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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] Nachsinnen dienen? Warum soll meine Fin-
sterniß nicht aus dem Feuer ihr ein Licht anzün-
den/ welches dem Himmel am ähnlichsten/ kei-
ner Fäulniß unterworffen/ der Ursprung alles
Glantzes ist; welches die todte Erde beseelet/ zu
allen Geburten der Thiere und Pflantzen be-
hülfflich seyn muß/ die stärckste Würckungs-
Krafft in sich hat/ und als das aller fruchtbar-
ste Wesen sich aus sich selbst zeuget/ und daher
von eurem Heraclitus die Natur für nichts an-
ders/ als für ein würckendes Feuer gehalten
worden ist; ja welches die nachdrücklichste Tu-
gend zu reinigen hat; also/ daß so viel Völcker sol-
ches als einen Gott angebetet/ alle es zu ihren
Opffern nehmen/ die feurigen Thiere für die e-
delsten halten/ und nicht wenig darum ihre Lei-
chen verbrennen: wormit die Glut dieselben
Flecken vollends vertilge/ welche durch kein
Weyhwasser haben können abgewaschen werden.
Am allermeisten aber haben wir unsere Au-
gen und Gemüther an die Sternen zu nageln;
Denn geben sie gleich nicht nach vieler Meinung
lebhaffte und beseelte Schutz-Engel der Men-
schen und Thiere ab/ so sind sie doch die helle-
sten Spiegel der göttlichen Weißheit und All-
macht. Zeugen selbte aus sich neue Sternen/
wie vielmehr gebieret ihre Betrachtung Kin-
der Gottes; ja sie sind nicht so wohl Lichter des
Tages und der Nacht/ als Wegweiser zu Gott
dem unerschaffenem Lichte.

Zwischen diesen Gesprächen vergaß Zar-
mar als ein erfahrner Gäriner nicht/ uns die
Eigenschafften der seltzamsten Gewächse/ inson-
derheit aber der unterschiedenen Aloe zu zeigen
und auszulegen. Unter diesen allen war die
köstliche Holtz-Aloe/ wormit die Mo[r]genländi-
schen Könige ihre Kleider und Bettge[w]and ein-
bisamen; welcher annehmlicher Ge[r]uch so
durchdringend war/ daß einige unserer Leute
genöthiget wurden aus dem Garten zu wei-
chen. Es ist/ sagte Rhemetalces/ diß ein unfehl-
barer Beweiß eines sehr durchdringend[e]n Ge-
[Spaltenumbruch] ruchs; weil [d]er Mensch/ als welcher seiner
Grösse nach d[a]s meiste und feuchteste Gehirne
haben soll/ u[nt]er allen Thieren den schwächsten
Geruch hat; hingegen wie andere in andern
Sinnen; also die Raben und Geyer den Men-
schen hierinn[en] vielfältig übertreffen. Massen
denn alle diese Vögel von Athen/ und aus dem
Peloponesus nach der Pharsalischen Niederla-
ge der Mede[n] von den stinckenden Leichen/ und
ein Habicht von einem Aaße aus der Damas-
kischen Gegend biß nach Babylon gelockt wor-
den. Zenobegegnete ihm/ es wäre diß aller-
dings wahr; iedoch gäbe es auch Thiere/ welche
viel weniger rüchen/ als die Menschen insge-
mein. Unter diese wäre fürnehmlich der Lö-
we zu rechnen; welcher wegen mangelnden Ge-
ruchs die Syrische Katze/ als seine Wegweise-
rin mit auff die Jagt nähme/ und den Raub
mit ihr theilte. Hingegen hätten viel Men-
schen ein sehr scharffen Geruch/ besonders die
stumpffen Gesichts wären. Jubil setzte bey:
Auch die Albern solten eine dünnschälichte Na-
se/ scharffsinnige Leute aber einen schlechten
Geruch haben. Dessen Beyspiel man an dem
überaus klugen Könige Hippon in Britanni-
en hätte/ welcher weder Zibet noch Bibergeil/
weder Ambra noch Hüttenrauch zu unterschei-
den gewüst. Rhemetalces antwortete: Jch sol-
te vielmehr das Widerspiel glauben/ weil nach
der Lehre des Heraclitus die den Geruch dämpf-
fende Feuchtigkeit auch den Kräfften der Ver-
nunfft soll Abbruch thun. So hätte auch der
scharffsinnige Phercydes einen so herrlichen
Werckzeug des Geruches/ er bestehe nun gleich
an einem Beine/ oder an einem Fleische/ oder
an einer gewissen Spann-Ader/ gehabt/ daß
er aus Anrüchung der Erde ein Erdbeben ge-
wahrsagt. Nichts minder hätte Democritus
bey der Unterredung mit dem Hippocrates
durch s[e]inen Geruch die ihnen gebrachte Milch
zu unt[er]scheiden gewüft/ daß sie von einer schwar-
tzen Ziege wäre. Der Hirte Agathion aber hätte

so

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] Nachſinnen dienen? Warum ſoll meine Fin-
ſterniß nicht aus dem Feuer ihr ein Licht anzuͤn-
den/ welches dem Himmel am aͤhnlichſten/ kei-
ner Faͤulniß unterworffen/ der Urſprung alles
Glantzes iſt; welches die todte Erde beſeelet/ zu
allen Geburten der Thiere und Pflantzen be-
huͤlfflich ſeyn muß/ die ſtaͤrckſte Wuͤrckungs-
Krafft in ſich hat/ und als das aller fruchtbar-
ſte Weſen ſich aus ſich ſelbſt zeuget/ und daher
von eurem Heraclitus die Natur fuͤr nichts an-
ders/ als fuͤr ein wuͤrckendes Feuer gehalten
worden iſt; ja welches die nachdruͤcklichſte Tu-
gend zu reinigen hat; alſo/ daß ſo viel Voͤlcker ſol-
ches als einen Gott angebetet/ alle es zu ihren
Opffern nehmen/ die feurigen Thiere fuͤr die e-
delſten halten/ und nicht wenig darum ihre Lei-
chen verbrennen: wormit die Glut dieſelben
Flecken vollends vertilge/ welche durch kein
Weyhwaſſer haben koͤñen abgewaſchen werden.
Am allermeiſten aber haben wir unſere Au-
gen und Gemuͤther an die Sternen zu nageln;
Deñ geben ſie gleich nicht nach vieler Meinung
lebhaffte und beſeelte Schutz-Engel der Men-
ſchen und Thiere ab/ ſo ſind ſie doch die helle-
ſten Spiegel der goͤttlichen Weißheit und All-
macht. Zeugen ſelbte aus ſich neue Sternen/
wie vielmehr gebieret ihre Betrachtung Kin-
der Gottes; ja ſie ſind nicht ſo wohl Lichter des
Tages und der Nacht/ als Wegweiſer zu Gott
dem unerſchaffenem Lichte.

Zwiſchen dieſen Geſpraͤchen vergaß Zar-
mar als ein erfahrner Gaͤriner nicht/ uns die
Eigenſchafften der ſeltzamſten Gewaͤchſe/ inſon-
derheit aber der unterſchiedenen Aloe zu zeigen
und auszulegen. Unter dieſen allen war die
koͤſtliche Holtz-Aloe/ wormit die Mo[r]genlaͤndi-
ſchen Koͤnige ihre Kleider und Bettge[w]and ein-
biſamen; welcher annehmlicher Ge[r]uch ſo
durchdringend war/ daß einige unſerer Leute
genoͤthiget wurden aus dem Garten zu wei-
chen. Es iſt/ ſagte Rhemetalces/ diß ein unfehl-
barer Beweiß eines ſehr durchdringend[e]n Ge-
[Spaltenumbruch] ruchs; weil [d]er Menſch/ als welcher ſeiner
Groͤſſe nach d[a]s meiſte und feuchteſte Gehirne
haben ſoll/ u[nt]er allen Thieren den ſchwaͤchſten
Geruch hat; hingegen wie andere in andern
Sinnen; alſo die Raben und Geyer den Men-
ſchen hierinn[en] vielfaͤltig uͤbertreffen. Maſſen
denn alle dieſe Voͤgel von Athen/ und aus dem
Peloponeſus nach der Pharſaliſchen Niederla-
ge der Mede[n] von den ſtinckenden Leichen/ und
ein Habicht von einem Aaße aus der Damaſ-
kiſchen Gegend biß nach Babylon gelockt wor-
den. Zenobegegnete ihm/ es waͤre diß aller-
dings wahr; iedoch gaͤbe es auch Thiere/ welche
viel weniger ruͤchen/ als die Menſchen insge-
mein. Unter dieſe waͤre fuͤrnehmlich der Loͤ-
we zu rechnen; welcher wegen mangelnden Ge-
ruchs die Syriſche Katze/ als ſeine Wegweiſe-
rin mit auff die Jagt naͤhme/ und den Raub
mit ihr theilte. Hingegen haͤtten viel Men-
ſchen ein ſehr ſcharffen Geruch/ beſonders die
ſtumpffen Geſichts waͤren. Jubil ſetzte bey:
Auch die Albern ſolten eine duͤnnſchaͤlichte Na-
ſe/ ſcharffſinnige Leute aber einen ſchlechten
Geruch haben. Deſſen Beyſpiel man an dem
uͤberaus klugen Koͤnige Hippon in Britanni-
en haͤtte/ welcher weder Zibet noch Bibergeil/
weder Ambra noch Huͤttenrauch zu unterſchei-
den gewuͤſt. Rhemetalces antwortete: Jch ſol-
te vielmehr das Widerſpiel glauben/ weil nach
der Lehre des Heraclitus die den Geruch daͤmpf-
fende Feuchtigkeit auch den Kraͤfften der Ver-
nunfft ſoll Abbruch thun. So haͤtte auch der
ſcharffſinnige Phercydes einen ſo herrlichen
Werckzeug des Geruches/ er beſtehe nun gleich
an einem Beine/ oder an einem Fleiſche/ oder
an einer gewiſſen Spann-Ader/ gehabt/ daß
er aus Anruͤchung der Erde ein Erdbeben ge-
wahrſagt. Nichts minder haͤtte Democritus
bey der Unterredung mit dem Hippocrates
durch ſ[e]inen Geruch die ihnen gebrachte Milch
zu unt[er]ſcheiden gewuͤft/ daß ſie von einer ſchwaꝛ-
tzen Ziege waͤre. Der Hirte Agathion aber haͤtte

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[670/0726] Fuͤnfftes Buch Nachſinnen dienen? Warum ſoll meine Fin- ſterniß nicht aus dem Feuer ihr ein Licht anzuͤn- den/ welches dem Himmel am aͤhnlichſten/ kei- ner Faͤulniß unterworffen/ der Urſprung alles Glantzes iſt; welches die todte Erde beſeelet/ zu allen Geburten der Thiere und Pflantzen be- huͤlfflich ſeyn muß/ die ſtaͤrckſte Wuͤrckungs- Krafft in ſich hat/ und als das aller fruchtbar- ſte Weſen ſich aus ſich ſelbſt zeuget/ und daher von eurem Heraclitus die Natur fuͤr nichts an- ders/ als fuͤr ein wuͤrckendes Feuer gehalten worden iſt; ja welches die nachdruͤcklichſte Tu- gend zu reinigen hat; alſo/ daß ſo viel Voͤlcker ſol- ches als einen Gott angebetet/ alle es zu ihren Opffern nehmen/ die feurigen Thiere fuͤr die e- delſten halten/ und nicht wenig darum ihre Lei- chen verbrennen: wormit die Glut dieſelben Flecken vollends vertilge/ welche durch kein Weyhwaſſer haben koͤñen abgewaſchen werden. Am allermeiſten aber haben wir unſere Au- gen und Gemuͤther an die Sternen zu nageln; Deñ geben ſie gleich nicht nach vieler Meinung lebhaffte und beſeelte Schutz-Engel der Men- ſchen und Thiere ab/ ſo ſind ſie doch die helle- ſten Spiegel der goͤttlichen Weißheit und All- macht. Zeugen ſelbte aus ſich neue Sternen/ wie vielmehr gebieret ihre Betrachtung Kin- der Gottes; ja ſie ſind nicht ſo wohl Lichter des Tages und der Nacht/ als Wegweiſer zu Gott dem unerſchaffenem Lichte. Zwiſchen dieſen Geſpraͤchen vergaß Zar- mar als ein erfahrner Gaͤriner nicht/ uns die Eigenſchafften der ſeltzamſten Gewaͤchſe/ inſon- derheit aber der unterſchiedenen Aloe zu zeigen und auszulegen. Unter dieſen allen war die koͤſtliche Holtz-Aloe/ wormit die Morgenlaͤndi- ſchen Koͤnige ihre Kleider und Bettgewand ein- biſamen; welcher annehmlicher Geruch ſo durchdringend war/ daß einige unſerer Leute genoͤthiget wurden aus dem Garten zu wei- chen. Es iſt/ ſagte Rhemetalces/ diß ein unfehl- barer Beweiß eines ſehr durchdringenden Ge- ruchs; weil der Menſch/ als welcher ſeiner Groͤſſe nach das meiſte und feuchteſte Gehirne haben ſoll/ unter allen Thieren den ſchwaͤchſten Geruch hat; hingegen wie andere in andern Sinnen; alſo die Raben und Geyer den Men- ſchen hierinnen vielfaͤltig uͤbertreffen. Maſſen denn alle dieſe Voͤgel von Athen/ und aus dem Peloponeſus nach der Pharſaliſchen Niederla- ge der Meden von den ſtinckenden Leichen/ und ein Habicht von einem Aaße aus der Damaſ- kiſchen Gegend biß nach Babylon gelockt wor- den. Zenobegegnete ihm/ es waͤre diß aller- dings wahr; iedoch gaͤbe es auch Thiere/ welche viel weniger ruͤchen/ als die Menſchen insge- mein. Unter dieſe waͤre fuͤrnehmlich der Loͤ- we zu rechnen; welcher wegen mangelnden Ge- ruchs die Syriſche Katze/ als ſeine Wegweiſe- rin mit auff die Jagt naͤhme/ und den Raub mit ihr theilte. Hingegen haͤtten viel Men- ſchen ein ſehr ſcharffen Geruch/ beſonders die ſtumpffen Geſichts waͤren. Jubil ſetzte bey: Auch die Albern ſolten eine duͤnnſchaͤlichte Na- ſe/ ſcharffſinnige Leute aber einen ſchlechten Geruch haben. Deſſen Beyſpiel man an dem uͤberaus klugen Koͤnige Hippon in Britanni- en haͤtte/ welcher weder Zibet noch Bibergeil/ weder Ambra noch Huͤttenrauch zu unterſchei- den gewuͤſt. Rhemetalces antwortete: Jch ſol- te vielmehr das Widerſpiel glauben/ weil nach der Lehre des Heraclitus die den Geruch daͤmpf- fende Feuchtigkeit auch den Kraͤfften der Ver- nunfft ſoll Abbruch thun. So haͤtte auch der ſcharffſinnige Phercydes einen ſo herrlichen Werckzeug des Geruches/ er beſtehe nun gleich an einem Beine/ oder an einem Fleiſche/ oder an einer gewiſſen Spann-Ader/ gehabt/ daß er aus Anruͤchung der Erde ein Erdbeben ge- wahrſagt. Nichts minder haͤtte Democritus bey der Unterredung mit dem Hippocrates durch ſeinen Geruch die ihnen gebrachte Milch zu unterſcheiden gewuͤft/ daß ſie von einer ſchwaꝛ- tzen Ziege waͤre. Der Hirte Agathion aber haͤtte ſo

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/726>, abgerufen am 23.11.2024.