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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] ob/ selbst an sein Kind Hand anzulegen. Bomil-
car/ welcher selbst nicht anders wuste/ als Narvas
wäre sein rechter Sohn/ stand hierauf von dem
Altare des Esculapius/ für welchem er kniete/
auf/ umb dem Gottes-Dienst sein Recht zu thun;
und das Gethöne verwandelte sich auf gegebenes
Zeichen in ein tieffes Stillschweigen. Wie nun
Bomilcar den Fürsten Narvas anredete: Mein
Sohn/ wilst du dem Willen der Götter und dei-
ner Eltern widerstreben? Wilst du dein Vater-
land lieber/ als deinen ohnmächtigen Leib einge-
äschert wissen? Narvas versetzte: Verrätherey
hat mich zwar zu deinem Knechte/ nicht aber zu
deinem Sohne gemacht; und meine eigene
Sprache zeiget: daß ich Carthago für mein Va-
terland nicht zu rühmen habe. Hiermit rieß er
die falschen Haare vom Kopfe/ streiffte den gülde-
nen Rock von der lincken Schulter ab/ und zeigte
unter dem Arme einen Fleck der weissen Haut/
zum Kennzeichen: daß sein Leib nur wäre ange-
färbt worden. Bomilcar verstummte/ und sahe
nur die gleichsam in einen Stein verwandelte
Hipsicratea an. Das Volck aber ward gegen
Bomilcarn und seine Gemahlin überaus er-
bittert/ rannten zum Theil in seinen Pallast/ und
schleppten seinen Sohn Jmilco in Tempel; wel-
chen die unglückselige Mutter nunmehr nicht so
wohl fürs Vaterland/ als für den Vater und
sich selbst aufopfern muste/ da sie nicht von den
Klauen des erbosten Pöfels wolten zerfleischet
werden. Das Opfer ward hierauf vollendet/
Fürst Narvas aber auf Befehl des Rathes im
Tempel verwahret; welcher/ als er auf den Mor-
gen sich für dem Rathe rechtfertigte/ und durch
Einziehung seiner Verkäuffer sein Zustand ent-
decket war/ nicht allein auf freyen Fuß/ sondern
auch in der Stadt Krieges-Dienste kam. Jn die
Stadt kamen hingegen täglich schlimmere Zei-
tungen/ wie nemlich Agathocles die Neustadt
und Adryneet/ ja wohl zwey hundert Städte er-
obert/ mit dem Numidier Könige Elymas wider
Carthago/ welche zeither gantz Africa gedrückt
[Spaltenumbruch] und sich also verhaßt gemacht hatte/ in ein Bünd-
nüß getreten/ auch mit einem Theile des Heeres
biß in das innere Libyen gedrungen wäre. Wie-
wohl nun hierauf den Carthaginensern sich ein
Sonnen-Blick zeigte/ indem Agathoclens Heer/
weil sein Sohn Archagathus einen tapferen und
beliebten Kriegs-Obersten Lyciscus/ der ihn unge-
bührlichen Zuhaltens mit seiner Stiefmutter
Alcia beschuldigte/ ermordet hatte/ einen Aufstand
machte/ und den König/ weil er seinen Sohn zur
Straffe aushändigen wolte/ in der Feinde Hän-
de zu liefern vor hatte/ so verwandelte sich doch
selbter bald wieder in eine Donner-Wolcke.
Denn/ als Agathocles für dem gantzen Heere den
Purpur ablegte/ die Priester-Mütze/ welche er an
statt einer Königlichen Krone zu tragen gewohnt
war/ zu ihren Füssen warf/ eines gemeinen Kriegs-
Knechtes Kleid anzoh/ und durch selbsthändige
Hinrichtung seiner Gefängnüß fürkommen wol-
te/ ließ das vorhin wütende Volck durch den Auf-
ruht/ wie das stürmende Meer in dem weichen
Sande von seinem Brausen ab/ und nöthigte
ihn/ sich der Königlichen Würden wieder anzu-
massen/ verdiente also von ihnen aufs neue wieder
gefürchtet zu werden/ weil er für ihrem Dräuen
und dem Tode selbst keine Furcht hatte. Rhe-
metalces fiel hier ein: Es wäre bey äuserster
Gefahr kein besserer Rath als die Verwegenheit/
sonderlich bey dem gemeinen Volcke/ welches für
allen Mittel-Dingen ein Grauen hat/ und von
dem äusersten Ende frecher Grausamkeit bey
einer unvermutheten Entschlüssung zu der Er-
barmnüß und Dienstbarkeit verfällt/ gleich als
wenn die Schamröthe über ihr Verbrechen an-
ders nicht als durch übermässige Demuth vertil-
get werden könte. Und daher habe auch einer
seiner Vorfahren Antigonus König in Macedo-
nien durch ebenmässige Wegwerffung der ihn
vom Volcke angefochtenen Krone nicht nur
selbte/ sondern auch die Bestraffung der Aufwie-
gler erhalten. Ja/ sagte Adgandester/ und Aga-
thoclens Heer bemühete sich von Stund an durch

Tapfer-

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] ob/ ſelbſt an ſein Kind Hand anzulegen. Bomil-
car/ welcher ſelbſt nicht anders wuſte/ als Narvas
waͤre ſein rechter Sohn/ ſtand hierauf von dem
Altare des Eſculapius/ fuͤr welchem er kniete/
auf/ umb dem Gottes-Dienſt ſein Recht zu thun;
und das Gethoͤne verwandelte ſich auf gegebenes
Zeichen in ein tieffes Stillſchweigen. Wie nun
Bomilcar den Fuͤrſten Narvas anredete: Mein
Sohn/ wilſt du dem Willen der Goͤtter und dei-
ner Eltern widerſtreben? Wilſt du dein Vater-
land lieber/ als deinen ohnmaͤchtigen Leib einge-
aͤſchert wiſſen? Narvas verſetzte: Verraͤtherey
hat mich zwar zu deinem Knechte/ nicht aber zu
deinem Sohne gemacht; und meine eigene
Sprache zeiget: daß ich Carthago fuͤr mein Va-
terland nicht zu ruͤhmen habe. Hiermit rieß er
die falſchen Haare vom Kopfe/ ſtreiffte den guͤlde-
nen Rock von der lincken Schulter ab/ und zeigte
unter dem Arme einen Fleck der weiſſen Haut/
zum Kennzeichen: daß ſein Leib nur waͤre ange-
faͤrbt worden. Bomilcar verſtum̃te/ und ſahe
nur die gleichſam in einen Stein verwandelte
Hipſicratea an. Das Volck aber ward gegen
Bomilcarn und ſeine Gemahlin uͤberaus er-
bittert/ rannten zum Theil in ſeinen Pallaſt/ und
ſchleppten ſeinen Sohn Jmilco in Tempel; wel-
chen die ungluͤckſelige Mutter nunmehr nicht ſo
wohl fuͤrs Vaterland/ als fuͤr den Vater und
ſich ſelbſt aufopfern muſte/ da ſie nicht von den
Klauen des erboſten Poͤfels wolten zerfleiſchet
werden. Das Opfer ward hierauf vollendet/
Fuͤrſt Narvas aber auf Befehl des Rathes im
Tempel verwahret; welcher/ als er auf den Mor-
gen ſich fuͤr dem Rathe rechtfertigte/ und durch
Einziehung ſeiner Verkaͤuffer ſein Zuſtand ent-
decket war/ nicht allein auf freyen Fuß/ ſondern
auch in der Stadt Krieges-Dienſte kam. Jn die
Stadt kamen hingegen taͤglich ſchlimmere Zei-
tungen/ wie nemlich Agathocles die Neuſtadt
und Adryneet/ ja wohl zwey hundert Staͤdte er-
obert/ mit dem Numidier Koͤnige Elymas wider
Carthago/ welche zeither gantz Africa gedruͤckt
[Spaltenumbruch] und ſich alſo verhaßt gemacht hatte/ in ein Buͤnd-
nuͤß getreten/ auch mit einem Theile des Heeres
biß in das innere Libyen gedrungen waͤre. Wie-
wohl nun hierauf den Carthaginenſern ſich ein
Sonnen-Blick zeigte/ indem Agathoclens Heer/
weil ſein Sohn Archagathus einen tapferen und
beliebten Kriegs-Obeꝛſten Lyciſcus/ der ihn unge-
buͤhrlichen Zuhaltens mit ſeiner Stiefmutter
Alcia beſchuldigte/ ermordet hatte/ einẽ Aufſtand
machte/ und den Koͤnig/ weil er ſeinen Sohn zur
Straffe aushaͤndigen wolte/ in der Feinde Haͤn-
de zu liefern vor hatte/ ſo verwandelte ſich doch
ſelbter bald wieder in eine Donner-Wolcke.
Denn/ als Agathocles fuͤr dem gantzen Heere den
Purpuꝛ ablegte/ die Prieſteꝛ-Muͤtze/ welche er an
ſtatt einer Koͤniglichen Krone zu tragen gewohnt
war/ zu ihren Fuͤſſen warf/ eines gemeinẽ Kriegs-
Knechtes Kleid anzoh/ und durch ſelbſthaͤndige
Hinrichtung ſeiner Gefaͤngnuͤß fuͤrkom̃en wol-
te/ ließ das vorhin wuͤtende Volck durch den Auf-
ruht/ wie das ſtuͤrmende Meer in dem weichen
Sande von ſeinem Brauſen ab/ und noͤthigte
ihn/ ſich der Koͤniglichen Wuͤrden wieder anzu-
maſſen/ verdiente alſo von ihnẽ aufs neue wieder
gefuͤrchtet zu werden/ weil er fuͤr ihrem Draͤuen
und dem Tode ſelbſt keine Furcht hatte. Rhe-
metalces fiel hier ein: Es waͤre bey aͤuſerſter
Gefahr kein beſſerer Rath als die Verwegenheit/
ſonderlich bey dem gemeinen Volcke/ welches fuͤr
allen Mittel-Dingen ein Grauen hat/ und von
dem aͤuſerſten Ende frecher Grauſamkeit bey
einer unvermutheten Entſchluͤſſung zu der Er-
barmnuͤß und Dienſtbarkeit verfaͤllt/ gleich als
wenn die Schamroͤthe uͤber ihr Verbrechen an-
ders nicht als durch uͤbermaͤſſige Demuth vertil-
get werden koͤnte. Und daher habe auch einer
ſeiner Vorfahren Antigonus Koͤnig in Macedo-
nien durch ebenmaͤſſige Wegwerffung der ihn
vom Volcke angefochtenen Krone nicht nur
ſelbte/ ſondern auch die Beſtraffung der Aufwie-
gler erhalten. Ja/ ſagte Adgandeſter/ und Aga-
thoclens Heer bemuͤhete ſich von Stund an durch

Tapfer-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 796[800]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/860>, abgerufen am 23.11.2024.