Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ne ziemliche Zeit die Waffen zwischen den Deut-schen/ Galliern und Römern aufgehenckt; Massen denn die Deutschen damals auch unter dem Fürsten Marcomir die Weltweißheit/ Tichter und andere Künste in Schwung brach- ten. Fürst Zeno/ als er ohne diß warnahm: daß aber P p p p p 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ne ziemliche Zeit die Waffen zwiſchen den Deut-ſchen/ Galliern und Roͤmern aufgehenckt; Maſſen denn die Deutſchen damals auch unter dem Fuͤrſten Marcomir die Weltweißheit/ Tichter und andere Kuͤnſte in Schwung brach- ten. Fuͤrſt Zeno/ als er ohne diß warnahm: daß aber P p p p p 2
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Arminius und Thußnelda.
ne ziemliche Zeit die Waffen zwiſchen den Deut-
ſchen/ Galliern und Roͤmern aufgehenckt;
Maſſen denn die Deutſchen damals auch unter
dem Fuͤrſten Marcomir die Weltweißheit/
Tichter und andere Kuͤnſte in Schwung brach-
ten.
Fuͤrſt Zeno/ als er ohne diß warnahm: daß
Adgandeſter ermuͤdet/ und in dem nechſten Zim-
mer des Luſthauſes zur Mittags-Mahlzeit zu-
bereitet ward; ſiel ihm ein: Jch vernehme hier-
aus genugſam: daß weder die Mohren die
Wunderthaten Annibals in Jtalien; noch auch
Scipio die Demuͤthigung der Stadt Carthago
den Roͤmern/ ſondern beyde groͤſtentheils ihre
Siege der ſtreitbaren Deutſchen Tugend zuzu-
ſchreiben haben. Adgandeſter antwortete: Ob
ich zwar fuͤr meine Landsleute ein verdaͤchtiger
Zeuge zu ſeyn ſcheine/ die Roͤmiſchen Geſchicht-
ſchreiber auch ſo wol unſer/ als ander Auslaͤnder
Heldenthaten mit Fleiß verdruͤcken; ſo iſt es doch
die lautere Warheit: daß ſonder der Deutſchen
Huͤlffe weder Annibal mit ſeiner Hand voll Vol-
cke Jtaliens/ noch Scipio ohne den Beyſtand
der von uns entſproſſener Celtiberier Hiſpani-
ens/ weniger aber ohne den aus deutſchem Ge-
bluͤte kommenden Maſaniſſa Africens Meiſter
worden waͤre. Worinnen die Grichiſchen Ge-
ſchichtſchreiber den Roͤmern die Warheit zimlich
unter die Augen ſagen; wiewol ſie alle auſſer J-
talien wohnenden Nordvoͤlcker irrig unter dem
Nahmen der Gallier aufffuͤhren/ und wie die
Graͤntzen/ alſo auch die Thaten der Deutſchen
mit unter der Celten Nahmen verdecken. Her-
tzog Rhemetalces antwortete: Es iſt ein allge-
meiner Brauch der Voͤlcker: daß daſſelbte/ wel-
ches die Oberhand hat/ ihme den Verdienſt aller
ſeiner Gehuͤlffen zueigne. Es iſt nichts ſeltza-
mes fremdes Waſſer auff ſeine Muͤhle leiten/
und anderer Schweiß zur Farbe ſeiner Siegs-
Fahnen brauchen. Dahero/ wie vieler tugend-
haffter Wuͤrde vom Neide vergaͤllet/ oder von
dem Staube der Vergeſſenheit vergraben wird;
alſo iſt der Nachruhm offt mehr ein Geſchencke
des Gluͤckes/ als der Tugend/ und er kehret ei-
nem Laſterhafften ſo bald das Antlitz/ als einem
tapffern die Ferſen. Gleichwol aber wird ein
groſſes Werck dem nicht unbillich zugeſchrieben/
der ſelbtes angegeben/ und andern die Hand ge-
fuͤhret. Das Haupt behaͤlt in allen Anſtalten
den Vorzug; ob ſchon der Werckzeug der Ar-
men und anderer Glieder das meiſte bey der
Sache zu thun ſcheinet. Ein groͤſſerer Strom
beraubet hundert andere einfallende Fluͤſſe ih-
rer Nahmen/ ob ſein eigen Waſſer gleich kaum
das hunderſte Theil austraͤgt. Ein Feldherr
hat mehrmals nicht den Degen gezuckt; gleich-
wohl wird ihm nicht unbilliger nachgeruͤhmet:
daß er den Feind aus dem Felde geſchlagen; als
einem Steuermanne: daß er das Schiff in den
gewuͤnſchten Hafen bringe. Dannenhero der
tapfferen Deutſchen Beyſtand dem Ruhme des
klugen Annibals und der Roͤmiſchen Feldherrn
nicht allen Ruhm entziehen kan. Adgandeſter
verſetzte: Es ſey diß ſeine Meinung niemahls
geweſt; aber doch haͤtten ihre Geſchichtſchreiber
der Deutſchen nicht ſo gar vergeſſen/ ſondern ſich
des nachdencklichen Getichtes ihꝛes Menannius
eriñern ſollen; wie uͤbel es denen edlern Gliedern
deß menſchlichen Leibes bekom̃en ſey/ als ſie den
in ihren Augen ſo veraͤchtlichen Bauch allzu veꝛ-
kleinerlich gehalten. Das Haupt haͤtte billich den
Vorzug; aber die Armen verdientẽ auch ihr Lob.
Die Sonne verduͤſterte zwarmit ihrem Glantze
die andern Geſtirne; ſie leſchte ihnen aber nicht
gar das Licht aus; ja ſie theilte ſtets mit ihnen den
Himmel/ und vergnuͤgte ſich mit der Helffte ſei-
nes Umkreißes; wormit nicht nur der Monde/
ſondern auch die kleineſten Sternen ſich der hal-
ben Erde koͤnnen ſehen laſſen. Zeno ſetzte nach:
es iſt wahr: daß die Tugend der Roͤmer niemals
hoͤher kommen ſey/ als in dieſem Roͤmiſchen Krie-
ge/ ungeachtet hernach ihr Gluͤcke allererſt zum
Rieſen worden. Vorher war ihre Tugend allzu-
rau/ hernach ihre Groͤſſe zu uͤbermaͤßig; damals
aber
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