Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] dem Altare des unbekandten Gottes am heilig-
sten angebetet wird/ doch mit tausend Zungen
nicht ausgesprochen werden kan. Betrachte
selbst nur etwas tieffsinniger das Bild und die
Eigenschafften der Jsis; so wirstu handgreifflich
wahrnehmen: daß deine Jsis wegen ihrer Weiß-
heit der Griechen Minerva/ wegen Fruchtbar-
keit/ die Venus/ wegen ihrer Herrschafft in der
Lufft/ die Juno/ wegen ihrer unterirrdischen
Kräfte/ Proserpina/ wegen Erfindung des Wei-
tzens/ Ceres/ wegen ihrer Waldsorge/ Diana/
wegen Beseelung der Erde/ Rhea/ wegen ihrer
himmlischen Würckung Cynthia; dieses alles
aber nur eine Jsis sey. Frage Römer und
Griechen/ warum sie bey Anruffung ihres Ju-
piters das Haupt/ der Minerva die Augen/
der Juno die Armen/ des Neptun die Brust/
anrühren? Ob ihre Andacht nicht dadurch auf
ein einiges Göttliches Wesen/ wie ihr Finger
auff einen einigen Leib ziele? Hastu von dem
Lehrmeister des Plato Sechnuphim nicht geler-
net: daß wie der Zirckel nur einen Mittelpunct/
also der Kreiß der gantzen Welt nur ein einiges
Göttliches Wesen habe/ welches aber alle Thei-
le bewohne und beseele? Frage deine Platoni-
sche Weisen: Ob die Vielheit der Götter nicht
nur ein Glaube des Pöfels/ Gottes Einigkeit
aber ein Geheimnis der Weisen sey? Ob nicht
Plato nur aus Furcht für dem Volcke mehrern
Göttern geopfert/ wormit er nicht selbst/ wie So-
crates/ ein Opffer ihrer Grausamkeit würde.
So gehe zu deinen Landsleuten nach Thebe und
frage: Ob sie nicht allein den Gott Kneph/ wel-
chen wir Wistnou und Eßwara/ die Römer Ju-
piter nennen/ für einen Gott ohne Ursprung und
Ende anbeten. Wiewol auch diese Nahmen nicht
seinem Wesen/ sondern nur unser Schwach-
heit gemäß sind; und daß wie ein Mensch nach
unterschiedenen Absehen drey und mehrerley
Personen fürstellet; also das an sich selbst einige
Göttliche Wesen nach dem Unterscheide seiner
Hülffe und Würckungen vielerley Götter; und
[Spaltenumbruch] daher von den Unwissenden auch so viel Nah-
men bekommen habe. Lasse dich nur berichten:
daß/ als der kluge Euripides die Sonne den gros-
sen Allmosen-Meister Gottes nicht für einen
Gott erkennet/ sondern einen güldenen Erd-
schollen genennet/ er vom Pericles kaum aus den
Händen des Pöfels errettet worden. Frage
die Griechen: Ob nicht ihre Hermesianax öffent-
lich gelehrt: daß Pluto/ Proserpina/ Ceres/ Ve-
nus/ Cupido/ Triton/ Nereus/ Thetis/ Neptun/
Mercur/ Vulcan/ Pan und Apollo alles ein
Gott sey? Pythagoras und Socrates hat zwar
mehr dienstbare Geister Gottes als Mitteldin-
ge zwischen ihm und den Menschen/ welche die-
sen die Göttliche Gaben/ jenem die Menschliche
Seuffzer zubrächten/ aber nur einen wahren
Gott geglaubt. Ja mein lieber Cheremon/
lasse nur das Licht der Natur dir hierinnen den
Weg zeigen: Hältestu nicht Gott für das voll-
kommenste Wesen aller Dinge? Kan aber die
Vollkommenheit also zerstücket seyn? Raubstu
nicht Gott seine Eigenschafft der Vollkommen-
heit/ wenn du selbte nicht der gantzen Welt Herr-
schafft gewachsen zu seyn gläubest/ und dardurch
der Vollkommenheit Mängel ausstellest; wenn
du ihm unnöthige Gehülffen beysetzest? Warum
setzestu dem sichtbaren Spiegel Gottes der
Sonne/ nicht eine andere an die Seite? Mei-
nestu deinem Schiffe besser zu rathen/ wenn du
ihm noch ein Steuerruder ansetzen wirst? Wilstu
Gott/ welchen die Egyptier einen unbegreiffli-
chen Zirckel heissen/ seiner Unbegreiffligkeit be-
rauben; wenn du seine Macht in so viel zerthei-
lest/ da doch die Unbegreiffligkeit alles begreiffet/
nichts ausschleust/ und also nichts unbegreiffli-
ches neben sich vertragen kan. Lasse dir aber auch
nicht träumen/ daß der Schöpffer der Welt/ der
in sich aller Dinge Bilder wie in einem Spiegel
behält/ zu seiner Auffsicht einige Mühe bedürffe.
Dessen blosser Wille genug zum Saamen aller
Geschöpffe gewest; darff auch nichts beschwerli-
chers zu ihrer Leitung. Hüte dich auch so wohl in

seiner

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] dem Altare des unbekandten Gottes am heilig-
ſten angebetet wird/ doch mit tauſend Zungen
nicht ausgeſprochen werden kan. Betrachte
ſelbſt nur etwas tieffſinniger das Bild und die
Eigenſchafften der Jſis; ſo wirſtu handgreifflich
wahrnehmen: daß deine Jſis wegen ihrer Weiß-
heit der Griechen Minerva/ wegen Fruchtbar-
keit/ die Venus/ wegen ihrer Herrſchafft in der
Lufft/ die Juno/ wegen ihrer unterirrdiſchen
Kraͤfte/ Proſerpina/ wegen Erfindung des Wei-
tzens/ Ceres/ wegen ihrer Waldſorge/ Diana/
wegen Beſeelung der Erde/ Rhea/ wegen ihrer
himmliſchen Wuͤrckung Cynthia; dieſes alles
aber nur eine Jſis ſey. Frage Roͤmer und
Griechen/ warum ſie bey Anruffung ihres Ju-
piters das Haupt/ der Minerva die Augen/
der Juno die Armen/ des Neptun die Bruſt/
anruͤhren? Ob ihre Andacht nicht dadurch auf
ein einiges Goͤttliches Weſen/ wie ihr Finger
auff einen einigen Leib ziele? Haſtu von dem
Lehrmeiſter des Plato Sechnuphim nicht geler-
net: daß wie der Zirckel nur einen Mittelpunct/
alſo der Kreiß der gantzen Welt nur ein einiges
Goͤttliches Weſen habe/ welches aber alle Thei-
le bewohne und beſeele? Frage deine Platoni-
ſche Weiſen: Ob die Vielheit der Goͤtter nicht
nur ein Glaube des Poͤfels/ Gottes Einigkeit
aber ein Geheimnis der Weiſen ſey? Ob nicht
Plato nur aus Furcht fuͤr dem Volcke mehrern
Goͤttern geopfert/ woꝛmit eꝛ nicht ſelbſt/ wie So-
crates/ ein Opffer ihrer Grauſamkeit wuͤrde.
So gehe zu deinen Landsleuten nach Thebe und
frage: Ob ſie nicht allein den Gott Kneph/ wel-
chen wir Wiſtnou und Eßwara/ die Roͤmer Ju-
piter neñen/ fuͤr einen Gott ohne Urſprung und
Ende anbetẽ. Wiewol auch dieſe Nahmen nicht
ſeinem Weſen/ ſondern nur unſer Schwach-
heit gemaͤß ſind; und daß wie ein Menſch nach
unterſchiedenen Abſehen drey und mehrerley
Perſonen fuͤrſtellet; alſo das an ſich ſelbſt einige
Goͤttliche Weſen nach dem Unterſcheide ſeiner
Huͤlffe und Wuͤrckungen vielerley Goͤtter; und
[Spaltenumbruch] daher von den Unwiſſenden auch ſo viel Nah-
men bekommen habe. Laſſe dich nur berichten:
daß/ als der kluge Euripides die Soñe den groſ-
ſen Allmoſen-Meiſter Gottes nicht fuͤr einen
Gott erkennet/ ſondern einen guͤldenen Erd-
ſchollen genennet/ er vom Pericles kaum aus den
Haͤnden des Poͤfels errettet worden. Frage
die Griechen: Ob nicht ihre Hermeſianax oͤffent-
lich gelehrt: daß Pluto/ Proſerpina/ Ceres/ Ve-
nus/ Cupido/ Triton/ Nereus/ Thetis/ Neptun/
Mercur/ Vulcan/ Pan und Apollo alles ein
Gott ſey? Pythagoras und Socrates hat zwar
mehr dienſtbare Geiſter Gottes als Mitteldin-
ge zwiſchen ihm und den Menſchen/ welche die-
ſen die Goͤttliche Gaben/ jenem die Menſchliche
Seuffzer zubraͤchten/ aber nur einen wahren
Gott geglaubt. Ja mein lieber Cheremon/
laſſe nur das Licht der Natur dir hierinnen den
Weg zeigen: Haͤlteſtu nicht Gott fuͤr das voll-
kommenſte Weſen aller Dinge? Kan aber die
Vollkommenheit alſo zerſtuͤcket ſeyn? Raubſtu
nicht Gott ſeine Eigenſchafft der Vollkommen-
heit/ wenn du ſelbte nicht der gantzen Welt Herꝛ-
ſchafft gewachſen zu ſeyn glaͤubeſt/ und dardurch
der Vollkommenheit Maͤngel ausſtelleſt; wenn
du ihm unnoͤthige Gehuͤlffen beyſetzeſt? Warum
ſetzeſtu dem ſichtbaren Spiegel Gottes der
Sonne/ nicht eine andere an die Seite? Mei-
neſtu deinem Schiffe beſſer zu rathen/ wenn du
ihm noch ein Steuerruder anſetzen wirſt? Wilſtu
Gott/ welchen die Egyptier einen unbegreiffli-
chen Zirckel heiſſen/ ſeiner Unbegreiffligkeit be-
rauben; wenn du ſeine Macht in ſo viel zerthei-
leſt/ da doch die Unbegreiffligkeit alles begreiffet/
nichts ausſchleuſt/ und alſo nichts unbegreiffli-
ches neben ſich vertragen kan. Laſſe dir aber auch
nicht traͤumen/ daß der Schoͤpffer der Welt/ der
in ſich aller Dinge Bilder wie in einem Spiegel
behaͤlt/ zu ſeiner Auffſicht einige Muͤhe beduͤrffe.
Deſſen bloſſer Wille genug zum Saamen aller
Geſchoͤpffe geweſt; darff auch nichts beſchwerli-
chers zu ihrer Leitung. Huͤte dich auch ſo wohl in

ſeiner
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0766" n="710"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
dem Altare des unbekandten Gottes am heilig-<lb/>
&#x017F;ten angebetet wird/ doch mit tau&#x017F;end Zungen<lb/>
nicht ausge&#x017F;prochen werden kan. Betrachte<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nur etwas tieff&#x017F;inniger das Bild und die<lb/>
Eigen&#x017F;chafften der J&#x017F;is; &#x017F;o wir&#x017F;tu handgreifflich<lb/>
wahrnehmen: daß deine J&#x017F;is wegen ihrer Weiß-<lb/>
heit der Griechen Minerva/ wegen Fruchtbar-<lb/>
keit/ die Venus/ wegen ihrer Herr&#x017F;chafft in der<lb/>
Lufft/ die Juno/ wegen ihrer unterirrdi&#x017F;chen<lb/>
Kra&#x0364;fte/ Pro&#x017F;erpina/ wegen Erfindung des Wei-<lb/>
tzens/ Ceres/ wegen ihrer Wald&#x017F;orge/ Diana/<lb/>
wegen Be&#x017F;eelung der Erde/ Rhea/ wegen ihrer<lb/>
himmli&#x017F;chen Wu&#x0364;rckung Cynthia; die&#x017F;es alles<lb/>
aber nur eine J&#x017F;is &#x017F;ey. Frage Ro&#x0364;mer und<lb/>
Griechen/ warum &#x017F;ie bey Anruffung ihres Ju-<lb/>
piters das Haupt/ der Minerva die Augen/<lb/>
der Juno die Armen/ des Neptun die Bru&#x017F;t/<lb/>
anru&#x0364;hren? Ob ihre Andacht nicht dadurch auf<lb/>
ein einiges Go&#x0364;ttliches We&#x017F;en/ wie ihr Finger<lb/>
auff einen einigen Leib ziele? Ha&#x017F;tu von dem<lb/>
Lehrmei&#x017F;ter des Plato Sechnuphim nicht geler-<lb/>
net: daß wie der Zirckel nur einen Mittelpunct/<lb/>
al&#x017F;o der Kreiß der gantzen Welt nur ein einiges<lb/>
Go&#x0364;ttliches We&#x017F;en habe/ welches aber alle Thei-<lb/>
le bewohne und be&#x017F;eele? Frage deine Platoni-<lb/>
&#x017F;che Wei&#x017F;en: Ob die Vielheit der Go&#x0364;tter nicht<lb/>
nur ein Glaube des Po&#x0364;fels/ Gottes Einigkeit<lb/>
aber ein Geheimnis der Wei&#x017F;en &#x017F;ey? Ob nicht<lb/>
Plato nur aus Furcht fu&#x0364;r dem Volcke mehrern<lb/>
Go&#x0364;ttern geopfert/ wo&#xA75B;mit e&#xA75B; nicht &#x017F;elb&#x017F;t/ wie So-<lb/>
crates/ ein Opffer ihrer Grau&#x017F;amkeit wu&#x0364;rde.<lb/>
So gehe zu deinen Landsleuten nach Thebe und<lb/>
frage: Ob &#x017F;ie nicht allein den Gott Kneph/ wel-<lb/>
chen wir Wi&#x017F;tnou und Eßwara/ die Ro&#x0364;mer Ju-<lb/>
piter nen&#x0303;en/ fu&#x0364;r einen Gott ohne Ur&#x017F;prung und<lb/>
Ende anbete&#x0303;. Wiewol auch die&#x017F;e Nahmen nicht<lb/>
&#x017F;einem We&#x017F;en/ &#x017F;ondern nur un&#x017F;er Schwach-<lb/>
heit gema&#x0364;ß &#x017F;ind; und daß wie ein Men&#x017F;ch nach<lb/>
unter&#x017F;chiedenen Ab&#x017F;ehen drey und mehrerley<lb/>
Per&#x017F;onen fu&#x0364;r&#x017F;tellet; al&#x017F;o das an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t einige<lb/>
Go&#x0364;ttliche We&#x017F;en nach dem Unter&#x017F;cheide &#x017F;einer<lb/>
Hu&#x0364;lffe und Wu&#x0364;rckungen vielerley Go&#x0364;tter; und<lb/><cb/>
daher von den Unwi&#x017F;&#x017F;enden auch &#x017F;o viel Nah-<lb/>
men bekommen habe. La&#x017F;&#x017F;e dich nur berichten:<lb/>
daß/ als der kluge Euripides die Son&#x0303;e den gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Allmo&#x017F;en-Mei&#x017F;ter Gottes nicht fu&#x0364;r einen<lb/>
Gott erkennet/ &#x017F;ondern einen gu&#x0364;ldenen Erd-<lb/>
&#x017F;chollen genennet/ er vom Pericles kaum aus den<lb/>
Ha&#x0364;nden des Po&#x0364;fels errettet worden. Frage<lb/>
die Griechen: Ob nicht ihre Herme&#x017F;ianax o&#x0364;ffent-<lb/>
lich gelehrt: daß Pluto/ Pro&#x017F;erpina/ Ceres/ Ve-<lb/>
nus/ Cupido/ Triton/ Nereus/ Thetis/ Neptun/<lb/>
Mercur/ Vulcan/ Pan und Apollo alles ein<lb/>
Gott &#x017F;ey? Pythagoras und Socrates hat zwar<lb/>
mehr dien&#x017F;tbare Gei&#x017F;ter Gottes als Mitteldin-<lb/>
ge zwi&#x017F;chen ihm und den Men&#x017F;chen/ welche die-<lb/>
&#x017F;en die Go&#x0364;ttliche Gaben/ jenem die Men&#x017F;chliche<lb/>
Seuffzer zubra&#x0364;chten/ aber nur einen wahren<lb/>
Gott geglaubt. Ja mein lieber Cheremon/<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e nur das Licht der Natur dir hierinnen den<lb/>
Weg zeigen: Ha&#x0364;lte&#x017F;tu nicht Gott fu&#x0364;r das voll-<lb/>
kommen&#x017F;te We&#x017F;en aller Dinge? Kan aber die<lb/>
Vollkommenheit al&#x017F;o zer&#x017F;tu&#x0364;cket &#x017F;eyn? Raub&#x017F;tu<lb/>
nicht Gott &#x017F;eine Eigen&#x017F;chafft der Vollkommen-<lb/>
heit/ wenn du &#x017F;elbte nicht der gantzen Welt Her&#xA75B;-<lb/>
&#x017F;chafft gewach&#x017F;en zu &#x017F;eyn gla&#x0364;ube&#x017F;t/ und dardurch<lb/>
der Vollkommenheit Ma&#x0364;ngel aus&#x017F;telle&#x017F;t; wenn<lb/>
du ihm unno&#x0364;thige Gehu&#x0364;lffen bey&#x017F;etze&#x017F;t? Warum<lb/>
&#x017F;etze&#x017F;tu dem &#x017F;ichtbaren Spiegel Gottes der<lb/>
Sonne/ nicht eine andere an die Seite? Mei-<lb/>
ne&#x017F;tu deinem Schiffe be&#x017F;&#x017F;er zu rathen/ wenn du<lb/>
ihm noch ein Steuerruder an&#x017F;etzen wir&#x017F;t? Wil&#x017F;tu<lb/>
Gott/ welchen die Egyptier einen unbegreiffli-<lb/>
chen Zirckel hei&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;einer Unbegreiffligkeit be-<lb/>
rauben; wenn du &#x017F;eine Macht in &#x017F;o viel zerthei-<lb/>
le&#x017F;t/ da doch die Unbegreiffligkeit alles begreiffet/<lb/>
nichts aus&#x017F;chleu&#x017F;t/ und al&#x017F;o nichts unbegreiffli-<lb/>
ches neben &#x017F;ich vertragen kan. La&#x017F;&#x017F;e dir aber auch<lb/>
nicht tra&#x0364;umen/ daß der Scho&#x0364;pffer der Welt/ der<lb/>
in &#x017F;ich aller Dinge Bilder wie in einem Spiegel<lb/>
beha&#x0364;lt/ zu &#x017F;einer Auff&#x017F;icht einige Mu&#x0364;he bedu&#x0364;rffe.<lb/>
De&#x017F;&#x017F;en blo&#x017F;&#x017F;er Wille genug zum Saamen aller<lb/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pffe gewe&#x017F;t; darff auch nichts be&#x017F;chwerli-<lb/>
chers zu ihrer Leitung. Hu&#x0364;te dich auch &#x017F;o wohl in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;einer</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[710/0766] Fuͤnfftes Buch dem Altare des unbekandten Gottes am heilig- ſten angebetet wird/ doch mit tauſend Zungen nicht ausgeſprochen werden kan. Betrachte ſelbſt nur etwas tieffſinniger das Bild und die Eigenſchafften der Jſis; ſo wirſtu handgreifflich wahrnehmen: daß deine Jſis wegen ihrer Weiß- heit der Griechen Minerva/ wegen Fruchtbar- keit/ die Venus/ wegen ihrer Herrſchafft in der Lufft/ die Juno/ wegen ihrer unterirrdiſchen Kraͤfte/ Proſerpina/ wegen Erfindung des Wei- tzens/ Ceres/ wegen ihrer Waldſorge/ Diana/ wegen Beſeelung der Erde/ Rhea/ wegen ihrer himmliſchen Wuͤrckung Cynthia; dieſes alles aber nur eine Jſis ſey. Frage Roͤmer und Griechen/ warum ſie bey Anruffung ihres Ju- piters das Haupt/ der Minerva die Augen/ der Juno die Armen/ des Neptun die Bruſt/ anruͤhren? Ob ihre Andacht nicht dadurch auf ein einiges Goͤttliches Weſen/ wie ihr Finger auff einen einigen Leib ziele? Haſtu von dem Lehrmeiſter des Plato Sechnuphim nicht geler- net: daß wie der Zirckel nur einen Mittelpunct/ alſo der Kreiß der gantzen Welt nur ein einiges Goͤttliches Weſen habe/ welches aber alle Thei- le bewohne und beſeele? Frage deine Platoni- ſche Weiſen: Ob die Vielheit der Goͤtter nicht nur ein Glaube des Poͤfels/ Gottes Einigkeit aber ein Geheimnis der Weiſen ſey? Ob nicht Plato nur aus Furcht fuͤr dem Volcke mehrern Goͤttern geopfert/ woꝛmit eꝛ nicht ſelbſt/ wie So- crates/ ein Opffer ihrer Grauſamkeit wuͤrde. So gehe zu deinen Landsleuten nach Thebe und frage: Ob ſie nicht allein den Gott Kneph/ wel- chen wir Wiſtnou und Eßwara/ die Roͤmer Ju- piter neñen/ fuͤr einen Gott ohne Urſprung und Ende anbetẽ. Wiewol auch dieſe Nahmen nicht ſeinem Weſen/ ſondern nur unſer Schwach- heit gemaͤß ſind; und daß wie ein Menſch nach unterſchiedenen Abſehen drey und mehrerley Perſonen fuͤrſtellet; alſo das an ſich ſelbſt einige Goͤttliche Weſen nach dem Unterſcheide ſeiner Huͤlffe und Wuͤrckungen vielerley Goͤtter; und daher von den Unwiſſenden auch ſo viel Nah- men bekommen habe. Laſſe dich nur berichten: daß/ als der kluge Euripides die Soñe den groſ- ſen Allmoſen-Meiſter Gottes nicht fuͤr einen Gott erkennet/ ſondern einen guͤldenen Erd- ſchollen genennet/ er vom Pericles kaum aus den Haͤnden des Poͤfels errettet worden. Frage die Griechen: Ob nicht ihre Hermeſianax oͤffent- lich gelehrt: daß Pluto/ Proſerpina/ Ceres/ Ve- nus/ Cupido/ Triton/ Nereus/ Thetis/ Neptun/ Mercur/ Vulcan/ Pan und Apollo alles ein Gott ſey? Pythagoras und Socrates hat zwar mehr dienſtbare Geiſter Gottes als Mitteldin- ge zwiſchen ihm und den Menſchen/ welche die- ſen die Goͤttliche Gaben/ jenem die Menſchliche Seuffzer zubraͤchten/ aber nur einen wahren Gott geglaubt. Ja mein lieber Cheremon/ laſſe nur das Licht der Natur dir hierinnen den Weg zeigen: Haͤlteſtu nicht Gott fuͤr das voll- kommenſte Weſen aller Dinge? Kan aber die Vollkommenheit alſo zerſtuͤcket ſeyn? Raubſtu nicht Gott ſeine Eigenſchafft der Vollkommen- heit/ wenn du ſelbte nicht der gantzen Welt Herꝛ- ſchafft gewachſen zu ſeyn glaͤubeſt/ und dardurch der Vollkommenheit Maͤngel ausſtelleſt; wenn du ihm unnoͤthige Gehuͤlffen beyſetzeſt? Warum ſetzeſtu dem ſichtbaren Spiegel Gottes der Sonne/ nicht eine andere an die Seite? Mei- neſtu deinem Schiffe beſſer zu rathen/ wenn du ihm noch ein Steuerruder anſetzen wirſt? Wilſtu Gott/ welchen die Egyptier einen unbegreiffli- chen Zirckel heiſſen/ ſeiner Unbegreiffligkeit be- rauben; wenn du ſeine Macht in ſo viel zerthei- leſt/ da doch die Unbegreiffligkeit alles begreiffet/ nichts ausſchleuſt/ und alſo nichts unbegreiffli- ches neben ſich vertragen kan. Laſſe dir aber auch nicht traͤumen/ daß der Schoͤpffer der Welt/ der in ſich aller Dinge Bilder wie in einem Spiegel behaͤlt/ zu ſeiner Auffſicht einige Muͤhe beduͤrffe. Deſſen bloſſer Wille genug zum Saamen aller Geſchoͤpffe geweſt; darff auch nichts beſchwerli- chers zu ihrer Leitung. Huͤte dich auch ſo wohl in ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/766
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 710. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/766>, abgerufen am 14.06.2024.