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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] welcher Ursache seine Siege aller andern Helden
vorgezogen zu werden verdienten. Sintemal
Alexander mit eitel Griechen/ welche der Persen
Tod-Feinde/ und meist seine Unterthanen wa-
ren/ und mit des Darius unschwer eroberten
Schätzen; Scipio und Käyser Julius mit eitel
Römern und Feinden der Stadt Carthago;
Annibal aber mit eitel geworbenen und übel be-
soldeten Ausländern Krieg geführet. Mit ei-
nem Worte: Annibal hätte die Arbeitsamkeit/
die Gedult/ die Hertzhaftigkeit/ die Wissenschaft
und alle Tugenden eines Feldherren gleichsam
in Ubermasse gehabt. Sein Feldzug aus
Spanien; wo es umb Carthago mißlich und
zweifelhafft stand; durch das feindliche Gallien/
da er alle Tage mit neuen Völckern schlagen
müssen; über das unwegbare Alpen-Gebürge/
da die Natur und der Himmel gleichsam selbst
wider ihn zu Felde lag; in Jtalien/ da er weder
Vorrath/ Hülffe/ noch Sicherheit der Rückkeh-
rung zu hoffen hatte/ übersteiget schier den Glau-
ben der Nach-Welt. Wiewohl/ wenn man
Annibals allenthalben geprüfete Fähigkeit beob-
achtet/ muß man sich mehr über Annibaln/ als
seinen Zug verwundern/ und diesen noch
für etwas wenigers/ als ein Werck dieses Hel-
den ansehen. Der Verlust seines Auges/ die
Begegnung fast unzehlbarer Heere waren viel
zu ohnmächtig den Lauff seiner Siege von einem
Ende Jtaliens bis zum andern zu hemmen.
Ja so lange er in diesem Lande gewest/ hat nie-
mand in Schlachten ihm die Wage halten/ und
nach der Cannischen Niederlage kein Römisches
Heer sich gegen ihm in freyem Felde lagern kön-
nen. Zeno begegnete Adgandestern: Scipio
hätte in allem dem Annibaln kein Haar breit ge-
wichen; weil er neu Carthago in einem Tage be-
lägert und erobert/ in vier Jahren das etliche mal
grössere Spanien bemeistert/ darinnen vier
Carthaginenstsche Heere und Feldherrn erschla-
gen/ den mächtigen König Syphax/ und endlich
den Jtalien zu verlassen gezwungenen Annibal
[Spaltenumbruch] selbst überwunden. Da hingegen Hannibal
schier die geringste sich rechtschaffen währende
Stadt zu bemeistern/ der Siege zwar durch
Wollüste zu genüssen/ eben so wenig aber/ als Pom-
pejus/ derselben durch ihre Verfolgung sich zu ge-
brauchen/ am wenigsten/ wie Alexander/ Scipio
und Julius/ ein Werck völlig auszumachen ge-
wüst hätte. Welche letztere alle ihre Thaten/ so
lange noch etwas zu thun übrig war/ für unge-
than hielten. Also wäre Annibal zwar andern
Kriegsleuten Fehler aufzubinden/ sich aber von
selbten zu befreyen nicht fähig gewest. Wie
hitzig er sonst seinen Feind anzugreiffen/ auch ihn
über Hals und Kopf zu verfolgen gewüst; so un-
zeitig hätte er nach dem Cannischen Siege ihm
unnöthige Schwerigkeiten mehr aus eingebilde-
ten Hindernüssen/ als aus Wichtigkeit des Wer-
ckes gemacht/ durch eine falsche Vorsichtigkeit
die Eroberung der Stadt Rom und die Stunde
versäumet; darinnen er den gantzen Krieg aus/
dem Römischen Reiche ein Ende/ und Carthago
zum Haupte der Welt machen können; indem
entweder sein Verstand nicht so weit sehend/ oder
sein Gemüthe ein so grosses Glücke zu begreiffen
zu engbrüstig/ der Römer beraaseter Ruhm und
Macht ihm gar zu groß/ ihr erschlagenes Heer
in seinen Gedancken noch lebend/ und der schon
überwundenen Kriegsleute Gespenster ihm ein
blindes Schrecken gewest wäre. Also hätte er
ehe seinen Mühseligkeiten/ als dem Kriege ein
Ende zu machen gedacht; und endlich/ nachdem
er nur einmal die vorhin unbekandte Wollüste
geschmecket/ von selbten sich bezaubern und stür-
tzen lassen. Adgandester setzte dem Fürsten Ze-
no abermals entgegen: Für den Scipio hätte
augenscheinlich mehr das Glücke/ für Anni-
baln aber die Tugend gestritten. Von jenem
wäre zwar bey Zama der Mohren viel geringe-
res Heer/ aber nicht Annibal überwunden wor-
den. Denn an eben selbigem Tage hätte dieser
durch kluge Stellung seines Heeres/ durch hertz-
hafte Gegenwehre sich selbst und alle Krieges-

Künste

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] welcher Urſache ſeine Siege aller andern Helden
vorgezogen zu werden verdienten. Sintemal
Alexander mit eitel Griechen/ welche der Perſen
Tod-Feinde/ und meiſt ſeine Unterthanen wa-
ren/ und mit des Darius unſchwer eroberten
Schaͤtzen; Scipio und Kaͤyſer Julius mit eitel
Roͤmern und Feinden der Stadt Carthago;
Annibal aber mit eitel geworbenen und uͤbel be-
ſoldeten Auslaͤndern Krieg gefuͤhret. Mit ei-
nem Worte: Annibal haͤtte die Arbeitſamkeit/
die Gedult/ die Hertzhaftigkeit/ die Wiſſenſchaft
und alle Tugenden eines Feldherren gleichſam
in Ubermaſſe gehabt. Sein Feldzug aus
Spanien; wo es umb Carthago mißlich und
zweifelhafft ſtand; durch das feindliche Gallien/
da er alle Tage mit neuen Voͤlckern ſchlagen
muͤſſen; uͤber das unwegbare Alpen-Gebuͤrge/
da die Natur und der Himmel gleichſam ſelbſt
wider ihn zu Felde lag; in Jtalien/ da er weder
Vorrath/ Huͤlffe/ noch Sicherheit der Ruͤckkeh-
rung zu hoffen hatte/ uͤberſteiget ſchier den Glau-
ben der Nach-Welt. Wiewohl/ wenn man
Annibals allenthalben gepruͤfete Faͤhigkeit beob-
achtet/ muß man ſich mehr uͤber Annibaln/ als
ſeinen Zug verwundern/ und dieſen noch
fuͤr etwas wenigers/ als ein Werck dieſes Hel-
den anſehen. Der Verluſt ſeines Auges/ die
Begegnung faſt unzehlbarer Heere waren viel
zu ohnmaͤchtig den Lauff ſeiner Siege von einem
Ende Jtaliens bis zum andern zu hemmen.
Ja ſo lange er in dieſem Lande geweſt/ hat nie-
mand in Schlachten ihm die Wage halten/ und
nach der Canniſchen Niederlage kein Roͤmiſches
Heer ſich gegen ihm in freyem Felde lagern koͤn-
nen. Zeno begegnete Adgandeſtern: Scipio
haͤtte in allem dem Annibaln kein Haar breit ge-
wichen; weil er neu Carthago in einem Tage be-
laͤgert und erobert/ in vier Jahren das etliche mal
groͤſſere Spanien bemeiſtert/ darinnen vier
Carthaginenſtſche Heere und Feldherrn erſchla-
gen/ den maͤchtigen Koͤnig Syphax/ und endlich
den Jtalien zu verlaſſen gezwungenen Annibal
[Spaltenumbruch] ſelbſt uͤberwunden. Da hingegen Hannibal
ſchier die geringſte ſich rechtſchaffen waͤhrende
Stadt zu bemeiſtern/ der Siege zwar durch
Wolluͤſte zu genuͤſſẽ/ ebẽ ſo wenig aber/ als Pom-
pejus/ derſelben durch ihꝛe Veꝛfolgung ſich zu ge-
brauchen/ am wenigſten/ wie Alexander/ Scipio
und Julius/ ein Werck voͤllig auszumachen ge-
wuͤſt haͤtte. Welche letztere alle ihre Thaten/ ſo
lange noch etwas zu thun uͤbrig war/ fuͤr unge-
than hielten. Alſo waͤre Annibal zwar andern
Kriegsleuten Fehler aufzubinden/ ſich aber von
ſelbten zu befreyen nicht faͤhig geweſt. Wie
hitzig er ſonſt ſeinen Feind anzugreiffen/ auch ihn
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zeitig haͤtte er nach dem Canniſchen Siege ihm
unnoͤthige Schwerigkeiten mehr aus eingebilde-
ten Hindernuͤſſen/ als aus Wichtigkeit des Wer-
ckes gemacht/ durch eine falſche Vorſichtigkeit
die Eroberung der Stadt Rom und die Stunde
verſaͤumet; darinnen er den gantzen Krieg aus/
dem Roͤmiſchen Reiche ein Ende/ und Carthago
zum Haupte der Welt machen koͤnnen; indem
entweder ſein Verſtand nicht ſo weit ſehend/ odeꝛ
ſein Gemuͤthe ein ſo groſſes Gluͤcke zu begreiffen
zu engbruͤſtig/ der Roͤmer beraaſeter Ruhm und
Macht ihm gar zu groß/ ihr erſchlagenes Heer
in ſeinen Gedancken noch lebend/ und der ſchon
uͤberwundenen Kriegsleute Geſpenſter ihm ein
blindes Schrecken geweſt waͤre. Alſo haͤtte er
ehe ſeinen Muͤhſeligkeiten/ als dem Kriege ein
Ende zu machen gedacht; und endlich/ nachdem
er nur einmal die vorhin unbekandte Wolluͤſte
geſchmecket/ von ſelbten ſich bezaubern und ſtuͤr-
tzen laſſen. Adgandeſter ſetzte dem Fuͤrſten Ze-
no abermals entgegen: Fuͤr den Scipio haͤtte
augenſcheinlich mehr das Gluͤcke/ fuͤr Anni-
baln aber die Tugend geſtritten. Von jenem
waͤre zwar bey Zama der Mohren viel geringe-
res Heer/ aber nicht Annibal uͤberwunden wor-
den. Denn an eben ſelbigem Tage haͤtte dieſer
durch kluge Stellung ſeines Heeres/ durch hertz-
hafte Gegenwehre ſich ſelbſt und alle Krieges-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 855[857]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/917>, abgerufen am 11.06.2024.