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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] am wenigsten fürchten. Denn es wäre doch
wenig daran gelegen/ wenn man diß überstün-
de/ was man endlich einmal überstehen müste.
Es hätte nichts auf sich/ wie lange; wol aber/ ob
man wol lebte. Ja vielmal bestünde die Güte
des Lebens darinnen/ daß es kurtz wäre. Me-
cenas antwortete: Es wäre wol eine Thorheit
zu leben/ um vom Schmertze gefoltert zu wer-
den/ aber eine grössere Zagheit/ des Schmer-
tzens halber zu sterben. Denn wer um dieses
Henckers sich zu entschlagen ihm das Leben ver-
kürtzte/ oder sich nur nach dem Tode sehnete/
stürbe nicht/ sondern würde als ein Zärtling von
Kleinmuth überwunden. Es wäre eine grosse
Vergnügung lange mit sich selbst umgehen/
wenn man anders sich durch Tugend würdig ge-
macht hätte sein zu genüssen. Und daher dörf-
ten nur die Lasterhafften für einem ängstigen
Alter Eckel haben/ und eine stinckende Leiche zu
werden wünschen. So lange aber euserliche
Ungemach/ und der kränckliche Leib das Gemü-
the nicht entkräfftet/ und einem nicht nur die
Seele/ sondern das Leben übrig bliebe/ solte ein
Weiser das Tagelicht erfreuet anblicken/ und
nach der Abendröthe des Todes keinen Seufzer
schicken. Jch/ sagte Zeno/ fiel hier ein/ weil der
Abend einbrach/ und ich wahrnahm/ daß Mece-
nas vom Käyser einen Zettel bekam. Beyde
Meinungen kämen einander so nahe/ daß sie
schwerlich mehr unterschieden werden könten.
Und ich hielte darfür/ daß wenn Mecenas die
Ruhe seines Gemüthes lange mit dem Leben be-
halten/ Zarmar aber nach seiner verlangten Art
sterben würde; beyde von dem allgemeinen
Zwecke des höchsten Gutes nicht entfernet seyn
könten.

Also nahmen wir mit gröster Vergnügung
vom Mecenas Abschied/ fanden aber in unserm
Hause zu höchster Verwirrung die drey köstli-
chen Stücke/ welche wir gegen dem Mecenas/
als die schätzbarsten/ gerühmet/ schon als sein Ge-
[Spaltenumbruch] schencke für uns stehen. Diesemnäch wurden
wir schlüßig auf den Morgen uns in den Gar-
ten des Mecenas zu verfügen/ und an die ledige
Stellen etliche Seltzamkeiten/ die wir aus Mor-
genland mit gebracht/ zu versetzen. wir fanden
aber die Lücken schon durch drey köstliche Bilder/
nemlich einen Kopf Hannibals aus Berg Cry-
stallen/ einen Liebes-Gott aus Magnet- und ei-
ne Helena aus Agsteine ersetzt/ und den Maro
darbey/ um selbten eine anständige Uberschrifft
beyzusetzen. Wie wir nun dieses verstunden/ gab
ich dem Maro zu verstehen/ daß wir die Freyge-
bigkeit des Metenas durch geringe Erkäntnüs-
se zu begegnen vermeinet hätten; wir sähen aber
wol/ daß unserm guten Willen schon eine sinn-
reichere Hand zuvor kommen wäre. Denn mei-
nes Bedünckens hätte der Bildhauer zu dem
Kopfe des glück- und unglückseligen Hannibals
nichts geschickters als zerbrechliches Glaß/ zu
der Liebe/ welche den rauhesten Stahl an sich
zeucht/ nichts bessers als diesen Stein/ und zu
Helenen/ welche Griechenland und Asien ange-
zündet/ und so viel tausend Augen-Thränen aüs-
geprest/ nichts beqvemers/ als den brennenden
und aus denen Thränen der Sonnen-Töchter
zusammen geronnenen Agstein nehmen können.
Jedoch hofften wir/ es würde Mecenas unser
geringes Opffer der Danckbarkeit/ oder viel-
mehr ein verächtliches Gedächtnüß-Mahl nicht
verschmähen. Hiermit ließ der Gesandte ihm
ein breites Becken aus Agat/ darinnen von Na-
tur ein grünlicher Frosch gewachsen war/ rei-
chen/ und legte des Hannibals Haupt darein.
Dem Cupido hieng er einen mit Diamanten
versetzten Köcher um/ mit Andeutung: weil der
Magnet bey Diamanten seine Krafft verlieren
solte/ wolte er durch diesen Beysatz auch die Heff-
tigkeit der Liebe etwas mäßigen. Jch hatte in
Egypten das Bild des Paris erkaufft/ welches
Euphranor aus Thebaischem Steine so künst-
lich gehauen hatte/ daß es ihn zugleich als einen
Richter der drey Göttinnen/ als einen Liebha-

ber

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] am wenigſten fuͤrchten. Denn es waͤre doch
wenig daran gelegen/ wenn man diß uͤberſtuͤn-
de/ was man endlich einmal uͤberſtehen muͤſte.
Es haͤtte nichts auf ſich/ wie lange; wol aber/ ob
man wol lebte. Ja vielmal beſtuͤnde die Guͤte
des Lebens darinnen/ daß es kurtz waͤre. Me-
cenas antwortete: Es waͤre wol eine Thorheit
zu leben/ um vom Schmertze gefoltert zu wer-
den/ aber eine groͤſſere Zagheit/ des Schmer-
tzens halber zu ſterben. Denn wer um dieſes
Henckers ſich zu entſchlagen ihm das Leben ver-
kuͤrtzte/ oder ſich nur nach dem Tode ſehnete/
ſtuͤrbe nicht/ ſondern wuͤrde als ein Zaͤrtling von
Kleinmuth uͤberwunden. Es waͤre eine groſſe
Vergnuͤgung lange mit ſich ſelbſt umgehen/
wenn man anders ſich durch Tugend wuͤrdig ge-
macht haͤtte ſein zu genuͤſſen. Und daher doͤrf-
ten nur die Laſterhafften fuͤr einem aͤngſtigen
Alter Eckel haben/ und eine ſtinckende Leiche zu
werden wuͤnſchen. So lange aber euſerliche
Ungemach/ und der kraͤnckliche Leib das Gemuͤ-
the nicht entkraͤfftet/ und einem nicht nur die
Seele/ ſondern das Leben uͤbrig bliebe/ ſolte ein
Weiſer das Tagelicht erfreuet anblicken/ und
nach der Abendroͤthe des Todes keinen Seufzer
ſchicken. Jch/ ſagte Zeno/ fiel hier ein/ weil der
Abend einbrach/ und ich wahrnahm/ daß Mece-
nas vom Kaͤyſer einen Zettel bekam. Beyde
Meinungen kaͤmen einander ſo nahe/ daß ſie
ſchwerlich mehr unterſchieden werden koͤnten.
Und ich hielte darfuͤr/ daß wenn Mecenas die
Ruhe ſeines Gemuͤthes lange mit dem Leben be-
halten/ Zarmar aber nach ſeiner verlangten Art
ſterben wuͤrde; beyde von dem allgemeinen
Zwecke des hoͤchſten Gutes nicht entfernet ſeyn
koͤnten.

Alſo nahmen wir mit groͤſter Vergnuͤgung
vom Mecenas Abſchied/ fanden aber in unſerm
Hauſe zu hoͤchſter Verwirrung die drey koͤſtli-
chen Stuͤcke/ welche wir gegen dem Mecenas/
als die ſchaͤtzbarſten/ geruͤhmet/ ſchon als ſein Ge-
[Spaltenumbruch] ſchencke fuͤr uns ſtehen. Dieſemnaͤch wurden
wir ſchluͤßig auf den Morgen uns in den Gar-
ten des Mecenas zu verfuͤgen/ und an die ledige
Stellen etliche Seltzamkeiten/ die wir aus Mor-
genland mit gebracht/ zu verſetzen. wir fanden
aber die Luͤcken ſchon durch drey koͤſtliche Bilder/
nemlich einen Kopf Hannibals aus Berg Cry-
ſtallen/ einen Liebes-Gott aus Magnet- und ei-
ne Helena aus Agſteine erſetzt/ und den Maro
darbey/ um ſelbten eine anſtaͤndige Uberſchrifft
beyzuſetzen. Wie wir nun dieſes verſtunden/ gab
ich dem Maro zu verſtehen/ daß wir die Freyge-
bigkeit des Metenas durch geringe Erkaͤntnuͤſ-
ſe zu begegnen vermeinet haͤtten; wir ſaͤhen aber
wol/ daß unſerm guten Willen ſchon eine ſinn-
reichere Hand zuvor kommen waͤre. Denn mei-
nes Beduͤnckens haͤtte der Bildhauer zu dem
Kopfe des gluͤck- und ungluͤckſeligen Hannibals
nichts geſchickters als zerbrechliches Glaß/ zu
der Liebe/ welche den rauheſten Stahl an ſich
zeucht/ nichts beſſers als dieſen Stein/ und zu
Helenen/ welche Griechenland und Aſien ange-
zuͤndet/ und ſo viel tauſend Augen-Thraͤnen auͤs-
gepreſt/ nichts beqvemers/ als den brennenden
und aus denen Thraͤnen der Sonnen-Toͤchter
zuſammen geronnenen Agſtein nehmen koͤnnen.
Jedoch hofften wir/ es wuͤrde Mecenas unſer
geringes Opffer der Danckbarkeit/ oder viel-
mehꝛ ein veraͤchtliches Gedaͤchtnuͤß-Mahl nicht
verſchmaͤhen. Hiermit ließ der Geſandte ihm
ein breites Becken aus Agat/ darinnen von Na-
tur ein gruͤnlicher Froſch gewachſen war/ rei-
chen/ und legte des Hannibals Haupt darein.
Dem Cupido hieng er einen mit Diamanten
verſetzten Koͤcher um/ mit Andeutung: weil der
Magnet bey Diamanten ſeine Krafft verlieren
ſolte/ wolte er durch dieſen Beyſatz auch die Heff-
tigkeit der Liebe etwas maͤßigen. Jch hatte in
Egypten das Bild des Paris erkaufft/ welches
Euphranor aus Thebaiſchem Steine ſo kuͤnſt-
lich gehauen hatte/ daß es ihn zugleich als einen
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ber
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 698. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/754>, abgerufen am 23.11.2024.