Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Tapferkeit ihre Scharte auszuwetzen. Mas-sen sie denn die Carthaginenser/ welche aus Si- cilien mit etwas waren verstärckt worden/ und den König Elymas durch Geschencke und Ver- tröstungen wieder auf ihre Seite brachten/ aus dem Felde biß indas Läger unter die Stadt trie- ben/ den König Elymas aber mit einem seiner Söhne und ansehlichem Heer erschlugen. An diesen Unglücken war es noch nicht genung; denn sie hengen meist wie die Ketten-Glieder an einander. Es kam in die Stadt Zeitung: daß Aphellas/ der ein gewesener Kriegs-Ober- ster des grossen Alexanders gewest war/ und an- fangs das Königreich Cyrene dem Tyrannen Thimbro aus den Händen gewunden/ dem Kö- nige Ptolomeus unterthänig/ hernach aber sich aus einem Unter-Könige zu einem eigenmächti- gen Herren gemacht/ mit den Atheniensern sich verbunden/ von dar eine Enckelin des berühm- ten Miltiades Euthydica geheyrathet hatte/ mit einem mächtigen Heere von Cyrenern und Grie- chen durch Marmarica dem Agathocles zu Hülffe im Anzuge wäre. Weswegen von Car- thago ein ziemliches Heer gegen der Stadt Leptis so wohl dem Aphellas fürzubeugen/ als die Abtrünnigen Numidier wieder an sich zu zie- hen abgeschickt war. Bey dieser Gelegenheit entschloß sich Bomilcar eines gefährlichen Vor- nehmens/ als welcher nicht allein lange Zeit sich zum Ober-Herren der Stadt Carthago zu machen im Schilde geführt/ sondern auch die ab- gezwungene Opferung seines einigen Sohnes zu rächen beschlossen hatte; er hatte fünf hundert Bürger/ und zwar meistentheils die/ derer Kin- der auch wider Willen waren geopfert worden/ wie auch tausend geworbene Kriegsleute auf sei- ne Seite bracht/ mit diesen nahm er früh mor- gens den grossen Marckt ein/ erklärte sich da- selbst für einen König/ ließ hierauf alle auf den Strassen ungewaffnet befindliche Bürger nie- derhauen. Wie nun aber die Stadt ver- stand: daß kein ausländischer Feind/ sondern Bomilcar derogestalt wütete/ grieffen die Bür- [Spaltenumbruch] ger/ und zwar der dem Hause des Bomilcars/ gehässige Fürst Narvas am ersten zun Waffen/ führte auch selbte so behertzt an: daß diese Auf- rührer zerstreuet/ und Bomilcar/ welchen Nar- vas selbst mit einem Spiessein die Seite verletz- te/ lebendig gefangen ward. Folgenden Tag ward Bomilcar auf dem Marckte/ als dem Schau-Platze seiner Würden und Verbrechens an ein Creutze genagelt/ welches er behertzt erdul- dete/ und der Zuschauenden Menge beweglich zuredete: daß ihn die Grausamkeit ihrer bluti- gen Opfer und ihr Undanck gegen wohlverdien- te Helden zu solcher Entschlüssung gebracht hät- te; indeme er wahrgenommen: daß nach dem sie ihn seines einigen Sohnes beraubet/ es ihm nicht besser gehen würde/ als dem Hanno/ welchen sie aus blossem Argwohn angemaßter Oberherr- schaft getödtet; oder dem unschuldig vertriebenen Gisgo/ und denen zweyen Amilcarn/ derer einem sie verläumderisch beygemessen: daß er mit dem Agathocles unter dem Hute spielte; den andern gleichsam aber gezwungen hätten: daß er bey vernommener Flucht seiner Völcker sich selbst in sein eigenes Opfer-Feuer lebendig gestürtzet. Ob sie ihn nun hernach ver göttert/ wäre doch diß ein merckwürdiges Beyspiel: daß sie die Güte einer Sache allererst nach ihrem Verluste schätzten; der Tugend aber im Leben Spinnen-feind wä- ren. Wie aber diß alles bey vergällten Gemü- thern wenig Mitleiden schaffte; also kam der noch junge Fürst Narvas in grosses Ansehen sei- ner Tapferkeit halber. Jnzwischen war Kö- nig Aphellas den Carthaginensern schon zuvor/ und in Agathocles Läger ankommen/ daselbst zwischen beyden grosse Verträuligkeit gemacht/ und des Agathocles Sohn Heraclidas vom A- phellas zum Sohne angenommen worden. Weil aber dessen sein Absehn und Bündnüß da- hin ging: daß Agathocles sich mit Sicilien und einem Stücke Jtaliens vergnügen/ gantz Africa aber des Aphellas Beute seyn solte; überrede[t]e zu gelegener Zeit/ als das Cyrenische Heer theils auf der Fütterung aussen/ theils in der Ruhe war/ Aga-
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
Tapferkeit ihre Scharte auszuwetzen. Maſ-ſen ſie denn die Carthaginenſer/ welche aus Si- cilien mit etwas waren verſtaͤrckt worden/ und den Koͤnig Elymas durch Geſchencke und Ver- troͤſtungen wieder auf ihre Seite brachten/ aus dem Felde biß indas Laͤger unter die Stadt trie- ben/ den Koͤnig Elymas aber mit einem ſeiner Soͤhne und anſehlichem Heer erſchlugen. An dieſen Ungluͤcken war es noch nicht genung; denn ſie hengen meiſt wie die Ketten-Glieder an einander. Es kam in die Stadt Zeitung: daß Aphellas/ der ein geweſener Kriegs-Ober- ſter des groſſen Alexanders geweſt war/ und an- fangs das Koͤnigreich Cyrene dem Tyrannen Thimbro aus den Haͤnden gewunden/ dem Koͤ- nige Ptolomeus unterthaͤnig/ hernach aber ſich aus einem Unter-Koͤnige zu einem eigenmaͤchti- gen Herren gemacht/ mit den Athenienſern ſich verbunden/ von dar eine Enckelin des beruͤhm- ten Miltiades Euthydica geheyrathet hatte/ mit einem maͤchtigen Heere von Cyrenern und Grie- chen durch Marmarica dem Agathocles zu Huͤlffe im Anzuge waͤre. Weswegen von Car- thago ein ziemliches Heer gegen der Stadt Leptis ſo wohl dem Aphellas fuͤrzubeugen/ als die Abtruͤnnigen Numidier wieder an ſich zu zie- hen abgeſchickt war. Bey dieſer Gelegenheit entſchloß ſich Bomilcar eines gefaͤhrlichen Vor- nehmens/ als welcher nicht allein lange Zeit ſich zum Ober-Herren der Stadt Carthago zu machen im Schilde gefuͤhrt/ ſondern auch die ab- gezwungene Opferung ſeines einigen Sohnes zu raͤchen beſchloſſen hatte; er hatte fuͤnf hundert Buͤrger/ und zwar meiſtentheils die/ derer Kin- der auch wider Willen waren geopfert worden/ wie auch tauſend geworbene Kriegsleute auf ſei- ne Seite bracht/ mit dieſen nahm er fruͤh mor- gens den groſſen Marckt ein/ erklaͤrte ſich da- ſelbſt fuͤr einen Koͤnig/ ließ hierauf alle auf den Straſſen ungewaffnet befindliche Buͤrger nie- derhauen. Wie nun aber die Stadt ver- ſtand: daß kein auslaͤndiſcher Feind/ ſondern Bomilcar derogeſtalt wuͤtete/ grieffen die Buͤr- [Spaltenumbruch] ger/ und zwar der dem Hauſe des Bomilcars/ gehaͤſſige Fuͤrſt Narvas am erſten zun Waffen/ fuͤhrte auch ſelbte ſo behertzt an: daß dieſe Auf- ruͤhrer zerſtreuet/ und Bomilcar/ welchen Nar- vas ſelbſt mit einem Spieſſein die Seite verletz- te/ lebendig gefangen ward. Folgenden Tag ward Bomilcar auf dem Marckte/ als dem Schau-Platze ſeiner Wuͤrden und Verbrechens an ein Creutze genagelt/ welches er behertzt erdul- dete/ und der Zuſchauenden Menge beweglich zuredete: daß ihn die Grauſamkeit ihrer bluti- gen Opfer und ihr Undanck gegen wohlverdien- te Helden zu ſolcher Entſchluͤſſung gebracht haͤt- te; indeme er wahrgenommen: daß nach dem ſie ihn ſeines einigen Sohnes beraubet/ es ihm nicht beſſer gehen wuͤrde/ als dem Hanno/ welchẽ ſie aus bloſſem Argwohn angemaßter Oberherr- ſchaft getoͤdtet; oder dem unſchuldig vertriebenẽ Giſgo/ und denen zweyen Amilcarn/ derer einem ſie verlaͤumderiſch beygemeſſen: daß er mit dem Agathocles unter dem Hute ſpielte; den andern gleichſam aber gezwungen haͤtten: daß er bey vernommener Flucht ſeiner Voͤlcker ſich ſelbſt in ſein eigenes Opfer-Feuer lebendig geſtuͤrtzet. Ob ſie ihn nun hernach ver goͤttert/ waͤre doch diß ein merckwuͤrdiges Beyſpiel: daß ſie die Guͤte einer Sache allererſt nach ihrem Verluſte ſchaͤtzten; der Tugend aber im Leben Spinnen-feind waͤ- ren. Wie aber diß alles bey vergaͤllten Gemuͤ- thern wenig Mitleiden ſchaffte; alſo kam der noch junge Fuͤrſt Narvas in groſſes Anſehen ſei- ner Tapferkeit halber. Jnzwiſchen war Koͤ- nig Aphellas den Carthaginenſern ſchon zuvor/ und in Agathocles Laͤger ankommen/ daſelbſt zwiſchen beyden groſſe Vertraͤuligkeit gemacht/ und des Agathocles Sohn Heraclidas vom A- phellas zum Sohne angenommen worden. Weil aber deſſen ſein Abſehn und Buͤndnuͤß da- hin ging: daß Agathocles ſich mit Sicilien und einem Stuͤcke Jtaliens vergnuͤgen/ gantz Africa aber des Aphellas Beute ſeyn ſolte; uͤberrede[t]e zu gelegener Zeit/ als das Cyreniſche Heer theils auf der Fuͤtterung auſſen/ theils in der Ruhe war/ Aga-
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Arminius und Thußnelda.
Tapferkeit ihre Scharte auszuwetzen. Maſ-
ſen ſie denn die Carthaginenſer/ welche aus Si-
cilien mit etwas waren verſtaͤrckt worden/ und
den Koͤnig Elymas durch Geſchencke und Ver-
troͤſtungen wieder auf ihre Seite brachten/ aus
dem Felde biß indas Laͤger unter die Stadt trie-
ben/ den Koͤnig Elymas aber mit einem ſeiner
Soͤhne und anſehlichem Heer erſchlugen. An
dieſen Ungluͤcken war es noch nicht genung;
denn ſie hengen meiſt wie die Ketten-Glieder
an einander. Es kam in die Stadt Zeitung:
daß Aphellas/ der ein geweſener Kriegs-Ober-
ſter des groſſen Alexanders geweſt war/ und an-
fangs das Koͤnigreich Cyrene dem Tyrannen
Thimbro aus den Haͤnden gewunden/ dem Koͤ-
nige Ptolomeus unterthaͤnig/ hernach aber ſich
aus einem Unter-Koͤnige zu einem eigenmaͤchti-
gen Herren gemacht/ mit den Athenienſern ſich
verbunden/ von dar eine Enckelin des beruͤhm-
ten Miltiades Euthydica geheyrathet hatte/ mit
einem maͤchtigen Heere von Cyrenern und Grie-
chen durch Marmarica dem Agathocles zu
Huͤlffe im Anzuge waͤre. Weswegen von Car-
thago ein ziemliches Heer gegen der Stadt
Leptis ſo wohl dem Aphellas fuͤrzubeugen/ als
die Abtruͤnnigen Numidier wieder an ſich zu zie-
hen abgeſchickt war. Bey dieſer Gelegenheit
entſchloß ſich Bomilcar eines gefaͤhrlichen Vor-
nehmens/ als welcher nicht allein lange Zeit
ſich zum Ober-Herren der Stadt Carthago zu
machen im Schilde gefuͤhrt/ ſondern auch die ab-
gezwungene Opferung ſeines einigen Sohnes
zu raͤchen beſchloſſen hatte; er hatte fuͤnf hundert
Buͤrger/ und zwar meiſtentheils die/ derer Kin-
der auch wider Willen waren geopfert worden/
wie auch tauſend geworbene Kriegsleute auf ſei-
ne Seite bracht/ mit dieſen nahm er fruͤh mor-
gens den groſſen Marckt ein/ erklaͤrte ſich da-
ſelbſt fuͤr einen Koͤnig/ ließ hierauf alle auf den
Straſſen ungewaffnet befindliche Buͤrger nie-
derhauen. Wie nun aber die Stadt ver-
ſtand: daß kein auslaͤndiſcher Feind/ ſondern
Bomilcar derogeſtalt wuͤtete/ grieffen die Buͤr-
ger/ und zwar der dem Hauſe des Bomilcars/
gehaͤſſige Fuͤrſt Narvas am erſten zun Waffen/
fuͤhrte auch ſelbte ſo behertzt an: daß dieſe Auf-
ruͤhrer zerſtreuet/ und Bomilcar/ welchen Nar-
vas ſelbſt mit einem Spieſſein die Seite verletz-
te/ lebendig gefangen ward. Folgenden Tag
ward Bomilcar auf dem Marckte/ als dem
Schau-Platze ſeiner Wuͤrden und Verbrechens
an ein Creutze genagelt/ welches er behertzt erdul-
dete/ und der Zuſchauenden Menge beweglich
zuredete: daß ihn die Grauſamkeit ihrer bluti-
gen Opfer und ihr Undanck gegen wohlverdien-
te Helden zu ſolcher Entſchluͤſſung gebracht haͤt-
te; indeme er wahrgenommen: daß nach dem
ſie ihn ſeines einigen Sohnes beraubet/ es ihm
nicht beſſer gehen wuͤrde/ als dem Hanno/ welchẽ
ſie aus bloſſem Argwohn angemaßter Oberherr-
ſchaft getoͤdtet; oder dem unſchuldig vertriebenẽ
Giſgo/ und denen zweyen Amilcarn/ derer einem
ſie verlaͤumderiſch beygemeſſen: daß er mit dem
Agathocles unter dem Hute ſpielte; den andern
gleichſam aber gezwungen haͤtten: daß er bey
vernommener Flucht ſeiner Voͤlcker ſich ſelbſt in
ſein eigenes Opfer-Feuer lebendig geſtuͤrtzet. Ob
ſie ihn nun hernach ver goͤttert/ waͤre doch diß ein
merckwuͤrdiges Beyſpiel: daß ſie die Guͤte einer
Sache allererſt nach ihrem Verluſte ſchaͤtzten;
der Tugend aber im Leben Spinnen-feind waͤ-
ren. Wie aber diß alles bey vergaͤllten Gemuͤ-
thern wenig Mitleiden ſchaffte; alſo kam der
noch junge Fuͤrſt Narvas in groſſes Anſehen ſei-
ner Tapferkeit halber. Jnzwiſchen war Koͤ-
nig Aphellas den Carthaginenſern ſchon zuvor/
und in Agathocles Laͤger ankommen/ daſelbſt
zwiſchen beyden groſſe Vertraͤuligkeit gemacht/
und des Agathocles Sohn Heraclidas vom A-
phellas zum Sohne angenommen worden.
Weil aber deſſen ſein Abſehn und Buͤndnuͤß da-
hin ging: daß Agathocles ſich mit Sicilien und
einem Stuͤcke Jtaliens vergnuͤgen/ gantz Africa
aber des Aphellas Beute ſeyn ſolte; uͤberredete zu
gelegener Zeit/ als das Cyreniſche Heer theils auf
der Fuͤtterung auſſen/ theils in der Ruhe war/
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 797[801]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/861>, abgerufen am 22.07.2024. |