Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch
[Spaltenumbruch] sen. Weil aber niemand daselbst im Rathe
saß/ der nicht mit dem Ubelthäter befreundet
oder geschwägert war; wiesen sie die Botschaft
mit verächtlicher Antwort ab: daß sie nicht wü-
sten/ wer den Brennus zu ihrem Ober-Richter
bestellt hätte. Sie klagten auch alsofort denen
andern eilf mit ihnen in einer Eyd-Genossen-
schafft stehenden Hetrurischen Städten: daß
Brennus sich mit Gewalt an sie riebe/ und nur
Gelegenheit auch die Hetrurier unter sein Joch
zu bringen suchte; also möchten sie bey Zeiten
nicht nur auff ihre allgemeine Beschirmung
vorsinnen; sondern auch ihre Waffen verein-
baren um diese Räuber wieder über die Alpen
zu jagen. Sintemal es doch nichts minder
besser als rühmlicher wäre/ sein Pferd an seines
Feindes Zaum binden. Und der/ welcher des
Feindes zu Hause wartete/ bekennte schon: daß
er ihm nicht gewachsen/ auch nichts zu gewin-
nen/ sondern nur nicht zu verspielen gesinnt
wäre. Hiermit zohen die Hetrurier unter
dem Fürsten Lars zu Clusium (als welche un-
ter denen zwölff verbundenen Städten damals
gleich die Reye der Ober-Herrschafft traff) in
Eil ihre Macht zusammen/ und besetzten gegen
Umbrien auff dem Apennin nicht nur alle Ein-
gänge; sondern überfielen auch unterhalb des
Aesischen Brunnen drey hundert die Gräntze
bewachende Semnoner; richteten an dem Or-
te der Niederlage einen Steinhauffen auf/ und
nennten ihn das Begräbniß der Gallier.
Brennus schickte ein Theil seines Heeres da-
selbsthin; theils der Hetrurier Einbruch zu steu-
ern/ theils sich anzustellen/ als ob die Semno-
ner gegen Helvillum einbrechen wolten. Er
hingegen ließ in Umbrien ein Auffbot an den
Fluß Metaurus ausruffen/ auff welches alle
streitbare Mannschafft bey Verlust des Lebens
zu erscheinen verbunden ist; so gar: daß auch die
zuletzt oder zu spät sich stellenden in aller An-
gesichte durch allerhand Pein auffgeopffert wer-
den. Aus diesen machte Brennus einen star-
[Spaltenumbruch] cken Ausschuß/ wendete sich mit der grösten
Macht gegen dem Ursprunge des Arnus/ all-
wo ihm Aruntes einen Weg über den Apen-
nin zeigte/ durch welchen er bey Aretium so un-
verhofft ankam: daß als die Clusier hiervon
Zeitung kriegten/ sie hierüber lachten/ und frag-
ten: Ob die Semnoner sich in Kranche/ wie
die Ripheischen Völcker in Wölffe verwan-
deln/ und über die Berge flügen könten. Der
Glaube aber kam ihnen zeitlich in die Hand.
Denn sie erfuhren wenig Stunden darnach:
daß Aretium mit Sturm übergegangen/ und
alle Einwohner durch die Schärffe der Deut-
schen Schwerdter gefallen wären. Lars ver-
ließ hierüber die Engen des Apennin/ und eil-
te über Hals und Kopff seinem brennenden
Vaterlande zu. Er traff auff den gerade ge-
gen Clusium anziehenden Brennus bey Cor-
tona. Der bereit empfundene Verlust reitzte
ihn zu einer geschwinden Rache/ und er meinte:
weil das Amt eines Kriegs-Mannes schlagen
wäre; müste nicht schlagen ein Merckmal eines
Feigen seyn. Da doch zur Unzeit eine Schlacht
liefern/ die schlimmste Thorheit eines Vermes-
senen; und ohne Schwerdtstreich überwinden
ein Meisterstücke der Klugen ist. Weil nun
Brennus dem Lars an Kriegs-Wissenschafft
die Semnoner den Hetruriern an Tapfferkeit
überlegen/ jene auch noch ausgeruhet/ diese mü-
de waren/ und einen vortheilhafften Ort mit
dem Winde bereit eingenommen hatten/ war
es den Deutschen unschwer sich des Sieges zu
bemeistern. Mit denen flüchtigen Hetruri-
ern drangen die Uberwinder mit in die von den
Lydiern erbaute Stadt Croton oder Cortona/
und erlangten derogestalt in einem Tage einen
zweyfachen Sieg. Lars zahlte selbst seine U-
bereilung mit Einbüßung seines Lebens; A-
runtes aber ward von seinen eingeholeten
Deutschen im Gedränge durch die Pferde zer-
treten. O eine gerechte Straffe der Götter!
fing Zeno an überlaut zu ruffen/ daß der/ wel-

cher

Sechſtes Buch
[Spaltenumbruch] ſen. Weil aber niemand daſelbſt im Rathe
ſaß/ der nicht mit dem Ubelthaͤter befreundet
oder geſchwaͤgert war; wieſen ſie die Botſchaft
mit veraͤchtlicher Antwort ab: daß ſie nicht wuͤ-
ſten/ wer den Brennus zu ihrem Ober-Richter
beſtellt haͤtte. Sie klagten auch alſofort denen
andern eilf mit ihnen in einer Eyd-Genoſſen-
ſchafft ſtehenden Hetruriſchen Staͤdten: daß
Brennus ſich mit Gewalt an ſie riebe/ und nur
Gelegenheit auch die Hetruꝛier unter ſein Joch
zu bringen ſuchte; alſo moͤchten ſie bey Zeiten
nicht nur auff ihre allgemeine Beſchirmung
vorſinnen; ſondern auch ihre Waffen verein-
baren um dieſe Raͤuber wieder uͤber die Alpen
zu jagen. Sintemal es doch nichts minder
beſſer als ruͤhmlicher waͤre/ ſein Pferd an ſeines
Feindes Zaum binden. Und der/ welcher des
Feindes zu Hauſe wartete/ bekennte ſchon: daß
er ihm nicht gewachſen/ auch nichts zu gewin-
nen/ ſondern nur nicht zu verſpielen geſinnt
waͤre. Hiermit zohen die Hetrurier unter
dem Fuͤrſten Lars zu Cluſium (als welche un-
ter denen zwoͤlff verbundenen Staͤdten damals
gleich die Reye der Ober-Herrſchafft traff) in
Eil ihre Macht zuſammen/ und beſetzten gegen
Umbrien auff dem Apennin nicht nur alle Ein-
gaͤnge; ſondern uͤberfielen auch unterhalb des
Aeſiſchen Brunnen drey hundert die Graͤntze
bewachende Semnoner; richteten an dem Or-
te der Niederlage einen Steinhauffen auf/ und
nennten ihn das Begraͤbniß der Gallier.
Brennus ſchickte ein Theil ſeines Heeres da-
ſelbſthin; theils der Hetrurier Einbruch zu ſteu-
ern/ theils ſich anzuſtellen/ als ob die Semno-
ner gegen Helvillum einbrechen wolten. Er
hingegen ließ in Umbrien ein Auffbot an den
Fluß Metaurus ausruffen/ auff welches alle
ſtreitbare Mannſchafft bey Verluſt des Lebens
zu erſcheinen verbunden iſt; ſo gar: daß auch die
zuletzt oder zu ſpaͤt ſich ſtellenden in aller An-
geſichte durch allerhand Pein auffgeopffert wer-
den. Aus dieſen machte Brennus einen ſtar-
[Spaltenumbruch] cken Ausſchuß/ wendete ſich mit der groͤſten
Macht gegen dem Urſprunge des Arnus/ all-
wo ihm Aruntes einen Weg uͤber den Apen-
nin zeigte/ durch welchen er bey Aretium ſo un-
verhofft ankam: daß als die Cluſier hiervon
Zeitung kriegten/ ſie hieruͤber lachten/ und frag-
ten: Ob die Semnoner ſich in Kranche/ wie
die Ripheiſchen Voͤlcker in Woͤlffe verwan-
deln/ und uͤber die Berge fluͤgen koͤnten. Der
Glaube aber kam ihnen zeitlich in die Hand.
Denn ſie erfuhren wenig Stunden darnach:
daß Aretium mit Sturm uͤbergegangen/ und
alle Einwohner durch die Schaͤrffe der Deut-
ſchen Schwerdter gefallen waͤren. Lars ver-
ließ hieruͤber die Engen des Apennin/ und eil-
te uͤber Hals und Kopff ſeinem brennenden
Vaterlande zu. Er traff auff den gerade ge-
gen Cluſium anziehenden Brennus bey Cor-
tona. Der bereit empfundene Verluſt reitzte
ihn zu einer geſchwinden Rache/ und er meinte:
weil das Amt eines Kriegs-Mannes ſchlagen
waͤre; muͤſte nicht ſchlagen ein Merckmal eines
Feigen ſeyn. Da doch zur Unzeit eine Schlacht
liefern/ die ſchlimmſte Thorheit eines Vermeſ-
ſenen; und ohne Schwerdtſtreich uͤberwinden
ein Meiſterſtuͤcke der Klugen iſt. Weil nun
Brennus dem Lars an Kriegs-Wiſſenſchafft
die Semnoner den Hetruriern an Tapfferkeit
uͤberlegen/ jene auch noch ausgeruhet/ dieſe muͤ-
de waren/ und einen vortheilhafften Ort mit
dem Winde bereit eingenommen hatten/ war
es den Deutſchen unſchwer ſich des Sieges zu
bemeiſtern. Mit denen fluͤchtigen Hetruri-
ern drangen die Uberwinder mit in die von den
Lydiern erbaute Stadt Croton oder Cortona/
und erlangten derogeſtalt in einem Tage einen
zweyfachen Sieg. Lars zahlte ſelbſt ſeine U-
bereilung mit Einbuͤßung ſeines Lebens; A-
runtes aber ward von ſeinen eingeholeten
Deutſchen im Gedraͤnge durch die Pferde zer-
treten. O eine gerechte Straffe der Goͤtter!
fing Zeno an uͤberlaut zu ruffen/ daß der/ wel-

cher
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0804" n="742[744]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
&#x017F;en. Weil aber niemand da&#x017F;elb&#x017F;t im Rathe<lb/>
&#x017F;aß/ der nicht mit dem Ubeltha&#x0364;ter befreundet<lb/>
oder ge&#x017F;chwa&#x0364;gert war; wie&#x017F;en &#x017F;ie die Bot&#x017F;chaft<lb/>
mit vera&#x0364;chtlicher Antwort ab: daß &#x017F;ie nicht wu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten/ wer den Brennus zu ihrem Ober-Richter<lb/>
be&#x017F;tellt ha&#x0364;tte. Sie klagten auch al&#x017F;ofort denen<lb/>
andern eilf mit ihnen in einer Eyd-Geno&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chafft &#x017F;tehenden Hetruri&#x017F;chen Sta&#x0364;dten: daß<lb/>
Brennus &#x017F;ich mit Gewalt an &#x017F;ie riebe/ und nur<lb/>
Gelegenheit auch die Hetru&#xA75B;ier unter &#x017F;ein Joch<lb/>
zu bringen &#x017F;uchte; al&#x017F;o mo&#x0364;chten &#x017F;ie bey Zeiten<lb/>
nicht nur auff ihre allgemeine Be&#x017F;chirmung<lb/>
vor&#x017F;innen; &#x017F;ondern auch ihre Waffen verein-<lb/>
baren um die&#x017F;e Ra&#x0364;uber wieder u&#x0364;ber die Alpen<lb/>
zu jagen. Sintemal es doch nichts minder<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er als ru&#x0364;hmlicher wa&#x0364;re/ &#x017F;ein Pferd an &#x017F;eines<lb/>
Feindes Zaum binden. Und der/ welcher des<lb/>
Feindes zu Hau&#x017F;e wartete/ bekennte &#x017F;chon: daß<lb/>
er ihm nicht gewach&#x017F;en/ auch nichts zu gewin-<lb/>
nen/ &#x017F;ondern nur nicht zu ver&#x017F;pielen ge&#x017F;innt<lb/>
wa&#x0364;re. Hiermit zohen die Hetrurier unter<lb/>
dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten Lars zu Clu&#x017F;ium (als welche un-<lb/>
ter denen zwo&#x0364;lff verbundenen Sta&#x0364;dten damals<lb/>
gleich die Reye der Ober-Herr&#x017F;chafft traff) in<lb/>
Eil ihre Macht zu&#x017F;ammen/ und be&#x017F;etzten gegen<lb/>
Umbrien auff dem Apennin nicht nur alle Ein-<lb/>
ga&#x0364;nge; &#x017F;ondern u&#x0364;berfielen auch unterhalb des<lb/>
Ae&#x017F;i&#x017F;chen Brunnen drey hundert die Gra&#x0364;ntze<lb/>
bewachende Semnoner; richteten an dem Or-<lb/>
te der Niederlage einen Steinhauffen auf/ und<lb/>
nennten ihn das Begra&#x0364;bniß der Gallier.<lb/>
Brennus &#x017F;chickte ein Theil &#x017F;eines Heeres da-<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;thin; theils der Hetrurier Einbruch zu &#x017F;teu-<lb/>
ern/ theils &#x017F;ich anzu&#x017F;tellen/ als ob die Semno-<lb/>
ner gegen Helvillum einbrechen wolten. Er<lb/>
hingegen ließ in Umbrien ein Auffbot an den<lb/>
Fluß Metaurus ausruffen/ auff welches alle<lb/>
&#x017F;treitbare Mann&#x017F;chafft bey Verlu&#x017F;t des Lebens<lb/>
zu er&#x017F;cheinen verbunden i&#x017F;t; &#x017F;o gar: daß auch die<lb/>
zuletzt oder zu &#x017F;pa&#x0364;t &#x017F;ich &#x017F;tellenden in aller An-<lb/>
ge&#x017F;ichte durch allerhand Pein auffgeopffert wer-<lb/>
den. Aus die&#x017F;en machte Brennus einen &#x017F;tar-<lb/><cb/>
cken Aus&#x017F;chuß/ wendete &#x017F;ich mit der gro&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
Macht gegen dem Ur&#x017F;prunge des Arnus/ all-<lb/>
wo ihm Aruntes einen Weg u&#x0364;ber den Apen-<lb/>
nin zeigte/ durch welchen er bey Aretium &#x017F;o un-<lb/>
verhofft ankam: daß als die Clu&#x017F;ier hiervon<lb/>
Zeitung kriegten/ &#x017F;ie hieru&#x0364;ber lachten/ und frag-<lb/>
ten: Ob die Semnoner &#x017F;ich in Kranche/ wie<lb/>
die Riphei&#x017F;chen Vo&#x0364;lcker in Wo&#x0364;lffe verwan-<lb/>
deln/ und u&#x0364;ber die Berge flu&#x0364;gen ko&#x0364;nten. Der<lb/>
Glaube aber kam ihnen zeitlich in die Hand.<lb/>
Denn &#x017F;ie erfuhren wenig Stunden darnach:<lb/>
daß Aretium mit Sturm u&#x0364;bergegangen/ und<lb/>
alle Einwohner durch die Scha&#x0364;rffe der Deut-<lb/>
&#x017F;chen Schwerdter gefallen wa&#x0364;ren. Lars ver-<lb/>
ließ hieru&#x0364;ber die Engen des Apennin/ und eil-<lb/>
te u&#x0364;ber Hals und Kopff &#x017F;einem brennenden<lb/>
Vaterlande zu. Er traff auff den gerade ge-<lb/>
gen Clu&#x017F;ium anziehenden Brennus bey Cor-<lb/>
tona. Der bereit empfundene Verlu&#x017F;t reitzte<lb/>
ihn zu einer ge&#x017F;chwinden Rache/ und er meinte:<lb/>
weil das Amt eines Kriegs-Mannes &#x017F;chlagen<lb/>
wa&#x0364;re; mu&#x0364;&#x017F;te nicht &#x017F;chlagen ein Merckmal eines<lb/>
Feigen &#x017F;eyn. Da doch zur Unzeit eine Schlacht<lb/>
liefern/ die &#x017F;chlimm&#x017F;te Thorheit eines Verme&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enen; und ohne Schwerdt&#x017F;treich u&#x0364;berwinden<lb/>
ein Mei&#x017F;ter&#x017F;tu&#x0364;cke der Klugen i&#x017F;t. Weil nun<lb/>
Brennus dem Lars an Kriegs-Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft<lb/>
die Semnoner den Hetruriern an Tapfferkeit<lb/>
u&#x0364;berlegen/ jene auch noch ausgeruhet/ die&#x017F;e mu&#x0364;-<lb/>
de waren/ und einen vortheilhafften Ort mit<lb/>
dem Winde bereit eingenommen hatten/ war<lb/>
es den Deut&#x017F;chen un&#x017F;chwer &#x017F;ich des Sieges zu<lb/>
bemei&#x017F;tern. Mit denen flu&#x0364;chtigen Hetruri-<lb/>
ern drangen die Uberwinder mit in die von den<lb/>
Lydiern erbaute Stadt Croton oder Cortona/<lb/>
und erlangten deroge&#x017F;talt in einem Tage einen<lb/>
zweyfachen Sieg. Lars zahlte &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eine U-<lb/>
bereilung mit Einbu&#x0364;ßung &#x017F;eines Lebens; A-<lb/>
runtes aber ward von &#x017F;einen eingeholeten<lb/>
Deut&#x017F;chen im Gedra&#x0364;nge durch die Pferde zer-<lb/>
treten. O eine gerechte Straffe der Go&#x0364;tter!<lb/>
fing Zeno an u&#x0364;berlaut zu ruffen/ daß der/ wel-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">cher</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[742[744]/0804] Sechſtes Buch ſen. Weil aber niemand daſelbſt im Rathe ſaß/ der nicht mit dem Ubelthaͤter befreundet oder geſchwaͤgert war; wieſen ſie die Botſchaft mit veraͤchtlicher Antwort ab: daß ſie nicht wuͤ- ſten/ wer den Brennus zu ihrem Ober-Richter beſtellt haͤtte. Sie klagten auch alſofort denen andern eilf mit ihnen in einer Eyd-Genoſſen- ſchafft ſtehenden Hetruriſchen Staͤdten: daß Brennus ſich mit Gewalt an ſie riebe/ und nur Gelegenheit auch die Hetruꝛier unter ſein Joch zu bringen ſuchte; alſo moͤchten ſie bey Zeiten nicht nur auff ihre allgemeine Beſchirmung vorſinnen; ſondern auch ihre Waffen verein- baren um dieſe Raͤuber wieder uͤber die Alpen zu jagen. Sintemal es doch nichts minder beſſer als ruͤhmlicher waͤre/ ſein Pferd an ſeines Feindes Zaum binden. Und der/ welcher des Feindes zu Hauſe wartete/ bekennte ſchon: daß er ihm nicht gewachſen/ auch nichts zu gewin- nen/ ſondern nur nicht zu verſpielen geſinnt waͤre. Hiermit zohen die Hetrurier unter dem Fuͤrſten Lars zu Cluſium (als welche un- ter denen zwoͤlff verbundenen Staͤdten damals gleich die Reye der Ober-Herrſchafft traff) in Eil ihre Macht zuſammen/ und beſetzten gegen Umbrien auff dem Apennin nicht nur alle Ein- gaͤnge; ſondern uͤberfielen auch unterhalb des Aeſiſchen Brunnen drey hundert die Graͤntze bewachende Semnoner; richteten an dem Or- te der Niederlage einen Steinhauffen auf/ und nennten ihn das Begraͤbniß der Gallier. Brennus ſchickte ein Theil ſeines Heeres da- ſelbſthin; theils der Hetrurier Einbruch zu ſteu- ern/ theils ſich anzuſtellen/ als ob die Semno- ner gegen Helvillum einbrechen wolten. Er hingegen ließ in Umbrien ein Auffbot an den Fluß Metaurus ausruffen/ auff welches alle ſtreitbare Mannſchafft bey Verluſt des Lebens zu erſcheinen verbunden iſt; ſo gar: daß auch die zuletzt oder zu ſpaͤt ſich ſtellenden in aller An- geſichte durch allerhand Pein auffgeopffert wer- den. Aus dieſen machte Brennus einen ſtar- cken Ausſchuß/ wendete ſich mit der groͤſten Macht gegen dem Urſprunge des Arnus/ all- wo ihm Aruntes einen Weg uͤber den Apen- nin zeigte/ durch welchen er bey Aretium ſo un- verhofft ankam: daß als die Cluſier hiervon Zeitung kriegten/ ſie hieruͤber lachten/ und frag- ten: Ob die Semnoner ſich in Kranche/ wie die Ripheiſchen Voͤlcker in Woͤlffe verwan- deln/ und uͤber die Berge fluͤgen koͤnten. Der Glaube aber kam ihnen zeitlich in die Hand. Denn ſie erfuhren wenig Stunden darnach: daß Aretium mit Sturm uͤbergegangen/ und alle Einwohner durch die Schaͤrffe der Deut- ſchen Schwerdter gefallen waͤren. Lars ver- ließ hieruͤber die Engen des Apennin/ und eil- te uͤber Hals und Kopff ſeinem brennenden Vaterlande zu. Er traff auff den gerade ge- gen Cluſium anziehenden Brennus bey Cor- tona. Der bereit empfundene Verluſt reitzte ihn zu einer geſchwinden Rache/ und er meinte: weil das Amt eines Kriegs-Mannes ſchlagen waͤre; muͤſte nicht ſchlagen ein Merckmal eines Feigen ſeyn. Da doch zur Unzeit eine Schlacht liefern/ die ſchlimmſte Thorheit eines Vermeſ- ſenen; und ohne Schwerdtſtreich uͤberwinden ein Meiſterſtuͤcke der Klugen iſt. Weil nun Brennus dem Lars an Kriegs-Wiſſenſchafft die Semnoner den Hetruriern an Tapfferkeit uͤberlegen/ jene auch noch ausgeruhet/ dieſe muͤ- de waren/ und einen vortheilhafften Ort mit dem Winde bereit eingenommen hatten/ war es den Deutſchen unſchwer ſich des Sieges zu bemeiſtern. Mit denen fluͤchtigen Hetruri- ern drangen die Uberwinder mit in die von den Lydiern erbaute Stadt Croton oder Cortona/ und erlangten derogeſtalt in einem Tage einen zweyfachen Sieg. Lars zahlte ſelbſt ſeine U- bereilung mit Einbuͤßung ſeines Lebens; A- runtes aber ward von ſeinen eingeholeten Deutſchen im Gedraͤnge durch die Pferde zer- treten. O eine gerechte Straffe der Goͤtter! fing Zeno an uͤberlaut zu ruffen/ daß der/ wel- cher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/804
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 742[744]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/804>, abgerufen am 23.11.2024.