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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] Krieges-Obersten spielte den Römern/ wiewohl
nicht ohne viel Schweiß und Blut/ den Sieg/
wie auch die Stadt Acerra und Meyland in die
Hände; nach dem insonderheit bey denen Gesaten
nicht nur mit dem Könige Viridomarn die Ge-
wogenheit zu den Jnsubrern erkaltete/ sondern
sie auch diese beschuldigten: daß sie in der
Schlacht sich nicht tapfer genung gehalten hät-
ten; also über das Gebürge wieder zurück an
den Rhodan und den Rhein kehreten; nach dem
sie gleichwohl vorher ein Theil des Römischen
Heeres erlegt/ und in die Flucht bracht hatten.
Jnzwischen trug Marcellus den unverdienten
Ruhm darvon: daß er selbsthändig Virido-
marn erlegt hatte; da doch dieser deutsche Held
von niemanden/ als einem Deutschen überwun-
den werden konte. Viridomars güldene Waf-
fen wurden auf einem eichenen Stocke für dem
Marcellus zu Rom her geführet/ und ausgeruf-
fen: Er wäre nach dem Romulus und Corneli-
us Cossus/ derer erster den König Acron/ der an-
der den Volumnius getödtet/ der dritte/ welcher
dem feindlichen Heerführer selbst Leben und
Waffen abgenommen hätte. Die Jnsubri-
schen Fürsten verlohren mit ihrem deutschen Kö-
nige und den Gesaten so wohl Hertze als Frey-
heit; die Römer aber schätzten diesen Gewinn so
groß: daß sie dem Delphischen Apollo eine
Schale aus dichtem Golde hundert Pfund
schwer zuschickten. Zeno fiel ein: Dieses Bey-
spiel dienet allen Kriegs-Häuptern zu einer
Warnigung: daß der Zwey-Kampf mehr ein
Handwerck der vermessenen Jugend/ als eine
Verrichtung einer vorsichtigen Tapferkeit;
an Fürsten aber ein Wahnwitz/ und ein Unter-
gang der Reiche sey. Denn ob zwar Pittacus
einer aus den sieben Weisen/ und der Oberherr
zu Mytilene bey zweifelhaftem Kriegs-Aus-
schlage mit dem Fürsten Phrynon/ welchen er
mit einem Netze bestrickte und tödtete/ auf diese
Art sich glücklich auswickelte; die drey für das
Römische Volck fechtende Horatier ihrem Va-
[Spaltenumbruch] terlande die Herrschafft über die Stadt Alba er-
warben; so hat doch der mit seinem Bruder Ar-
taxerxes anbindende Cyrus durch seine Hitze
das gantze Spiel verlohren; ungeachtet die ihm
beystehenden Griechen auf ihrer Seite den
Sieg erhielten. Ja die verspielten Schlachten
sind nicht zu erzehlen/ welche nur darumb ver-
lohren worden/ weil ihre Häupter oder vielmehr
die Hertzen der Kriegsheere durch unvorsichtige
Kühnheit zu zeitlich gefallen. Daher ich fast
anstehe: Ob jener Atheniensische Feldhaupt-
mann nicht mehr Ruhms als Scheltens werth
sey; welcher einem sich mit seinen empfangenen
Wunden auf blasenden Heerführer einhielt: Er
hätte nie keinen ärgern Fehler/ als durch unzei-
tige Näherung einer belägerten Stadt began-
gen/ da ihm ein Pfeil für seine Füsse gefallen
wäre. Hingegen würde am Scipio hochge-
schätzt: daß er bey Belägerung der Stadt Car-
thago allezeit drey grosse Schilde ihn für allem
Geschoß zu bedecken hätte vortragen lassen; und
der so kühne Hannibal hätte nicht nur sein Leben
sorgfältig gesparet; sondern auch dem von ihm
überwundenen Bürgermeister Marcellus diese
schlechte Grab-Schrifft gemacht: daß er als ein
tapferer Kriegsmann/ aber als ein unvernünfti-
ger Feldherr geblieben wäre. Wiewohl Han-
nibal bey Belägerung der hartnäckichten Stadt
Sagunt und bey Placentz seiner und dieser
Klugheit selbst vergaß; als er dort auf der
Sturmleiter/ hier bey Uberrumpelung einer
Festung verwundet/ und beyde mal sein gantzes
Heer in bestürtzte Verwirrung gesetzt ward.
Des grossen Alexanders Kriegsheer/ für wel-
chem vorher die gantze Welt gebebet hatte/ ward
nach seinen Tode zu einem gebländeten Cyclopen/
und bewährte dardurch: daß ein Feldherr sei-
nes Heeres Auge und Leitstern; also sein Leben
ohne äuserste Noth nicht in die Schantze/ und
als ein Spielball dem blinden Glücke aufzuse-
tzen sey. Es ist wahr/ sagte Adgandester; und
ward in der Schlacht bey Cannas vom Römischen

Rathe

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] Krieges-Oberſten ſpielte den Roͤmern/ wiewohl
nicht ohne viel Schweiß und Blut/ den Sieg/
wie auch die Stadt Acerra und Meyland in die
Haͤnde; nach dem inſonderheit bey denẽ Geſaten
nicht nur mit dem Koͤnige Viridomarn die Ge-
wogenheit zu den Jnſubrern erkaltete/ ſondern
ſie auch dieſe beſchuldigten: daß ſie in der
Schlacht ſich nicht tapfer genung gehalten haͤt-
ten; alſo uͤber das Gebuͤrge wieder zuruͤck an
den Rhodan und den Rhein kehreten; nach dem
ſie gleichwohl vorher ein Theil des Roͤmiſchen
Heeres erlegt/ und in die Flucht bracht hatten.
Jnzwiſchen trug Marcellus den unverdienten
Ruhm darvon: daß er ſelbſthaͤndig Virido-
marn erlegt hatte; da doch dieſer deutſche Held
von niemanden/ als einem Deutſchen uͤberwun-
den werden konte. Viridomars guͤldene Waf-
fen wurden auf einem eichenen Stocke fuͤr dem
Marcellus zu Rom her gefuͤhret/ und ausgeruf-
fen: Er waͤre nach dem Romulus und Corneli-
us Coſſus/ derer erſter den Koͤnig Acron/ der an-
der den Volumnius getoͤdtet/ der dritte/ welcher
dem feindlichen Heerfuͤhrer ſelbſt Leben und
Waffen abgenommen haͤtte. Die Jnſubri-
ſchen Fuͤrſten verlohren mit ihrem deutſchen Koͤ-
nige und den Geſaten ſo wohl Hertze als Frey-
heit; die Roͤmer aber ſchaͤtzten dieſen Gewinn ſo
groß: daß ſie dem Delphiſchen Apollo eine
Schale aus dichtem Golde hundert Pfund
ſchwer zuſchickten. Zeno fiel ein: Dieſes Bey-
ſpiel dienet allen Kriegs-Haͤuptern zu einer
Warnigung: daß der Zwey-Kampf mehr ein
Handwerck der vermeſſenen Jugend/ als eine
Verrichtung einer vorſichtigen Tapferkeit;
an Fuͤrſten aber ein Wahnwitz/ und ein Unter-
gang der Reiche ſey. Denn ob zwar Pittacus
einer aus den ſieben Weiſen/ und der Oberherr
zu Mytilene bey zweifelhaftem Kriegs-Aus-
ſchlage mit dem Fuͤrſten Phrynon/ welchen er
mit einem Netze beſtrickte und toͤdtete/ auf dieſe
Art ſich gluͤcklich auswickelte; die drey fuͤr das
Roͤmiſche Volck fechtende Horatier ihrem Va-
[Spaltenumbruch] terlande die Herrſchafft uͤber die Stadt Alba er-
warben; ſo hat doch der mit ſeinem Bruder Ar-
taxerxes anbindende Cyrus durch ſeine Hitze
das gantze Spiel verlohren; ungeachtet die ihm
beyſtehenden Griechen auf ihrer Seite den
Sieg erhielten. Ja die verſpielten Schlachten
ſind nicht zu erzehlen/ welche nur darumb ver-
lohren worden/ weil ihre Haͤupter oder vielmehr
die Hertzen der Kriegsheere durch unvorſichtige
Kuͤhnheit zu zeitlich gefallen. Daher ich faſt
anſtehe: Ob jener Athenienſiſche Feldhaupt-
mann nicht mehr Ruhms als Scheltens werth
ſey; welcher einem ſich mit ſeinen empfangenen
Wunden auf blaſenden Heerfuͤhrer einhielt: Er
haͤtte nie keinen aͤrgern Fehler/ als durch unzei-
tige Naͤherung einer belaͤgerten Stadt began-
gen/ da ihm ein Pfeil fuͤr ſeine Fuͤſſe gefallen
waͤre. Hingegen wuͤrde am Scipio hochge-
ſchaͤtzt: daß er bey Belaͤgerung der Stadt Car-
thago allezeit drey groſſe Schilde ihn fuͤr allem
Geſchoß zu bedecken haͤtte vortragen laſſen; und
der ſo kuͤhne Hannibal haͤtte nicht nur ſein Leben
ſorgfaͤltig geſparet; ſondern auch dem von ihm
uͤberwundenen Buͤrgermeiſter Marcellus dieſe
ſchlechte Grab-Schrifft gemacht: daß er als ein
tapferer Kriegsmann/ aber als ein unvernuͤnfti-
ger Feldherr geblieben waͤre. Wiewohl Han-
nibal bey Belaͤgerung der hartnaͤckichten Stadt
Sagunt und bey Placentz ſeiner und dieſer
Klugheit ſelbſt vergaß; als er dort auf der
Sturmleiter/ hier bey Uberrumpelung einer
Feſtung verwundet/ und beyde mal ſein gantzes
Heer in beſtuͤrtzte Verwirrung geſetzt ward.
Des groſſen Alexanders Kriegsheer/ fuͤr wel-
chem vorher die gantze Welt gebebet hatte/ ward
nach ſeinẽ Tode zu einem geblaͤndeten Cyclopen/
und bewaͤhrte dardurch: daß ein Feldherr ſei-
nes Heeres Auge und Leitſtern; alſo ſein Leben
ohne aͤuſerſte Noth nicht in die Schantze/ und
als ein Spielball dem blinden Gluͤcke aufzuſe-
tzen ſey. Es iſt wahr/ ſagte Adgandeſter; und
ward in der Schlacht bey Cannas vom Roͤmiſchẽ

Rathe
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[816[818]/0878] Sechſtes Buch Krieges-Oberſten ſpielte den Roͤmern/ wiewohl nicht ohne viel Schweiß und Blut/ den Sieg/ wie auch die Stadt Acerra und Meyland in die Haͤnde; nach dem inſonderheit bey denẽ Geſaten nicht nur mit dem Koͤnige Viridomarn die Ge- wogenheit zu den Jnſubrern erkaltete/ ſondern ſie auch dieſe beſchuldigten: daß ſie in der Schlacht ſich nicht tapfer genung gehalten haͤt- ten; alſo uͤber das Gebuͤrge wieder zuruͤck an den Rhodan und den Rhein kehreten; nach dem ſie gleichwohl vorher ein Theil des Roͤmiſchen Heeres erlegt/ und in die Flucht bracht hatten. Jnzwiſchen trug Marcellus den unverdienten Ruhm darvon: daß er ſelbſthaͤndig Virido- marn erlegt hatte; da doch dieſer deutſche Held von niemanden/ als einem Deutſchen uͤberwun- den werden konte. Viridomars guͤldene Waf- fen wurden auf einem eichenen Stocke fuͤr dem Marcellus zu Rom her gefuͤhret/ und ausgeruf- fen: Er waͤre nach dem Romulus und Corneli- us Coſſus/ derer erſter den Koͤnig Acron/ der an- der den Volumnius getoͤdtet/ der dritte/ welcher dem feindlichen Heerfuͤhrer ſelbſt Leben und Waffen abgenommen haͤtte. Die Jnſubri- ſchen Fuͤrſten verlohren mit ihrem deutſchen Koͤ- nige und den Geſaten ſo wohl Hertze als Frey- heit; die Roͤmer aber ſchaͤtzten dieſen Gewinn ſo groß: daß ſie dem Delphiſchen Apollo eine Schale aus dichtem Golde hundert Pfund ſchwer zuſchickten. Zeno fiel ein: Dieſes Bey- ſpiel dienet allen Kriegs-Haͤuptern zu einer Warnigung: daß der Zwey-Kampf mehr ein Handwerck der vermeſſenen Jugend/ als eine Verrichtung einer vorſichtigen Tapferkeit; an Fuͤrſten aber ein Wahnwitz/ und ein Unter- gang der Reiche ſey. Denn ob zwar Pittacus einer aus den ſieben Weiſen/ und der Oberherr zu Mytilene bey zweifelhaftem Kriegs-Aus- ſchlage mit dem Fuͤrſten Phrynon/ welchen er mit einem Netze beſtrickte und toͤdtete/ auf dieſe Art ſich gluͤcklich auswickelte; die drey fuͤr das Roͤmiſche Volck fechtende Horatier ihrem Va- terlande die Herrſchafft uͤber die Stadt Alba er- warben; ſo hat doch der mit ſeinem Bruder Ar- taxerxes anbindende Cyrus durch ſeine Hitze das gantze Spiel verlohren; ungeachtet die ihm beyſtehenden Griechen auf ihrer Seite den Sieg erhielten. Ja die verſpielten Schlachten ſind nicht zu erzehlen/ welche nur darumb ver- lohren worden/ weil ihre Haͤupter oder vielmehr die Hertzen der Kriegsheere durch unvorſichtige Kuͤhnheit zu zeitlich gefallen. Daher ich faſt anſtehe: Ob jener Athenienſiſche Feldhaupt- mann nicht mehr Ruhms als Scheltens werth ſey; welcher einem ſich mit ſeinen empfangenen Wunden auf blaſenden Heerfuͤhrer einhielt: Er haͤtte nie keinen aͤrgern Fehler/ als durch unzei- tige Naͤherung einer belaͤgerten Stadt began- gen/ da ihm ein Pfeil fuͤr ſeine Fuͤſſe gefallen waͤre. Hingegen wuͤrde am Scipio hochge- ſchaͤtzt: daß er bey Belaͤgerung der Stadt Car- thago allezeit drey groſſe Schilde ihn fuͤr allem Geſchoß zu bedecken haͤtte vortragen laſſen; und der ſo kuͤhne Hannibal haͤtte nicht nur ſein Leben ſorgfaͤltig geſparet; ſondern auch dem von ihm uͤberwundenen Buͤrgermeiſter Marcellus dieſe ſchlechte Grab-Schrifft gemacht: daß er als ein tapferer Kriegsmann/ aber als ein unvernuͤnfti- ger Feldherr geblieben waͤre. Wiewohl Han- nibal bey Belaͤgerung der hartnaͤckichten Stadt Sagunt und bey Placentz ſeiner und dieſer Klugheit ſelbſt vergaß; als er dort auf der Sturmleiter/ hier bey Uberrumpelung einer Feſtung verwundet/ und beyde mal ſein gantzes Heer in beſtuͤrtzte Verwirrung geſetzt ward. Des groſſen Alexanders Kriegsheer/ fuͤr wel- chem vorher die gantze Welt gebebet hatte/ ward nach ſeinẽ Tode zu einem geblaͤndeten Cyclopen/ und bewaͤhrte dardurch: daß ein Feldherr ſei- nes Heeres Auge und Leitſtern; alſo ſein Leben ohne aͤuſerſte Noth nicht in die Schantze/ und als ein Spielball dem blinden Gluͤcke aufzuſe- tzen ſey. Es iſt wahr/ ſagte Adgandeſter; und ward in der Schlacht bey Cannas vom Roͤmiſchẽ Rathe

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 816[818]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/878>, abgerufen am 23.11.2024.