücke konten die zwey
hertzhaften Helden Annibal und Amilcar/ denen
ihres Vaterlandes Unterdrückung durchs Her-
tze ging/ ohne schäle Augen nicht ansehen; weil
sie aber weder eigene Kräfften was hauptsächli-
ches zu unterfangen hatten/ noch auch Carthago
[Spaltenumbruch] aufs neue in Gefahr setzen wolten; ging Amil-
car zu den Deutschen/ Annibal zum mächtigen
Könige Antiochus über. Jener brachte die
nunmehr unter dem Joche der hochmüthigen
Römer schwitzenden Jnsubrier/ Bojen/ Ceno-
männer/ und Ligurier dahin: daß als Cajus
Appius mit gewaffneter Hand in das Gebiete
der Bojen einfiel/ und ihre Land-Früchte ge-
waltsam abmeihete/ sie ihn mit sieben tausend
Römern erschlugen/ die übrigen mit dem Bür-
germeister Elius nach Rom jagten/ und sie sich/
in Hoffnung: Es würde Antiochus den Rö-
mern biß ins Hertze kommen/ mit einander in
Bündnüß einliessen/ und den Römern den Ge-
horsam aufkündigten/ die Römische Stadt Pla-
centz mit Sturm einnahmen/ selbte einäscherten/
und mit viertzig tausend Mann Cremona belä-
gerten; also: daß der Bürgermeister Aurelius
und der Landvogt Lucius Furius mit einem
mächtigen Heere zum Entsatz eilen musten. Ob
nun zwar die Deutschen allhier übermannet/
Amilcar getödtet/ und sie über den Po zurücke zu
weichen genöthigt wurden; so unterhielten doch
die deutschen Fürsten und der junge Amilcar
selbige Völcker noch in den Waffen; wormit
sie ihre Freyheit biß auf den letzten Bluts-Tro-
pfen zu vertheidigen entschlossen waren. Aber
weil der furchtsame Antiochus Annibals klugen
Rathschlägen langsames Gehöre gab/ zohen als-
bald beyde Bürgermeister mit mächtiger Hee-
res-Krafft gegen die Deutschen und Gallier auf.
Quintus Minutius fiel bey den Liguriern ein/
eroberte die Städte Clastidium und Libubium;
hierauf rückte er gegen die Bojen; der andere
Bürgermeister Cornelius gegen die am Flusse
Mincius stehenden Jnsubrier und Cenomän-
ner: daß selbte bey erfolgender Schlacht von den
Deutschen nicht nur ab; sondern/ weil sie zum
Hinterhalte gestellt waren/ ihnen gar in Rücken
fielen/ und also den sonst zweifelhaften Sieg
durch ihren Meineyd den Römern zuschantzten/
in welchem drey deutsche Fürsten und der junge

Amil-
Erster Theil. Q q q q q

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] welchen die Natur einen Riegel vorgeſchoben/
wo menſchliche Klugheit nirgends aus gewuͤßt/
ein Licht angeſteckt/ und einen Weg uͤber Meer
und durch Felſen gewieſen! Wie offt biſt du dem/
der aus der Wiege der Morgen-Roͤthe biß zum
Sarche der Sonnen in einem Athem zu rennen
vermeynt/ beym erſten Anſprunge in Zuͤgel ge-
fallen; und haſt die Vermeſſenheit menſchlicheꝛ
Rathſchluͤſſe mit einem grauſamen Untergange
beſtrafft! Wir elende Menſchen koͤnnen ja wohl
den erſten Abrieß eines Gebaͤues entwerffen;
nimmermehr aber ſelbtes ausbauen; wenn die
Goͤttliche Verſehung nicht den erſten Grund-
Stein legt. Dieſe iſt die Sonne/ welche die
Jrrwiſche der alberen Vernunfft zernichtet;
dieſe iſt der Wegweiſer zu Lande/ und ſie ſitzet
beym Steuer-Ruder auf dem bittern Meere
dieſer Welt/ umb uns entweder in die Strudel
des Verderbens zu ſtuͤrtzen/ oder bey den Schiff-
bruchs-Klippen des Untergangs vorbey zu fuͤh-
ren. Dieſe iſt die oberſte Gebieterin/ welcher
Geſetzen wir unterworffen; in welcher Gebiete
wir eingeſchraͤnckt ſind; welche der halben Welt
Kraͤfften dem einigen Rom unterworffen hat.

Der Fortgang der Roͤmiſchen Siege geſcha-
he wider die Macedonier; welch Volck ſich vor-
her der Herrſchafft des Erdbodems angemaßt;
deſſen Koͤnig Philipp aber ſich mit Annibaln
verknipft hatte. Ja das Verhaͤngnuͤß ſpielte
den Roͤmern nicht nur eine ſcheinbare Urſache
des Krieges/ nemlich den Schirm der bedraͤng-
ten Stadt Athen in die Hand; ſondern es kuͤn-
digte ihnen auch durch ein auf dem oberſten
Kriegs-Schiffe wachſendes Lorber-Reiß den
ungezweifelten Sieg an. Ja nicht nur Phi-
lip/ ſondern Thebe/ Euboͤa und Sparta wurden
bezwungen. Dieſes Gluͤcke konten die zwey
hertzhaften Helden Annibal und Amilcar/ denen
ihres Vaterlandes Unterdruͤckung durchs Her-
tze ging/ ohne ſchaͤle Augen nicht anſehen; weil
ſie aber weder eigene Kraͤfften was hauptſaͤchli-
ches zu unterfangen hatten/ noch auch Carthago
[Spaltenumbruch] aufs neue in Gefahr ſetzen wolten; ging Amil-
car zu den Deutſchen/ Annibal zum maͤchtigen
Koͤnige Antiochus uͤber. Jener brachte die
nunmehr unter dem Joche der hochmuͤthigen
Roͤmer ſchwitzenden Jnſubrier/ Bojen/ Ceno-
maͤnner/ und Ligurier dahin: daß als Cajus
Appius mit gewaffneter Hand in das Gebiete
der Bojen einfiel/ und ihre Land-Fruͤchte ge-
waltſam abmeihete/ ſie ihn mit ſieben tauſend
Roͤmern erſchlugen/ die uͤbrigen mit dem Buͤr-
germeiſter Elius nach Rom jagten/ und ſie ſich/
in Hoffnung: Es wuͤrde Antiochus den Roͤ-
mern biß ins Hertze kommen/ mit einander in
Buͤndnuͤß einlieſſen/ und den Roͤmern den Ge-
horſam aufkuͤndigten/ die Roͤmiſche Stadt Pla-
centz mit Sturm einnahmen/ ſelbte einaͤſcherten/
und mit viertzig tauſend Mann Cremona belaͤ-
gerten; alſo: daß der Buͤrgermeiſter Aurelius
und der Landvogt Lucius Furius mit einem
maͤchtigen Heere zum Entſatz eilen muſten. Ob
nun zwar die Deutſchen allhier uͤbermannet/
Amilcar getoͤdtet/ und ſie uͤber den Po zuruͤcke zu
weichen genoͤthigt wurden; ſo unterhielten doch
die deutſchen Fuͤrſten und der junge Amilcar
ſelbige Voͤlcker noch in den Waffen; wormit
ſie ihre Freyheit biß auf den letzten Bluts-Tro-
pfen zu vertheidigen entſchloſſen waren. Aber
weil der furchtſame Antiochus Annibals klugen
Rathſchlaͤgen langſames Gehoͤre gab/ zohen als-
bald beyde Buͤrgermeiſter mit maͤchtiger Hee-
res-Krafft gegen die Deutſchen und Gallier auf.
Quintus Minutius fiel bey den Liguriern ein/
eroberte die Staͤdte Claſtidium und Libubium;
hierauf ruͤckte er gegen die Bojen; der andere
Buͤrgermeiſter Cornelius gegen die am Fluſſe
Mincius ſtehenden Jnſubrier und Cenomaͤn-
ner: daß ſelbte bey erfolgender Schlacht von den
Deutſchen nicht nur ab; ſondern/ weil ſie zum
Hinterhalte geſtellt waren/ ihnen gar in Ruͤcken
fielen/ und alſo den ſonſt zweifelhaften Sieg
durch ihren Meineyd den Roͤmern zuſchantzten/
in welchem drey deutſche Fuͤrſten und der junge

Amil-
Erſter Theil. Q q q q q
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 857[859]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/919>, abgerufen am 28.11.2024.