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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] seiner väterlichen Fürforge/ als in denen irrdi-
schen Dingen gewisse Staffeln zu machen. Gott
ist der Mittelpunct; alle Dinge machen um ihn
einen Zirckel/ und stehet eines so weit als das an-
dere von ihm entfernet. Sterne sind so wohl
als der Erdbodem sein Fußschemmel; und du/ der
du dich in seinen Augen vielleicht dünckest Gold
zu seyn/ bist vielleicht geringer/ als zerbrechlicher
Thon. Alles ist Asche für seinem unverzehr-
lichen Feuer; eine Asche aber düncket sich ver-
geblich köstlicher/ als die andere zu seyn. Denn
der köstlichsten Dinge Werth verraucht mit der
Flamme. Eingeäscherte Seide und Purpur
ist von verbrenntem Stroh und Bettlers-Män-
teln nicht zu unterscheiden. Was hebstu aber
deine Maulwurffs-Augen zu der unerforschli-
chen Fruchtbarkeit Gottes herfür? Hättestu ein
Theil von dem Schatten/ den Plato aus diesem
Lichte von der ewigen Zeugung des allergöttlich-
sten Wortes/ das die Welt erschaffen/ das den
Lauff der Sterne ordnet/ und des auf dem Was-
ser schwebenden Geistes/ oder der Seelen der
Welt/ erwischet; du würdest keine so düsterne
Meinungen hegen. Warlich dein Plato/ wel-
chen Griechenland nicht ohne Ursach seiner Tief-
sinnigkeit halber für den Adler/ und wegen der
Beredsamkeit für den Schwan seiner Welt-
weisen hält/ hat hierüber viel heilsamere Ge-
dancken gehabt. Erforsche vorher genauer/
wohin seine Zahlen und seine Abmässungen ei-
gentlich gezielet. Erinnere dich: daß die Uber-
schrifft seiner Schule iederman den Eingang
verbot/ der nicht vollkommen die Mäß- und
Rechen-Kunst verstand. Was unterstehestu
dich denn von der Eigenschafft der Gottheit zu re-
den; da du noch in der Zahl nicht gegründet
bist/ und nicht weist: daß wie die Eines die
Wurtzel aller Zablen/ also der einige Gott
der Uhrsprung aller andern Dinge sey? Zeuch
den Parmenides deines Plato zu rathe/ daß er
dich unterweise: der einige Gott sey allein et-
was/ was warhaftig und wesentlich sey; alles an-
[Spaltenumbruch] dere habe nur eine von diesem einigen Wesen
herrührende Tauerung. Alles vergangene/
alles künfftige sey nichts/ Gott allein aber von
Ewigkeit zu Ewigkeit/ ein gegenwärtiges/ kein
gewesenes/ auch kein künfftiges Wesen; sondern
ein Ende des vergangenen/ und ein Anfang
des künfftigen. Denn durch ihn verleschet al-
les/ und von ihm entspringet alles. Lasse dich
darum/ o du elender Mensch! nicht gelüsten/
in höhere Geheimnisse zu blicken. Jst dir unbe-
greifflich: daß der einige und unsichtbare Gott
sich unserm blöden Gesichte nicht in vielerley
Gestalten zeigen könne? Hastu aus dem Ka-
nuphim nicht gelernet/ in wie vielerley Thiere
eure Götter sich verkleidet? Wie Osiris und J-
sis bald als ein Löwe/ bald als ein Hund/ bald
als eine Katze/ bald als ein Habicht sich den
Sterblichen gezeigt/ und ihnen ihre Wohltha-
ten mitgetheilet haben? Soll eure Jsis sich nicht
in einen Fisch verstellet haben? Unsere Weisen
halten sicher diß für die erste Erscheinung des
ewigen Wistnou. Haben deine Egyptier nicht
die Schildkröten in die Zahl der Götter gerech-
net? Dieses ist bey uns seine andere Erscheinung;
und auff ihrem Schilde ruhet die Last der gan-
tzen Welt sicherer/ als auff den Achseln des At-
las. Jch übergehe mit Fleiß unsere übrige
Erleuchtung. Denn ein Blinder siehet bey
tausend Fackeln so wenig/ als bey keiner. Ein
Tropffen Thau/ der zu beqvemer Zeit in eine
Muschel fällt/ wird zur Perle; fällt er aber auff
ein glüendes Eisen/ verraucht er ohne Nutz.
Nichts anders ist es mit dem Balsame hei'sa-
mer Lehre. Denn da du nicht begreiffen kanst
die Eigenschafften der Welt/ wie soll dein Ver-
stand ihren Schöpffer erreichen? Wie aber
bistu deinen eigenen Lehrern so abtrünnig wor-
den? Welche die Welt aus nichts durch das
Wort Gottes geschaffen zu seyn gläuben. Ha-
stu das Ey der Welt/ in welchem der Himmel
die Schale/ der Totter die Erdkugel abbildet/
in den Egyptischen Spitz-Seulen nirgends

aus

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ſeiner vaͤterlichen Fuͤrforge/ als in denen irrdi-
ſchen Dingen gewiſſe Staffeln zu machen. Gott
iſt der Mittelpunct; alle Dinge machen um ihn
einen Zirckel/ und ſtehet eines ſo weit als das an-
dere von ihm entfernet. Sterne ſind ſo wohl
als der Erdbodem ſein Fußſchem̃el; und du/ der
du dich in ſeinen Augen vielleicht duͤnckeſt Gold
zu ſeyn/ biſt vielleicht geringer/ als zerbrechlicher
Thon. Alles iſt Aſche fuͤr ſeinem unverzehr-
lichen Feuer; eine Aſche aber duͤncket ſich ver-
geblich koͤſtlicher/ als die andere zu ſeyn. Denn
der koͤſtlichſten Dinge Werth verraucht mit der
Flamme. Eingeaͤſcherte Seide und Purpur
iſt von verbreñtem Stroh und Bettlers-Maͤn-
teln nicht zu unterſcheiden. Was hebſtu aber
deine Maulwurffs-Augen zu der unerforſchli-
chen Fruchtbarkeit Gottes herfuͤr? Haͤtteſtu ein
Theil von dem Schatten/ den Plato aus dieſem
Lichte von der ewigen Zeugung des allergoͤttlich-
ſten Wortes/ das die Welt erſchaffen/ das den
Lauff der Sterne ordnet/ und des auf dem Waſ-
ſer ſchwebenden Geiſtes/ oder der Seelen der
Welt/ erwiſchet; du wuͤrdeſt keine ſo duͤſterne
Meinungen hegen. Warlich dein Plato/ wel-
chen Griechenland nicht ohne Uꝛſach ſeiner Tief-
ſinnigkeit halber fuͤr den Adler/ und wegen der
Beredſamkeit fuͤr den Schwan ſeiner Welt-
weiſen haͤlt/ hat hieruͤber viel heilſamere Ge-
dancken gehabt. Erforſche vorher genauer/
wohin ſeine Zahlen und ſeine Abmaͤſſungen ei-
gentlich gezielet. Erinnere dich: daß die Uber-
ſchrifft ſeiner Schule iederman den Eingang
verbot/ der nicht vollkommen die Maͤß- und
Rechen-Kunſt verſtand. Was unterſteheſtu
dich deñ von der Eigenſchafft der Gottheit zu re-
den; da du noch in der Zahl nicht gegruͤndet
biſt/ und nicht weiſt: daß wie die Eines die
Wurtzel aller Zablen/ alſo der einige Gott
der Uhrſprung aller andern Dinge ſey? Zeuch
den Parmenides deines Plato zu rathe/ daß er
dich unterweiſe: der einige Gott ſey allein et-
was/ was warhaftig und weſentlich ſey; alles an-
[Spaltenumbruch] dere habe nur eine von dieſem einigen Weſen
herruͤhrende Tauerung. Alles vergangene/
alles kuͤnfftige ſey nichts/ Gott allein aber von
Ewigkeit zu Ewigkeit/ ein gegenwaͤrtiges/ kein
geweſenes/ auch kein kuͤnfftiges Weſen; ſondern
ein Ende des vergangenen/ und ein Anfang
des kuͤnfftigen. Denn durch ihn verleſchet al-
les/ und von ihm entſpringet alles. Laſſe dich
darum/ o du elender Menſch! nicht geluͤſten/
in hoͤhere Geheimniſſe zu blicken. Jſt dir unbe-
greifflich: daß der einige und unſichtbare Gott
ſich unſerm bloͤden Geſichte nicht in vielerley
Geſtalten zeigen koͤnne? Haſtu aus dem Ka-
nuphim nicht gelernet/ in wie vielerley Thiere
eure Goͤtter ſich verkleidet? Wie Oſiris und J-
ſis bald als ein Loͤwe/ bald als ein Hund/ bald
als eine Katze/ bald als ein Habicht ſich den
Sterblichen gezeigt/ und ihnen ihre Wohltha-
ten mitgetheilet haben? Soll eure Jſis ſich nicht
in einen Fiſch verſtellet haben? Unſere Weiſen
halten ſicher diß fuͤr die erſte Erſcheinung des
ewigen Wiſtnou. Haben deine Egyptier nicht
die Schildkroͤten in die Zahl der Goͤtter gerech-
net? Dieſes iſt bey uns ſeine andere Erſcheinung;
und auff ihrem Schilde ruhet die Laſt der gan-
tzen Welt ſicherer/ als auff den Achſeln des At-
las. Jch uͤbergehe mit Fleiß unſere uͤbrige
Erleuchtung. Denn ein Blinder ſiehet bey
tauſend Fackeln ſo wenig/ als bey keiner. Ein
Tropffen Thau/ der zu beqvemer Zeit in eine
Muſchel faͤllt/ wird zur Perle; faͤllt er aber auff
ein gluͤendes Eiſen/ verraucht er ohne Nutz.
Nichts anders iſt es mit dem Balſame hei’ſa-
mer Lehre. Denn da du nicht begreiffen kanſt
die Eigenſchafften der Welt/ wie ſoll dein Ver-
ſtand ihren Schoͤpffer erreichen? Wie aber
biſtu deinen eigenen Lehrern ſo abtruͤnnig wor-
den? Welche die Welt aus nichts durch das
Wort Gottes geſchaffen zu ſeyn glaͤuben. Ha-
ſtu das Ey der Welt/ in welchem der Himmel
die Schale/ der Totter die Erdkugel abbildet/
in den Egyptiſchen Spitz-Seulen nirgends

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 711. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/767>, abgerufen am 23.11.2024.