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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] daß er mit seinem hoch empor spritzenden Blute
Augenblicks seine Seele ausbließ. Wie sehr
wir nun erschracken/ so sehr eiferte sich der Prie-
ster hierüber; also/ daß er für Ungedult heraus
brach: Leichen eigneten wohl den Gräbern;
Gräber aber nicht unwürdigen Todten Ruhm
und Würde zu. Welchen ich aber zu besänfti-
gen bemühte/ und endlich lächelnde beysetzte:
Die von dem köstlichen Agsteine umbronnenen
Nattern und Flügen würden gleichwohl von
Königen werth geschätzt nur ihres prächtigen
Grabes willen/ welches an Herrligkeit alle
Egyptische Grabes-Spitzen weit übertreffe.
Jnzwischen wolte doch niemand diese Leiche an-
rühren; welche hernach auf des Gesandten Un-
kosten/ nach Egyptischer Art/ weil keine Seelen
die verfauleten Leiber mehr sollen beywohnen
können/ eingebalsamt ward/ indem der Land-
Vogt es allererst an den Käyser gelangen ließ:
Ob diese Leiche alldar zu lassen/ oder wegzuneh-
men wäre.

Hierauf besahen wir die andere vom Könige
Cephren gebaute/ auch zwar eben so hohe aber
nicht so dicke/ auch gantz glatte/ und endlich die
dritte vom Könige Mycerin aufgeführte Gra-
be-Spitze. Diese giebet zwar an Grösse den er-
stern ein merckliches nach; aber die Bau-Kunst
und die weissen Marmel-Steine daran sind
viel köstlicher. Denn an der Nord-Seite ste-
het König Mycerins Nahme/ und daß die Bau-
Leute darbey nur an Knobloch und Oel sechs
hundert Talent Silber verzehret hätten/ einge-
graben. Die andern kleinern Grabe-Spitzen
zu beschauen verhinderte uns die anbrechende
Nacht/ also betrachteten wir zum Beschlusse nur
den ungeheuren aus einem Marmel-Felsen ge-
hauenen Sphinx/ dessen Kopf allein hundert drey
und vierzig Füsse lang/ und vom Bauche biß zur
Scheitel zwey und sechzig hoch ist. Der Leib
bildete einen Löwen/ das Haupt eine Jungfrau
ab; weil in diesen zweyen himmlischen Zeichen
der Nil am höchsten anschwillt/ umb hierdurch
Egyptens Fruchtbarkeit fürzustellen. Wie
[Spaltenumbruch] wir uns nun in denen aus eitel gantzen Mar-
mel-Steinen gehauenen Wohnungen der Prie-
ster/ daselbst zu übernachten/ verfügten/ fanden
wir eine Anzahl eingebalsamter/ und auf des
Largus Befehl dem Jndischen Gesandten zu
Liebe aus gegrabener Leichen oder Mumien/ wel-
che alle unter der Zunge eine güldene Müntze/
etliche auch am Halse zum Kenn-Zeichen ihrer
gehabten Würde güldene Vögel/ oder andere
Thiere hengen hatten. Wiewohl nun meine
Geferthen nach ihrer Beschauung und einge-
nommenem Nachtmahle sich zur Ruhe verfüg-
ten/ trieb mich doch die Begierde denen Egypti-
schen Eitelkeiten meine Verachtung einzupre-
gen/ und daher erkauffte ich etliche der Mumien-
Gräber/ daß sie selbige Nacht bey brennenden
Fackeln mit ihren Pfrimern nach Anleitung
meiner Kohlen-Schrifft in einen glatten Stein
der grösten Grabe-Spitze folgende Reymen
eingruben:

Jhr Thör'chten/ die ihr meynt durch Balsam/ Hartzt und
Stein

Den todten Leib für Zeit und Maden zu besch ützen/
Die ihr die Ewigkeit sucht in den Grabe-Spitzen/
Glaubt: Balsam/ Hartzt verraucht/ und Mauern fallen ein.
Ja Sothis hat vielleicht längst Salbe müssen seyn/
Und ein schlecht Sclave wird nach Cephrens Fleische schwitzen.
Wird Lufft und Regen auch nicht diese Thürm' abnützen;
So wird man Asch' und Saltz vielleicht noch auf sie streun.
Den Seelen ist allein die Ewigkeit verwand/
Die Tugend ist hierzu ein Balsam/ der nicht schwindet/
Ein Ehren-Mahl/ das Zeit und Sterben überwindet/
Wenn Mumien zerfall'n/ Palläste werden Sand.
Ja wenn die Sternen selbst schon eingeäschert werden;
So lebt ihr Geist bey Gott/ ihr Nachruhm auf der Erden.

Hertzog Herrmann brach allhier ein: Es wä-
ren diese Egyptische Grabe-Spitzen wohl Wer-
cke von grosser Kunst und Kostbarkeit/ aber von
keinem Nutzen. Sie wären Beweißthümer
reicher und ehrsüchtiger/ aber nicht gutthätiger
Fürsten. Sie hätten der Zeit einen Rang abge-
rennt/ und der Eitelkeit eine Scham-Röthe ab-
gejaget; aber ihren Uhrhebern ein Brandmahl
eingebrennt; welches ihre unbarmhertzige Un-

ter-

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] daß er mit ſeinem hoch empor ſpritzenden Blute
Augenblicks ſeine Seele ausbließ. Wie ſehr
wir nun erſchracken/ ſo ſehr eiferte ſich der Prie-
ſter hieruͤber; alſo/ daß er fuͤr Ungedult heraus
brach: Leichen eigneten wohl den Graͤbern;
Graͤber aber nicht unwuͤrdigen Todten Ruhm
und Wuͤrde zu. Welchen ich aber zu beſaͤnfti-
gen bemuͤhte/ und endlich laͤchelnde beyſetzte:
Die von dem koͤſtlichen Agſteine umbronnenen
Nattern und Fluͤgen wuͤrden gleichwohl von
Koͤnigen werth geſchaͤtzt nur ihres praͤchtigen
Grabes willen/ welches an Herrligkeit alle
Egyptiſche Grabes-Spitzen weit uͤbertreffe.
Jnzwiſchen wolte doch niemand dieſe Leiche an-
ruͤhren; welche hernach auf des Geſandten Un-
koſten/ nach Egyptiſcher Art/ weil keine Seelen
die verfauleten Leiber mehr ſollen beywohnen
koͤnnen/ eingebalſamt ward/ indem der Land-
Vogt es allererſt an den Kaͤyſer gelangen ließ:
Ob dieſe Leiche alldar zu laſſen/ oder wegzuneh-
men waͤre.

Hierauf beſahen wir die andere vom Koͤnige
Cephren gebaute/ auch zwar eben ſo hohe aber
nicht ſo dicke/ auch gantz glatte/ und endlich die
dritte vom Koͤnige Mycerin aufgefuͤhrte Gra-
be-Spitze. Dieſe giebet zwar an Groͤſſe den er-
ſtern ein merckliches nach; aber die Bau-Kunſt
und die weiſſen Marmel-Steine daran ſind
viel koͤſtlicher. Denn an der Nord-Seite ſte-
het Koͤnig Mycerins Nahme/ und daß die Bau-
Leute darbey nur an Knobloch und Oel ſechs
hundert Talent Silber verzehret haͤtten/ einge-
graben. Die andern kleinern Grabe-Spitzen
zu beſchauen verhinderte uns die anbrechende
Nacht/ alſo betrachteten wir zum Beſchluſſe nur
den ungeheuren aus einem Marmel-Felſen ge-
hauenẽ Sphinx/ deſſen Kopf allein hundert drey
und vierzig Fuͤſſe lang/ und vom Bauche biß zur
Scheitel zwey und ſechzig hoch iſt. Der Leib
bildete einen Loͤwen/ das Haupt eine Jungfrau
ab; weil in dieſen zweyen him̃liſchen Zeichen
der Nil am hoͤchſten anſchwillt/ umb hierdurch
Egyptens Fruchtbarkeit fuͤrzuſtellen. Wie
[Spaltenumbruch] wir uns nun in denen aus eitel gantzen Mar-
mel-Steinen gehauenen Wohnungen der Prie-
ſter/ daſelbſt zu uͤbernachten/ verfuͤgten/ fanden
wir eine Anzahl eingebalſamter/ und auf des
Largus Befehl dem Jndiſchen Geſandten zu
Liebe aus gegrabener Leichen oder Mumien/ wel-
che alle unter der Zunge eine guͤldene Muͤntze/
etliche auch am Halſe zum Kenn-Zeichen ihrer
gehabten Wuͤrde guͤldene Voͤgel/ oder andere
Thiere hengen hatten. Wiewohl nun meine
Geferthen nach ihrer Beſchauung und einge-
nommenem Nachtmahle ſich zur Ruhe verfuͤg-
ten/ trieb mich doch die Begierde denen Egypti-
ſchen Eitelkeiten meine Verachtung einzupre-
gen/ und daher erkauffte ich etliche der Mumien-
Graͤber/ daß ſie ſelbige Nacht bey brennenden
Fackeln mit ihren Pfrimern nach Anleitung
meiner Kohlen-Schrifft in einen glatten Stein
der groͤſten Grabe-Spitze folgende Reymen
eingruben:

Jhr Thoͤr’chten/ die ihr meynt durch Balſam/ Hartzt und
Stein

Den todten Leib fuͤr Zeit und Maden zu beſch uͤtzen/
Die ihr die Ewigkeit ſucht in den Grabe-Spitzen/
Glaubt: Balſam/ Hartzt verraucht/ und Mauern fallen ein.
Ja Sothis hat vielleicht laͤngſt Salbe muͤſſen ſeyn/
Und ein ſchlecht Sclave wird nach Cephrens Fleiſche ſchwitzen.
Wird Lufft und Regen auch nicht dieſe Thuͤrm’ abnuͤtzen;
So wird man Aſch’ und Saltz vielleicht noch auf ſie ſtreun.
Den Seelen iſt allein die Ewigkeit verwand/
Die Tugend iſt hierzu ein Balſam/ der nicht ſchwindet/
Ein Ehren-Mahl/ das Zeit und Sterben uͤberwindet/
Wenn Mumien zerfall’n/ Pallaͤſte werden Sand.
Ja wenn die Sternen ſelbſt ſchon eingeaͤſchert werden;
So lebt ihr Geiſt bey Gott/ ihr Nachruhm auf der Erden.

Hertzog Herrmann brach allhier ein: Es waͤ-
ren dieſe Egyptiſche Grabe-Spitzen wohl Wer-
cke von groſſer Kunſt und Koſtbarkeit/ aber von
keinem Nutzen. Sie waͤren Beweißthuͤmer
reicher und ehrſuͤchtiger/ aber nicht gutthaͤtiger
Fuͤrſten. Sie haͤtten der Zeit einen Rang abge-
rennt/ und der Eitelkeit eine Scham-Roͤthe ab-
gejaget; aber ihren Uhrhebern ein Brandmahl
eingebrennt; welches ihre unbarmhertzige Un-

ter-
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 678. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/734>, abgerufen am 23.11.2024.