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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] sen lassen? warumb hätte sie so viel Steine
gleichsam mit einem künstlichen Pinsel gemah-
let? was wäre nicht für Ordnung in den Schne-
cken-Häusern/ für Glantz in den Perlen-Mu-
scheln; für Abtheilung in den Spinnweben/ für
Herrligkeit in den Zelten der Seiden-Würmer
zu sehen? Wie viel mehr solten nun auch Fürsten
ihrem Ansehn anständige Häuser haben. Gott
hätte sein Zelt in dem allerschönsten Gestirne/
nemlich in der Sonne aufgeschlagen; warumb
solten denn seine Stadthalter auf der Welt sich
in Schacht/ oder düsterne Winckel verstecken?
Zumal da die Vollkommenheit eines Fürstlichen
Schlosses nicht so wohl an Kostbarkeit des Zeu-
ges/ als an bequemer Eintheilung des Raumes
läge; die Ordnung aber mehr zu Erspar-als zu
Vergrösserung der Unkosten diente; und wenn
die Nothdurft aus rechten Orten/ nicht zur Un-
zeit herbey geschafft/ selbte auch bald anfangs an
gesunde und feste Stellen gesetzt/ nicht flüchtig
überhin gemacht; sondern auf beständigen Fuß
gegründet würden/ die Tauerhaftigkeit alle
Ausgaben reichlich erstattete.

Wie wir auf den folgenden Morgen nach
Babylon am rechten Arme des Nils ankamen/
berichtete uns Petronius: daß der Käyser nach
Besichtigung Asiens auf dem Eylande Samos
wäre/ daselbst aber nicht lange verbleiben würde.
Daher ging der Jndianische Gesandte alsofort
zu Schiffe/ fuhr mit uns bey den Städten Busi-
ris/ Bubastus und Phacusa vorbey/ und auf
dem Pelusischen Strome hinab in das mittellän-
dische Meer mit einem erwüntschten Sudwind.
Wir kamen auf dem Eylande Samos und zwar
in der Stadt Marmacus glücklich an/fanden
auch zwar den Käyser/ der aber noch selbigen Tag
nach Athen segelte/ und uns ihm zu folgen erin-
nern ließ. Weil nun Zarmar vernahm: daß
diese Stadt des Pythagoras und seines Knech-
tes Zamolxis/ wie auch der Samischen Sybille
Vaterland wäre/ lag er dem Gesandten an/ ein
paar Tage daselbst zu verharren. Wir liessen
uns durch einen lustigen Wald von eitel Oelbäu-
[Spaltenumbruch] men zu dem berühmten Tempel der Ceres leiten/
worinnen der Käyser für etlichen Tagen selbst ge-
opfert hatte. Jch erinnerte mich auf der
Schwelle der Lehre des Pythagoras: daß in Hei-
ligthümern auch die Seelen der härtesten Men-
schen gerühret würden; daher ich entweder durch
diß Andencken/ oder durch die Eigenschafft die-
ses Heiligthums eine besondere Andacht in mir
empfand. Der Tempel war recht viereckicht
aus weissem Marmel gebaut. Jn der Mitte
stand auf einem Altare ein Vier-Eck aus dich-
tem Golde/ wormit Pythagoras eine einige
Gottheit bezeichnet; und die vierdte Zahl zur
höchsten Betheuerung der Wahrheit gebraucht
hat. Der einigen Pforte gegen über stand auf
einem marmelnen Altare ein ertztenes Bild/
welches auf einer Seite die Ceres/ auf der andern
den Pythagoras ausdrückte. Dieses zweyfache
Bild hielt in seinen Händen einen umb selbtes
herumb gehenden güldenen Circkel/ in welchen
eingeetzet war; auf der Seite der Ceres: Gott
speiset durch Gewächse den Leib.
Auf
des Pythagoras Seite: Durch Weißheit
die Seele.
An dem Fusse war auf des Py-
thagoras Seite zu lesen: Pythagoras der erste
wahrhafte Weise; weil seine Demut der Fuß aller
Tugenden sich dieses Tituls entäusert/ und sich
mit dem eines Weißheit-Liebhabers vergnüget/
hat durch seine Geburt nichts minder diß Thal/
als Jupiter durch seine den Berg Jda berühmt ge-
macht. Was die Juden von Gott/ die Phönicier
von Zahlen/ Egypten von der Natur/ Babylon
vom Himmel/ Creta und Sparta von vernünfti-
gen Gesetzen/ Pherecydes von der Weißheit ge-
wüßt; was alle an guten Sitten gehabt/ war in
ihm in einem kurtzen Begriffe beysammen. Er
war beschnidten in seiner Vorhaut/ aber mehr in
Begierden; mehr ein Erfinderer der Meßkunst/
als ihr Verbesserer. Gleichwohl aber eignete er
alles nicht ihm/ sondern der Eingebung des ersten
Ursprungs zu; und opferte für ein ausgedachtes
Mäßwerck den Musen hundert; und ein ander

mal

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] ſen laſſen? warumb haͤtte ſie ſo viel Steine
gleichſam mit einem kuͤnſtlichen Pinſel gemah-
let? was waͤre nicht fuͤr Ordnung in den Schne-
cken-Haͤuſern/ fuͤr Glantz in den Perlen-Mu-
ſcheln; fuͤr Abtheilung in den Spinnweben/ fuͤr
Herrligkeit in den Zelten der Seiden-Wuͤrmer
zu ſehen? Wie viel mehr ſolten nun auch Fuͤrſten
ihrem Anſehn anſtaͤndige Haͤuſer haben. Gott
haͤtte ſein Zelt in dem allerſchoͤnſten Geſtirne/
nemlich in der Sonne aufgeſchlagen; warumb
ſolten denn ſeine Stadthalter auf der Welt ſich
in Schacht/ oder duͤſterne Winckel verſtecken?
Zumal da die Vollkommenheit eines Fuͤrſtlichen
Schloſſes nicht ſo wohl an Koſtbarkeit des Zeu-
ges/ als an bequemer Eintheilung des Raumes
laͤge; die Ordnung aber mehr zu Erſpar-als zu
Vergroͤſſerung der Unkoſten diente; und wenn
die Nothdurft aus rechten Orten/ nicht zur Un-
zeit herbey geſchafft/ ſelbte auch bald anfangs an
geſunde und feſte Stellen geſetzt/ nicht fluͤchtig
uͤberhin gemacht; ſondern auf beſtaͤndigen Fuß
gegruͤndet wuͤrden/ die Tauerhaftigkeit alle
Ausgaben reichlich erſtattete.

Wie wir auf den folgenden Morgen nach
Babylon am rechten Arme des Nils ankamen/
berichtete uns Petronius: daß der Kaͤyſer nach
Beſichtigung Aſiens auf dem Eylande Samos
waͤre/ daſelbſt aber nicht lange verbleiben wuͤrde.
Daher ging der Jndianiſche Geſandte alſofort
zu Schiffe/ fuhr mit uns bey den Staͤdten Buſi-
ris/ Bubaſtus und Phacuſa vorbey/ und auf
dem Peluſiſchen Strome hinab in das mittellaͤn-
diſche Meer mit einem erwuͤntſchten Sudwind.
Wir kamen auf dem Eylande Samos und zwar
in der Stadt Marmacus gluͤcklich an/fanden
auch zwar den Kaͤyſer/ der aber noch ſelbigen Tag
nach Athen ſegelte/ und uns ihm zu folgen erin-
nern ließ. Weil nun Zarmar vernahm: daß
dieſe Stadt des Pythagoras und ſeines Knech-
tes Zamolxis/ wie auch der Samiſchen Sybille
Vaterland waͤre/ lag er dem Geſandten an/ ein
paar Tage daſelbſt zu verharren. Wir lieſſen
uns durch einen luſtigen Wald von eitel Oelbaͤu-
[Spaltenumbruch] men zu dem beruͤhmten Tempel der Ceres leiten/
worinnen der Kaͤyſer fuͤr etlichen Tagen ſelbſt ge-
opfert hatte. Jch erinnerte mich auf der
Schwelle der Lehre des Pythagoras: daß in Hei-
ligthuͤmern auch die Seelen der haͤrteſten Men-
ſchen geruͤhret wuͤrden; daher ich entweder durch
diß Andencken/ oder durch die Eigenſchafft die-
ſes Heiligthums eine beſondere Andacht in mir
empfand. Der Tempel war recht viereckicht
aus weiſſem Marmel gebaut. Jn der Mitte
ſtand auf einem Altare ein Vier-Eck aus dich-
tem Golde/ wormit Pythagoras eine einige
Gottheit bezeichnet; und die vierdte Zahl zur
hoͤchſten Betheuerung der Wahrheit gebraucht
hat. Der einigen Pforte gegen uͤber ſtand auf
einem marmelnen Altare ein ertztenes Bild/
welches auf einer Seite die Ceres/ auf der andern
den Pythagoras ausdruͤckte. Dieſes zweyfache
Bild hielt in ſeinen Haͤnden einen umb ſelbtes
herumb gehenden guͤldenen Circkel/ in welchen
eingeetzet war; auf der Seite der Ceres: Gott
ſpeiſet durch Gewaͤchſe den Leib.
Auf
des Pythagoras Seite: Durch Weißheit
die Seele.
An dem Fuſſe war auf des Py-
thagoras Seite zu leſen: Pythagoras der erſte
wahrhafte Weiſe; weil ſeine Demut der Fuß alleꝛ
Tugenden ſich dieſes Tituls entaͤuſert/ und ſich
mit dem eines Weißheit-Liebhabers vergnuͤget/
hat durch ſeine Geburt nichts minder diß Thal/
als Jupiter durch ſeine dẽ Berg Jda beruͤhmt ge-
macht. Was die Juden von Gott/ die Phoͤnicier
von Zahlen/ Egypten von der Natur/ Babylon
vom Himmel/ Creta und Sparta von vernuͤnfti-
gen Geſetzen/ Pherecydes von der Weißheit ge-
wuͤßt; was alle an guten Sitten gehabt/ war in
ihm in einem kurtzen Begriffe beyſammen. Er
war beſchnidten in ſeiner Vorhaut/ aber mehr in
Begierden; mehr ein Erfinderer der Meßkunſt/
als ihr Verbeſſerer. Gleichwohl aber eignete er
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/736>, abgerufen am 23.11.2024.