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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] erfreuet/ und daher ergrieff er den damals nur
9. jährigen Annibal bey der Hand/ führte ihn für
das Altar des rächenden Jupiters/ um ihm bey sei-
nen Opfern die benöthigte Handreichung zu thun.
Nach vollbrachtem Gottes-Dienste umbhalsete
und küßte er seinen Sohn/ fragende: Ob er
wohl Lust hätte mit ihm in Krieg nach Hispanien
abzusegeln? Wie ein von dem mütterlichen
Geblüte noch nasser Löwe schon seine Klauen
zeigt; ja Helden-Kinder in der Wiege Schlan-
gen zu zerreissen begierig sind; also brach beym
noch so zarten Hannibal mit seinen Freuden-
Thränen schon das Feuer seines Gemüthes
für. Er umbarmte die Knie seines Vaters/
und küssete den Staub seiner Fußstapfen/ mit
Bitte: Er möchte ihn ja nicht zurück lassen. Amil-
car küßte Annibaln mit noch mehrer Brünstig-
keit/ nahm seine rechte Hand/ legte selbte auf
das Bild Jupiters/ sprach ihm einen Eyd für/
in welchem Annibal der Römer Tod-Feind zu
sterben angeloben muste. Diesen sprach er
nicht nur mit tausend Freuden nach; sondern
er war in Hispanien die neun Jahr über ein
unabtrennlicher Geferte in den Kriegs-Zelten
seines sieghaften Vaters/ der durch seine Tha-
ten den ersten Stein zu einem neuen Reiche
legte/ und seinen Nachfolgern den Weg zu noch
grössern Wercken bähnte. Auf der einen
Seite des Flusses Jberus war alleine der tapfe-
re und mächtige König Orisso noch übrig/ der
sein Haupt für Amilcarn nicht beugte. Da-
her kamen beyde mit einander zum Haupt-
Treffen. Wie nun die Jberier überaus hart-
näckicht fochten/ drang Amilcar aus Ungedult
mit einer wunderwürdigen Kühnheit auf das
Haupt der Feinde zu/ durchrennte den König
Orisso; verfiel aber in solchem Gedränge mit
seinem Pferde in einen Sumpf/ und muste dar-
innen mit seinem Leben auch die unersättliche
Begierde der Ehren ausblasen. Der achzehn-
jährige Hannibal aber ließ sich weder die An-
zahl der Feinde/ noch seines Vaters Tod irre
machen; sondern gewan durch seine Tapferkeit
[Spaltenumbruch] die Schlacht. Asdrubal/ der bißher über die
Kriegs-Flotte bestellt war/ kam in Amilcars
Stelle; welches bey Annibaln schon etlicher
massen Schälsucht erweckte. Also düncket ein
ruhmsüchtiger Geist niemals einen zu kurtzen
Degen/ und zu wenig Jahre zu haben/ wenn er
grosse Unterfang ungen im Schilde führt. As-
drubal stand seinem hohen Ampte mit grossem
Fleisse und Klugheit acht Jahr für/ erweiterte
der Carthaginenser Gräntzen sehr weit/ und
zwar nicht so wohl durch die Waffen/ als seine
Leutseligkeit/ wormit er der meisten Hispani-
schen Fürsten Gemüther an sich zoh. Denn
es lassen sich durch keine Wünschel-Ruthe so
wohl die heimlichen Ertzt-Adern erforschen/
als menschliche Hertzen durch den Trieb der
Freundschafft; und keine Zauber-Gärthe kan
so wohl die Gespenster/ als Freundligkeit und
Wohlthun die Gemüther an sich ziehen. Er
erbaute die mächtige und überaus wohlgelege-
ne Stadt Neu-Carthago; welche die Römer sehr
ins Gesichte stach/ und sie gleichsam aus einem
tieffen Schlafe gegen Carthago aufweckte.
Alldieweil sie sich aber noch nicht völlig aus dem
Jllyrischen Kriege mit der Königin Teuta aus-
gewickelt/ auch von denen Deutschen und Celten
einen neuen Anfall zu gewarten hatten/ mach-
ten sie zwar einen grossen Ruff/ als auf dessen
Gewichte die Kriege offtmals mehr als auf der
Schwerde der Waffen bestehen: daß von Ostia
und Cajeta ein mächtiges Heer nach Hispanien
überfahren solte; ihr gröstes Absehn aber hatten
sie auf ihre an Asdrubaln mit vielen Geschen-
cken abgehende Gesandschafft. Wiewohl
nun die in Jtalien noch seßhaften Deutschen/
König Aneroest und Viridomar Asdrubaln
durch vertrösteten Beystand beweglich in
Ohren lagen/ nunmehr die Waffen wider
Rom und Sagunt zu ergreiffen; ließ er
sich doch die Römische Kriegs-Rüstung ent-
weder schrecken/ oder ihre Geschencke blenden:
daß er ohne des Raths zu Carthago Vor-
bewust/ und zum Nachtheil des Vaterlands

den
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] erfreuet/ und daher ergrieff er den damals nur
9. jaͤhrigen Annibal bey der Hand/ fuͤhrte ihn fuͤr
das Altar des raͤchendẽ Jupiters/ um ihm bey ſei-
nẽ Opfern die benoͤthigte Handreichung zu thun.
Nach vollbrachtem Gottes-Dienſte umbhalſete
und kuͤßte er ſeinen Sohn/ fragende: Ob er
wohl Luſt haͤtte mit ihm in Krieg nach Hiſpanien
abzuſegeln? Wie ein von dem muͤtterlichen
Gebluͤte noch naſſer Loͤwe ſchon ſeine Klauen
zeigt; ja Helden-Kinder in der Wiege Schlan-
gen zu zerreiſſen begierig ſind; alſo brach beym
noch ſo zarten Hannibal mit ſeinen Freuden-
Thraͤnen ſchon das Feuer ſeines Gemuͤthes
fuͤr. Er umbarmte die Knie ſeines Vaters/
und kuͤſſete den Staub ſeiner Fußſtapfen/ mit
Bitte: Er moͤchte ihn ja nicht zuruͤck laſſẽ. Amil-
car kuͤßte Annibaln mit noch mehrer Bruͤnſtig-
keit/ nahm ſeine rechte Hand/ legte ſelbte auf
das Bild Jupiters/ ſprach ihm einen Eyd fuͤr/
in welchem Annibal der Roͤmer Tod-Feind zu
ſterben angeloben muſte. Dieſen ſprach er
nicht nur mit tauſend Freuden nach; ſondern
er war in Hiſpanien die neun Jahr uͤber ein
unabtrennlicher Geferte in den Kriegs-Zelten
ſeines ſieghaften Vaters/ der durch ſeine Tha-
ten den erſten Stein zu einem neuen Reiche
legte/ und ſeinen Nachfolgern den Weg zu noch
groͤſſern Wercken baͤhnte. Auf der einen
Seite des Fluſſes Jberus war alleine der tapfe-
re und maͤchtige Koͤnig Oriſſo noch uͤbrig/ der
ſein Haupt fuͤr Amilcarn nicht beugte. Da-
her kamen beyde mit einander zum Haupt-
Treffen. Wie nun die Jberier uͤberaus hart-
naͤckicht fochten/ drang Amilcar aus Ungedult
mit einer wunderwuͤrdigen Kuͤhnheit auf das
Haupt der Feinde zu/ durchrennte den Koͤnig
Oriſſo; verfiel aber in ſolchem Gedraͤnge mit
ſeinem Pferde in einen Sumpf/ und muſte dar-
innen mit ſeinem Leben auch die unerſaͤttliche
Begierde der Ehren ausblaſen. Der achzehn-
jaͤhrige Hannibal aber ließ ſich weder die An-
zahl der Feinde/ noch ſeines Vaters Tod irre
machen; ſondern gewan durch ſeine Tapferkeit
[Spaltenumbruch] die Schlacht. Asdrubal/ der bißher uͤber die
Kriegs-Flotte beſtellt war/ kam in Amilcars
Stelle; welches bey Annibaln ſchon etlicher
maſſen Schaͤlſucht erweckte. Alſo duͤncket ein
ruhmſuͤchtiger Geiſt niemals einen zu kurtzen
Degen/ und zu wenig Jahre zu haben/ wenn er
groſſe Unterfang ungen im Schilde fuͤhrt. As-
drubal ſtand ſeinem hohen Ampte mit groſſem
Fleiſſe und Klugheit acht Jahr fuͤr/ erweiterte
der Carthaginenſer Graͤntzen ſehr weit/ und
zwar nicht ſo wohl durch die Waffen/ als ſeine
Leutſeligkeit/ wormit er der meiſten Hiſpani-
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es laſſen ſich durch keine Wuͤnſchel-Ruthe ſo
wohl die heimlichen Ertzt-Adern erforſchen/
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Freundſchafft; und keine Zauber-Gaͤrthe kan
ſo wohl die Geſpenſter/ als Freundligkeit und
Wohlthun die Gemuͤther an ſich ziehen. Er
erbaute die maͤchtige und uͤberaus wohlgelege-
ne Stadt Neu-Carthago; welche die Roͤmer ſehr
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tieffen Schlafe gegen Carthago aufweckte.
Alldieweil ſie ſich aber noch nicht voͤllig aus dem
Jllyriſchen Kriege mit der Koͤnigin Teuta aus-
gewickelt/ auch von denen Deutſchen und Celten
einen neuen Anfall zu gewarten hatten/ mach-
ten ſie zwar einen groſſen Ruff/ als auf deſſen
Gewichte die Kriege offtmals mehr als auf der
Schwerde der Waffen beſtehen: daß von Oſtia
und Cajeta ein maͤchtiges Heer nach Hiſpanien
uͤberfahren ſolte; ihr groͤſtes Abſehn aber hatten
ſie auf ihre an Asdrubaln mit vielen Geſchen-
cken abgehende Geſandſchafft. Wiewohl
nun die in Jtalien noch ſeßhaften Deutſchen/
Koͤnig Aneroeſt und Viridomar Asdrubaln
durch vertroͤſteten Beyſtand beweglich in
Ohren lagen/ nunmehr die Waffen wider
Rom und Sagunt zu ergreiffen; ließ er
ſich doch die Roͤmiſche Kriegs-Ruͤſtung ent-
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bewuſt/ und zum Nachtheil des Vaterlands

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 819[821]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/881>, abgerufen am 23.11.2024.