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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] terdrückung des unter Schweiß und Last Athem-
losen Volckes denen unnützen Marmel-Ber-
gen an die Stirne schreibet: daß sie alle An-
schauer daran sonder Erkiesung einigen Buch-
stabens lesen könten. Diesemnach er des Kö-
nigs Meris fruchtbaren See-Bau aller an-
derer Egyptischen Könige Wercken/ insonder-
heit aber diesen spitzigen Bergen weit fürzüge;
welche niemanden als den Leichen/ oder dem
Aberglauben zu statten kommen könten; wenn
er selbte entweder für Staffeln den Menschen in
Himmel/ oder den ohnmächtigen Göttern vom
Himmel auf die Erde halten wolte. Es stünde
zwar Fürsten nicht die Art des Scipio Emilius
an/ welcher sein Lebtage nichts gebauet/ sondern
vielmehr diß/ daß sie die Bau-Kunst unterhiel-
ten/ und durch ansehliche Gebäue der Nachwelt
ihr Gedächtnüß liessen; wenn aber daran nicht
der gemeine Nutz zum Grund-Steine gelegt;
sondern nur umb auf die Spitze das Fahn eite-
len Ruhmes zu stecken/ Sand und Kalck mit
Schweisse der verschmachtenden Unterthanen
eingemacht; und die Werck-Stücke mit abge-
preßtem Vermögen oder anderem Blute der
Bürger zusammen gekittet würden/ verwan-
delte sich das gesuchte Lob in Fluch/ und das Ge-
dächtnüß in Abscheu; oder das gelindeste Urthel
der Nachwelt bezeichnete solche mühsame Rie-
sen-Wercke mit dem Titul einer kostbaren Thor-
heit. Noch einen ärgern Nahmen aber ver-
diente die nur zur Verschwendung angezielte
Bau-Sucht derer/ die umb ihr Vermögen nur
wegzuwerffen/ oder die Nachbarn zum Raube an-
zureitzen nach dem Beyspiele der Meden das Ec-
batanische Schloß mit gantz güldenen Zügeln
deckten/ oder mit dem Memnon in der Festung
zu Susa das Gold an statt des Eisens zu Klam-
mern in die Steine brauchten. Jene hätten
zwar diesen scheinbaren Vorwand: daß sie durch
tägliche Bemühung ihre arbeitsame Untertha-
nen von den Wollüsten abzügen/ oder die über-
wundenen streitbaren Feinde durch Anleitung
zu Erbauung kostbarer Schau-Plätze/ Lusthäu-
[Spaltenumbruch] ser/ Gärte/ und warmer Bäder weibisch mach-
ten; alleine es mangelte niemals einem klugen
Fürsten an Gelegenheit was nutzbares zu bau-
en; welches so denn ein herrlicher Ansehen hätte/
als die Gefängnüsse der wollüstigen Sardana-
pale mit den silbernen Gegittern und Berg-Cry-
stallenen Fenstern. Daher gereichete es dem
grossen Alexander zu keinem kleinem Ruhme:
daß er den Baumeister verlacht und abgewiesen;
welcher sich erbot/ aus dem Berge Athos sein
Bild zu fertigen. Und jener Arabische König/
welcher auf zwölf Tagereisen weit in dreyen ab-
sondern aus Leder gemachten Geleiten das Was-
ser aus dem Flusse Coris führte/ und sein dürsten-
des Reich darmit tränckte/ ist nicht unbillich dem
sorgfältigen Meris an die Seite zu setzen. Un-
ter den Römischen Bau-Leuten aber schiene
Agrippa mit seinen nützlichen Wasserleitungen/
und dem herrlichen Tempel am vernünftigsten
Nutz und Ansehn mit einander vermählt zu ha-
ben. Denn er wäre keines weges der Mey-
nung: daß der Mensch in Wohnungen nicht
von den Thieren/ und seine Häuser nicht von
einsamen Hölen oder düsternen Gräbern unter-
schieden seyn solten. Es wäre so wenig dem
Gesetze der Natur zuwider: daß man nicht mehr
unter einem überhängenden Felsen sich für
Schnee und Regen deckte/ nicht mehr in hohlen
Bäumen schlieffe/ nicht in geringen Laubhütten
wohnte; als daß man etwas anders/ als Eicheln
und Wasser zu seinem Unterhalte gebrauchte.
Die Noth hätte die Vernunft geschärffet/ daß
sie die Axt und den Hammer erfunden/
und Häuser zu bauen gelehrt. Ja die Natur
hätte die Vögel und Bienen dem Menschen
gleichsam hierinnen zu Lehrmeistern fürgestellet/
in dem jene ihre Nester nach der allerbequemften
Gemächligkeit; diese nach der allerfürtreff lichsten
Bau-Kunst ihre wächserne Zimmer zubereite-
ten. Zu was Ende hätte diese weise und nichts
umbsonst schaffende Mutter so viel Ertzt/ Mar-
mel/ und Alabaster in den Gebürgen; so schönes
und vielfärbichtes Holtz in den Wäldern wach-

sen

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] terdruͤckung des unter Schweiß und Laſt Athem-
loſen Volckes denen unnuͤtzen Marmel-Ber-
gen an die Stirne ſchreibet: daß ſie alle An-
ſchauer daran ſonder Erkieſung einigen Buch-
ſtabens leſen koͤnten. Dieſemnach er des Koͤ-
nigs Meris fruchtbaren See-Bau aller an-
derer Egyptiſchen Koͤnige Wercken/ inſonder-
heit aber dieſen ſpitzigen Bergen weit fuͤrzuͤge;
welche niemanden als den Leichen/ oder dem
Aberglauben zu ſtatten kommen koͤnten; wenn
er ſelbte entweder fuͤr Staffeln den Menſchen in
Himmel/ oder den ohnmaͤchtigen Goͤttern vom
Himmel auf die Erde halten wolte. Es ſtuͤnde
zwar Fuͤrſten nicht die Art des Scipio Emilius
an/ welcher ſein Lebtage nichts gebauet/ ſondern
vielmehr diß/ daß ſie die Bau-Kunſt unterhiel-
ten/ und durch anſehliche Gebaͤue der Nachwelt
ihr Gedaͤchtnuͤß lieſſen; wenn aber daran nicht
der gemeine Nutz zum Grund-Steine gelegt;
ſondern nur umb auf die Spitze das Fahn eite-
len Ruhmes zu ſtecken/ Sand und Kalck mit
Schweiſſe der verſchmachtenden Unterthanen
eingemacht; und die Werck-Stuͤcke mit abge-
preßtem Vermoͤgen oder anderem Blute der
Buͤrger zuſammen gekittet wuͤrden/ verwan-
delte ſich das geſuchte Lob in Fluch/ und das Ge-
daͤchtnuͤß in Abſcheu; oder das gelindeſte Urthel
der Nachwelt bezeichnete ſolche muͤhſame Rie-
ſen-Wercke mit dem Titul einer koſtbaren Thor-
heit. Noch einen aͤrgern Nahmen aber ver-
diente die nur zur Verſchwendung angezielte
Bau-Sucht derer/ die umb ihr Vermoͤgen nur
wegzuwerffẽ/ oder die Nachbarn zum Raube an-
zureitzen nach dem Beyſpiele der Meden das Ec-
bataniſche Schloß mit gantz guͤldenen Zuͤgeln
deckten/ oder mit dem Memnon in der Feſtung
zu Suſa das Gold an ſtatt des Eiſens zu Klam-
mern in die Steine brauchten. Jene haͤtten
zwar dieſen ſcheinbaren Vorwand: daß ſie durch
taͤgliche Bemuͤhung ihre arbeitſame Untertha-
nen von den Wolluͤſten abzuͤgen/ oder die uͤber-
wundenen ſtreitbaren Feinde durch Anleitung
zu Erbauung koſtbarer Schau-Plaͤtze/ Luſthaͤu-
[Spaltenumbruch] ſer/ Gaͤrte/ und warmer Baͤder weibiſch mach-
ten; alleine es mangelte niemals einem klugen
Fuͤrſten an Gelegenheit was nutzbares zu bau-
en; welches ſo denn ein herrlicher Anſehen haͤtte/
als die Gefaͤngnuͤſſe der wolluͤſtigen Sardana-
pale mit den ſilbernen Gegittern und Berg-Cry-
ſtallenen Fenſtern. Daher gereichete es dem
groſſen Alexander zu keinem kleinem Ruhme:
daß er den Baumeiſter verlacht und abgewieſen;
welcher ſich erbot/ aus dem Berge Athos ſein
Bild zu fertigen. Und jener Arabiſche Koͤnig/
welcher auf zwoͤlf Tagereiſen weit in dreyen ab-
ſondern aus Leder gemachten Geleiten das Waſ-
ſer aus dem Fluſſe Coris fuͤhrte/ und ſein duͤrſten-
des Reich darmit traͤnckte/ iſt nicht unbillich dem
ſorgfaͤltigen Meris an die Seite zu ſetzen. Un-
ter den Roͤmiſchen Bau-Leuten aber ſchiene
Agrippa mit ſeinen nuͤtzlichen Waſſerleitungen/
und dem herrlichen Tempel am vernuͤnftigſten
Nutz und Anſehn mit einander vermaͤhlt zu ha-
ben. Denn er waͤre keines weges der Mey-
nung: daß der Menſch in Wohnungen nicht
von den Thieren/ und ſeine Haͤuſer nicht von
einſamen Hoͤlen oder duͤſternen Graͤbern unter-
ſchieden ſeyn ſolten. Es waͤre ſo wenig dem
Geſetze der Natur zuwider: daß man nicht mehr
unter einem uͤberhaͤngenden Felſen ſich fuͤr
Schnee und Regen deckte/ nicht mehr in hohlen
Baͤumen ſchlieffe/ nicht in geringen Laubhuͤtten
wohnte; als daß man etwas anders/ als Eicheln
und Waſſer zu ſeinem Unterhalte gebrauchte.
Die Noth haͤtte die Vernunft geſchaͤrffet/ daß
ſie die Axt und den Hammer erfunden/
und Haͤuſer zu bauen gelehrt. Ja die Natur
haͤtte die Voͤgel und Bienen dem Menſchen
gleichſam hierinnen zu Lehrmeiſtern fuͤrgeſtellet/
in dem jene ihre Neſter nach der allerbequemften
Gemaͤchligkeit; dieſe nach der allerfuͤrtreff lichſtẽ
Bau-Kunſt ihre waͤchſerne Zimmer zubereite-
ten. Zu was Ende haͤtte dieſe weiſe und nichts
umbſonſt ſchaffende Mutter ſo viel Ertzt/ Mar-
mel/ und Alabaſter in den Gebuͤrgen; ſo ſchoͤnes
und vielfaͤrbichtes Holtz in den Waͤldern wach-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 679. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/735>, abgerufen am 23.11.2024.