Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] cher sein Vaterland durch fremde Macht in
Kloß treten wollen; ehe er diese grausame
Freude erlebt/ selbst so schändlich in Koth ge-
drückt worden! Rhemetalces fiel ein: hat denn
nicht Aruntes eine billiche Ursache sich an dem
undanckbaren Lucumar/ und seinem ungerech-
ten Vaterlande zu rächen gehabt? Hat nicht
Lucumar ein Laster begangen/ dessen Flecken
durch keine andere Seiffe als durch Blut ab-
zuwaschen sind? Haben nicht die Clusier durch
ihr Unrecht das Recht der Völcker verletzt; und
sich dem beleidigten Aruntes zu einem Stieff-
Vater gemacht? Es ist beydes wahr/ versetzte
Zeno. Aber hat sich gantz Clusium am Arun-
tes versündigt? Jst er versichert gewest: daß
keine Seele seine Beleidigung unbillige? Sol-
len die nun leiden/ die ihm im Hertzen recht
gaben/ und seine Richter verdammten? Wenn
aber auch schon eine gantze Stadt verbricht;
ist doch nicht ein ieglicher zu straffen. Am we-
nigsten aber ist ein beleidigter Bürger berech-
tigt sein Unrecht gegen sein Vaterland zu rä-
chen. Man muß wie wohlgearthete Kinder
auch die unverdienten Streiche der Eltern ver-
schmertzen. Denn die Liebe gegen das Va-
terland soll reichlicher abgemässen werden/ als
die gegen die Brüder/ oder gegen die Eltern;
und der gegen die Götter am nechsten kommen.
Sintemal wir wohl ohne unsere Blutsfreun-
de/ nicht aber nach untergehendem Vaterlande
bestehen können. Diesemnach der von Rom
verwiesene Camillus nicht rühmlicher sein
undanckbares Vaterland beschämen konte/ als
da er es von den Galliern errettete. Und der
ins Elend gejagte Themistocles übte zugleich
gegen sein Vaterland eine Wohlthat und Ra-
che aus/ da er sich um nicht wider selbtes den
Persen zu dienen durch geopffertes Ochsen-
Blut tödtete; indem er durch sich selbst Athen
zwar eines grossen Feindes/ aber auch eines
unvergleichlichen Sohnes beraubte. Cimon
vergalt die ihm und seinem wohlverdienten
[Spaltenumbruch] aber im Kercker erstickten Vater angehenck-
ten Feßel mit unvergeltbaren Wohltha-
ten. Als auch gleich der unschätzbare Hanni-
bal sein vergeßliches Carthago mit dem Rücken
anzusehen gezwungen ward/ hieng und neigte
er ihm doch biß in seinen Tod das Hertze zu/
und bemühete sich die gantze Welt wider Rom
in Harnisch/ und durch dessen Fall sein Va-
terland wieder empor zu bringen. Wenn
man aber auch gar sich zu überwinden ent-
weder nicht vermögen/ oder zu rächen allzu
grosse Ursache hat; soll unsere Empfindligkeit
nicht zu des Vaterlandes Verderb/ sondern
nur zu seinem Erkäntniße angesehen seyn. Auf
diese Art rächte Scipio sonder Schaden sich
an Rom; als er seine Todten-Asche lieber den
geringen Lintern/ als dem Haupte der Welt
gönnte/ und zu einem ewigen Verweiß auf sein
Grab schreiben ließ: Undanckbares Va-
terland! Es ist dir nicht so gut wor-
den meine Gebeine zu besitzen.
Die-
se Rache erfolgte erst nach seinem Tode/ als er
dieser Stadt nicht mehr wohlzuthun mächtig
war. Gleichwohl aber war diese sanfftmüthi-
ge Rache nachdrücklicher/ als des Coriolans/
der sein Vaterland für Furcht gleichsam in
ein Bocks-Horn jagte. Er entzoh Rom nichts/
als seine Asche/ sie zu erinnern: daß sie selbst
nicht zu Asche worden; und daß der Römi-
schen Bürger Augen der Glückseligkeit nicht
würdig wären/ seine Todten-Asche mit ihren
Thränen anzufeuchten. Gleichwol aber stachen
dieser Grabeschrifft wenige Buchstaben tieffer
in der Römer Hertzen/ als keine Spieße einiger
Verräther zu thun vermocht hätten; und er
vergrösserte sich durch Verachtung seiner
Schmach mehr; als da er Rom zur Frau-
en/ und Africa zu einer ihrer Mägde machte.
Brennus zohe nach erobertem Siege mit dem
grösten Theile des Heeres gerade nach Clusi-
um/ um sich des Hauptes der Hetrurier im er-

sten

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] cher ſein Vaterland durch fremde Macht in
Kloß treten wollen; ehe er dieſe grauſame
Freude erlebt/ ſelbſt ſo ſchaͤndlich in Koth ge-
druͤckt worden! Rhemetalces fiel ein: hat denn
nicht Aruntes eine billiche Urſache ſich an dem
undanckbaren Lucumar/ und ſeinem ungerech-
ten Vaterlande zu raͤchen gehabt? Hat nicht
Lucumar ein Laſter begangen/ deſſen Flecken
durch keine andere Seiffe als durch Blut ab-
zuwaſchen ſind? Haben nicht die Cluſier durch
ihr Unrecht das Recht der Voͤlcker verletzt; und
ſich dem beleidigten Aruntes zu einem Stieff-
Vater gemacht? Es iſt beydes wahr/ verſetzte
Zeno. Aber hat ſich gantz Cluſium am Arun-
tes verſuͤndigt? Jſt er verſichert geweſt: daß
keine Seele ſeine Beleidigung unbillige? Sol-
len die nun leiden/ die ihm im Hertzen recht
gaben/ und ſeine Richter verdammten? Wenn
aber auch ſchon eine gantze Stadt verbricht;
iſt doch nicht ein ieglicher zu ſtraffen. Am we-
nigſten aber iſt ein beleidigter Buͤrger berech-
tigt ſein Unrecht gegen ſein Vaterland zu raͤ-
chen. Man muß wie wohlgearthete Kinder
auch die unverdienten Streiche der Eltern ver-
ſchmertzen. Denn die Liebe gegen das Va-
terland ſoll reichlicher abgemaͤſſen werden/ als
die gegen die Bruͤder/ oder gegen die Eltern;
und der gegen die Goͤtter am nechſten kom̃en.
Sintemal wir wohl ohne unſere Blutsfreun-
de/ nicht aber nach untergehendem Vaterlande
beſtehen koͤnnen. Dieſemnach der von Rom
verwieſene Camillus nicht ruͤhmlicher ſein
undanckbares Vaterland beſchaͤmen konte/ als
da er es von den Galliern errettete. Und der
ins Elend gejagte Themiſtocles uͤbte zugleich
gegen ſein Vaterland eine Wohlthat und Ra-
che aus/ da er ſich um nicht wider ſelbtes den
Perſen zu dienen durch geopffertes Ochſen-
Blut toͤdtete; indem er durch ſich ſelbſt Athen
zwar eines groſſen Feindes/ aber auch eines
unvergleichlichen Sohnes beraubte. Cimon
vergalt die ihm und ſeinem wohlverdienten
[Spaltenumbruch] aber im Kercker erſtickten Vater angehenck-
ten Feßel mit unvergeltbaren Wohltha-
ten. Als auch gleich der unſchaͤtzbare Hanni-
bal ſein vergeßliches Carthago mit dem Ruͤcken
anzuſehen gezwungen ward/ hieng und neigte
er ihm doch biß in ſeinen Tod das Hertze zu/
und bemuͤhete ſich die gantze Welt wider Rom
in Harniſch/ und durch deſſen Fall ſein Va-
terland wieder empor zu bringen. Wenn
man aber auch gar ſich zu uͤberwinden ent-
weder nicht vermoͤgen/ oder zu raͤchen allzu
groſſe Urſache hat; ſoll unſere Empfindligkeit
nicht zu des Vaterlandes Verderb/ ſondern
nur zu ſeinem Erkaͤntniße angeſehen ſeyn. Auf
dieſe Art raͤchte Scipio ſonder Schaden ſich
an Rom; als er ſeine Todten-Aſche lieber den
geringen Lintern/ als dem Haupte der Welt
goͤnnte/ und zu einem ewigen Verweiß auf ſein
Grab ſchreiben ließ: Undanckbares Va-
terland! Es iſt dir nicht ſo gut wor-
den meine Gebeine zu beſitzen.
Die-
ſe Rache erfolgte erſt nach ſeinem Tode/ als er
dieſer Stadt nicht mehr wohlzuthun maͤchtig
war. Gleichwohl aber war dieſe ſanfftmuͤthi-
ge Rache nachdruͤcklicher/ als des Coriolans/
der ſein Vaterland fuͤr Furcht gleichſam in
ein Bocks-Horn jagte. Er entzoh Rom nichts/
als ſeine Aſche/ ſie zu erinnern: daß ſie ſelbſt
nicht zu Aſche worden; und daß der Roͤmi-
ſchen Buͤrger Augen der Gluͤckſeligkeit nicht
wuͤrdig waͤren/ ſeine Todten-Aſche mit ihren
Thraͤnen anzufeuchten. Gleichwol aber ſtachen
dieſer Grabeſchrifft wenige Buchſtaben tieffer
in der Roͤmer Hertzen/ als keine Spieße einiger
Verraͤther zu thun vermocht haͤtten; und er
vergroͤſſerte ſich durch Verachtung ſeiner
Schmach mehr; als da er Rom zur Frau-
en/ und Africa zu einer ihrer Maͤgde machte.
Brennus zohe nach erobertem Siege mit dem
groͤſten Theile des Heeres gerade nach Cluſi-
um/ um ſich des Hauptes der Hetrurier im er-

ſten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0805" n="743[745]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
cher &#x017F;ein Vaterland durch fremde Macht in<lb/>
Kloß treten wollen; ehe er die&#x017F;e grau&#x017F;ame<lb/>
Freude erlebt/ &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;ndlich in Koth ge-<lb/>
dru&#x0364;ckt worden! Rhemetalces fiel ein: hat denn<lb/>
nicht Aruntes eine billiche Ur&#x017F;ache &#x017F;ich an dem<lb/>
undanckbaren Lucumar/ und &#x017F;einem ungerech-<lb/>
ten Vaterlande zu ra&#x0364;chen gehabt? Hat nicht<lb/>
Lucumar ein La&#x017F;ter begangen/ de&#x017F;&#x017F;en Flecken<lb/>
durch keine andere Seiffe als durch Blut ab-<lb/>
zuwa&#x017F;chen &#x017F;ind? Haben nicht die Clu&#x017F;ier durch<lb/>
ihr Unrecht das Recht der Vo&#x0364;lcker verletzt; und<lb/>
&#x017F;ich dem beleidigten Aruntes zu einem Stieff-<lb/>
Vater gemacht? Es i&#x017F;t beydes wahr/ ver&#x017F;etzte<lb/>
Zeno. Aber hat &#x017F;ich gantz Clu&#x017F;ium am Arun-<lb/>
tes ver&#x017F;u&#x0364;ndigt? J&#x017F;t er ver&#x017F;ichert gewe&#x017F;t: daß<lb/>
keine Seele &#x017F;eine Beleidigung unbillige? Sol-<lb/>
len die nun leiden/ die ihm im Hertzen recht<lb/>
gaben/ und &#x017F;eine Richter verdammten? Wenn<lb/>
aber auch &#x017F;chon eine gantze Stadt verbricht;<lb/>
i&#x017F;t doch nicht ein ieglicher zu &#x017F;traffen. Am we-<lb/>
nig&#x017F;ten aber i&#x017F;t ein beleidigter Bu&#x0364;rger berech-<lb/>
tigt &#x017F;ein Unrecht gegen &#x017F;ein Vaterland zu ra&#x0364;-<lb/>
chen. Man muß wie wohlgearthete Kinder<lb/>
auch die unverdienten Streiche der Eltern ver-<lb/>
&#x017F;chmertzen. Denn die Liebe gegen das Va-<lb/>
terland &#x017F;oll reichlicher abgema&#x0364;&#x017F;&#x017F;en werden/ als<lb/>
die gegen die Bru&#x0364;der/ oder gegen die Eltern;<lb/>
und der gegen die Go&#x0364;tter am nech&#x017F;ten kom&#x0303;en.<lb/>
Sintemal wir wohl ohne un&#x017F;ere Blutsfreun-<lb/>
de/ nicht aber nach untergehendem Vaterlande<lb/>
be&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen. Die&#x017F;emnach der von Rom<lb/>
verwie&#x017F;ene Camillus nicht ru&#x0364;hmlicher &#x017F;ein<lb/>
undanckbares Vaterland be&#x017F;cha&#x0364;men konte/ als<lb/>
da er es von den Galliern errettete. Und der<lb/>
ins Elend gejagte Themi&#x017F;tocles u&#x0364;bte zugleich<lb/>
gegen &#x017F;ein Vaterland eine Wohlthat und Ra-<lb/>
che aus/ da er &#x017F;ich um nicht wider &#x017F;elbtes den<lb/>
Per&#x017F;en zu dienen durch geopffertes Och&#x017F;en-<lb/>
Blut to&#x0364;dtete; indem er durch &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t Athen<lb/>
zwar eines gro&#x017F;&#x017F;en Feindes/ aber auch eines<lb/>
unvergleichlichen Sohnes beraubte. Cimon<lb/>
vergalt die ihm und &#x017F;einem wohlverdienten<lb/><cb/>
aber im Kercker er&#x017F;tickten Vater angehenck-<lb/>
ten Feßel mit unvergeltbaren Wohltha-<lb/>
ten. Als auch gleich der un&#x017F;cha&#x0364;tzbare Hanni-<lb/>
bal &#x017F;ein vergeßliches Carthago mit dem Ru&#x0364;cken<lb/>
anzu&#x017F;ehen gezwungen ward/ hieng und neigte<lb/>
er ihm doch biß in &#x017F;einen Tod das Hertze zu/<lb/>
und bemu&#x0364;hete &#x017F;ich die gantze Welt wider Rom<lb/>
in Harni&#x017F;ch/ und durch de&#x017F;&#x017F;en Fall &#x017F;ein Va-<lb/>
terland wieder empor zu bringen. Wenn<lb/>
man aber auch gar &#x017F;ich zu u&#x0364;berwinden ent-<lb/>
weder nicht vermo&#x0364;gen/ oder zu ra&#x0364;chen allzu<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Ur&#x017F;ache hat; &#x017F;oll un&#x017F;ere Empfindligkeit<lb/>
nicht zu des Vaterlandes Verderb/ &#x017F;ondern<lb/>
nur zu &#x017F;einem Erka&#x0364;ntniße ange&#x017F;ehen &#x017F;eyn. Auf<lb/>
die&#x017F;e Art ra&#x0364;chte Scipio &#x017F;onder Schaden &#x017F;ich<lb/>
an Rom; als er &#x017F;eine Todten-A&#x017F;che lieber den<lb/>
geringen Lintern/ als dem Haupte der Welt<lb/>
go&#x0364;nnte/ und zu einem ewigen Verweiß auf &#x017F;ein<lb/>
Grab &#x017F;chreiben ließ: <hi rendition="#fr">Undanckbares Va-<lb/>
terland! Es i&#x017F;t dir nicht &#x017F;o gut wor-<lb/>
den meine Gebeine zu be&#x017F;itzen.</hi> Die-<lb/>
&#x017F;e Rache erfolgte er&#x017F;t nach &#x017F;einem Tode/ als er<lb/>
die&#x017F;er Stadt nicht mehr wohlzuthun ma&#x0364;chtig<lb/>
war. Gleichwohl aber war die&#x017F;e &#x017F;anfftmu&#x0364;thi-<lb/>
ge Rache nachdru&#x0364;cklicher/ als des Coriolans/<lb/>
der &#x017F;ein Vaterland fu&#x0364;r Furcht gleich&#x017F;am in<lb/>
ein Bocks-Horn jagte. Er entzoh Rom nichts/<lb/>
als &#x017F;eine A&#x017F;che/ &#x017F;ie zu erinnern: daß &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nicht zu A&#x017F;che worden; und daß der Ro&#x0364;mi-<lb/>
&#x017F;chen Bu&#x0364;rger Augen der Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit nicht<lb/>
wu&#x0364;rdig wa&#x0364;ren/ &#x017F;eine Todten-A&#x017F;che mit ihren<lb/>
Thra&#x0364;nen anzufeuchten. Gleichwol aber &#x017F;tachen<lb/>
die&#x017F;er Grabe&#x017F;chrifft wenige Buch&#x017F;taben tieffer<lb/>
in der Ro&#x0364;mer Hertzen/ als keine Spieße einiger<lb/>
Verra&#x0364;ther zu thun vermocht ha&#x0364;tten; und er<lb/>
vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erte &#x017F;ich durch Verachtung &#x017F;einer<lb/>
Schmach mehr; als da er Rom zur Frau-<lb/>
en/ und Africa zu einer ihrer Ma&#x0364;gde machte.<lb/>
Brennus zohe nach erobertem Siege mit dem<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;ten Theile des Heeres gerade nach Clu&#x017F;i-<lb/>
um/ um &#x017F;ich des Hauptes der Hetrurier im er-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[743[745]/0805] Arminius und Thußnelda. cher ſein Vaterland durch fremde Macht in Kloß treten wollen; ehe er dieſe grauſame Freude erlebt/ ſelbſt ſo ſchaͤndlich in Koth ge- druͤckt worden! Rhemetalces fiel ein: hat denn nicht Aruntes eine billiche Urſache ſich an dem undanckbaren Lucumar/ und ſeinem ungerech- ten Vaterlande zu raͤchen gehabt? Hat nicht Lucumar ein Laſter begangen/ deſſen Flecken durch keine andere Seiffe als durch Blut ab- zuwaſchen ſind? Haben nicht die Cluſier durch ihr Unrecht das Recht der Voͤlcker verletzt; und ſich dem beleidigten Aruntes zu einem Stieff- Vater gemacht? Es iſt beydes wahr/ verſetzte Zeno. Aber hat ſich gantz Cluſium am Arun- tes verſuͤndigt? Jſt er verſichert geweſt: daß keine Seele ſeine Beleidigung unbillige? Sol- len die nun leiden/ die ihm im Hertzen recht gaben/ und ſeine Richter verdammten? Wenn aber auch ſchon eine gantze Stadt verbricht; iſt doch nicht ein ieglicher zu ſtraffen. Am we- nigſten aber iſt ein beleidigter Buͤrger berech- tigt ſein Unrecht gegen ſein Vaterland zu raͤ- chen. Man muß wie wohlgearthete Kinder auch die unverdienten Streiche der Eltern ver- ſchmertzen. Denn die Liebe gegen das Va- terland ſoll reichlicher abgemaͤſſen werden/ als die gegen die Bruͤder/ oder gegen die Eltern; und der gegen die Goͤtter am nechſten kom̃en. Sintemal wir wohl ohne unſere Blutsfreun- de/ nicht aber nach untergehendem Vaterlande beſtehen koͤnnen. Dieſemnach der von Rom verwieſene Camillus nicht ruͤhmlicher ſein undanckbares Vaterland beſchaͤmen konte/ als da er es von den Galliern errettete. Und der ins Elend gejagte Themiſtocles uͤbte zugleich gegen ſein Vaterland eine Wohlthat und Ra- che aus/ da er ſich um nicht wider ſelbtes den Perſen zu dienen durch geopffertes Ochſen- Blut toͤdtete; indem er durch ſich ſelbſt Athen zwar eines groſſen Feindes/ aber auch eines unvergleichlichen Sohnes beraubte. Cimon vergalt die ihm und ſeinem wohlverdienten aber im Kercker erſtickten Vater angehenck- ten Feßel mit unvergeltbaren Wohltha- ten. Als auch gleich der unſchaͤtzbare Hanni- bal ſein vergeßliches Carthago mit dem Ruͤcken anzuſehen gezwungen ward/ hieng und neigte er ihm doch biß in ſeinen Tod das Hertze zu/ und bemuͤhete ſich die gantze Welt wider Rom in Harniſch/ und durch deſſen Fall ſein Va- terland wieder empor zu bringen. Wenn man aber auch gar ſich zu uͤberwinden ent- weder nicht vermoͤgen/ oder zu raͤchen allzu groſſe Urſache hat; ſoll unſere Empfindligkeit nicht zu des Vaterlandes Verderb/ ſondern nur zu ſeinem Erkaͤntniße angeſehen ſeyn. Auf dieſe Art raͤchte Scipio ſonder Schaden ſich an Rom; als er ſeine Todten-Aſche lieber den geringen Lintern/ als dem Haupte der Welt goͤnnte/ und zu einem ewigen Verweiß auf ſein Grab ſchreiben ließ: Undanckbares Va- terland! Es iſt dir nicht ſo gut wor- den meine Gebeine zu beſitzen. Die- ſe Rache erfolgte erſt nach ſeinem Tode/ als er dieſer Stadt nicht mehr wohlzuthun maͤchtig war. Gleichwohl aber war dieſe ſanfftmuͤthi- ge Rache nachdruͤcklicher/ als des Coriolans/ der ſein Vaterland fuͤr Furcht gleichſam in ein Bocks-Horn jagte. Er entzoh Rom nichts/ als ſeine Aſche/ ſie zu erinnern: daß ſie ſelbſt nicht zu Aſche worden; und daß der Roͤmi- ſchen Buͤrger Augen der Gluͤckſeligkeit nicht wuͤrdig waͤren/ ſeine Todten-Aſche mit ihren Thraͤnen anzufeuchten. Gleichwol aber ſtachen dieſer Grabeſchrifft wenige Buchſtaben tieffer in der Roͤmer Hertzen/ als keine Spieße einiger Verraͤther zu thun vermocht haͤtten; und er vergroͤſſerte ſich durch Verachtung ſeiner Schmach mehr; als da er Rom zur Frau- en/ und Africa zu einer ihrer Maͤgde machte. Brennus zohe nach erobertem Siege mit dem groͤſten Theile des Heeres gerade nach Cluſi- um/ um ſich des Hauptes der Hetrurier im er- ſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/805
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 743[745]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/805>, abgerufen am 23.11.2024.