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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] süsse Opffer. Jhr grauset für ihren eigenen
Flammen/ die sie für reiner hält als die Sternen
sind; weil sie nunmehr einem gifftigen Nebel
gleichen. Die neue Gluth des Zornes schwärtzet
sie mit stinckendem Rauche/ und erstäckt sie; wel-
che vorher ihre Seufzer aufzublasen/ und ihre
Augen mit dem Saltze bitterer Thränen zu er-
frischen ängstig bemüht waren. Wenn sie aber
auch ihr unreines Feuer unkeuscher Brunst im-
mer für schön ansieht; so ersteckt doch ihr Hütten-
Rauch alles Licht der Seele/ damit sie nicht die
Pforte der Tugend finde/ noch Geblüte und
Freundschafft unterscheide. Denn ihre Schande
und Mord-Lust sind Eltern und Feinde eines/
und der Bruder-Mord nicht schwärtzer als der
unschuldige Todschlag des Wildes. Ja ihrer
schnöden Lust und unsinnigen Rache ist nicht zu
viel mit eigener Hand sein Geschlechte auszurot-
ten/ und mit seinen Nachkommen die Hoffnung
seines andern Lebens zu erstecken. Jhre Freude
ist/ wenn sie andern viel Todte zu beweinen/ und
viel Brände zu leschen läst. Sonderlich aber
verlernt sie alle menschliche Empfindnüsse ge-
gen der/ welche sie vorher für ihren Abgott anbe-
tete. Sie wandelt sich gegen der in einen Wü-
terich/ welcher Leibeigner sie vor war; und die
vorhin so beliebten Haare in Stricke; um dar-
mit ihren Kerckermeister zu erwürgen. Die Ra-
che reitzet sie ein Hencker derselben Gottheit zu
werden/ welcher Priester er vor war; und der sie
vorher ihr Hertz an statt des Weyrauchs anzün-
dete/ wünscht er in ihrem eigenen Tempel einzu-
äschern; weil er sie für seinen Glücksstern/ itzt
für die erste Bewegung seines Ubels hält. Jhre
wenige Funcken der Vernunfft/ die sie nicht gar
vertil gen kan/ braucht sie nur zu einem Jrrlichte
und Wegweiser in die Sümpffe der Wollust/
und zum Werckzeuge ihren Lastern einen Glantz
zu geben. Jch höre wol: brach Salonine ein/
wem die Königin durch diß schöne Gemählde so
heßlich einzubilden bemüht ist. Aber sie muß an
ihrem frechen Lieb haber seine Pein und schimpf-
lichen Untergang auch zu entwerffen nicht ver-
[Spaltenumbruch] gessen. Es ist wahr/ versetzte die Königin. Der
Apffel der Wollust ist allezeit wurmstichig; und
die Stiche des Gewissens versaltzen ihre aller-
süsseste Kützelung. Wenn aber diese ihrer Ver-
gängligkeit nach endlich verschwindet/ überfällt
sie eine so grausame Abscheu ihrer Laster: daß
wenn der erzürnte Himmel iemanden anders für
seinen Scharfrichter zu gut hält/ ein so toller Lieb-
haber an ihm selbst zum Hencker wird; und also
das schrecklichste Laster wider sich selbst ausübt.

Adgandester hob ab: So unglückselig war
auch leider der sterbende Hannibal. Jnzwischen
aber war seine Brunst auch das Fallbret seiner
Siege/ und hatte er nach Chlotildens Tode mehr
wenig Stern oder Glücke. Denn als das lusti-
ge Capua ein Schauplatz so vieler Trauerspiele
ward; kam Annibaln zu voriger Unlust noch die
betrübte Zeitung zu: daß Barcellon mit tausend
Hispanischen Reutern zu den Römern über ge-
gangen/ die Fürsten Magilus und Dietrich aber
alle Bojen und Deutschen aus dem Läger an sich
gezo gen/ und ihren Weg nach Hause genommen
hätten. Mit derer Abzuge der Carthaginenser
Macht nicht allein eine grosse Verminderung/
sondern auch Annibals Siege einen gewaltsa-
men Stoß bekamen. Denn die Römer borgten
nach der Cannischen Niederlage in Mangel der
Waffen selbte aus den Tempeln; und weil das
Unglück sie zwang aus der Noth eine Tugend zu
machen/ nahmen sie/ nach dem Beyspiele der
Spartaner/ als der Athenienser Feldherr und
lahme Tichter Tyrteus sie drey mal aufs Haupt
geschlagen hatte/ und Agathoclens/ als die Moh-
ren ihn so sehr in Sicilien bedrängten/ acht
tausend Knechte zu freyen Kriegs-Leuten an.
Das Römische Frauenzimmer riß ihren
Schmuck vom Halse/ die Edlen ihrer Vor-El-
tern Gedächtnüsse aus ihren Zimmern/ und
warffen sie zu Kriegs-Kosten in Schmeltzofen.
Jnsonderheit aber brauchten sie sich des zwi-
schen Annibaln und den Deutschen entstande-
nen Mißverständnüsses; Und/ ob sie zwar vor-
her ohne Frucht den Stadtvogt Lucius Posthu-

mius
O o o o o 2

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſuͤſſe Opffer. Jhr grauſet fuͤr ihren eigenen
Flammen/ die ſie fuͤr reiner haͤlt als die Sternen
ſind; weil ſie nunmehr einem gifftigen Nebel
gleichen. Die neue Gluth des Zornes ſchwaͤrtzet
ſie mit ſtinckendem Rauche/ und erſtaͤckt ſie; wel-
che vorher ihre Seufzer aufzublaſen/ und ihre
Augen mit dem Saltze bitterer Thraͤnen zu er-
friſchen aͤngſtig bemuͤht waren. Wenn ſie aber
auch ihr unreines Feuer unkeuſcher Brunſt im-
mer fuͤr ſchoͤn anſieht; ſo erſteckt doch ihr Huͤtten-
Rauch alles Licht der Seele/ damit ſie nicht die
Pforte der Tugend finde/ noch Gebluͤte und
Freundſchafft unterſcheide. Denn ihre Schande
und Mord-Luſt ſind Eltern und Feinde eines/
und der Bruder-Mord nicht ſchwaͤrtzer als der
unſchuldige Todſchlag des Wildes. Ja ihrer
ſchnoͤden Luſt und unſinnigen Rache iſt nicht zu
viel mit eigener Hand ſein Geſchlechte auszurot-
ten/ und mit ſeinen Nachkommen die Hoffnung
ſeines andern Lebens zu erſtecken. Jhre Freude
iſt/ wenn ſie andern viel Todte zu beweinen/ und
viel Braͤnde zu leſchen laͤſt. Sonderlich aber
verlernt ſie alle menſchliche Empfindnuͤſſe ge-
gen der/ welche ſie vorher fuͤr ihren Abgott anbe-
tete. Sie wandelt ſich gegen der in einen Wuͤ-
terich/ welcher Leibeigner ſie vor war; und die
vorhin ſo beliebten Haare in Stricke; um dar-
mit ihren Kerckermeiſter zu erwuͤrgen. Die Ra-
che reitzet ſie ein Hencker derſelben Gottheit zu
werden/ welcher Prieſter er vor war; und der ſie
vorher ihr Hertz an ſtatt des Weyrauchs anzuͤn-
dete/ wuͤnſcht er in ihrem eigenen Tempel einzu-
aͤſchern; weil er ſie fuͤr ſeinen Gluͤcksſtern/ itzt
fuͤr die erſte Bewegung ſeines Ubels haͤlt. Jhre
wenige Funcken der Vernunfft/ die ſie nicht gar
vertil gen kan/ braucht ſie nur zu einem Jrrlichte
und Wegweiſer in die Suͤmpffe der Wolluſt/
und zum Werckzeuge ihren Laſteꝛn einen Glantz
zu geben. Jch hoͤre wol: brach Salonine ein/
wem die Koͤnigin durch diß ſchoͤne Gemaͤhlde ſo
heßlich einzubilden bemuͤht iſt. Aber ſie muß an
ihrem frechen Lieb haber ſeine Pein und ſchimpf-
lichen Untergang auch zu entwerffen nicht ver-
[Spaltenumbruch] geſſen. Es iſt wahr/ verſetzte die Koͤnigin. Der
Apffel der Wolluſt iſt allezeit wurmſtichig; und
die Stiche des Gewiſſens verſaltzen ihre aller-
ſuͤſſeſte Kuͤtzelung. Wenn aber dieſe ihrer Ver-
gaͤngligkeit nach endlich verſchwindet/ uͤberfaͤllt
ſie eine ſo grauſame Abſcheu ihrer Laſter: daß
wenn der erzuͤrnte Him̃el iemanden anders fuͤr
ſeinen Scharfrichter zu gut haͤlt/ ein ſo tolleꝛ Lieb-
haber an ihm ſelbſt zum Hencker wird; und alſo
das ſchrecklichſte Laſter wider ſich ſelbſt ausuͤbt.

Adgandeſter hob ab: So ungluͤckſelig war
auch leider der ſterbende Hannibal. Jnzwiſchen
aber war ſeine Brunſt auch das Fallbret ſeiner
Siege/ und hatte er nach Chlotildens Tode mehꝛ
wenig Stern oder Gluͤcke. Denn als das luſti-
ge Capua ein Schauplatz ſo vieler Trauerſpiele
ward; kam Annibaln zu voriger Unluſt noch die
betruͤbte Zeitung zu: daß Barcellon mit tauſend
Hiſpaniſchen Reutern zu den Roͤmern uͤber ge-
gangen/ die Fuͤrſten Magilus und Dietrich aber
alle Bojen und Deutſchen aus dem Laͤger an ſich
gezo gen/ und ihren Weg nach Hauſe genommen
haͤtten. Mit derer Abzuge der Carthaginenſer
Macht nicht allein eine groſſe Verminderung/
ſondern auch Annibals Siege einen gewaltſa-
men Stoß bekamen. Denn die Roͤmer borgten
nach der Canniſchen Niederlage in Mangel der
Waffen ſelbte aus den Tempeln; und weil das
Ungluͤck ſie zwang aus der Noth eine Tugend zu
machen/ nahmen ſie/ nach dem Beyſpiele der
Spartaner/ als der Athenienſer Feldherr und
lahme Tichter Tyrteus ſie drey mal aufs Haupt
geſchlagen hatte/ und Agathoclens/ als die Moh-
ren ihn ſo ſehr in Sicilien bedraͤngten/ acht
tauſend Knechte zu freyen Kriegs-Leuten an.
Das Roͤmiſche Frauenzimmer riß ihren
Schmuck vom Halſe/ die Edlen ihrer Vor-El-
tern Gedaͤchtnuͤſſe aus ihren Zimmern/ und
warffen ſie zu Kriegs-Koſten in Schmeltzofen.
Jnſonderheit aber brauchten ſie ſich des zwi-
ſchen Annibaln und den Deutſchen entſtande-
nen Mißverſtaͤndnuͤſſes; Und/ ob ſie zwar vor-
her ohne Frucht den Stadtvogt Lucius Poſthu-

mius
O o o o o 2
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[843[845]/0905] Arminius und Thußnelda. ſuͤſſe Opffer. Jhr grauſet fuͤr ihren eigenen Flammen/ die ſie fuͤr reiner haͤlt als die Sternen ſind; weil ſie nunmehr einem gifftigen Nebel gleichen. Die neue Gluth des Zornes ſchwaͤrtzet ſie mit ſtinckendem Rauche/ und erſtaͤckt ſie; wel- che vorher ihre Seufzer aufzublaſen/ und ihre Augen mit dem Saltze bitterer Thraͤnen zu er- friſchen aͤngſtig bemuͤht waren. Wenn ſie aber auch ihr unreines Feuer unkeuſcher Brunſt im- mer fuͤr ſchoͤn anſieht; ſo erſteckt doch ihr Huͤtten- Rauch alles Licht der Seele/ damit ſie nicht die Pforte der Tugend finde/ noch Gebluͤte und Freundſchafft unterſcheide. Denn ihre Schande und Mord-Luſt ſind Eltern und Feinde eines/ und der Bruder-Mord nicht ſchwaͤrtzer als der unſchuldige Todſchlag des Wildes. Ja ihrer ſchnoͤden Luſt und unſinnigen Rache iſt nicht zu viel mit eigener Hand ſein Geſchlechte auszurot- ten/ und mit ſeinen Nachkommen die Hoffnung ſeines andern Lebens zu erſtecken. Jhre Freude iſt/ wenn ſie andern viel Todte zu beweinen/ und viel Braͤnde zu leſchen laͤſt. Sonderlich aber verlernt ſie alle menſchliche Empfindnuͤſſe ge- gen der/ welche ſie vorher fuͤr ihren Abgott anbe- tete. Sie wandelt ſich gegen der in einen Wuͤ- terich/ welcher Leibeigner ſie vor war; und die vorhin ſo beliebten Haare in Stricke; um dar- mit ihren Kerckermeiſter zu erwuͤrgen. Die Ra- che reitzet ſie ein Hencker derſelben Gottheit zu werden/ welcher Prieſter er vor war; und der ſie vorher ihr Hertz an ſtatt des Weyrauchs anzuͤn- dete/ wuͤnſcht er in ihrem eigenen Tempel einzu- aͤſchern; weil er ſie fuͤr ſeinen Gluͤcksſtern/ itzt fuͤr die erſte Bewegung ſeines Ubels haͤlt. Jhre wenige Funcken der Vernunfft/ die ſie nicht gar vertil gen kan/ braucht ſie nur zu einem Jrrlichte und Wegweiſer in die Suͤmpffe der Wolluſt/ und zum Werckzeuge ihren Laſteꝛn einen Glantz zu geben. Jch hoͤre wol: brach Salonine ein/ wem die Koͤnigin durch diß ſchoͤne Gemaͤhlde ſo heßlich einzubilden bemuͤht iſt. Aber ſie muß an ihrem frechen Lieb haber ſeine Pein und ſchimpf- lichen Untergang auch zu entwerffen nicht ver- geſſen. Es iſt wahr/ verſetzte die Koͤnigin. Der Apffel der Wolluſt iſt allezeit wurmſtichig; und die Stiche des Gewiſſens verſaltzen ihre aller- ſuͤſſeſte Kuͤtzelung. Wenn aber dieſe ihrer Ver- gaͤngligkeit nach endlich verſchwindet/ uͤberfaͤllt ſie eine ſo grauſame Abſcheu ihrer Laſter: daß wenn der erzuͤrnte Him̃el iemanden anders fuͤr ſeinen Scharfrichter zu gut haͤlt/ ein ſo tolleꝛ Lieb- haber an ihm ſelbſt zum Hencker wird; und alſo das ſchrecklichſte Laſter wider ſich ſelbſt ausuͤbt. Adgandeſter hob ab: So ungluͤckſelig war auch leider der ſterbende Hannibal. Jnzwiſchen aber war ſeine Brunſt auch das Fallbret ſeiner Siege/ und hatte er nach Chlotildens Tode mehꝛ wenig Stern oder Gluͤcke. Denn als das luſti- ge Capua ein Schauplatz ſo vieler Trauerſpiele ward; kam Annibaln zu voriger Unluſt noch die betruͤbte Zeitung zu: daß Barcellon mit tauſend Hiſpaniſchen Reutern zu den Roͤmern uͤber ge- gangen/ die Fuͤrſten Magilus und Dietrich aber alle Bojen und Deutſchen aus dem Laͤger an ſich gezo gen/ und ihren Weg nach Hauſe genommen haͤtten. Mit derer Abzuge der Carthaginenſer Macht nicht allein eine groſſe Verminderung/ ſondern auch Annibals Siege einen gewaltſa- men Stoß bekamen. Denn die Roͤmer borgten nach der Canniſchen Niederlage in Mangel der Waffen ſelbte aus den Tempeln; und weil das Ungluͤck ſie zwang aus der Noth eine Tugend zu machen/ nahmen ſie/ nach dem Beyſpiele der Spartaner/ als der Athenienſer Feldherr und lahme Tichter Tyrteus ſie drey mal aufs Haupt geſchlagen hatte/ und Agathoclens/ als die Moh- ren ihn ſo ſehr in Sicilien bedraͤngten/ acht tauſend Knechte zu freyen Kriegs-Leuten an. Das Roͤmiſche Frauenzimmer riß ihren Schmuck vom Halſe/ die Edlen ihrer Vor-El- tern Gedaͤchtnuͤſſe aus ihren Zimmern/ und warffen ſie zu Kriegs-Koſten in Schmeltzofen. Jnſonderheit aber brauchten ſie ſich des zwi- ſchen Annibaln und den Deutſchen entſtande- nen Mißverſtaͤndnuͤſſes; Und/ ob ſie zwar vor- her ohne Frucht den Stadtvogt Lucius Poſthu- mius O o o o o 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 843[845]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/905>, abgerufen am 23.11.2024.