Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Sechstes Buch [Spaltenumbruch]
gemerckten Gifftzeichen an Chlotildens Leichemit allen Deutschen zu Pferde gesessen/ und aus Capua fort geritten wären; vorgebende: daß sie sich eines so vergifteten Hofes zu enteusern wich- tige Ursache hätten. Demnach nun Annibal bereit bey sich ent- Das grausamste an dieser zwar verdienten süsse
Sechſtes Buch [Spaltenumbruch]
gemerckten Gifftzeichen an Chlotildens Leichemit allen Deutſchen zu Pferde geſeſſen/ und aus Capua fort geritten waͤren; vorgebende: daß ſie ſich eines ſo vergifteten Hofes zu enteuſern wich- tige Urſache haͤtten. Demnach nun Annibal bereit bey ſich ent- Das grauſamſte an dieſer zwar verdienten ſuͤſſe
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0904" n="842[844]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sechſtes Buch</hi></fw><lb/><cb/> gemerckten Gifftzeichen an Chlotildens Leiche<lb/> mit allen Deutſchen zu Pferde geſeſſen/ und aus<lb/> Capua fort geritten waͤren; vorgebende: daß ſie<lb/> ſich eines ſo vergifteten Hofes zu enteuſern wich-<lb/> tige Urſache haͤtten.</p><lb/> <p>Demnach nun Annibal bereit bey ſich ent-<lb/> ſchloſſen hatte/ Agathoclien ins geheim abzu-<lb/> thun/ aus dieſer Begebenheit aber leicht muth-<lb/> maſſen konte: daß der Verdacht des Gifftes auf<lb/> ihn fiele; entſchloß er durch oͤffentliche Beſtraf-<lb/> fung Agathocliens ſich fuͤr aller Welt rein zu<lb/> brennen. Daher ließ er Agathoclien in Ker-<lb/> cker werffen/ und uͤber der Vergifftung Chlotil-<lb/> dens anfangs in der Guͤte; als ſie aber leugnete/<lb/> und inzwiſchen ein Edelknabe vom Anruͤhren<lb/> des Jeſmins gleichfals getoͤdtet/ alſo die Urſache<lb/> des Todes erkundiget/ von der Kammer-Jung-<lb/> frau die Begebenheit mit dem Waſſerkruge ent-<lb/> decket worden war/ ſcharf befragen. Die Mar-<lb/> ter druͤckte endlich ihr das Bekaͤntnuͤß der War-<lb/> heit aus; ſie ſchuͤtzte aber zu ihrer Entſchuldi-<lb/> gung fuͤr: daß ſie es Annibaln vorher entdeckt/<lb/> und Chlotilden mit ſeiner Genehmhabung ver-<lb/> gifftet haͤtte. Die Richter fragten nach dem<lb/> Beweiſe ihres Einwands. Agathoclia bezohe<lb/> ſich auf Chlotildens Schreiben/ welches ein ge-<lb/> wiſſer Mohr in des Perolla Kleidern gefunden<lb/> und ihr gebracht/ ſie aber Annibaln eingehaͤn-<lb/> digt haͤtte. Annibal/ welchem zu Behauptung<lb/> ſeiner Herrſchafft in Jtalien an Verfuͤhrung<lb/> ſeiner Unſchuld viel gelegen war/ widerſprach<lb/> Agathocliens Fuͤr wand als eine grauſame Ver-<lb/> laͤumdung/ ſchickte auch an ſtatt des erſtern/ der<lb/> Chlotildis letzteres Schreiben den Richtern; um<lb/> dardurch zu beſcheinigen: daß er Chlotilden deß-<lb/> halben mehr zu lieben/ als ihren Mord zu willi-<lb/> gen Urſache gehabt haͤtte. Dieſe faͤllten daher<lb/> Agathoclien/ welche zu Alexandria dem Pfal<lb/> entronnen war/ ein verdientes Urthel/ krafft deſ-<lb/> ſen ſie ruͤck waͤrts auf einen raͤudichten Eſel ge-<lb/> ſetzt/ an den Ecken der Stadt mit gluͤenden Zan-<lb/> gen gezwickt/ hernach mit vier Pferden zerriſ-<lb/><cb/> ſen/ verbrennt/ und die Aſche in den Fluß Vul-<lb/> turnus geſtreut ward. Alſo entrinnen die La-<lb/> ſterhafften zwar zuweilen aus der Hand des<lb/> weltlichen Richters/ niemals aber der goͤttlichen<lb/> Rache; welche/ wenn ſie einem Boßhafften mit<lb/> langſamen Bleyfuͤſſen nacheilet/ ihn auch mit ei-<lb/> ner deſto ſchwerern Hand zu Bodem druͤckt.</p><lb/> <p>Das grauſamſte an dieſer zwar verdienten<lb/> Straffe war: daß Annibal nicht nur dieſem<lb/> Trauerſpiele zuſah/ ſondern auch ſelbſt mit einer<lb/> Gerte das eine nicht anziehende Pferd aufmun-<lb/> terte um denſelben Leib zu zerfleiſchen/ den er ſo<lb/> viel mal inbruͤnſtig umarmt hatte. Die Koͤni-<lb/> gin Erato fing hieruͤber laut an zu ruffen: O des<lb/> merckwuͤrdigen Beyſpiels! daß eine viehiſche<lb/> Liebe nichts als Minotauren gebaͤhre; und ihr<lb/> Engliſches Antlitz ſich mit einem Schlangen-<lb/> Schwantze endige. Freylich wol/ ſagte Thuſ-<lb/> nelde. Denn wie das Mittel der Tugend Ei-<lb/> genſchafft iſt; alſo haben die Laſter nur in dem<lb/> euſerſten ihren Auffenthalt. Jene richtet ihr<lb/> Thun nach/ dieſe wider die Geſetze der Natur<lb/> ein; welche zwiſchen Kaͤlte und Hitze/ zwiſchen<lb/> Sturm und Meerſtille/ zwiſchen Tag und<lb/> Nacht ein gewiſſes Mittel beobachtet. Sinte-<lb/> mal die Sonne aus den Fiſchen in Loͤwen/ vom<lb/> Mittage in Mitternacht keinen gaͤhen Sprung<lb/> thut; ſondern zwiſchen Winter und Sommer<lb/> den lauen Fruͤhling und kuͤhlen Herbſt; zwi-<lb/> ſchen Licht und Finſternuͤß eine annehmliche<lb/> Daͤmmerung einruͤckt. Die geile Brunſt hin-<lb/> gegen verkehrt ſich im Augenblicke in bitterſten<lb/> Haß; und ſpruͤet in einem Atheme Liebkoſen/<lb/> Gifft und Galle heraus. Sie hat zwar die Art<lb/> des hartnaͤckichten Epheu/ welcher alles umar-<lb/> met/ was er nur erreichet; Aber ihre Tauerung<lb/> iſt vergaͤnglicher als der Mertz-Schnee/ der<lb/> insgemein eh/ als er die Erde erreicht/ zu Waſ-<lb/> ſer wird. Sie raſet grimmiger als loderndes<lb/> Pech und brennender Schwefel; haͤlt eingeaͤ-<lb/> ſcherte Laͤnder fuͤr ihre koſtbare Siegszeichen/<lb/> und das geronnene Blut erwuͤrgter Voͤlcker fuͤr<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſuͤſſe</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [842[844]/0904]
Sechſtes Buch
gemerckten Gifftzeichen an Chlotildens Leiche
mit allen Deutſchen zu Pferde geſeſſen/ und aus
Capua fort geritten waͤren; vorgebende: daß ſie
ſich eines ſo vergifteten Hofes zu enteuſern wich-
tige Urſache haͤtten.
Demnach nun Annibal bereit bey ſich ent-
ſchloſſen hatte/ Agathoclien ins geheim abzu-
thun/ aus dieſer Begebenheit aber leicht muth-
maſſen konte: daß der Verdacht des Gifftes auf
ihn fiele; entſchloß er durch oͤffentliche Beſtraf-
fung Agathocliens ſich fuͤr aller Welt rein zu
brennen. Daher ließ er Agathoclien in Ker-
cker werffen/ und uͤber der Vergifftung Chlotil-
dens anfangs in der Guͤte; als ſie aber leugnete/
und inzwiſchen ein Edelknabe vom Anruͤhren
des Jeſmins gleichfals getoͤdtet/ alſo die Urſache
des Todes erkundiget/ von der Kammer-Jung-
frau die Begebenheit mit dem Waſſerkruge ent-
decket worden war/ ſcharf befragen. Die Mar-
ter druͤckte endlich ihr das Bekaͤntnuͤß der War-
heit aus; ſie ſchuͤtzte aber zu ihrer Entſchuldi-
gung fuͤr: daß ſie es Annibaln vorher entdeckt/
und Chlotilden mit ſeiner Genehmhabung ver-
gifftet haͤtte. Die Richter fragten nach dem
Beweiſe ihres Einwands. Agathoclia bezohe
ſich auf Chlotildens Schreiben/ welches ein ge-
wiſſer Mohr in des Perolla Kleidern gefunden
und ihr gebracht/ ſie aber Annibaln eingehaͤn-
digt haͤtte. Annibal/ welchem zu Behauptung
ſeiner Herrſchafft in Jtalien an Verfuͤhrung
ſeiner Unſchuld viel gelegen war/ widerſprach
Agathocliens Fuͤr wand als eine grauſame Ver-
laͤumdung/ ſchickte auch an ſtatt des erſtern/ der
Chlotildis letzteres Schreiben den Richtern; um
dardurch zu beſcheinigen: daß er Chlotilden deß-
halben mehr zu lieben/ als ihren Mord zu willi-
gen Urſache gehabt haͤtte. Dieſe faͤllten daher
Agathoclien/ welche zu Alexandria dem Pfal
entronnen war/ ein verdientes Urthel/ krafft deſ-
ſen ſie ruͤck waͤrts auf einen raͤudichten Eſel ge-
ſetzt/ an den Ecken der Stadt mit gluͤenden Zan-
gen gezwickt/ hernach mit vier Pferden zerriſ-
ſen/ verbrennt/ und die Aſche in den Fluß Vul-
turnus geſtreut ward. Alſo entrinnen die La-
ſterhafften zwar zuweilen aus der Hand des
weltlichen Richters/ niemals aber der goͤttlichen
Rache; welche/ wenn ſie einem Boßhafften mit
langſamen Bleyfuͤſſen nacheilet/ ihn auch mit ei-
ner deſto ſchwerern Hand zu Bodem druͤckt.
Das grauſamſte an dieſer zwar verdienten
Straffe war: daß Annibal nicht nur dieſem
Trauerſpiele zuſah/ ſondern auch ſelbſt mit einer
Gerte das eine nicht anziehende Pferd aufmun-
terte um denſelben Leib zu zerfleiſchen/ den er ſo
viel mal inbruͤnſtig umarmt hatte. Die Koͤni-
gin Erato fing hieruͤber laut an zu ruffen: O des
merckwuͤrdigen Beyſpiels! daß eine viehiſche
Liebe nichts als Minotauren gebaͤhre; und ihr
Engliſches Antlitz ſich mit einem Schlangen-
Schwantze endige. Freylich wol/ ſagte Thuſ-
nelde. Denn wie das Mittel der Tugend Ei-
genſchafft iſt; alſo haben die Laſter nur in dem
euſerſten ihren Auffenthalt. Jene richtet ihr
Thun nach/ dieſe wider die Geſetze der Natur
ein; welche zwiſchen Kaͤlte und Hitze/ zwiſchen
Sturm und Meerſtille/ zwiſchen Tag und
Nacht ein gewiſſes Mittel beobachtet. Sinte-
mal die Sonne aus den Fiſchen in Loͤwen/ vom
Mittage in Mitternacht keinen gaͤhen Sprung
thut; ſondern zwiſchen Winter und Sommer
den lauen Fruͤhling und kuͤhlen Herbſt; zwi-
ſchen Licht und Finſternuͤß eine annehmliche
Daͤmmerung einruͤckt. Die geile Brunſt hin-
gegen verkehrt ſich im Augenblicke in bitterſten
Haß; und ſpruͤet in einem Atheme Liebkoſen/
Gifft und Galle heraus. Sie hat zwar die Art
des hartnaͤckichten Epheu/ welcher alles umar-
met/ was er nur erreichet; Aber ihre Tauerung
iſt vergaͤnglicher als der Mertz-Schnee/ der
insgemein eh/ als er die Erde erreicht/ zu Waſ-
ſer wird. Sie raſet grimmiger als loderndes
Pech und brennender Schwefel; haͤlt eingeaͤ-
ſcherte Laͤnder fuͤr ihre koſtbare Siegszeichen/
und das geronnene Blut erwuͤrgter Voͤlcker fuͤr
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