Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] aber ihre Verdienste unschätzbar. Ohne den
Brutus würde Rom vielleicht niemahls frey;
und ohne den Camillus ein Steinhauffen oder
eine Magd der Gallier worden seyn; dißmahl
aber nahm nicht nur ein oder ander Bürger/ son-
dern gantz Rom wider die Mohren seiner Pflicht
wahr. Nach der grossen Niederlage bey Canna
entfiel dem Rathe nicht seine Klugheit/ keinem
Römer das Hertze/ ja der Pöfel vergaß seiner
Schwachheiten; und kein Mensch hatte einige
nicht dem gemeinen Heile nützliche Gedancken.
Das Frauenzimmer wiedmete selbtem ihren
Schmuck/ der Geitz verschwendete zu der ge-
meinen Wolfahrt seine Schätze; die am wenig-
sten Vermögen hinter sich behielten/ schätzten
sich am reichsten zu seyn. Die Jünglinge ertheil-
ten so kluge Rathschläge/ als graue Häupter.
Die freygelassenen Knechte verfochten mit ei-
nem edlen Helden-Geiste die sämtliche Freyhett.
Fürnehmlich aber übersteiget der Römer getro-
ste Hertzhafftigkeit allen Ruhm: daß als Rom
selbst in vieler tausend Augen verlohren zu seyn
schien/ sie doch in Sicilien und Spanien Hülfs-
Völcker/ der Stadt Neapolis aber ihr angebo-
tenes Volck und Geld zurücke schickte/ und nur
das Getreyde von ihrem Geschencke behielt.
Sintemal dieses edle Volck auch in der grösten
Noth nicht seine Schwäche blicken lassen wolte;
weil niemand gerne sich an einen zerbrochenen
Stab lehnet; und das Glücke selbst zuweilen lü-
stern ist einen an den rohen Ort zu stechen/ wo
es am wehesten thut. Uberdiß trug Rom die
Stirne schon so hoch: daß es für ehrlicher hielt/
gar zu Grunde zu gehen/ als eines Nagels weit
von seiner Hoheit zu verfallen/ und für einerley
Unglück nicht mehr anderer Völcker Herr/ o-
der gar nicht mehr seyn. Es ist nicht ohne/ fing
Adgandester an: daß die Römer damals nichts
versehen/ was Tugend und Klugheit zu Erhal-
tung eines Reichs beyzutragen vermag. Mei-
nes Erachtens aber würde alles verlohrne Ar-
beit gewest seyn; wenn Carthago nicht selbst aus
[Spaltenumbruch] Unvernunfft sein Glücke mit Füssen von sich ge
stossen hätte. Unter denen die fürnehmste war:
daß Hanno dem siegenden Annibal grämer als
den feindlichen Römern war; und daß er lieber
Carthago eingeäschert/ als seinen Feldherrn sieg-
hafft zurücke kommen gesehen hätte; nur daß sei-
ne den Krieg widerrathende Meinung nicht ge-
tadelt werden könte. Da hingegen die Römer
den aus der Cannischen Niederlage entflohenen
Bürgermeister viel klüger Danck sagten/ daß er
nicht gar an der Erhaltung Roms verzweiffelt
hätte. Annibals gantz Jtalien erschütternde Sie-
ge wurden zu Carthago entweder nicht geglaubt/
wenn er zumal sein Heer mit Volck und Gelde
zu verstärcken bath; oder man schalt ihn gar für
einen eigennützigen Räuber der feindlichen Beu-
te; und unterbrach alle seine klugen Anstalten/
gleich als wenn er nicht der Mohren Feldherr/
sondern der Römer Bundsgenosse wäre. Nichts
destoweniger überwand Annibal so wohl die ein-
heimischen als fremden Feinde/ und verdiente
den unzweiffelbaren Nachruhm: daß er der grö-
ste Kriegsmann gewest sey/ den iemahls die Er-
de getragen hat.

Es ist nicht ohne/ sagte Zeno: daß Hannibal
einer der grösten Helden der Welt gewesen sey.
Alleine wie die Natur daselbst/ wo das Meer am
grausamsten stürmet/ denen Ländern zum besten
ihm die höchsten Steinfelsen gleichsam als Rie-
gel vor geschoben hat; also setzet die göttliche Ver-
sehung insgemein auch einem grossen Helden
einen andern entgegen/ welcher selbtem die
Stange biete/ und die Herrschafften der Welt
in gleicher Wage halte. Hector und Achilles;
Sylla und Marius; Pompejus und Julius;
Anton und August hatte der Himmel gleichsam
außerlesen: daß sie ihre Kräfften an einander
eichten solten. Und dem Annibal war der un-
ver gleichliche Scipio gleichsam wie ein Angel-
stern dem andern entgegen gesetzt. Sie waren
in viclen Dingen einander zu vergleichen.

Anni-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] aber ihre Verdienſte unſchaͤtzbar. Ohne den
Brutus wuͤrde Rom vielleicht niemahls frey;
und ohne den Camillus ein Steinhauffen oder
eine Magd der Gallier worden ſeyn; dißmahl
abeꝛ nahm nicht nur ein oder ander Buͤrger/ ſon-
dern gantz Rom wider die Mohren ſeiner Pflicht
wahr. Nach der groſſen Niederlage bey Canna
entfiel dem Rathe nicht ſeine Klugheit/ keinem
Roͤmer das Hertze/ ja der Poͤfel vergaß ſeiner
Schwachheiten; und kein Menſch hatte einige
nicht dem gemeinen Heile nuͤtzliche Gedancken.
Das Frauenzimmer wiedmete ſelbtem ihren
Schmuck/ der Geitz verſchwendete zu der ge-
meinen Wolfahrt ſeine Schaͤtze; die am wenig-
ſten Vermoͤgen hinter ſich behielten/ ſchaͤtzten
ſich am reichſten zu ſeyn. Die Juͤnglinge ertheil-
ten ſo kluge Rathſchlaͤge/ als graue Haͤupter.
Die freygelaſſenen Knechte verfochten mit ei-
nem edlen Helden-Geiſte die ſaͤmtliche Freyhett.
Fuͤrnehmlich aber uͤberſteiget der Roͤmer getro-
ſte Hertzhafftigkeit allen Ruhm: daß als Rom
ſelbſt in vieler tauſend Augen verlohren zu ſeyn
ſchien/ ſie doch in Sicilien und Spanien Huͤlfs-
Voͤlcker/ der Stadt Neapolis aber ihr angebo-
tenes Volck und Geld zuruͤcke ſchickte/ und nur
das Getreyde von ihrem Geſchencke behielt.
Sintemal dieſes edle Volck auch in der groͤſten
Noth nicht ſeine Schwaͤche blicken laſſen wolte;
weil niemand gerne ſich an einen zerbrochenen
Stab lehnet; und das Gluͤcke ſelbſt zuweilen luͤ-
ſtern iſt einen an den rohen Ort zu ſtechen/ wo
es am weheſten thut. Uberdiß trug Rom die
Stirne ſchon ſo hoch: daß es fuͤr ehrlicher hielt/
gar zu Grunde zu gehen/ als eines Nagels weit
von ſeiner Hoheit zu verfallen/ und fuͤr einerley
Ungluͤck nicht mehr anderer Voͤlcker Herr/ o-
der gar nicht mehr ſeyn. Es iſt nicht ohne/ fing
Adgandeſter an: daß die Roͤmer damals nichts
verſehen/ was Tugend und Klugheit zu Erhal-
tung eines Reichs beyzutragen vermag. Mei-
nes Erachtens aber wuͤrde alles verlohrne Ar-
beit geweſt ſeyn; wenn Carthago nicht ſelbſt aus
[Spaltenumbruch] Unvernunfft ſein Gluͤcke mit Fuͤſſen von ſich ge
ſtoſſen haͤtte. Unter denen die fuͤrnehmſte war:
daß Hanno dem ſiegenden Annibal graͤmer als
den feindlichen Roͤmern war; und daß er lieber
Carthago eingeaͤſchert/ als ſeinen Feldherrn ſieg-
hafft zuruͤcke kommen geſehen haͤtte; nur daß ſei-
ne den Krieg widerrathende Meinung nicht ge-
tadelt werden koͤnte. Da hingegen die Roͤmer
den aus der Canniſchen Niederlage entflohenen
Buͤrgermeiſter viel kluͤger Danck ſagten/ daß er
nicht gar an der Erhaltung Roms verzweiffelt
haͤtte. Annibals gantz Jtalien erſchuͤtternde Sie-
ge wurden zu Carthago entweder nicht geglaubt/
wenn er zumal ſein Heer mit Volck und Gelde
zu verſtaͤrcken bath; oder man ſchalt ihn gar fuͤr
einen eigennuͤtzigen Raͤuber der feindlichen Beu-
te; und unterbrach alle ſeine klugen Anſtalten/
gleich als wenn er nicht der Mohren Feldherr/
ſondern der Roͤmer Bundsgenoſſe waͤre. Nichts
deſtoweniger uͤberwand Annibal ſo wohl die ein-
heimiſchen als fremden Feinde/ und verdiente
den unzweiffelbaren Nachruhm: daß er der groͤ-
ſte Kriegsmann geweſt ſey/ den iemahls die Er-
de getragen hat.

Es iſt nicht ohne/ ſagte Zeno: daß Hannibal
einer der groͤſten Helden der Welt geweſen ſey.
Alleine wie die Natur daſelbſt/ wo das Meer am
grauſamſten ſtuͤrmet/ denen Laͤndern zum beſten
ihm die hoͤchſten Steinfelſen gleichſam als Rie-
gel vor geſchoben hat; alſo ſetzet die goͤttliche Ver-
ſehung insgemein auch einem groſſen Helden
einen andern entgegen/ welcher ſelbtem die
Stange biete/ und die Herrſchafften der Welt
in gleicher Wage halte. Hector und Achilles;
Sylla und Marius; Pompejus und Julius;
Anton und Auguſt hatte der Himmel gleichſam
außerleſen: daß ſie ihre Kraͤfften an einander
eichten ſolten. Und dem Annibal war der un-
ver gleichliche Scipio gleichſam wie ein Angel-
ſtern dem andern entgegen geſetzt. Sie waren
in viclen Dingen einander zu vergleichen.

Anni-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0914" n="852[854]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
aber ihre Verdien&#x017F;te un&#x017F;cha&#x0364;tzbar. Ohne den<lb/>
Brutus wu&#x0364;rde Rom vielleicht niemahls frey;<lb/>
und ohne den Camillus ein Steinhauffen oder<lb/>
eine Magd der Gallier worden &#x017F;eyn; dißmahl<lb/>
abe&#xA75B; nahm nicht nur ein oder ander Bu&#x0364;rger/ &#x017F;on-<lb/>
dern gantz Rom wider die Mohren &#x017F;einer Pflicht<lb/>
wahr. Nach der gro&#x017F;&#x017F;en Niederlage bey Canna<lb/>
entfiel dem Rathe nicht &#x017F;eine Klugheit/ keinem<lb/>
Ro&#x0364;mer das Hertze/ ja der Po&#x0364;fel vergaß &#x017F;einer<lb/>
Schwachheiten; und kein Men&#x017F;ch hatte einige<lb/>
nicht dem gemeinen Heile nu&#x0364;tzliche Gedancken.<lb/>
Das Frauenzimmer wiedmete &#x017F;elbtem ihren<lb/>
Schmuck/ der Geitz ver&#x017F;chwendete zu der ge-<lb/>
meinen Wolfahrt &#x017F;eine Scha&#x0364;tze; die am wenig-<lb/>
&#x017F;ten Vermo&#x0364;gen hinter &#x017F;ich behielten/ &#x017F;cha&#x0364;tzten<lb/>
&#x017F;ich am reich&#x017F;ten zu &#x017F;eyn. Die Ju&#x0364;nglinge ertheil-<lb/>
ten &#x017F;o kluge Rath&#x017F;chla&#x0364;ge/ als graue Ha&#x0364;upter.<lb/>
Die freygela&#x017F;&#x017F;enen Knechte verfochten mit ei-<lb/>
nem edlen Helden-Gei&#x017F;te die &#x017F;a&#x0364;mtliche Freyhett.<lb/>
Fu&#x0364;rnehmlich aber u&#x0364;ber&#x017F;teiget der Ro&#x0364;mer getro-<lb/>
&#x017F;te Hertzhafftigkeit allen Ruhm: daß als Rom<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in vieler tau&#x017F;end Augen verlohren zu &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;chien/ &#x017F;ie doch in Sicilien und Spanien Hu&#x0364;lfs-<lb/>
Vo&#x0364;lcker/ der Stadt Neapolis aber ihr angebo-<lb/>
tenes Volck und Geld zuru&#x0364;cke &#x017F;chickte/ und nur<lb/>
das Getreyde von ihrem Ge&#x017F;chencke behielt.<lb/>
Sintemal die&#x017F;es edle Volck auch in der gro&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
Noth nicht &#x017F;eine Schwa&#x0364;che blicken la&#x017F;&#x017F;en wolte;<lb/>
weil niemand gerne &#x017F;ich an einen zerbrochenen<lb/>
Stab lehnet; und das Glu&#x0364;cke &#x017F;elb&#x017F;t zuweilen lu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;tern i&#x017F;t einen an den rohen Ort zu &#x017F;techen/ wo<lb/>
es am wehe&#x017F;ten thut. Uberdiß trug Rom die<lb/>
Stirne &#x017F;chon &#x017F;o hoch: daß es fu&#x0364;r ehrlicher hielt/<lb/>
gar zu Grunde zu gehen/ als eines Nagels weit<lb/>
von &#x017F;einer Hoheit zu verfallen/ und fu&#x0364;r einerley<lb/>
Unglu&#x0364;ck nicht mehr anderer Vo&#x0364;lcker Herr/ o-<lb/>
der gar nicht mehr &#x017F;eyn. Es i&#x017F;t nicht ohne/ fing<lb/>
Adgande&#x017F;ter an: daß die Ro&#x0364;mer damals nichts<lb/>
ver&#x017F;ehen/ was Tugend und Klugheit zu Erhal-<lb/>
tung eines Reichs beyzutragen vermag. Mei-<lb/>
nes Erachtens aber wu&#x0364;rde alles verlohrne Ar-<lb/>
beit gewe&#x017F;t &#x017F;eyn; wenn Carthago nicht &#x017F;elb&#x017F;t aus<lb/><cb/>
Unvernunfft &#x017F;ein Glu&#x0364;cke mit Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en von &#x017F;ich ge<lb/>
&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte. Unter denen die fu&#x0364;rnehm&#x017F;te war:<lb/>
daß Hanno dem &#x017F;iegenden Annibal gra&#x0364;mer als<lb/>
den feindlichen Ro&#x0364;mern war; und daß er lieber<lb/>
Carthago eingea&#x0364;&#x017F;chert/ als &#x017F;einen Feldherrn &#x017F;ieg-<lb/>
hafft zuru&#x0364;cke kommen ge&#x017F;ehen ha&#x0364;tte; nur daß &#x017F;ei-<lb/>
ne den Krieg widerrathende Meinung nicht ge-<lb/>
tadelt werden ko&#x0364;nte. Da hingegen die Ro&#x0364;mer<lb/>
den aus der Canni&#x017F;chen Niederlage entflohenen<lb/>
Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter viel klu&#x0364;ger Danck &#x017F;agten/ daß er<lb/>
nicht gar an der Erhaltung Roms verzweiffelt<lb/>
ha&#x0364;tte. Annibals gantz Jtalien er&#x017F;chu&#x0364;tternde Sie-<lb/>
ge wurden zu Carthago entweder nicht geglaubt/<lb/>
wenn er zumal &#x017F;ein Heer mit Volck und Gelde<lb/>
zu ver&#x017F;ta&#x0364;rcken bath; oder man &#x017F;chalt ihn gar fu&#x0364;r<lb/>
einen eigennu&#x0364;tzigen Ra&#x0364;uber der feindlichen Beu-<lb/>
te; und unterbrach alle &#x017F;eine klugen An&#x017F;talten/<lb/>
gleich als wenn er nicht der Mohren Feldherr/<lb/>
&#x017F;ondern der Ro&#x0364;mer Bundsgeno&#x017F;&#x017F;e wa&#x0364;re. Nichts<lb/>
de&#x017F;toweniger u&#x0364;berwand Annibal &#x017F;o wohl die ein-<lb/>
heimi&#x017F;chen als fremden Feinde/ und verdiente<lb/>
den unzweiffelbaren Nachruhm: daß er der gro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;te Kriegsmann gewe&#x017F;t &#x017F;ey/ den iemahls die Er-<lb/>
de getragen hat.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t nicht ohne/ &#x017F;agte Zeno: daß Hannibal<lb/>
einer der gro&#x0364;&#x017F;ten Helden der Welt gewe&#x017F;en &#x017F;ey.<lb/>
Alleine wie die Natur da&#x017F;elb&#x017F;t/ wo das Meer am<lb/>
grau&#x017F;am&#x017F;ten &#x017F;tu&#x0364;rmet/ denen La&#x0364;ndern zum be&#x017F;ten<lb/>
ihm die ho&#x0364;ch&#x017F;ten Steinfel&#x017F;en gleich&#x017F;am als Rie-<lb/>
gel vor ge&#x017F;choben hat; al&#x017F;o &#x017F;etzet die go&#x0364;ttliche Ver-<lb/>
&#x017F;ehung insgemein auch einem gro&#x017F;&#x017F;en Helden<lb/>
einen andern entgegen/ welcher &#x017F;elbtem die<lb/>
Stange biete/ und die Herr&#x017F;chafften der Welt<lb/>
in gleicher Wage halte. Hector und Achilles;<lb/>
Sylla und Marius; Pompejus und Julius;<lb/>
Anton und Augu&#x017F;t hatte der Himmel gleich&#x017F;am<lb/>
außerle&#x017F;en: daß &#x017F;ie ihre Kra&#x0364;fften an einander<lb/>
eichten &#x017F;olten. Und dem Annibal war der un-<lb/>
ver gleichliche Scipio gleich&#x017F;am wie ein Angel-<lb/>
&#x017F;tern dem andern entgegen ge&#x017F;etzt. Sie waren<lb/>
in viclen Dingen einander zu vergleichen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Anni-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[852[854]/0914] Sechſtes Buch aber ihre Verdienſte unſchaͤtzbar. Ohne den Brutus wuͤrde Rom vielleicht niemahls frey; und ohne den Camillus ein Steinhauffen oder eine Magd der Gallier worden ſeyn; dißmahl abeꝛ nahm nicht nur ein oder ander Buͤrger/ ſon- dern gantz Rom wider die Mohren ſeiner Pflicht wahr. Nach der groſſen Niederlage bey Canna entfiel dem Rathe nicht ſeine Klugheit/ keinem Roͤmer das Hertze/ ja der Poͤfel vergaß ſeiner Schwachheiten; und kein Menſch hatte einige nicht dem gemeinen Heile nuͤtzliche Gedancken. Das Frauenzimmer wiedmete ſelbtem ihren Schmuck/ der Geitz verſchwendete zu der ge- meinen Wolfahrt ſeine Schaͤtze; die am wenig- ſten Vermoͤgen hinter ſich behielten/ ſchaͤtzten ſich am reichſten zu ſeyn. Die Juͤnglinge ertheil- ten ſo kluge Rathſchlaͤge/ als graue Haͤupter. Die freygelaſſenen Knechte verfochten mit ei- nem edlen Helden-Geiſte die ſaͤmtliche Freyhett. Fuͤrnehmlich aber uͤberſteiget der Roͤmer getro- ſte Hertzhafftigkeit allen Ruhm: daß als Rom ſelbſt in vieler tauſend Augen verlohren zu ſeyn ſchien/ ſie doch in Sicilien und Spanien Huͤlfs- Voͤlcker/ der Stadt Neapolis aber ihr angebo- tenes Volck und Geld zuruͤcke ſchickte/ und nur das Getreyde von ihrem Geſchencke behielt. Sintemal dieſes edle Volck auch in der groͤſten Noth nicht ſeine Schwaͤche blicken laſſen wolte; weil niemand gerne ſich an einen zerbrochenen Stab lehnet; und das Gluͤcke ſelbſt zuweilen luͤ- ſtern iſt einen an den rohen Ort zu ſtechen/ wo es am weheſten thut. Uberdiß trug Rom die Stirne ſchon ſo hoch: daß es fuͤr ehrlicher hielt/ gar zu Grunde zu gehen/ als eines Nagels weit von ſeiner Hoheit zu verfallen/ und fuͤr einerley Ungluͤck nicht mehr anderer Voͤlcker Herr/ o- der gar nicht mehr ſeyn. Es iſt nicht ohne/ fing Adgandeſter an: daß die Roͤmer damals nichts verſehen/ was Tugend und Klugheit zu Erhal- tung eines Reichs beyzutragen vermag. Mei- nes Erachtens aber wuͤrde alles verlohrne Ar- beit geweſt ſeyn; wenn Carthago nicht ſelbſt aus Unvernunfft ſein Gluͤcke mit Fuͤſſen von ſich ge ſtoſſen haͤtte. Unter denen die fuͤrnehmſte war: daß Hanno dem ſiegenden Annibal graͤmer als den feindlichen Roͤmern war; und daß er lieber Carthago eingeaͤſchert/ als ſeinen Feldherrn ſieg- hafft zuruͤcke kommen geſehen haͤtte; nur daß ſei- ne den Krieg widerrathende Meinung nicht ge- tadelt werden koͤnte. Da hingegen die Roͤmer den aus der Canniſchen Niederlage entflohenen Buͤrgermeiſter viel kluͤger Danck ſagten/ daß er nicht gar an der Erhaltung Roms verzweiffelt haͤtte. Annibals gantz Jtalien erſchuͤtternde Sie- ge wurden zu Carthago entweder nicht geglaubt/ wenn er zumal ſein Heer mit Volck und Gelde zu verſtaͤrcken bath; oder man ſchalt ihn gar fuͤr einen eigennuͤtzigen Raͤuber der feindlichen Beu- te; und unterbrach alle ſeine klugen Anſtalten/ gleich als wenn er nicht der Mohren Feldherr/ ſondern der Roͤmer Bundsgenoſſe waͤre. Nichts deſtoweniger uͤberwand Annibal ſo wohl die ein- heimiſchen als fremden Feinde/ und verdiente den unzweiffelbaren Nachruhm: daß er der groͤ- ſte Kriegsmann geweſt ſey/ den iemahls die Er- de getragen hat. Es iſt nicht ohne/ ſagte Zeno: daß Hannibal einer der groͤſten Helden der Welt geweſen ſey. Alleine wie die Natur daſelbſt/ wo das Meer am grauſamſten ſtuͤrmet/ denen Laͤndern zum beſten ihm die hoͤchſten Steinfelſen gleichſam als Rie- gel vor geſchoben hat; alſo ſetzet die goͤttliche Ver- ſehung insgemein auch einem groſſen Helden einen andern entgegen/ welcher ſelbtem die Stange biete/ und die Herrſchafften der Welt in gleicher Wage halte. Hector und Achilles; Sylla und Marius; Pompejus und Julius; Anton und Auguſt hatte der Himmel gleichſam außerleſen: daß ſie ihre Kraͤfften an einander eichten ſolten. Und dem Annibal war der un- ver gleichliche Scipio gleichſam wie ein Angel- ſtern dem andern entgegen geſetzt. Sie waren in viclen Dingen einander zu vergleichen. Anni-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/914
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 852[854]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/914>, abgerufen am 24.11.2024.