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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ein falscher Gottesdienst/ als einer armen Mut-
ter für ihr Kind ein Wechselbalg [un]terzustecken;
und ein Gottesdienst ohne Warheit und Weiß-
heit für ein Gespenste/ einen S[c]hatten/ einen
blauen Dunst und verführisches Jrrlicht zu hal-
ten sey; Ja daß der/ welcher für ein göttliches
Wesen nur eine neblichte Wolcke umarmet/ mit
dem Jxion nichts als Mißgeburten zeuge/ sich
aber selbst in den Abgrund abstürtze. Denn wie
einen Affen nichts garstiger und lächerlicher
macht/ als daß er sich den Menschen gleichen
will; also ist der Aberglaube nur eine abscheuli-
che und verwerffliche Nachäffung des wahren
Gottesdienstes.

Wir schifften/ fuhr Zeno fort zu erzehlen/ un-
ter halbem Sturmwinde nur mit einem Segel/
wiewohl ziemlich schnelle fort; weil der Wind a-
ber in unserm Segelwercke ein und anders zer-
brochen hatte/ stiegen wir theils solches wieder
anzurichten/ theils uns zu erfrischen auff dem
fruchtbaren Eylande Dioscorida unter Arabi-
en aus/ welches die halbe Welt mit Aloe versor-
get. So bald wir von dem Schiffe traten/ fiel
Zarmar gegen Morgen auff sein Antlitz in den
Staub der Erde/ rührte kein Glied/ ausser sei-
ner Zunge/ mit welcher er unglaublich geschwin-
de/ seinem Glauben nach/ tausend Zunahmen
Gottes aussprach/ den Bodem aber mit unzehl-
baren Thränen netzte. So bald auch die Sternen
auffgingen/ machte er ein Feuer von Aloe-Hol-
tze/ trat hernach mit einem blossen Fuße nach
dem andern in den fast glüenden Sand und
heiße Asche/ ohne das geringste Zeichen einiger
Empfindligkeit; betrachtete lange Zeit eine
gantz feurige Kugel/ und die übrige Nacht sahe
er einen grossen weissen Stern mit unverwen-
deten Augen an/ biß selbter unter den Alends-
Zirckel absanck. Wie nun Zarmar des an-
dern Tages in dem Garten des Königs Ele-
azes/ welchem dieses Eyland und das Wey-
rauch bringende Theil Arabiens zustehet/ sei-
ne die Nacht über gepflogene Andacht auszu-
[Spaltenumbruch] legen gebeten ward; antwortete er: Meinet
ihr denn/ daß die Wolthaten Gottes/ indem er
uns Wind und Wellen zu Liebe in Fesseln ge-
halten/ nicht alle unsere Demuth und Danck-
sagung übersteige? Schätzet ihr Gott nicht für
so hoch/ daß wir/ die wir Asche sind/ und zu
Staube werden/ also nicht einst recht den Nah-
men ehrlicher Erde verdienen/ uns für ihm nicht
in den niedrigsten Staub zu verscharren schul-
dig sind? Meinet ihr/ daß tausend Lobsprüche
seiner Herrligkeit ein mehrers beysetzen/ als
wenn man einen Löffel voll Wasser ins Meer
geust? Solten unsere verzärtelte Glieder nicht
einen wenigen Schmertzen des Feuers ver-
tragen/ um in der Andacht gegen dem Schöpf-
fer unserer Seelen/ dem wir unser brennendes
Hertz täglich auffzuopffern schuldig sind/ nicht
schläffrig zu werden? Wisset ihr nicht/ daß
wenn das Meer keinen Dampff mehr über
sich werffen/ und die Sternen darmit trän-
cken wird/ selbte eingeäschert herab fallen sollen?
Warlich/ werden keine Seuffzer und Thrä-
nen der sündigen Menschen den brennenden
Zorn Gottes abkühlen/ so wird er die Welt wie
ein Schmeltz-Ofen die Spreu verzehren. Wie
aber hingegen ein Gärtner sich über die bey ih-
rer Beschneidung weinenden Reben als einem
Zeichen der Fruchtbarkeit erfreuet; Also sind
Gott die Thränen eine Anzeigung der reichen
Seelen-Erndte. Das Gebet hat nur die Ei-
genschafft des Weyrauchs/ weil es Gott einen
süssen Geruch abgiebt/ und den Gestanck un-
ser garstigen Sünden vertreibet; die Thränen
aber haben eine Krafft des Zwanges in sich/
welche seinen gerechten Zorn fässelt/ und sein
mitleident[li]ch Hertze presset/ daß er unser barm-
hertziger Erbarmer seyn muß. Da man nun
aber Gott aus Betrachtung aller Dinge er-
kennen soll; warum soll mir nicht eine Kugel/
als das vollkommenste unter denen begreifflichen
Dinge[n]/ das Muster der Welt/ und das Vor-
bild der alles begreiffenden Gottheit zu einem

Nach-
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] ein falſcher Gottesdienſt/ als einer armen Mut-
ter fuͤr ihr Kind ein Wechſelbalg [un]terzuſtecken;
und ein Gottesdienſt ohne Warheit und Weiß-
heit fuͤr ein Geſpenſte/ einen S[c]hatten/ einen
blauen Dunſt und verfuͤhriſches Jrrlicht zu hal-
ten ſey; Ja daß der/ welcher fuͤr ein goͤttliches
Weſen nur eine neblichte Wolcke umarmet/ mit
dem Jxion nichts als Mißgeburten zeuge/ ſich
aber ſelbſt in den Abgrund abſtuͤrtze. Denn wie
einen Affen nichts garſtiger und laͤcherlicher
macht/ als daß er ſich den Menſchen gleichen
will; alſo iſt der Aberglaube nur eine abſcheuli-
che und verwerffliche Nachaͤffung des wahren
Gottesdienſtes.

Wir ſchifften/ fuhr Zeno fort zu erzehlen/ un-
ter halbem Sturmwinde nur mit einem Segel/
wiewohl ziemlich ſchnelle fort; weil der Wind a-
ber in unſerm Segelwercke ein und anders zer-
brochen hatte/ ſtiegen wir theils ſolches wieder
anzurichten/ theils uns zu erfriſchen auff dem
fruchtbaren Eylande Dioſcorida unter Arabi-
en aus/ welches die halbe Welt mit Aloe verſor-
get. So bald wir von dem Schiffe traten/ fiel
Zarmar gegen Morgen auff ſein Antlitz in den
Staub der Erde/ ruͤhrte kein Glied/ auſſer ſei-
ner Zunge/ mit welcher er unglaublich geſchwin-
de/ ſeinem Glauben nach/ tauſend Zunahmen
Gottes ausſprach/ den Bodem aber mit unzehl-
baren Thraͤnẽ netzte. So bald auch die Sternen
auffgingen/ machte er ein Feuer von Aloe-Hol-
tze/ trat hernach mit einem bloſſen Fuße nach
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heiße Aſche/ ohne das geringſte Zeichen einiger
Empfindligkeit; betrachtete lange Zeit eine
gantz feurige Kugel/ und die uͤbrige Nacht ſahe
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Zirckel abſanck. Wie nun Zarmar des an-
dern Tages in dem Garten des Koͤnigs Ele-
azes/ welchem dieſes Eyland und das Wey-
rauch bringende Theil Arabiens zuſtehet/ ſei-
ne die Nacht uͤber gepflogene Andacht auszu-
[Spaltenumbruch] legen gebeten ward; antwortete er: Meinet
ihr denn/ daß die Wolthaten Gottes/ indem er
uns Wind und Wellen zu Liebe in Feſſeln ge-
halten/ nicht alle unſere Demuth und Danck-
ſagung uͤberſteige? Schaͤtzet ihr Gott nicht fuͤr
ſo hoch/ daß wir/ die wir Aſche ſind/ und zu
Staube werden/ alſo nicht einſt recht den Nah-
men ehrlicher Erde verdienen/ uns fuͤr ihm nicht
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dig ſind? Meinet ihr/ daß tauſend Lobſpruͤche
ſeiner Herrligkeit ein mehrers beyſetzen/ als
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geuſt? Solten unſere verzaͤrtelte Glieder nicht
einen wenigen Schmertzen des Feuers ver-
tragen/ um in der Andacht gegen dem Schoͤpf-
fer unſerer Seelen/ dem wir unſer brennendes
Hertz taͤglich auffzuopffern ſchuldig ſind/ nicht
ſchlaͤffrig zu werden? Wiſſet ihr nicht/ daß
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ſich werffen/ und die Sternen darmit traͤn-
cken wird/ ſelbte eingeaͤſchert herab fallen ſollen?
Warlich/ werden keine Seuffzer und Thraͤ-
nen der ſuͤndigen Menſchen den brennenden
Zorn Gottes abkuͤhlen/ ſo wird er die Welt wie
ein Schmeltz-Ofen die Spreu verzehren. Wie
aber hingegen ein Gaͤrtner ſich uͤber die bey ih-
rer Beſchneidung weinenden Reben als einem
Zeichen der Fruchtbarkeit erfreuet; Alſo ſind
Gott die Thraͤnen eine Anzeigung der reichen
Seelen-Erndte. Das Gebet hat nur die Ei-
genſchafft des Weyrauchs/ weil es Gott einen
ſuͤſſen Geruch abgiebt/ und den Geſtanck un-
ſer garſtigen Suͤnden vertreibet; die Thraͤnen
aber haben eine Krafft des Zwanges in ſich/
welche ſeinen gerechten Zorn faͤſſelt/ und ſein
mitleident[li]ch Hertze preſſet/ daß er unſer barm-
hertziger Erbarmer ſeyn muß. Da man nun
aber Gott aus Betrachtung aller Dinge er-
kennen ſoll; warum ſoll mir nicht eine Kugel/
als das vollkom̃enſte unter denen begreifflichen
Dinge[n]/ das Muſter der Welt/ und das Vor-
bild der alles begreiffenden Gottheit zu einem

Nach-
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[669/0725] Arminius und Thußnelda. ein falſcher Gottesdienſt/ als einer armen Mut- ter fuͤr ihr Kind ein Wechſelbalg unterzuſtecken; und ein Gottesdienſt ohne Warheit und Weiß- heit fuͤr ein Geſpenſte/ einen Schatten/ einen blauen Dunſt und verfuͤhriſches Jrrlicht zu hal- ten ſey; Ja daß der/ welcher fuͤr ein goͤttliches Weſen nur eine neblichte Wolcke umarmet/ mit dem Jxion nichts als Mißgeburten zeuge/ ſich aber ſelbſt in den Abgrund abſtuͤrtze. Denn wie einen Affen nichts garſtiger und laͤcherlicher macht/ als daß er ſich den Menſchen gleichen will; alſo iſt der Aberglaube nur eine abſcheuli- che und verwerffliche Nachaͤffung des wahren Gottesdienſtes. Wir ſchifften/ fuhr Zeno fort zu erzehlen/ un- ter halbem Sturmwinde nur mit einem Segel/ wiewohl ziemlich ſchnelle fort; weil der Wind a- ber in unſerm Segelwercke ein und anders zer- brochen hatte/ ſtiegen wir theils ſolches wieder anzurichten/ theils uns zu erfriſchen auff dem fruchtbaren Eylande Dioſcorida unter Arabi- en aus/ welches die halbe Welt mit Aloe verſor- get. So bald wir von dem Schiffe traten/ fiel Zarmar gegen Morgen auff ſein Antlitz in den Staub der Erde/ ruͤhrte kein Glied/ auſſer ſei- ner Zunge/ mit welcher er unglaublich geſchwin- de/ ſeinem Glauben nach/ tauſend Zunahmen Gottes ausſprach/ den Bodem aber mit unzehl- baren Thraͤnẽ netzte. So bald auch die Sternen auffgingen/ machte er ein Feuer von Aloe-Hol- tze/ trat hernach mit einem bloſſen Fuße nach dem andern in den faſt gluͤenden Sand und heiße Aſche/ ohne das geringſte Zeichen einiger Empfindligkeit; betrachtete lange Zeit eine gantz feurige Kugel/ und die uͤbrige Nacht ſahe er einen groſſen weiſſen Stern mit unverwen- deten Augen an/ biß ſelbter unter den Alends- Zirckel abſanck. Wie nun Zarmar des an- dern Tages in dem Garten des Koͤnigs Ele- azes/ welchem dieſes Eyland und das Wey- rauch bringende Theil Arabiens zuſtehet/ ſei- ne die Nacht uͤber gepflogene Andacht auszu- legen gebeten ward; antwortete er: Meinet ihr denn/ daß die Wolthaten Gottes/ indem er uns Wind und Wellen zu Liebe in Feſſeln ge- halten/ nicht alle unſere Demuth und Danck- ſagung uͤberſteige? Schaͤtzet ihr Gott nicht fuͤr ſo hoch/ daß wir/ die wir Aſche ſind/ und zu Staube werden/ alſo nicht einſt recht den Nah- men ehrlicher Erde verdienen/ uns fuͤr ihm nicht in den niedrigſten Staub zu verſcharren ſchul- dig ſind? Meinet ihr/ daß tauſend Lobſpruͤche ſeiner Herrligkeit ein mehrers beyſetzen/ als wenn man einen Loͤffel voll Waſſer ins Meer geuſt? Solten unſere verzaͤrtelte Glieder nicht einen wenigen Schmertzen des Feuers ver- tragen/ um in der Andacht gegen dem Schoͤpf- fer unſerer Seelen/ dem wir unſer brennendes Hertz taͤglich auffzuopffern ſchuldig ſind/ nicht ſchlaͤffrig zu werden? Wiſſet ihr nicht/ daß wenn das Meer keinen Dampff mehr uͤber ſich werffen/ und die Sternen darmit traͤn- cken wird/ ſelbte eingeaͤſchert herab fallen ſollen? Warlich/ werden keine Seuffzer und Thraͤ- nen der ſuͤndigen Menſchen den brennenden Zorn Gottes abkuͤhlen/ ſo wird er die Welt wie ein Schmeltz-Ofen die Spreu verzehren. Wie aber hingegen ein Gaͤrtner ſich uͤber die bey ih- rer Beſchneidung weinenden Reben als einem Zeichen der Fruchtbarkeit erfreuet; Alſo ſind Gott die Thraͤnen eine Anzeigung der reichen Seelen-Erndte. Das Gebet hat nur die Ei- genſchafft des Weyrauchs/ weil es Gott einen ſuͤſſen Geruch abgiebt/ und den Geſtanck un- ſer garſtigen Suͤnden vertreibet; die Thraͤnen aber haben eine Krafft des Zwanges in ſich/ welche ſeinen gerechten Zorn faͤſſelt/ und ſein mitleidentlich Hertze preſſet/ daß er unſer barm- hertziger Erbarmer ſeyn muß. Da man nun aber Gott aus Betrachtung aller Dinge er- kennen ſoll; warum ſoll mir nicht eine Kugel/ als das vollkom̃enſte unter denen begreifflichen Dingen/ das Muſter der Welt/ und das Vor- bild der alles begreiffenden Gottheit zu einem Nach- P p p p 3

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/725>, abgerufen am 23.11.2024.