Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] Vaterlandes/ ohne welchen es zum andern mal
wäre erobert worden/ sich in einen geringen
Winckel bey Linternum zu verkriechen/ und da-
selbst den Acker zu graben. Weil aber Scipio
entweder der Römischen Freyheit/ oder diese dem
Scipio nachtheilig war/ und entweder er oder
sie von Rom entfernet seyn muste/ bezeugte er
mehr Großmüthigkeit durch Verlassung/ als
durch Beschirmung seines Vaterlandes; wie-
wohl er durch eine auf seinen Grabe-Stein ein-
gehauene selbtes mit Beerdigung seiner Gebei-
ne zu beehren verbot. Beyde Helden aber wa-
ren darinnen glückselig: daß sie auch in ihrem
Elende hochgeschätzt; und zwar Annibal vom
Scipio selbst für der Schlacht bey Zama/ und
hernach zu Ephesus umbarmet/ von den Römern
gefürchtet/ Scipio von den See-Räubern als
ein Halb-Gott angebetet/ von fremden Völ-
ckern bejammert ward; daß beyder Vaterland
ihre Asche hernach mit Thränen benetzte/ ihr
Gedächtnüß mit Ehren-Säulen beehrte/ und
ihr Geist mehrmals mit viel tausend Seufzern
zurück gewüntscht/ ja von den Römern geglaubt
ward: daß ein Drache des Scipio Geist in einer
Höle unter seinem Linturnischen Vorwerge be-
wachte. Jn so vielen waren diese zwey Helden
einander ähnlich. Gleichwohl aber düncket
mich: daß dem Scipio aus vielen erheblichen
Gründen die Ober-Stelle gebühre. Adgan-
dester versetzte: Diese aber hat Scipio zu Ephe-
sus dem Annibal selbst enträumet. Zeno ant-
wortete: Eben damals hat Scipio mit seiner
Höfligkeit Annibaln überwunden/ wie er ihm
sonst mit seiner annehmlichen Gestalt und Sanft-
muth überlegen war. Jene war so anlockend:
daß niemand/ der ihn ansahe/ sein Gesichte sätti-
gen konte. Mit dieser glimpf- und gütigen Be-
zeugung überwand Scipio fast mehr Feinde/ als
Hannibal mit seinen Waffen. Die Freylas-
sung der in Neu-Carthago überkommener
Geissel/ die Aufnehmung des abtrünnigen
Mandonius und Jndibilis machte ihm halb
[Spaltenumbruch] Spanien unterthänig. Die Ubergebung sei-
ner gefangenen Braut verknüpfte mit dem Lu-
cejus ihm die Celtiberier. Die Loßlassung der
dem Asdrubal abgeschlagener Spanier machte:
daß sie den Scipio für ihren König ausrufften.
Für den wiedergegebenen Knaben Massiva
ward König Masanissa der Römer getreuster
Bunds-Genosse/ und hertzhaftester Beystand.
Durch seine guten Worte zohe er den zweifelhaf-
ten König der Bithynier auf der Römer Seite.
Adgandester versetzte: Es wäre nicht ohne: daß
Scipio an Gestalt und Freundligkeit Annibaln
übertroffen hätte. Beydes aber rührte von dem
gantz unterschiedenen Land-Striche ihrer Ge-
burts-Stadt her. Wiewohl denen Mohren/
welche die Schwärtze für eine Zierrath/ und die
Ernsthaftigkeit für eine Tugend hielten/ den
Scipio vielleicht weit hinter Annibal gesetzt haben.
Gleichwohl aber hätte Annibal auch nicht alle-
mal sauer gesehen/ sondern/ wenn er es ihm vor-
träglich zu seyn befunden/ hätte sein kluges Ab-
sehen iederzeit die ihm angebohrne Neigungen
verdrücket; und er insonderheit gegen die Römi-
schen Bunds-Genossen so viel Glimpf und
Güte; als gegen die Römer selbst Grausamkeit
gebrauchet; hierinnen auch viel klüger/ als
Pyrrhus gebahret; der denen gefangenen
Römern liebkosete/ ihre Bunds-Genossen mit
Schwerdt und Feuer verfolgte. Nichts min-
der hätte Annibal des in der Schlacht erlegten
Marcellus Leiche aufs beste schmücken/ und ver-
brennen/ seine Gebeine in einen silbernen Topf
schlüssen/ mit einer güldenen Krone beehren/ und
seinem Sohne zuschicken lassen. Daß aber er
gegen die Seinigen sich zuweilen einer Stren-
gigkeit gebraucht/ hätte ihm sein eigner Zustand
abgenöthigt; weil er meist allerhand fremde
Völcker in seinem Kriegs-Heere geführet; selbte
ohne Geld und Vorrath in feindlichem Lande
im Gehorsam halten müssen; wiewohl alle diese
mehr aus Ehrerbietigkeit/ als Furcht ihre Pflicht
gegen ihm niemals versehret hätten. Wegen

wel-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] Vaterlandes/ ohne welchen es zum andern mal
waͤre erobert worden/ ſich in einen geringen
Winckel bey Linternum zu verkriechen/ und da-
ſelbſt den Acker zu graben. Weil aber Scipio
entweder der Roͤmiſchen Freyheit/ oder dieſe dem
Scipio nachtheilig war/ und entweder er oder
ſie von Rom entfernet ſeyn muſte/ bezeugte er
mehr Großmuͤthigkeit durch Verlaſſung/ als
durch Beſchirmung ſeines Vaterlandes; wie-
wohl er durch eine auf ſeinen Grabe-Stein ein-
gehauene ſelbtes mit Beerdigung ſeiner Gebei-
ne zu beehren verbot. Beyde Helden aber wa-
ren darinnen gluͤckſelig: daß ſie auch in ihrem
Elende hochgeſchaͤtzt; und zwar Annibal vom
Scipio ſelbſt fuͤr der Schlacht bey Zama/ und
hernach zu Epheſus umbarmet/ von den Roͤmern
gefuͤrchtet/ Scipio von den See-Raͤubern als
ein Halb-Gott angebetet/ von fremden Voͤl-
ckern bejammert ward; daß beyder Vaterland
ihre Aſche hernach mit Thraͤnen benetzte/ ihr
Gedaͤchtnuͤß mit Ehren-Saͤulen beehrte/ und
ihr Geiſt mehrmals mit viel tauſend Seufzern
zuruͤck gewuͤntſcht/ ja von den Roͤmern geglaubt
ward: daß ein Drache des Scipio Geiſt in einer
Hoͤle unter ſeinem Linturniſchen Vorwerge be-
wachte. Jn ſo vielen waren dieſe zwey Helden
einander aͤhnlich. Gleichwohl aber duͤncket
mich: daß dem Scipio aus vielen erheblichen
Gruͤnden die Ober-Stelle gebuͤhre. Adgan-
deſter verſetzte: Dieſe aber hat Scipio zu Ephe-
ſus dem Annibal ſelbſt entraͤumet. Zeno ant-
wortete: Eben damals hat Scipio mit ſeiner
Hoͤfligkeit Annibaln uͤberwunden/ wie er ihm
ſonſt mit ſeiner annehmlichẽ Geſtalt und Sanft-
muth uͤberlegen war. Jene war ſo anlockend:
daß niemand/ der ihn anſahe/ ſein Geſichte ſaͤtti-
gen konte. Mit dieſer glimpf- und guͤtigen Be-
zeugung uͤberwand Scipio faſt mehr Feinde/ als
Hannibal mit ſeinen Waffen. Die Freylaſ-
ſung der in Neu-Carthago uͤberkommener
Geiſſel/ die Aufnehmung des abtruͤnnigen
Mandonius und Jndibilis machte ihm halb
[Spaltenumbruch] Spanien unterthaͤnig. Die Ubergebung ſei-
ner gefangenen Braut verknuͤpfte mit dem Lu-
cejus ihm die Celtiberier. Die Loßlaſſung der
dem Asdrubal abgeſchlagener Spanier machte:
daß ſie den Scipio fuͤr ihren Koͤnig ausrufften.
Fuͤr den wiedergegebenen Knaben Maſſiva
ward Koͤnig Maſaniſſa der Roͤmer getreuſter
Bunds-Genoſſe/ und hertzhafteſter Beyſtand.
Durch ſeine guten Worte zohe er den zweifelhaf-
ten Koͤnig der Bithynier auf der Roͤmer Seite.
Adgandeſter verſetzte: Es waͤre nicht ohne: daß
Scipio an Geſtalt und Freundligkeit Annibaln
uͤbertroffen haͤtte. Beydes aber ruͤhrte von dem
gantz unterſchiedenen Land-Striche ihrer Ge-
burts-Stadt her. Wiewohl denen Mohren/
welche die Schwaͤrtze fuͤr eine Zierrath/ und die
Ernſthaftigkeit fuͤr eine Tugend hielten/ den
Scipio vielleicht weit hinteꝛ Annibal geſetzt habẽ.
Gleichwohl aber haͤtte Annibal auch nicht alle-
mal ſauer geſehen/ ſondern/ wenn er es ihm vor-
traͤglich zu ſeyn befunden/ haͤtte ſein kluges Ab-
ſehen iederzeit die ihm angebohrne Neigungen
verdruͤcket; und er inſonderheit gegen die Roͤmi-
ſchen Bunds-Genoſſen ſo viel Glimpf und
Guͤte; als gegen die Roͤmer ſelbſt Grauſamkeit
gebrauchet; hierinnen auch viel kluͤger/ als
Pyrrhus gebahret; der denen gefangenen
Roͤmern liebkoſete/ ihre Bunds-Genoſſen mit
Schwerdt und Feuer verfolgte. Nichts min-
der haͤtte Annibal des in der Schlacht erlegten
Marcellus Leiche aufs beſte ſchmuͤcken/ und ver-
brennen/ ſeine Gebeine in einen ſilbernen Topf
ſchluͤſſen/ mit einer guͤldenen Krone beehren/ und
ſeinem Sohne zuſchicken laſſen. Daß aber er
gegen die Seinigen ſich zuweilen einer Stren-
gigkeit gebraucht/ haͤtte ihm ſein eigner Zuſtand
abgenoͤthigt; weil er meiſt allerhand fremde
Voͤlcker in ſeinem Kriegs-Heere gefuͤhret; ſelbte
ohne Geld und Vorrath in feindlichem Lande
im Gehorſam halten muͤſſen; wiewohl alle dieſe
mehr aus Ehrerbietigkeit/ als Furcht ihre Pflicht
gegen ihm niemals verſehret haͤtten. Wegen

wel-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0916" n="854[856]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
Vaterlandes/ ohne welchen es zum andern mal<lb/>
wa&#x0364;re erobert worden/ &#x017F;ich in einen geringen<lb/>
Winckel bey Linternum zu verkriechen/ und da-<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t den Acker zu graben. Weil aber Scipio<lb/>
entweder der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Freyheit/ oder die&#x017F;e dem<lb/>
Scipio nachtheilig war/ und entweder er oder<lb/>
&#x017F;ie von Rom entfernet &#x017F;eyn mu&#x017F;te/ bezeugte er<lb/>
mehr Großmu&#x0364;thigkeit durch Verla&#x017F;&#x017F;ung/ als<lb/>
durch Be&#x017F;chirmung &#x017F;eines Vaterlandes; wie-<lb/>
wohl er durch eine auf &#x017F;einen Grabe-Stein ein-<lb/>
gehauene &#x017F;elbtes mit Beerdigung &#x017F;einer Gebei-<lb/>
ne zu beehren verbot. Beyde Helden aber wa-<lb/>
ren darinnen glu&#x0364;ck&#x017F;elig: daß &#x017F;ie auch in ihrem<lb/>
Elende hochge&#x017F;cha&#x0364;tzt; und zwar Annibal vom<lb/>
Scipio &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r der Schlacht bey Zama/ und<lb/>
hernach zu Ephe&#x017F;us umbarmet/ von den Ro&#x0364;mern<lb/>
gefu&#x0364;rchtet/ Scipio von den See-Ra&#x0364;ubern als<lb/>
ein Halb-Gott angebetet/ von fremden Vo&#x0364;l-<lb/>
ckern bejammert ward; daß beyder Vaterland<lb/>
ihre A&#x017F;che hernach mit Thra&#x0364;nen benetzte/ ihr<lb/>
Geda&#x0364;chtnu&#x0364;ß mit Ehren-Sa&#x0364;ulen beehrte/ und<lb/>
ihr Gei&#x017F;t mehrmals mit viel tau&#x017F;end Seufzern<lb/>
zuru&#x0364;ck gewu&#x0364;nt&#x017F;cht/ ja von den Ro&#x0364;mern geglaubt<lb/>
ward: daß ein Drache des Scipio Gei&#x017F;t in einer<lb/>
Ho&#x0364;le unter &#x017F;einem Linturni&#x017F;chen Vorwerge be-<lb/>
wachte. Jn &#x017F;o vielen waren die&#x017F;e zwey Helden<lb/>
einander a&#x0364;hnlich. Gleichwohl aber du&#x0364;ncket<lb/>
mich: daß dem Scipio aus vielen erheblichen<lb/>
Gru&#x0364;nden die Ober-Stelle gebu&#x0364;hre. Adgan-<lb/>
de&#x017F;ter ver&#x017F;etzte: Die&#x017F;e aber hat Scipio zu Ephe-<lb/>
&#x017F;us dem Annibal &#x017F;elb&#x017F;t entra&#x0364;umet. Zeno ant-<lb/>
wortete: Eben damals hat Scipio mit &#x017F;einer<lb/>
Ho&#x0364;fligkeit Annibaln u&#x0364;berwunden/ wie er ihm<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t mit &#x017F;einer annehmliche&#x0303; Ge&#x017F;talt und Sanft-<lb/>
muth u&#x0364;berlegen war. Jene war &#x017F;o anlockend:<lb/>
daß niemand/ der ihn an&#x017F;ahe/ &#x017F;ein Ge&#x017F;ichte &#x017F;a&#x0364;tti-<lb/>
gen konte. Mit die&#x017F;er glimpf- und gu&#x0364;tigen Be-<lb/>
zeugung u&#x0364;berwand Scipio fa&#x017F;t mehr Feinde/ als<lb/>
Hannibal mit &#x017F;einen Waffen. Die Freyla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung der in Neu-Carthago u&#x0364;berkommener<lb/>
Gei&#x017F;&#x017F;el/ die Aufnehmung des abtru&#x0364;nnigen<lb/>
Mandonius und Jndibilis machte ihm halb<lb/><cb/>
Spanien untertha&#x0364;nig. Die Ubergebung &#x017F;ei-<lb/>
ner gefangenen Braut verknu&#x0364;pfte mit dem Lu-<lb/>
cejus ihm die Celtiberier. Die Loßla&#x017F;&#x017F;ung der<lb/>
dem Asdrubal abge&#x017F;chlagener Spanier machte:<lb/>
daß &#x017F;ie den Scipio fu&#x0364;r ihren Ko&#x0364;nig ausrufften.<lb/>
Fu&#x0364;r den wiedergegebenen Knaben Ma&#x017F;&#x017F;iva<lb/>
ward Ko&#x0364;nig Ma&#x017F;ani&#x017F;&#x017F;a der Ro&#x0364;mer getreu&#x017F;ter<lb/>
Bunds-Geno&#x017F;&#x017F;e/ und hertzhafte&#x017F;ter Bey&#x017F;tand.<lb/>
Durch &#x017F;eine guten Worte zohe er den zweifelhaf-<lb/>
ten Ko&#x0364;nig der Bithynier auf der Ro&#x0364;mer Seite.<lb/>
Adgande&#x017F;ter ver&#x017F;etzte: Es wa&#x0364;re nicht ohne: daß<lb/>
Scipio an Ge&#x017F;talt und Freundligkeit Annibaln<lb/>
u&#x0364;bertroffen ha&#x0364;tte. Beydes aber ru&#x0364;hrte von dem<lb/>
gantz unter&#x017F;chiedenen Land-Striche ihrer Ge-<lb/>
burts-Stadt her. Wiewohl denen Mohren/<lb/>
welche die Schwa&#x0364;rtze fu&#x0364;r eine Zierrath/ und die<lb/>
Ern&#x017F;thaftigkeit fu&#x0364;r eine Tugend hielten/ den<lb/>
Scipio vielleicht weit hinte&#xA75B; Annibal ge&#x017F;etzt habe&#x0303;.<lb/>
Gleichwohl aber ha&#x0364;tte Annibal auch nicht alle-<lb/>
mal &#x017F;auer ge&#x017F;ehen/ &#x017F;ondern/ wenn er es ihm vor-<lb/>
tra&#x0364;glich zu &#x017F;eyn befunden/ ha&#x0364;tte &#x017F;ein kluges Ab-<lb/>
&#x017F;ehen iederzeit die ihm angebohrne Neigungen<lb/>
verdru&#x0364;cket; und er in&#x017F;onderheit gegen die Ro&#x0364;mi-<lb/>
&#x017F;chen Bunds-Geno&#x017F;&#x017F;en &#x017F;o viel Glimpf und<lb/>
Gu&#x0364;te; als gegen die Ro&#x0364;mer &#x017F;elb&#x017F;t Grau&#x017F;amkeit<lb/>
gebrauchet; hierinnen auch viel klu&#x0364;ger/ als<lb/>
Pyrrhus gebahret; der denen gefangenen<lb/>
Ro&#x0364;mern liebko&#x017F;ete/ ihre Bunds-Geno&#x017F;&#x017F;en mit<lb/>
Schwerdt und Feuer verfolgte. Nichts min-<lb/>
der ha&#x0364;tte Annibal des in der Schlacht erlegten<lb/>
Marcellus Leiche aufs be&#x017F;te &#x017F;chmu&#x0364;cken/ und ver-<lb/>
brennen/ &#x017F;eine Gebeine in einen &#x017F;ilbernen Topf<lb/>
&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ mit einer gu&#x0364;ldenen Krone beehren/ und<lb/>
&#x017F;einem Sohne zu&#x017F;chicken la&#x017F;&#x017F;en. Daß aber er<lb/>
gegen die Seinigen &#x017F;ich zuweilen einer Stren-<lb/>
gigkeit gebraucht/ ha&#x0364;tte ihm &#x017F;ein eigner Zu&#x017F;tand<lb/>
abgeno&#x0364;thigt; weil er mei&#x017F;t allerhand fremde<lb/>
Vo&#x0364;lcker in &#x017F;einem Kriegs-Heere gefu&#x0364;hret; &#x017F;elbte<lb/>
ohne Geld und Vorrath in feindlichem Lande<lb/>
im Gehor&#x017F;am halten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; wiewohl alle die&#x017F;e<lb/>
mehr aus Ehrerbietigkeit/ als Furcht ihre Pflicht<lb/>
gegen ihm niemals ver&#x017F;ehret ha&#x0364;tten. Wegen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wel-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[854[856]/0916] Sechſtes Buch Vaterlandes/ ohne welchen es zum andern mal waͤre erobert worden/ ſich in einen geringen Winckel bey Linternum zu verkriechen/ und da- ſelbſt den Acker zu graben. Weil aber Scipio entweder der Roͤmiſchen Freyheit/ oder dieſe dem Scipio nachtheilig war/ und entweder er oder ſie von Rom entfernet ſeyn muſte/ bezeugte er mehr Großmuͤthigkeit durch Verlaſſung/ als durch Beſchirmung ſeines Vaterlandes; wie- wohl er durch eine auf ſeinen Grabe-Stein ein- gehauene ſelbtes mit Beerdigung ſeiner Gebei- ne zu beehren verbot. Beyde Helden aber wa- ren darinnen gluͤckſelig: daß ſie auch in ihrem Elende hochgeſchaͤtzt; und zwar Annibal vom Scipio ſelbſt fuͤr der Schlacht bey Zama/ und hernach zu Epheſus umbarmet/ von den Roͤmern gefuͤrchtet/ Scipio von den See-Raͤubern als ein Halb-Gott angebetet/ von fremden Voͤl- ckern bejammert ward; daß beyder Vaterland ihre Aſche hernach mit Thraͤnen benetzte/ ihr Gedaͤchtnuͤß mit Ehren-Saͤulen beehrte/ und ihr Geiſt mehrmals mit viel tauſend Seufzern zuruͤck gewuͤntſcht/ ja von den Roͤmern geglaubt ward: daß ein Drache des Scipio Geiſt in einer Hoͤle unter ſeinem Linturniſchen Vorwerge be- wachte. Jn ſo vielen waren dieſe zwey Helden einander aͤhnlich. Gleichwohl aber duͤncket mich: daß dem Scipio aus vielen erheblichen Gruͤnden die Ober-Stelle gebuͤhre. Adgan- deſter verſetzte: Dieſe aber hat Scipio zu Ephe- ſus dem Annibal ſelbſt entraͤumet. Zeno ant- wortete: Eben damals hat Scipio mit ſeiner Hoͤfligkeit Annibaln uͤberwunden/ wie er ihm ſonſt mit ſeiner annehmlichẽ Geſtalt und Sanft- muth uͤberlegen war. Jene war ſo anlockend: daß niemand/ der ihn anſahe/ ſein Geſichte ſaͤtti- gen konte. Mit dieſer glimpf- und guͤtigen Be- zeugung uͤberwand Scipio faſt mehr Feinde/ als Hannibal mit ſeinen Waffen. Die Freylaſ- ſung der in Neu-Carthago uͤberkommener Geiſſel/ die Aufnehmung des abtruͤnnigen Mandonius und Jndibilis machte ihm halb Spanien unterthaͤnig. Die Ubergebung ſei- ner gefangenen Braut verknuͤpfte mit dem Lu- cejus ihm die Celtiberier. Die Loßlaſſung der dem Asdrubal abgeſchlagener Spanier machte: daß ſie den Scipio fuͤr ihren Koͤnig ausrufften. Fuͤr den wiedergegebenen Knaben Maſſiva ward Koͤnig Maſaniſſa der Roͤmer getreuſter Bunds-Genoſſe/ und hertzhafteſter Beyſtand. Durch ſeine guten Worte zohe er den zweifelhaf- ten Koͤnig der Bithynier auf der Roͤmer Seite. Adgandeſter verſetzte: Es waͤre nicht ohne: daß Scipio an Geſtalt und Freundligkeit Annibaln uͤbertroffen haͤtte. Beydes aber ruͤhrte von dem gantz unterſchiedenen Land-Striche ihrer Ge- burts-Stadt her. Wiewohl denen Mohren/ welche die Schwaͤrtze fuͤr eine Zierrath/ und die Ernſthaftigkeit fuͤr eine Tugend hielten/ den Scipio vielleicht weit hinteꝛ Annibal geſetzt habẽ. Gleichwohl aber haͤtte Annibal auch nicht alle- mal ſauer geſehen/ ſondern/ wenn er es ihm vor- traͤglich zu ſeyn befunden/ haͤtte ſein kluges Ab- ſehen iederzeit die ihm angebohrne Neigungen verdruͤcket; und er inſonderheit gegen die Roͤmi- ſchen Bunds-Genoſſen ſo viel Glimpf und Guͤte; als gegen die Roͤmer ſelbſt Grauſamkeit gebrauchet; hierinnen auch viel kluͤger/ als Pyrrhus gebahret; der denen gefangenen Roͤmern liebkoſete/ ihre Bunds-Genoſſen mit Schwerdt und Feuer verfolgte. Nichts min- der haͤtte Annibal des in der Schlacht erlegten Marcellus Leiche aufs beſte ſchmuͤcken/ und ver- brennen/ ſeine Gebeine in einen ſilbernen Topf ſchluͤſſen/ mit einer guͤldenen Krone beehren/ und ſeinem Sohne zuſchicken laſſen. Daß aber er gegen die Seinigen ſich zuweilen einer Stren- gigkeit gebraucht/ haͤtte ihm ſein eigner Zuſtand abgenoͤthigt; weil er meiſt allerhand fremde Voͤlcker in ſeinem Kriegs-Heere gefuͤhret; ſelbte ohne Geld und Vorrath in feindlichem Lande im Gehorſam halten muͤſſen; wiewohl alle dieſe mehr aus Ehrerbietigkeit/ als Furcht ihre Pflicht gegen ihm niemals verſehret haͤtten. Wegen wel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/916
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 854[856]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/916>, abgerufen am 11.06.2024.