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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Rathe dem Bürgermeister Varron nicht aus
Heucheley/ sondern mit gutem Rechte gedanckt:
daß er sich zu rechter Zeit aus dem Staube ge-
macht/ und an Erhaltung des Vaterlandes
nicht verzweifelt hatte. Und der flüchtige An-
tigonus entschuldigte seine Flucht durch diesen
Schertz gar scharffsinnig: Er wäre nur umb-
gekehrt/ umb sich des zurück gelassenen Heiles
zu versichern. Noch klüger aber haben etliche
Fürsten gehandelt; welche nach dem Vorbilde
des gegen Viridomarn kriegenden Marcellus/
umb durch ihre vermeynte Gegenwart ihr Heer
zu beseelen; und gleichwohl sich und das gantze
Reich ausser Gefahr zu halten/ einem andern
treuen und tapfern Kriegs-Obersten/ welcher
fürs Vaterland sein Blut zu versprützen/ und
im Wercke die Stelle eines Vaters und Fürsten
zu vertreten für Ehre geschätzt/ ihre Waffen an-
gelegt/ und durch einen heilsamen Betrug nie-
manden als dem Feinde geschadet haben. Allei-
ne wo ein Fürst eines solchen Dieners nicht ver-
gewissert ist/ und umb seine gantze Krone gespie-
let wird/ muß er nur auch selbst/ ein ander Feld-
herr aber/ so offt ein Hauptwerck unter der
Hand/ und sein Volck in zweifelhafter Furcht
ist/ sein eigen Leben aufsetzen/ und wie Hannibal
zuletzt in Africa/ da er mit dem Scipio und Ma-
sinissa Mann für Mann zu fechten kam; wie
Scipio/ als er an Jlliturgis selbst die Sturm-
leiter anlegte; wie Käyser Julius in den Phar-
salischen/ August in der Philippischen Schlacht;
in der er wegen seiner Kranckheit sich doch auf der
Sänfte herumb tragen ließ; und unser Hertzog
Herrmann letzthin allenthalben an der Spitze
fechten/ sich getröstende: daß Fürsten auch Fürst-
liche Schutz-Geister haben; und daß für uner-
schrockenen Helden sich entweder das Unglücke
selbst entsetze/ Pfeil und Kugeln sie zu verletzen schä-
men/ ja das Verhängnüß sie mit Gewalt dem
Tode aus dem Rachen reisse/ wie der in der Mallier
Stadt sich halb verzweifelt stürtzende Alexander
ein herrliches Beyspiel abgibt; oder: daß wenn
[Spaltenumbruch] ihre heldenmässige Entschlüssung auch gleich miß-
linget/ sie dennoch von viel tausenden beklagt/
von niemanden aber/ der die Güte des An- und
Ausschlags zu unter scheiden weiß/ getadelt wer-
den. Unter diese war nun auch der hertzhafte
Viridomar zu rechen; mit welchem der Deut-
schen und der Gallier Glücks-Stern in Jtali-
en gleichsam gar verschwand; die Römer aber
dessen völlige Meister wurden. Die Bojen/
Jnsubrier/ und übrige Deutschen gewohnten
auch nach und nach den Römern zu gehorsamen.
Sintemal die Noth der nachdrücklichste Lehr-
meister ist; und die Erhaltung seines Vermögens
den Verlust der Freyheit gleichsam unempfind-
lich macht. Nach dem aber die Römer der Deut-
schen eigenthümliche Güter/ als den Aug-Apfel
des gemeinen Volckes antasteten/ nemlich nach
Placentz und Cremona mit etlichen tausend Rö-
mischen Einwohnern bevolckten; und also die
alten Besitzer von ihren Häusern und Aeckern
verdrangen; fühlten sie allererst ihre Dienstbar-
keit; ihr Geblüte fing hierüber an ihnen in den
Adern zu jähren/ ihr Hertze nach der alten Frey-
heit zu lächsen/ und ihre Augen sich nach einem
Helffer umb zusehen. Hiezu ereignete sich durch ein
von Mittag über Rom aufziehendes Gewitter
Gelegenheit. Denn Carthago hatte bey dem ge-
machten Frieden den Römern zwar das fette
Sicilien/ niemals aber den Vorsatz sich desselbten
bey ereigneter Gelegenheit wieder zu bemächti-
gen/ abgetreten. Es war dieser herrschsüchtigen
Stadt unentfallen/ was Rom vormals für ein
klein Licht gegen ihr gewest wäre/ als sie in dem
mit dem Junius Brutus/ und Marcus Hora-
tius/ beyden Bürgermeistern gemachten erstern
Bündnüsse/ die Römer derogestalt einschränck-
ten: daß sie über das bey Carthago liegende
schöne Vorgebürge nicht schiffen/ oder wenn sie
durch Ungewitter weiter getrieben würden/ da-
selbst kein Gewerb treiben/ auch den fünften
Tag zurück segeln musten. Welches Verbot
Carthago auch hernach auf Mastia und Tarse-

sium
Erster Theil. L l l l l

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Rathe dem Buͤrgermeiſter Varron nicht aus
Heucheley/ ſondern mit gutem Rechte gedanckt:
daß er ſich zu rechter Zeit aus dem Staube ge-
macht/ und an Erhaltung des Vaterlandes
nicht verzweifelt hatte. Und der fluͤchtige An-
tigonus entſchuldigte ſeine Flucht durch dieſen
Schertz gar ſcharffſinnig: Er waͤre nur umb-
gekehrt/ umb ſich des zuruͤck gelaſſenen Heiles
zu verſichern. Noch kluͤger aber haben etliche
Fuͤrſten gehandelt; welche nach dem Vorbilde
des gegen Viridomarn kriegenden Marcellus/
umb durch ihre vermeynte Gegenwart ihr Heer
zu beſeelen; und gleichwohl ſich und das gantze
Reich auſſer Gefahr zu halten/ einem andern
treuen und tapfern Kriegs-Oberſten/ welcher
fuͤrs Vaterland ſein Blut zu verſpruͤtzen/ und
im Wercke die Stelle eines Vaters und Fuͤrſten
zu vertreten fuͤr Ehre geſchaͤtzt/ ihre Waffen an-
gelegt/ und durch einen heilſamen Betrug nie-
manden als dem Feinde geſchadet haben. Allei-
ne wo ein Fuͤrſt eines ſolchen Dieners nicht ver-
gewiſſert iſt/ und umb ſeine gantze Krone geſpie-
let wird/ muß er nur auch ſelbſt/ ein ander Feld-
herr aber/ ſo offt ein Hauptwerck unter der
Hand/ und ſein Volck in zweifelhafter Furcht
iſt/ ſein eigen Leben aufſetzen/ und wie Hannibal
zuletzt in Africa/ da er mit dem Scipio und Ma-
ſiniſſa Mann fuͤr Mann zu fechten kam; wie
Scipio/ als er an Jlliturgis ſelbſt die Sturm-
leiter anlegte; wie Kaͤyſer Julius in den Phar-
ſaliſchen/ Auguſt in der Philippiſchen Schlacht;
in der er wegen ſeiner Kranckheit ſich doch auf deꝛ
Saͤnfte herumb tragen ließ; und unſer Hertzog
Herrmann letzthin allenthalben an der Spitze
fechten/ ſich getroͤſtende: daß Fuͤrſten auch Fuͤrſt-
liche Schutz-Geiſter haben; und daß fuͤr uner-
ſchrockenen Helden ſich entweder das Ungluͤcke
ſelbſt entſetze/ Pfeil und Kugeln ſie zu verletzẽ ſchaͤ-
men/ ja das Verhaͤngnuͤß ſie mit Gewalt dem
Tode aus dem Rachẽ reiſſe/ wie der in deꝛ Mallieꝛ
Stadt ſich halb verzweifelt ſtuͤrtzende Alexander
ein herrliches Beyſpiel abgibt; oder: daß wenn
[Spaltenumbruch] ihre heldẽmaͤſſige Entſchluͤſſung auch gleich miß-
linget/ ſie dennoch von viel tauſenden beklagt/
von niemanden aber/ der die Guͤte des An- und
Ausſchlags zu unter ſcheiden weiß/ getadelt wer-
den. Unter dieſe war nun auch der hertzhafte
Viridomar zu rechen; mit welchem der Deut-
ſchen und der Gallier Gluͤcks-Stern in Jtali-
en gleichſam gar verſchwand; die Roͤmer aber
deſſen voͤllige Meiſter wurden. Die Bojen/
Jnſubrier/ und uͤbrige Deutſchen gewohnten
auch nach und nach den Roͤmern zu gehorſamen.
Sintemal die Noth der nachdruͤcklichſte Lehr-
meiſter iſt; und die Erhaltung ſeines Vermoͤgens
den Verluſt der Freyheit gleichſam unempfind-
lich macht. Nach dem aber die Roͤmer der Deut-
ſchen eigenthuͤmliche Guͤter/ als den Aug-Apfel
des gemeinen Volckes antaſteten/ nemlich nach
Placentz und Cremona mit etlichen tauſend Roͤ-
miſchen Einwohnern bevolckten; und alſo die
alten Beſitzer von ihren Haͤuſern und Aeckern
verdrangen; fuͤhlten ſie allererſt ihre Dienſtbar-
keit; ihr Gebluͤte fing hieruͤber an ihnen in den
Adern zu jaͤhren/ ihr Hertze nach der alten Frey-
heit zu laͤchſen/ und ihre Augen ſich nach einem
Helffer umb zuſehẽ. Hiezu ereignete ſich durch ein
von Mittag uͤber Rom aufziehendes Gewitter
Gelegenheit. Denn Carthago hatte bey dem ge-
machten Frieden den Roͤmern zwar das fette
Sicilien/ niemals aber den Vorſatz ſich deſſelbten
bey ereigneter Gelegenheit wieder zu bemaͤchti-
gen/ abgetreten. Es war dieſer herrſchſuͤchtigen
Stadt unentfallen/ was Rom vormals fuͤr ein
klein Licht gegen ihr geweſt waͤre/ als ſie in dem
mit dem Junius Brutus/ und Marcus Hora-
tius/ beyden Buͤrgermeiſtern gemachten erſtern
Buͤndnuͤſſe/ die Roͤmer derogeſtalt einſchraͤnck-
ten: daß ſie uͤber das bey Carthago liegende
ſchoͤne Vorgebuͤrge nicht ſchiffen/ oder wenn ſie
durch Ungewitter weiter getrieben wuͤrden/ da-
ſelbſt kein Gewerb treiben/ auch den fuͤnften
Tag zuruͤck ſegeln muſten. Welches Verbot
Carthago auch hernach auf Maſtia und Tarſe-

ſium
Erſter Theil. L l l l l
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 817[819]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/879>, abgerufen am 23.11.2024.