Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Sechstes Buch [Spaltenumbruch]
kan; wie eben dieser Epaminondas; welcher/als der Wind von einer aufgesteckten Lantze sei- ne Hauptbinde in eines Spartaners Grab we- hete/ und hierdurch seine Thebaner hefftig er- schreckt wurden/ darüber diese Auslegung mach- te: Fürchtet euch nicht/ den Spartanern hengt der Untergang zu. Denn die Zierden der Grä- ber sind Leichen. Und als ein ander mahl der Stul unter ihm zerbrach/ sprang er freudig auf/ und sagte zu seinen solches übel-deutenden Krie- gesleuten: Auf/ auf! denn ich sehe/ wir sollen nicht stille sitzen. Nicht unglücklicher deuteten Scipio/ und Käyser Julius ihre Fälle vom Schiffe auff die Erde aus; als jener anfing: Gott lob! ich erdrücke Africa; und dieser: Jch umfasse die Erde unsere gütige Mutter. Ad- gandester setzte bey: daß ein Celtischer Feld-O- berster bey einem sich in der Schlacht ereignen- den Erdbeben sein erstarrendes Kriegsvolck mit diesen Worten: Nun die Erde für uns bebet/ wie mögen die Feinde gegen uns stehen/ auff- munterte; und der Feldherr Marcomir erhielt sein Heer/ als gleich der rechte Flügel in die Flucht gerieth/ mit dieser Zusprache: Jch sehe wol: daß wie im Menschen/ also auch in mei- nem Heere das Hertze nur in der lincken Seite sey/ im Stande/ und darmit den Sieg. Un- ser Hertzog Lingo aber schlug die Umbrier zum dritten mal bey dem Flusse Vatrenus/ und er- weiterte zwischen dem Po und Apennin sein Gebiete vom Flusse Tarus an/ biß an den Ru- bieon. Dieses war der Deutschen und Gallier Zustand in Jtalien/ biß nahe in die zwey hun- vert Jahr/ nach des Bellovesus erstem Einbru- che. Unterdessen aber liessen sich die nunmehr halb entfremdeten Gallier mehrmals gelüsten ohne der Deutschen Einwilligung ihr übriges Volck/ welches ihre Gräntzen nicht mehr zu be- herbergen vermochte/ über den Rhein zu setzen; auch wol offt sonder einige Noth aus blosser Leichtsinnigkeit allerhand Raub zu holen. Die Deutschen begegneten den Galliern anfangs [Spaltenumbruch] mit Glimpf/ und vergnügten sich an wieder- Abnehmung des Raubes/ oder liessen auch die Gallier unversehrt über den Rhein und die Gräntze zurück führen. Hierbey vermahne- ten sie die Häupter der Gallier: sie möchten die ihrigen im Zaume halten; auser dem würden sie Gewalt mit Gewalt ablehnen/ und gegen die der alten Verwandschafft vergessen/ welche vor- her den gemeinen Frieden/ und das Völcker- Recht verletzten. Der Gallier König Katu- mand entbotden Deutschen hochmüthige Ant- wort: der Furchtsamen Eigenschafft wäre sich mit dem Seinen vergnügen/ streitbare Völcker und großmüthige Könige pflegten um fremdes Gut zu kämpffen. Zu dem könten die Deut- schen den Galliern nicht übel auslegen/ was sie unter einander selbst ausübten. Es wäre un- laugbar: daß die Deutschen wilde Thiere zu ja- gen/ und schwächere Menschen/ welche gleich- sam zum Gehorsam gebohren wären/ zu rau- ben/ oder ihm unterthänig zu machen für ein gleichmäßiges Recht/ ja einen andern/ der nicht ein Glied seines Gebietes/ oder mit ihnen im Bündnüsse wäre/ zu tödten für einen Helden- Ruhm/ die um sein Land aber rings herum ge- machte Wüsteney für eine lobwürdige Befesti- gung der Gräntzen hielten. Diese Gewohnheit wäre nichts minder bey den alten Griechen und Hispaniern im Schwange gegangen/ und dero- gleichen Einfall wäre sonst der mehr als brüder- lich-verträglichen Triballier tägliches Hand- werck. Die Rhetier rechtfertigten durch dieses Völcker-Recht ihre mehrmals in Jtalien verüb- te Raubereyen. Krieg wäre so wol der Menschen als derer ohn Unterlaß gegen einander kriegender Fische erster und natürlicher Zustand; die Furcht/ nicht aber die gegen einander tragende Liebe und Verwandschaft die Ursache derer Gemeinschaf- ten und Bündnüsse. Wenn auch schon benach- barte und unverbundene Völcker einander nicht stets in Haaren lägen/ wäre diß für keine ange- bohrne oder ihrer menschlichen Art gemässe Ein-
Sechſtes Buch [Spaltenumbruch]
kan; wie eben dieſer Epaminondas; welcher/als der Wind von einer aufgeſteckten Lantze ſei- ne Hauptbinde in eines Spartaners Grab we- hete/ und hierdurch ſeine Thebaner hefftig er- ſchreckt wurden/ daruͤber dieſe Auslegung mach- te: Fuͤrchtet euch nicht/ den Spartanern hengt der Untergang zu. Denn die Zierden der Graͤ- ber ſind Leichen. Und als ein ander mahl der Stul unter ihm zerbrach/ ſprang er freudig auf/ und ſagte zu ſeinen ſolches uͤbel-deutenden Krie- gesleuten: Auf/ auf! denn ich ſehe/ wir ſollen nicht ſtille ſitzen. Nicht ungluͤcklicher deuteten Scipio/ und Kaͤyſer Julius ihre Faͤlle vom Schiffe auff die Erde aus; als jener anfing: Gott lob! ich erdruͤcke Africa; und dieſer: Jch umfaſſe die Erde unſere guͤtige Mutter. Ad- gandeſter ſetzte bey: daß ein Celtiſcher Feld-O- berſter bey einem ſich in der Schlacht ereignen- den Erdbeben ſein erſtarrendes Kriegsvolck mit dieſen Worten: Nun die Erde fuͤr uns bebet/ wie moͤgen die Feinde gegen uns ſtehen/ auff- munterte; und der Feldherr Marcomir erhielt ſein Heer/ als gleich der rechte Fluͤgel in die Flucht gerieth/ mit dieſer Zuſprache: Jch ſehe wol: daß wie im Menſchen/ alſo auch in mei- nem Heere das Hertze nur in der lincken Seite ſey/ im Stande/ und darmit den Sieg. Un- ſer Hertzog Lingo aber ſchlug die Umbrier zum dritten mal bey dem Fluſſe Vatrenus/ und er- weiterte zwiſchen dem Po und Apennin ſein Gebiete vom Fluſſe Tarus an/ biß an den Ru- bieon. Dieſes war der Deutſchen und Gallier Zuſtand in Jtalien/ biß nahe in die zwey hun- vert Jahr/ nach des Belloveſus erſtem Einbru- che. Unterdeſſen aber lieſſen ſich die nunmehr halb entfremdeten Gallier mehrmals geluͤſten ohne der Deutſchen Einwilligung ihr uͤbriges Volck/ welches ihre Graͤntzen nicht mehr zu be- herbergen vermochte/ uͤber den Rhein zu ſetzen; auch wol offt ſonder einige Noth aus bloſſer Leichtſinnigkeit allerhand Raub zu holen. Die Deutſchen begegneten den Galliern anfangs [Spaltenumbruch] mit Glimpf/ und vergnuͤgten ſich an wieder- Abnehmung des Raubes/ oder lieſſen auch die Gallier unverſehrt uͤber den Rhein und die Graͤntze zuruͤck fuͤhren. Hierbey vermahne- ten ſie die Haͤupter der Gallier: ſie moͤchten die ihrigen im Zaume halten; auſer dem wuͤrden ſie Gewalt mit Gewalt ablehnen/ und gegen die der alten Verwandſchafft vergeſſen/ welche vor- her den gemeinen Frieden/ und das Voͤlcker- Recht verletzten. Der Gallier Koͤnig Katu- mand entbotden Deutſchen hochmuͤthige Ant- wort: der Furchtſamen Eigenſchafft waͤre ſich mit dem Seinen vergnuͤgen/ ſtreitbare Voͤlcker und großmuͤthige Koͤnige pflegten um fremdes Gut zu kaͤmpffen. Zu dem koͤnten die Deut- ſchen den Galliern nicht uͤbel auslegen/ was ſie unter einander ſelbſt ausuͤbten. Es waͤre un- laugbar: daß die Deutſchen wilde Thiere zu ja- gen/ und ſchwaͤchere Menſchen/ welche gleich- ſam zum Gehorſam gebohren waͤren/ zu rau- ben/ oder ihm unterthaͤnig zu machen fuͤr ein gleichmaͤßiges Recht/ ja einen andern/ der nicht ein Glied ſeines Gebietes/ oder mit ihnen im Buͤndnuͤſſe waͤre/ zu toͤdten fuͤr einen Helden- Ruhm/ die um ſein Land aber rings herum ge- machte Wuͤſteney fuͤr eine lobwuͤrdige Befeſti- gung der Graͤntzen hielten. Dieſe Gewohnheit waͤre nichts minder bey den alten Griechen und Hiſpaniern im Schwange gegangen/ und dero- gleichen Einfall waͤre ſonſt der mehr als bruͤder- lich-vertraͤglichen Triballier taͤgliches Hand- werck. Die Rhetier rechtfertigten durch dieſes Voͤlcker-Recht ihre mehꝛmals in Jtalien veruͤb- te Raubereyen. Krieg waͤre ſo wol der Menſchen als dereꝛ ohn Unteꝛlaß gegen einandeꝛ kꝛiegendeꝛ Fiſche erſteꝛ und natuͤrlicheꝛ Zuſtand; die Furcht/ nicht aber die gegen einander tragende Liebe und Verwandſchaft die Urſache derer Gemeinſchaf- ten und Buͤndnuͤſſe. Wenn auch ſchon benach- barte und unverbundene Voͤlcker einander nicht ſtets in Haaren laͤgen/ waͤre diß fuͤr keine ange- bohrne oder ihrer menſchlichen Art gemaͤſſe Ein-
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Sechſtes Buch
kan; wie eben dieſer Epaminondas; welcher/
als der Wind von einer aufgeſteckten Lantze ſei-
ne Hauptbinde in eines Spartaners Grab we-
hete/ und hierdurch ſeine Thebaner hefftig er-
ſchreckt wurden/ daruͤber dieſe Auslegung mach-
te: Fuͤrchtet euch nicht/ den Spartanern hengt
der Untergang zu. Denn die Zierden der Graͤ-
ber ſind Leichen. Und als ein ander mahl der
Stul unter ihm zerbrach/ ſprang er freudig auf/
und ſagte zu ſeinen ſolches uͤbel-deutenden Krie-
gesleuten: Auf/ auf! denn ich ſehe/ wir ſollen
nicht ſtille ſitzen. Nicht ungluͤcklicher deuteten
Scipio/ und Kaͤyſer Julius ihre Faͤlle vom
Schiffe auff die Erde aus; als jener anfing:
Gott lob! ich erdruͤcke Africa; und dieſer: Jch
umfaſſe die Erde unſere guͤtige Mutter. Ad-
gandeſter ſetzte bey: daß ein Celtiſcher Feld-O-
berſter bey einem ſich in der Schlacht ereignen-
den Erdbeben ſein erſtarrendes Kriegsvolck mit
dieſen Worten: Nun die Erde fuͤr uns bebet/
wie moͤgen die Feinde gegen uns ſtehen/ auff-
munterte; und der Feldherr Marcomir erhielt
ſein Heer/ als gleich der rechte Fluͤgel in die
Flucht gerieth/ mit dieſer Zuſprache: Jch ſehe
wol: daß wie im Menſchen/ alſo auch in mei-
nem Heere das Hertze nur in der lincken Seite
ſey/ im Stande/ und darmit den Sieg. Un-
ſer Hertzog Lingo aber ſchlug die Umbrier zum
dritten mal bey dem Fluſſe Vatrenus/ und er-
weiterte zwiſchen dem Po und Apennin ſein
Gebiete vom Fluſſe Tarus an/ biß an den Ru-
bieon. Dieſes war der Deutſchen und Gallier
Zuſtand in Jtalien/ biß nahe in die zwey hun-
vert Jahr/ nach des Belloveſus erſtem Einbru-
che. Unterdeſſen aber lieſſen ſich die nunmehr
halb entfremdeten Gallier mehrmals geluͤſten
ohne der Deutſchen Einwilligung ihr uͤbriges
Volck/ welches ihre Graͤntzen nicht mehr zu be-
herbergen vermochte/ uͤber den Rhein zu ſetzen;
auch wol offt ſonder einige Noth aus bloſſer
Leichtſinnigkeit allerhand Raub zu holen. Die
Deutſchen begegneten den Galliern anfangs
mit Glimpf/ und vergnuͤgten ſich an wieder-
Abnehmung des Raubes/ oder lieſſen auch die
Gallier unverſehrt uͤber den Rhein und die
Graͤntze zuruͤck fuͤhren. Hierbey vermahne-
ten ſie die Haͤupter der Gallier: ſie moͤchten die
ihrigen im Zaume halten; auſer dem wuͤrden ſie
Gewalt mit Gewalt ablehnen/ und gegen die
der alten Verwandſchafft vergeſſen/ welche vor-
her den gemeinen Frieden/ und das Voͤlcker-
Recht verletzten. Der Gallier Koͤnig Katu-
mand entbotden Deutſchen hochmuͤthige Ant-
wort: der Furchtſamen Eigenſchafft waͤre ſich
mit dem Seinen vergnuͤgen/ ſtreitbare Voͤlcker
und großmuͤthige Koͤnige pflegten um fremdes
Gut zu kaͤmpffen. Zu dem koͤnten die Deut-
ſchen den Galliern nicht uͤbel auslegen/ was ſie
unter einander ſelbſt ausuͤbten. Es waͤre un-
laugbar: daß die Deutſchen wilde Thiere zu ja-
gen/ und ſchwaͤchere Menſchen/ welche gleich-
ſam zum Gehorſam gebohren waͤren/ zu rau-
ben/ oder ihm unterthaͤnig zu machen fuͤr ein
gleichmaͤßiges Recht/ ja einen andern/ der nicht
ein Glied ſeines Gebietes/ oder mit ihnen im
Buͤndnuͤſſe waͤre/ zu toͤdten fuͤr einen Helden-
Ruhm/ die um ſein Land aber rings herum ge-
machte Wuͤſteney fuͤr eine lobwuͤrdige Befeſti-
gung der Graͤntzen hielten. Dieſe Gewohnheit
waͤre nichts minder bey den alten Griechen und
Hiſpaniern im Schwange gegangen/ und dero-
gleichen Einfall waͤre ſonſt der mehr als bruͤder-
lich-vertraͤglichen Triballier taͤgliches Hand-
werck. Die Rhetier rechtfertigten durch dieſes
Voͤlcker-Recht ihre mehꝛmals in Jtalien veruͤb-
te Raubereyen. Krieg waͤre ſo wol der Menſchen
als dereꝛ ohn Unteꝛlaß gegen einandeꝛ kꝛiegendeꝛ
Fiſche erſteꝛ und natuͤrlicheꝛ Zuſtand; die Furcht/
nicht aber die gegen einander tragende Liebe und
Verwandſchaft die Urſache derer Gemeinſchaf-
ten und Buͤndnuͤſſe. Wenn auch ſchon benach-
barte und unverbundene Voͤlcker einander nicht
ſtets in Haaren laͤgen/ waͤre diß fuͤr keine ange-
bohrne oder ihrer menſchlichen Art gemaͤſſe
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 736[738]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/798>, abgerufen am 03.07.2024. |