Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Eintracht/ sondern nur für einen aus verwech-
selter Furcht entspringenden Stillestand zu hal-
ten; indem einen nur entweder seine Schwach-
heit und heimliche Wunden/ oder des Nachbarn
Kräffte oder Bündnüsse vom Angriffe zurücke
hielten. Deshalben hätte die Natur den Men-
schen nicht allein gleicherley Waffen gegeben/
und ins gemein des einen Schwäche in Gliedern
mit der Geschickligkeit zu seiner nöthigen Be-
schirmung ersetzt/ sondern auch die Ehre einen
andern in etwas zu übertreffen/ oder ihm zu
gebieten/ als einen rechten Zanck-Apfel in der
Welt aufgeworffen. Des einen Vorzug aber
ziehe nach sich des andern Verachtung/ und also
eine rechtmässige Ursache der Beleidigung. So
strebte des Menschen Gemüthe auch von Natur
nach dem besten/ und also nach einerley Dinge;
welches aber selten theilbar wäre/ also ein unver-
meidliches Zanck-Eisen abgeben müste. Die
mehr tapferen als Rachbegierigen Deutschen
kamen ungerne daran: daß sie mit ihren Bluts-
Verwandten brechen; und durch eigene Schwä-
chung der aufachtsamen Nachtbarn Uberfall
ihnen auf den Hals ziehen solten. Diesemnach
schickten sie drey ihres Alters/ Heiligkeit/ und
Beredsamkeit halber in grossem Ansehn sich be-
findende Priester an den König Catumand/ wel-
che ihn von Verübung mehrer Feindseligkeit
abwendig machen solten: diese hielten ihm be-
scheidentlich ein: Unzeitige Begierde frembden
Gutes ziehe meist nach sich den Verlust des eige-
nen. Der Gallier ungerechtes Recht vermöch-
te zwar nicht ihre/ aber wohl die Waffen der
Deutschen wider sie zu rechtfertigen. Treffe
ihre Beschuldigung einen oder den an-
dern/ so hätten doch die meisten und vernünftig-
sten Deutschen ohne Begierde fremden Reich-
thums/ ohne blinde Rachgier oder eitele Ehr-
sucht durch Gerechtigkeit in ihrem Ansehn zu
bleiben getrachtet; ihre Großmütigkeit mit
Ruhme besänftiget/ keinen unnöthigen Krieg
angehoben/ und den Nachbarn vorsetzlich keinen
[Spaltenumbruch] Schaden gethan. Hingegen hielten sie für das
einige Merckmal der Tugend und Stärcke/ ih-
re Ober-Herrschafft durch kein Unrecht befesti-
gen; den Beleidigern alsofort die Spitze bitten/
und bey seiner Ruhe gleichwohl für einen nur
schlafenden Löwen gehalten werden. Wir Men-
schen wären alle eines Vaters Kinder/ und also
das gantze menschliche Geschlechte einander mit
Blut-Freundschafft verknüpft. Die wilden
Thiere kämpften nicht leichtlich wider ihr eige-
nes Geschlechte. Die den Menschen verliehe-
ne Gleichheit der Kräfften riethe ihnen die Be-
leidigung vernünftig ab; daher wäre derer Frie-
de/ welche mit einander noch nicht die Kräfften
gemessen hätten/ und also gleicher Stärcke zu seyn
schienen/ der beständigste; die Eintracht aber in
alle Wege der natürliche Zustand der Men-
schen; und der gesunden Vernunft nichts ähn-
licher: als niemanden beleidigen/ iedermann bey
dem Geniesse des Seinigen lassen; und was er
ihm nicht gethan wissen wil/ an andern nicht aus-
üben. Ehrsucht/ Geitz/ und Mißtrauen als
Ursachen des Krieges wären keine Eigenschafft
aller/ sondern eine Miß-Geburt vieler mensch-
lichen Gemüther; welche die Vernunfft/ die den
Menschen von dem Vieh unterscheidete/ in der er-
sten Blüthe/ als schädlich und unanständig/ tödten
solte. Zu dem könten dardurch wohl etliche/ nicht
aber das gantze Geschlechte beleidigt werden.
Herentgegen empfinde ieder Mensch in der sicher-
sten Einsamkeit/ wo er das minste nicht zu fürchten
hätte/ gleichwohl eine Begierde nach seines glei-
chen. Diese Zuneigung würde noch mehr ge-
reitzet von der allgemeinen Dürftigkeit; und
hätte die Natur nicht aus Mißgunst/ sondern
um uns durch Wolthaten aneinander zu verknü-
pfen/ den Menschen ohne Zähne der Wald-
Schweine/ ohne Klauen der Panther/ ohne
Schnautze der Elefanten/ ohne Harnisch der
Crocodile/ schwach und nackt geschaffen. Seine
Waffen wären Vernunfft und Gemeinschafft.
Diese verliehe ihm die Herrschafft über alle

Thie-
Erster Theil. A a a a a

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Eintracht/ ſondern nur fuͤr einen aus verwech-
ſelter Furcht entſpringenden Stilleſtand zu hal-
ten; indem einen nur entweder ſeine Schwach-
heit und heimliche Wunden/ oder des Nachbarn
Kraͤffte oder Buͤndnuͤſſe vom Angriffe zuruͤcke
hielten. Deshalben haͤtte die Natur den Men-
ſchen nicht allein gleicherley Waffen gegeben/
und ins gemein des einen Schwaͤche in Gliedern
mit der Geſchickligkeit zu ſeiner noͤthigen Be-
ſchirmung erſetzt/ ſondern auch die Ehre einen
andern in etwas zu uͤbertreffen/ oder ihm zu
gebieten/ als einen rechten Zanck-Apfel in der
Welt aufgeworffen. Des einen Vorzug aber
ziehe nach ſich des andern Verachtung/ und alſo
eine rechtmaͤſſige Urſache der Beleidigung. So
ſtrebte des Menſchen Gemuͤthe auch von Natur
nach dem beſten/ und alſo nach einerley Dinge;
welches aber ſelten theilbar waͤre/ alſo ein unver-
meidliches Zanck-Eiſen abgeben muͤſte. Die
mehr tapferen als Rachbegierigen Deutſchen
kamen ungerne daran: daß ſie mit ihren Bluts-
Verwandten brechen; und durch eigene Schwaͤ-
chung der aufachtſamen Nachtbarn Uberfall
ihnen auf den Hals ziehen ſolten. Dieſemnach
ſchickten ſie drey ihres Alters/ Heiligkeit/ und
Beredſamkeit halber in groſſem Anſehn ſich be-
findende Prieſter an den Koͤnig Catumand/ wel-
che ihn von Veruͤbung mehrer Feindſeligkeit
abwendig machen ſolten: dieſe hielten ihm be-
ſcheidentlich ein: Unzeitige Begierde frembden
Gutes ziehe meiſt nach ſich den Verluſt des eige-
nen. Der Gallier ungerechtes Recht vermoͤch-
te zwar nicht ihre/ aber wohl die Waffen der
Deutſchen wider ſie zu rechtfertigen. Treffe
ihre Beſchuldigung einen oder den an-
dern/ ſo haͤtten doch die meiſten und vernuͤnftig-
ſten Deutſchen ohne Begierde fremden Reich-
thums/ ohne blinde Rachgier oder eitele Ehr-
ſucht durch Gerechtigkeit in ihrem Anſehn zu
bleiben getrachtet; ihre Großmuͤtigkeit mit
Ruhme beſaͤnftiget/ keinen unnoͤthigen Krieg
angehoben/ und den Nachbarn vorſetzlich keinen
[Spaltenumbruch] Schaden gethan. Hingegen hielten ſie fuͤr das
einige Merckmal der Tugend und Staͤrcke/ ih-
re Ober-Herrſchafft durch kein Unrecht befeſti-
gen; den Beleidigern alſofort die Spitze bitten/
und bey ſeiner Ruhe gleichwohl fuͤr einen nur
ſchlafenden Loͤwen gehalten werden. Wir Men-
ſchen waͤren alle eines Vaters Kinder/ und alſo
das gantze menſchliche Geſchlechte einander mit
Blut-Freundſchafft verknuͤpft. Die wilden
Thiere kaͤmpften nicht leichtlich wider ihr eige-
nes Geſchlechte. Die den Menſchen verliehe-
ne Gleichheit der Kraͤfften riethe ihnen die Be-
leidigung vernuͤnftig ab; daher waͤre derer Frie-
de/ welche mit einander noch nicht die Kraͤfften
gemeſſen haͤttẽ/ und alſo gleicher Staͤrcke zu ſeyn
ſchienen/ der beſtaͤndigſte; die Eintracht aber in
alle Wege der natuͤrliche Zuſtand der Men-
ſchen; und der geſunden Vernunft nichts aͤhn-
licher: als niemanden beleidigen/ iedermann bey
dem Genieſſe des Seinigen laſſen; und was er
ihm nicht gethan wiſſen wil/ an andern nicht aus-
uͤben. Ehrſucht/ Geitz/ und Mißtrauen als
Urſachen des Krieges waͤren keine Eigenſchafft
aller/ ſondern eine Miß-Geburt vieler menſch-
lichen Gemuͤther; welche die Vernunfft/ die den
Menſchẽ von dem Vieh unterſcheidete/ in der er-
ſten Bluͤthe/ als ſchaͤdlich und unanſtaͤndig/ toͤdtẽ
ſolte. Zu dem koͤnten dardurch wohl etliche/ nicht
aber das gantze Geſchlechte beleidigt werden.
Herentgegẽ empfinde ieder Menſch in der ſicher-
ſten Einſamkeit/ wo er das minſte nicht zu fuͤrchtẽ
haͤtte/ gleichwohl eine Begierde nach ſeines glei-
chen. Dieſe Zuneigung wuͤrde noch mehr ge-
reitzet von der allgemeinen Duͤrftigkeit; und
haͤtte die Natur nicht aus Mißgunſt/ ſondern
um uns durch Wolthatẽ aneinander zu verknuͤ-
pfen/ den Menſchen ohne Zaͤhne der Wald-
Schweine/ ohne Klauen der Panther/ ohne
Schnautze der Elefanten/ ohne Harniſch der
Crocodile/ ſchwach und nackt geſchaffen. Seine
Waffen waͤren Vernunfft und Gemeinſchafft.
Dieſe verliehe ihm die Herrſchafft uͤber alle

Thie-
Erſter Theil. A a a a a
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0799" n="737[739]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
Eintracht/ &#x017F;ondern nur fu&#x0364;r einen aus verwech-<lb/>
&#x017F;elter Furcht ent&#x017F;pringenden Stille&#x017F;tand zu hal-<lb/>
ten; indem einen nur entweder &#x017F;eine Schwach-<lb/>
heit und heimliche Wunden/ oder des Nachbarn<lb/>
Kra&#x0364;ffte oder Bu&#x0364;ndnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e vom Angriffe zuru&#x0364;cke<lb/>
hielten. Deshalben ha&#x0364;tte die Natur den Men-<lb/>
&#x017F;chen nicht allein gleicherley Waffen gegeben/<lb/>
und ins gemein des einen Schwa&#x0364;che in Gliedern<lb/>
mit der Ge&#x017F;chickligkeit zu &#x017F;einer no&#x0364;thigen Be-<lb/>
&#x017F;chirmung er&#x017F;etzt/ &#x017F;ondern auch die Ehre einen<lb/>
andern in etwas zu u&#x0364;bertreffen/ oder ihm zu<lb/>
gebieten/ als einen rechten Zanck-Apfel in der<lb/>
Welt aufgeworffen. Des einen Vorzug aber<lb/>
ziehe nach &#x017F;ich des andern Verachtung/ und al&#x017F;o<lb/>
eine rechtma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Ur&#x017F;ache der Beleidigung. So<lb/>
&#x017F;trebte des Men&#x017F;chen Gemu&#x0364;the auch von Natur<lb/>
nach dem be&#x017F;ten/ und al&#x017F;o nach einerley Dinge;<lb/>
welches aber &#x017F;elten theilbar wa&#x0364;re/ al&#x017F;o ein unver-<lb/>
meidliches Zanck-Ei&#x017F;en abgeben mu&#x0364;&#x017F;te. Die<lb/>
mehr tapferen als Rachbegierigen Deut&#x017F;chen<lb/>
kamen ungerne daran: daß &#x017F;ie mit ihren Bluts-<lb/>
Verwandten brechen; und durch eigene Schwa&#x0364;-<lb/>
chung der aufacht&#x017F;amen Nachtbarn Uberfall<lb/>
ihnen auf den Hals ziehen &#x017F;olten. Die&#x017F;emnach<lb/>
&#x017F;chickten &#x017F;ie drey ihres Alters/ Heiligkeit/ und<lb/>
Bered&#x017F;amkeit halber in gro&#x017F;&#x017F;em An&#x017F;ehn &#x017F;ich be-<lb/>
findende Prie&#x017F;ter an den Ko&#x0364;nig Catumand/ wel-<lb/>
che ihn von Veru&#x0364;bung mehrer Feind&#x017F;eligkeit<lb/>
abwendig machen &#x017F;olten: die&#x017F;e hielten ihm be-<lb/>
&#x017F;cheidentlich ein: Unzeitige Begierde frembden<lb/>
Gutes ziehe mei&#x017F;t nach &#x017F;ich den Verlu&#x017F;t des eige-<lb/>
nen. Der Gallier ungerechtes Recht vermo&#x0364;ch-<lb/>
te zwar nicht ihre/ aber wohl die Waffen der<lb/>
Deut&#x017F;chen wider &#x017F;ie zu rechtfertigen. Treffe<lb/>
ihre Be&#x017F;chuldigung einen oder den an-<lb/>
dern/ &#x017F;o ha&#x0364;tten doch die mei&#x017F;ten und vernu&#x0364;nftig-<lb/>
&#x017F;ten Deut&#x017F;chen ohne Begierde fremden Reich-<lb/>
thums/ ohne blinde Rachgier oder eitele Ehr-<lb/>
&#x017F;ucht durch Gerechtigkeit in ihrem An&#x017F;ehn zu<lb/>
bleiben getrachtet; ihre Großmu&#x0364;tigkeit mit<lb/>
Ruhme be&#x017F;a&#x0364;nftiget/ keinen unno&#x0364;thigen Krieg<lb/>
angehoben/ und den Nachbarn vor&#x017F;etzlich keinen<lb/><cb/>
Schaden gethan. Hingegen hielten &#x017F;ie fu&#x0364;r das<lb/>
einige Merckmal der Tugend und Sta&#x0364;rcke/ ih-<lb/>
re Ober-Herr&#x017F;chafft durch kein Unrecht befe&#x017F;ti-<lb/>
gen; den Beleidigern al&#x017F;ofort die Spitze bitten/<lb/>
und bey &#x017F;einer Ruhe gleichwohl fu&#x0364;r einen nur<lb/>
&#x017F;chlafenden Lo&#x0364;wen gehalten werden. Wir Men-<lb/>
&#x017F;chen wa&#x0364;ren alle eines Vaters Kinder/ und al&#x017F;o<lb/>
das gantze men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlechte einander mit<lb/>
Blut-Freund&#x017F;chafft verknu&#x0364;pft. Die wilden<lb/>
Thiere ka&#x0364;mpften nicht leichtlich wider ihr eige-<lb/>
nes Ge&#x017F;chlechte. Die den Men&#x017F;chen verliehe-<lb/>
ne Gleichheit der Kra&#x0364;fften riethe ihnen die Be-<lb/>
leidigung vernu&#x0364;nftig ab; daher wa&#x0364;re derer Frie-<lb/>
de/ welche mit einander noch nicht die Kra&#x0364;fften<lb/>
geme&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte&#x0303;/ und al&#x017F;o gleicher Sta&#x0364;rcke zu &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;chienen/ der be&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;te; die Eintracht aber in<lb/>
alle Wege der natu&#x0364;rliche Zu&#x017F;tand der Men-<lb/>
&#x017F;chen; und der ge&#x017F;unden Vernunft nichts a&#x0364;hn-<lb/>
licher: als niemanden beleidigen/ iedermann bey<lb/>
dem Genie&#x017F;&#x017F;e des Seinigen la&#x017F;&#x017F;en; und was er<lb/>
ihm nicht gethan wi&#x017F;&#x017F;en wil/ an andern nicht aus-<lb/>
u&#x0364;ben. Ehr&#x017F;ucht/ Geitz/ und Mißtrauen als<lb/>
Ur&#x017F;achen des Krieges wa&#x0364;ren keine Eigen&#x017F;chafft<lb/>
aller/ &#x017F;ondern eine Miß-Geburt vieler men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Gemu&#x0364;ther; welche die Vernunfft/ die den<lb/>
Men&#x017F;che&#x0303; von dem Vieh unter&#x017F;cheidete/ in der er-<lb/>
&#x017F;ten Blu&#x0364;the/ als &#x017F;cha&#x0364;dlich und unan&#x017F;ta&#x0364;ndig/ to&#x0364;dte&#x0303;<lb/>
&#x017F;olte. Zu dem ko&#x0364;nten dardurch wohl etliche/ nicht<lb/>
aber das gantze Ge&#x017F;chlechte beleidigt werden.<lb/>
Herentgege&#x0303; empfinde ieder Men&#x017F;ch in der &#x017F;icher-<lb/>
&#x017F;ten Ein&#x017F;amkeit/ wo er das min&#x017F;te nicht zu fu&#x0364;rchte&#x0303;<lb/>
ha&#x0364;tte/ gleichwohl eine Begierde nach &#x017F;eines glei-<lb/>
chen. Die&#x017F;e Zuneigung wu&#x0364;rde noch mehr ge-<lb/>
reitzet von der allgemeinen Du&#x0364;rftigkeit; und<lb/>
ha&#x0364;tte die Natur nicht aus Mißgun&#x017F;t/ &#x017F;ondern<lb/>
um uns durch Wolthate&#x0303; aneinander zu verknu&#x0364;-<lb/>
pfen/ den Men&#x017F;chen ohne Za&#x0364;hne der Wald-<lb/>
Schweine/ ohne Klauen der Panther/ ohne<lb/>
Schnautze der Elefanten/ ohne Harni&#x017F;ch der<lb/>
Crocodile/ &#x017F;chwach und nackt ge&#x017F;chaffen. Seine<lb/>
Waffen wa&#x0364;ren Vernunfft und Gemein&#x017F;chafft.<lb/>
Die&#x017F;e verliehe ihm die Herr&#x017F;chafft u&#x0364;ber alle<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. A a a a a</fw><fw place="bottom" type="catch">Thie-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[737[739]/0799] Arminius und Thußnelda. Eintracht/ ſondern nur fuͤr einen aus verwech- ſelter Furcht entſpringenden Stilleſtand zu hal- ten; indem einen nur entweder ſeine Schwach- heit und heimliche Wunden/ oder des Nachbarn Kraͤffte oder Buͤndnuͤſſe vom Angriffe zuruͤcke hielten. Deshalben haͤtte die Natur den Men- ſchen nicht allein gleicherley Waffen gegeben/ und ins gemein des einen Schwaͤche in Gliedern mit der Geſchickligkeit zu ſeiner noͤthigen Be- ſchirmung erſetzt/ ſondern auch die Ehre einen andern in etwas zu uͤbertreffen/ oder ihm zu gebieten/ als einen rechten Zanck-Apfel in der Welt aufgeworffen. Des einen Vorzug aber ziehe nach ſich des andern Verachtung/ und alſo eine rechtmaͤſſige Urſache der Beleidigung. So ſtrebte des Menſchen Gemuͤthe auch von Natur nach dem beſten/ und alſo nach einerley Dinge; welches aber ſelten theilbar waͤre/ alſo ein unver- meidliches Zanck-Eiſen abgeben muͤſte. Die mehr tapferen als Rachbegierigen Deutſchen kamen ungerne daran: daß ſie mit ihren Bluts- Verwandten brechen; und durch eigene Schwaͤ- chung der aufachtſamen Nachtbarn Uberfall ihnen auf den Hals ziehen ſolten. Dieſemnach ſchickten ſie drey ihres Alters/ Heiligkeit/ und Beredſamkeit halber in groſſem Anſehn ſich be- findende Prieſter an den Koͤnig Catumand/ wel- che ihn von Veruͤbung mehrer Feindſeligkeit abwendig machen ſolten: dieſe hielten ihm be- ſcheidentlich ein: Unzeitige Begierde frembden Gutes ziehe meiſt nach ſich den Verluſt des eige- nen. Der Gallier ungerechtes Recht vermoͤch- te zwar nicht ihre/ aber wohl die Waffen der Deutſchen wider ſie zu rechtfertigen. Treffe ihre Beſchuldigung einen oder den an- dern/ ſo haͤtten doch die meiſten und vernuͤnftig- ſten Deutſchen ohne Begierde fremden Reich- thums/ ohne blinde Rachgier oder eitele Ehr- ſucht durch Gerechtigkeit in ihrem Anſehn zu bleiben getrachtet; ihre Großmuͤtigkeit mit Ruhme beſaͤnftiget/ keinen unnoͤthigen Krieg angehoben/ und den Nachbarn vorſetzlich keinen Schaden gethan. Hingegen hielten ſie fuͤr das einige Merckmal der Tugend und Staͤrcke/ ih- re Ober-Herrſchafft durch kein Unrecht befeſti- gen; den Beleidigern alſofort die Spitze bitten/ und bey ſeiner Ruhe gleichwohl fuͤr einen nur ſchlafenden Loͤwen gehalten werden. Wir Men- ſchen waͤren alle eines Vaters Kinder/ und alſo das gantze menſchliche Geſchlechte einander mit Blut-Freundſchafft verknuͤpft. Die wilden Thiere kaͤmpften nicht leichtlich wider ihr eige- nes Geſchlechte. Die den Menſchen verliehe- ne Gleichheit der Kraͤfften riethe ihnen die Be- leidigung vernuͤnftig ab; daher waͤre derer Frie- de/ welche mit einander noch nicht die Kraͤfften gemeſſen haͤttẽ/ und alſo gleicher Staͤrcke zu ſeyn ſchienen/ der beſtaͤndigſte; die Eintracht aber in alle Wege der natuͤrliche Zuſtand der Men- ſchen; und der geſunden Vernunft nichts aͤhn- licher: als niemanden beleidigen/ iedermann bey dem Genieſſe des Seinigen laſſen; und was er ihm nicht gethan wiſſen wil/ an andern nicht aus- uͤben. Ehrſucht/ Geitz/ und Mißtrauen als Urſachen des Krieges waͤren keine Eigenſchafft aller/ ſondern eine Miß-Geburt vieler menſch- lichen Gemuͤther; welche die Vernunfft/ die den Menſchẽ von dem Vieh unterſcheidete/ in der er- ſten Bluͤthe/ als ſchaͤdlich und unanſtaͤndig/ toͤdtẽ ſolte. Zu dem koͤnten dardurch wohl etliche/ nicht aber das gantze Geſchlechte beleidigt werden. Herentgegẽ empfinde ieder Menſch in der ſicher- ſten Einſamkeit/ wo er das minſte nicht zu fuͤrchtẽ haͤtte/ gleichwohl eine Begierde nach ſeines glei- chen. Dieſe Zuneigung wuͤrde noch mehr ge- reitzet von der allgemeinen Duͤrftigkeit; und haͤtte die Natur nicht aus Mißgunſt/ ſondern um uns durch Wolthatẽ aneinander zu verknuͤ- pfen/ den Menſchen ohne Zaͤhne der Wald- Schweine/ ohne Klauen der Panther/ ohne Schnautze der Elefanten/ ohne Harniſch der Crocodile/ ſchwach und nackt geſchaffen. Seine Waffen waͤren Vernunfft und Gemeinſchafft. Dieſe verliehe ihm die Herrſchafft uͤber alle Thie- Erſter Theil. A a a a a

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/799
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 737[739]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/799>, abgerufen am 23.11.2024.