Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] den Menschen begeisterte/ auch als ein kräfftiges
Band diese Glieder der Natur miteinander ver-
knüpfte. Hingegen bestünde eines ieden be-
seelten Wesens Fürtreffligkeit in dem Leibe/ als
dem Werckzeuge/ wordurch die Seele herrlichere
oder geringere Kräfften auslassen könte. Daß
nun die Kräuter nicht lauffen/ die Thiere nicht
reden könten/ die Steine nicht fühlten/ geschehe
aus blossem Gebrechen des darzu benöthigten
Werckzeugs. Sintemal die mit einer ver-
nünftigen Seele unstrittig begabten kleinen
Kinder aus eben dieser Uhrsache ihre Sprache
und Vernunft nicht gebrauchen könten. Wel-
che Einbildung den Crates von Thebe so weit
verleitet hätte/ daß er keine Seele gegläubt/ son-
dern alle der Seele sonst zugeeignete Würckun-
gen den natürlichen Kräfften des blossen Leibes
zugeeignet. Zarmar/ sagte Zeno/ veränderte
über diesem Vortrage etliche mal sein Gesichte/
und fuhr endlich mit ziemlicher Entrüstung her-
aus: Es mischen diese letztere die dreyer-
ley Seelen mit so grossem Jrrthum unter
einander/ als die/ welche tichten: daß die erste
Sprache in der Welt so wohl dem Vieh als den
Menschen gemein gewest wäre/ und daß an ge-
wissen heiligen Oertern fremde Vieh auch selig
würde; oder daß die Flüsse für Zeiten in mensch-
licher Gestalt herumb gegangen wären; und die
den Leib zu einem blossen Kercker und Klotze/ in
welchen die Seelen ihrer Sünden wegen ver-
dammet würden/ und kein wesentliches Antheil
des Menschen wäre; ja zu einem kalten Grabe
machen/ darinnen diese Geister/ welche entwe-
der von Ewigkeit her ihr Wesen gehabt/ und aus
Gott/ wie das Licht aus der Sonnen sonder des
Ursprungs Verminderung entsprossen wären/
oder doch mit der Welt erschaffen worden/ er-
frieren und erstarren müsten. Denn/ da Gott
die Seelen nur zu ihrer Marter in die Leiber
einsperrete; würde die Natur nicht alle ihre
Kunst zu so schöner Bildung eines grausamen
Gefängnüsses anwenden. Es. würde ohne
[Spaltenumbruch] grosse Ungerechtigkeit keine heßliche Seele in
wohlgestalten Gliedern wohnen; noch auch
die verächtliche Asche unserer Leiber von Gott
mit der Zeit gewürdiget werden/ daß sie wieder
zu einem viel verklärtern Leibe werden/ und in
unaussprechlicher Freude mit ihrer durch den
Tod abgesonderten Seele ewig vereinigt bleiben
solte. Welch Geheimnüß aber den Augen euerer
eitelen Weltweisen gäntzlich verborgen ist. Die
Egyptier hingegen haben einen Blick von diesem
Lichte ersehen/ und die Leichen so fleissig mit Phe-
nicischem Weine gewaschen/ mit Myrrhen/ Aloe
und köstlichen Hartzte eingebalsamet; daß die See-
le mit der Zeitdarein/ als in eine unversehrte und
ihr anständige Wohnung wieder einkehren könte.
Wormit die aber/ mein Sohn/ unser Glaube
nicht so unglaublich fürkomme; wil ich dir zeigen/
daß das Feuer den Dingen seine innerliche Ei-
genschaften nicht benehme/ sondern selbte mit ih-
rer Saamens-Krafft in der Asche übrig bleibe.
Hiermit nahm er ein an Blättern und Wurtzeln
so dürres Kraut: daß man es mit den Fingern in
Staub zerreiben konte/ setzte es in ein Glas voll
kräfftigen Wassers/ welches/ seinem Berichte
nach/ aus gewissen Berg-Gewässern gezogenwar.
Es waren aber kaum drey Stunden verstrichen;
als aus der Bein-dürren Wurtzel ein frisches
Kraut zu meiner höchsten Erstaunung herfür
grünete. Uber diß nahm er ein ander gantz fri-
sches Kraut/ welches er zu seiner Speise mitge-
nommen hatte/ zerschnitt selbtes zu Staube/ ver-
brennete es zu Asche/ und säete es in ein mit frischer
Erde gefülltes Gefässe; mit der Versicherung;
daß eben selbiges Kraut in wenig Tagen wieder
herfür wachsen würde. Als es sich auch hernach
wahrhaftig ereignete. Urtheile nun/ sagte Zar-
mar/ ob es dem allmächtigen Gotte schwerer seyn
werde/ die Asche unsers Leibes in einen frischen
Leib zu verwandeln/ als dem ohnmächtigen
Menschen ein Kraut aus seinem Staube/ oder
einem Seidenwurme sich aus seinem Grabe le-
bendig heraus zu wickeln. Brenne/ verbrenne/

wan-
Erster Theil. P p p p

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] den Menſchen begeiſterte/ auch als ein kraͤfftiges
Band dieſe Glieder der Natur miteinander ver-
knuͤpfte. Hingegen beſtuͤnde eines ieden be-
ſeelten Weſens Fuͤrtreffligkeit in dem Leibe/ als
dem Werckzeuge/ wordurch die Seele herrlichere
oder geringere Kraͤfften auslaſſen koͤnte. Daß
nun die Kraͤuter nicht lauffen/ die Thiere nicht
reden koͤnten/ die Steine nicht fuͤhlten/ geſchehe
aus bloſſem Gebrechen des darzu benoͤthigten
Werckzeugs. Sintemal die mit einer ver-
nuͤnftigen Seele unſtrittig begabten kleinen
Kinder aus eben dieſer Uhrſache ihre Sprache
und Vernunft nicht gebrauchen koͤnten. Wel-
che Einbildung den Crates von Thebe ſo weit
verleitet haͤtte/ daß er keine Seele geglaͤubt/ ſon-
dern alle der Seele ſonſt zugeeignete Wuͤrckun-
gen den natuͤrlichen Kraͤfften des bloſſen Leibes
zugeeignet. Zarmar/ ſagte Zeno/ veraͤnderte
uͤber dieſem Vortrage etliche mal ſein Geſichte/
und fuhr endlich mit ziemlicher Entruͤſtung her-
aus: Es miſchen dieſe letztere die dreyer-
ley Seelen mit ſo groſſem Jrrthum unter
einander/ als die/ welche tichten: daß die erſte
Sprache in der Welt ſo wohl dem Vieh als den
Menſchen gemein geweſt waͤre/ und daß an ge-
wiſſen heiligen Oertern fremde Vieh auch ſelig
wuͤrde; oder daß die Fluͤſſe fuͤr Zeiten in menſch-
licher Geſtalt herumb gegangen waͤren; und die
den Leib zu einem bloſſen Kercker und Klotze/ in
welchen die Seelen ihrer Suͤnden wegen ver-
dammet wuͤrden/ und kein weſentliches Antheil
des Menſchen waͤre; ja zu einem kalten Grabe
machen/ darinnen dieſe Geiſter/ welche entwe-
der von Ewigkeit her ihr Weſen gehabt/ und aus
Gott/ wie das Licht aus der Sonnen ſonder des
Urſprungs Verminderung entſproſſen waͤren/
oder doch mit der Welt erſchaffen worden/ er-
frieren und erſtarren muͤſten. Denn/ da Gott
die Seelen nur zu ihrer Marter in die Leiber
einſperrete; wuͤrde die Natur nicht alle ihre
Kunſt zu ſo ſchoͤner Bildung eines grauſamen
Gefaͤngnuͤſſes anwenden. Es. wuͤrde ohne
[Spaltenumbruch] groſſe Ungerechtigkeit keine heßliche Seele in
wohlgeſtalten Gliedern wohnen; noch auch
die veraͤchtliche Aſche unſerer Leiber von Gott
mit der Zeit gewuͤrdiget werden/ daß ſie wieder
zu einem viel verklaͤrtern Leibe werden/ und in
unausſprechlicher Freude mit ihrer durch den
Tod abgeſonderten Seele ewig vereinigt bleiben
ſolte. Welch Geheimnuͤß aber den Augen euerer
eitelen Weltweiſen gaͤntzlich verborgen iſt. Die
Egyptier hingegen habẽ einen Blick von dieſem
Lichte erſehen/ und die Leichen ſo fleiſſig mit Phe-
niciſchem Weine gewaſchen/ mit Myrrhen/ Aloe
und koͤſtlichẽ Hartzte eingebalſamet; daß die See-
le mit der Zeitdarein/ als in eine unverſehrte und
ihr anſtaͤndige Wohnung wieder einkehrẽ koͤnte.
Wormit die aber/ mein Sohn/ unſer Glaube
nicht ſo unglaublich fuͤrkomme; wil ich dir zeigen/
daß das Feuer den Dingen ſeine innerliche Ei-
genſchaften nicht benehme/ ſondern ſelbte mit ih-
rer Saamens-Krafft in der Aſche uͤbrig bleibe.
Hiermit nahm er ein an Blaͤttern und Wurtzeln
ſo duͤrres Kraut: daß man es mit den Fingern in
Staub zerreiben konte/ ſetzte es in ein Glas voll
kraͤfftigen Waſſers/ welches/ ſeinem Berichte
nach/ aus gewiſſẽ Berg-Gewaͤſſern gezogẽwar.
Es waren aber kaum drey Stunden verſtrichen;
als aus der Bein-duͤrren Wurtzel ein friſches
Kraut zu meiner hoͤchſten Erſtaunung herfuͤr
gruͤnete. Uber diß nahm er ein ander gantz fri-
ſches Kraut/ welches er zu ſeiner Speiſe mitge-
nommen hatte/ zerſchnitt ſelbtes zu Staube/ ver-
breñete es zu Aſche/ und ſaͤete es in ein mit friſcher
Erde gefuͤlltes Gefaͤſſe; mit der Verſicherung;
daß eben ſelbiges Kraut in wenig Tagen wieder
herfuͤr wachſen wuͤrde. Als es ſich auch hernach
wahrhaftig ereignete. Urtheile nun/ ſagte Zar-
mar/ ob es dem allmaͤchtigen Gotte ſchwerer ſeyn
werde/ die Aſche unſers Leibes in einen friſchen
Leib zu verwandeln/ als dem ohnmaͤchtigen
Menſchen ein Kraut aus ſeinem Staube/ oder
einem Seidenwurme ſich aus ſeinem Grabe le-
bendig heraus zu wickeln. Brenne/ verbrenne/

wan-
Erſter Theil. P p p p
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0721" n="665"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Arminius und Thußnelda.</hi></fw><lb/><cb/>
den Men&#x017F;chen begei&#x017F;terte/ auch als ein kra&#x0364;fftiges<lb/>
Band die&#x017F;e Glieder der Natur miteinander ver-<lb/>
knu&#x0364;pfte. Hingegen be&#x017F;tu&#x0364;nde eines ieden be-<lb/>
&#x017F;eelten We&#x017F;ens Fu&#x0364;rtreffligkeit in dem Leibe/ als<lb/>
dem Werckzeuge/ wordurch die Seele herrlichere<lb/>
oder geringere Kra&#x0364;fften ausla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nte. Daß<lb/>
nun die Kra&#x0364;uter nicht lauffen/ die Thiere nicht<lb/>
reden ko&#x0364;nten/ die Steine nicht fu&#x0364;hlten/ ge&#x017F;chehe<lb/>
aus blo&#x017F;&#x017F;em Gebrechen des darzu beno&#x0364;thigten<lb/>
Werckzeugs. Sintemal die mit einer ver-<lb/>
nu&#x0364;nftigen Seele un&#x017F;trittig begabten kleinen<lb/>
Kinder aus eben die&#x017F;er Uhr&#x017F;ache ihre Sprache<lb/>
und Vernunft nicht gebrauchen ko&#x0364;nten. Wel-<lb/>
che Einbildung den Crates von Thebe &#x017F;o weit<lb/>
verleitet ha&#x0364;tte/ daß er keine Seele gegla&#x0364;ubt/ &#x017F;on-<lb/>
dern alle der Seele &#x017F;on&#x017F;t zugeeignete Wu&#x0364;rckun-<lb/>
gen den natu&#x0364;rlichen Kra&#x0364;fften des blo&#x017F;&#x017F;en Leibes<lb/>
zugeeignet. Zarmar/ &#x017F;agte Zeno/ vera&#x0364;nderte<lb/>
u&#x0364;ber die&#x017F;em Vortrage etliche mal &#x017F;ein Ge&#x017F;ichte/<lb/>
und fuhr endlich mit ziemlicher Entru&#x0364;&#x017F;tung her-<lb/>
aus: Es mi&#x017F;chen die&#x017F;e letztere die dreyer-<lb/>
ley Seelen mit &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;em Jrrthum unter<lb/>
einander/ als die/ welche tichten: daß die er&#x017F;te<lb/>
Sprache in der Welt &#x017F;o wohl dem Vieh als den<lb/>
Men&#x017F;chen gemein gewe&#x017F;t wa&#x0364;re/ und daß an ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en heiligen Oertern fremde Vieh auch &#x017F;elig<lb/>
wu&#x0364;rde; oder daß die Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e fu&#x0364;r Zeiten in men&#x017F;ch-<lb/>
licher Ge&#x017F;talt herumb gegangen wa&#x0364;ren; und die<lb/>
den Leib zu einem blo&#x017F;&#x017F;en Kercker und Klotze/ in<lb/>
welchen die Seelen ihrer Su&#x0364;nden wegen ver-<lb/>
dammet wu&#x0364;rden/ und kein we&#x017F;entliches Antheil<lb/>
des Men&#x017F;chen wa&#x0364;re; ja zu einem kalten Grabe<lb/>
machen/ darinnen die&#x017F;e Gei&#x017F;ter/ welche entwe-<lb/>
der von Ewigkeit her ihr We&#x017F;en gehabt/ und aus<lb/>
Gott/ wie das Licht aus der Sonnen &#x017F;onder des<lb/>
Ur&#x017F;prungs Verminderung ent&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en wa&#x0364;ren/<lb/>
oder doch mit der Welt er&#x017F;chaffen worden/ er-<lb/>
frieren und er&#x017F;tarren mu&#x0364;&#x017F;ten. Denn/ da Gott<lb/>
die Seelen nur zu ihrer Marter in die Leiber<lb/>
ein&#x017F;perrete; wu&#x0364;rde die Natur nicht alle ihre<lb/>
Kun&#x017F;t zu &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;ner Bildung eines grau&#x017F;amen<lb/>
Gefa&#x0364;ngnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;es anwenden. Es. wu&#x0364;rde ohne<lb/><cb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Ungerechtigkeit keine heßliche Seele in<lb/>
wohlge&#x017F;talten Gliedern wohnen; noch auch<lb/>
die vera&#x0364;chtliche A&#x017F;che un&#x017F;erer Leiber von Gott<lb/>
mit der Zeit gewu&#x0364;rdiget werden/ daß &#x017F;ie wieder<lb/>
zu einem viel verkla&#x0364;rtern Leibe werden/ und in<lb/>
unaus&#x017F;prechlicher Freude mit ihrer durch den<lb/>
Tod abge&#x017F;onderten Seele ewig vereinigt bleiben<lb/>
&#x017F;olte. Welch Geheimnu&#x0364;ß aber den Augen euerer<lb/>
eitelen Weltwei&#x017F;en ga&#x0364;ntzlich verborgen i&#x017F;t. Die<lb/>
Egyptier hingegen habe&#x0303; einen Blick von die&#x017F;em<lb/>
Lichte er&#x017F;ehen/ und die Leichen &#x017F;o flei&#x017F;&#x017F;ig mit Phe-<lb/>
nici&#x017F;chem Weine gewa&#x017F;chen/ mit Myrrhen/ Aloe<lb/>
und ko&#x0364;&#x017F;tliche&#x0303; Hartzte eingebal&#x017F;amet; daß die See-<lb/>
le mit der Zeitdarein/ als in eine unver&#x017F;ehrte und<lb/>
ihr an&#x017F;ta&#x0364;ndige Wohnung wieder einkehre&#x0303; ko&#x0364;nte.<lb/>
Wormit die aber/ mein Sohn/ un&#x017F;er Glaube<lb/>
nicht &#x017F;o unglaublich fu&#x0364;rkomme; wil ich dir zeigen/<lb/>
daß das Feuer den Dingen &#x017F;eine innerliche Ei-<lb/>
gen&#x017F;chaften nicht benehme/ &#x017F;ondern &#x017F;elbte mit ih-<lb/>
rer Saamens-Krafft in der A&#x017F;che u&#x0364;brig bleibe.<lb/>
Hiermit nahm er ein an Bla&#x0364;ttern und Wurtzeln<lb/>
&#x017F;o du&#x0364;rres Kraut: daß man es mit den Fingern in<lb/>
Staub zerreiben konte/ &#x017F;etzte es in ein Glas voll<lb/>
kra&#x0364;fftigen Wa&#x017F;&#x017F;ers/ welches/ &#x017F;einem Berichte<lb/>
nach/ aus gewi&#x017F;&#x017F;e&#x0303; Berg-Gewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern gezoge&#x0303;war.<lb/>
Es waren aber kaum drey Stunden ver&#x017F;trichen;<lb/>
als aus der Bein-du&#x0364;rren Wurtzel ein fri&#x017F;ches<lb/>
Kraut zu meiner ho&#x0364;ch&#x017F;ten Er&#x017F;taunung herfu&#x0364;r<lb/>
gru&#x0364;nete. Uber diß nahm er ein ander gantz fri-<lb/>
&#x017F;ches Kraut/ welches er zu &#x017F;einer Spei&#x017F;e mitge-<lb/>
nommen hatte/ zer&#x017F;chnitt &#x017F;elbtes zu Staube/ ver-<lb/>
bren&#x0303;ete es zu A&#x017F;che/ und &#x017F;a&#x0364;ete es in ein mit fri&#x017F;cher<lb/>
Erde gefu&#x0364;lltes Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; mit der Ver&#x017F;icherung;<lb/>
daß eben &#x017F;elbiges Kraut in wenig Tagen wieder<lb/>
herfu&#x0364;r wach&#x017F;en wu&#x0364;rde. Als es &#x017F;ich auch hernach<lb/>
wahrhaftig ereignete. Urtheile nun/ &#x017F;agte Zar-<lb/>
mar/ ob es dem allma&#x0364;chtigen Gotte &#x017F;chwerer &#x017F;eyn<lb/>
werde/ die A&#x017F;che un&#x017F;ers Leibes in einen fri&#x017F;chen<lb/>
Leib zu verwandeln/ als dem ohnma&#x0364;chtigen<lb/>
Men&#x017F;chen ein Kraut aus &#x017F;einem Staube/ oder<lb/>
einem Seidenwurme &#x017F;ich aus &#x017F;einem Grabe le-<lb/>
bendig heraus zu wickeln. Brenne/ verbrenne/<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. P p p p</fw><fw place="bottom" type="catch">wan-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[665/0721] Arminius und Thußnelda. den Menſchen begeiſterte/ auch als ein kraͤfftiges Band dieſe Glieder der Natur miteinander ver- knuͤpfte. Hingegen beſtuͤnde eines ieden be- ſeelten Weſens Fuͤrtreffligkeit in dem Leibe/ als dem Werckzeuge/ wordurch die Seele herrlichere oder geringere Kraͤfften auslaſſen koͤnte. Daß nun die Kraͤuter nicht lauffen/ die Thiere nicht reden koͤnten/ die Steine nicht fuͤhlten/ geſchehe aus bloſſem Gebrechen des darzu benoͤthigten Werckzeugs. Sintemal die mit einer ver- nuͤnftigen Seele unſtrittig begabten kleinen Kinder aus eben dieſer Uhrſache ihre Sprache und Vernunft nicht gebrauchen koͤnten. Wel- che Einbildung den Crates von Thebe ſo weit verleitet haͤtte/ daß er keine Seele geglaͤubt/ ſon- dern alle der Seele ſonſt zugeeignete Wuͤrckun- gen den natuͤrlichen Kraͤfften des bloſſen Leibes zugeeignet. Zarmar/ ſagte Zeno/ veraͤnderte uͤber dieſem Vortrage etliche mal ſein Geſichte/ und fuhr endlich mit ziemlicher Entruͤſtung her- aus: Es miſchen dieſe letztere die dreyer- ley Seelen mit ſo groſſem Jrrthum unter einander/ als die/ welche tichten: daß die erſte Sprache in der Welt ſo wohl dem Vieh als den Menſchen gemein geweſt waͤre/ und daß an ge- wiſſen heiligen Oertern fremde Vieh auch ſelig wuͤrde; oder daß die Fluͤſſe fuͤr Zeiten in menſch- licher Geſtalt herumb gegangen waͤren; und die den Leib zu einem bloſſen Kercker und Klotze/ in welchen die Seelen ihrer Suͤnden wegen ver- dammet wuͤrden/ und kein weſentliches Antheil des Menſchen waͤre; ja zu einem kalten Grabe machen/ darinnen dieſe Geiſter/ welche entwe- der von Ewigkeit her ihr Weſen gehabt/ und aus Gott/ wie das Licht aus der Sonnen ſonder des Urſprungs Verminderung entſproſſen waͤren/ oder doch mit der Welt erſchaffen worden/ er- frieren und erſtarren muͤſten. Denn/ da Gott die Seelen nur zu ihrer Marter in die Leiber einſperrete; wuͤrde die Natur nicht alle ihre Kunſt zu ſo ſchoͤner Bildung eines grauſamen Gefaͤngnuͤſſes anwenden. Es. wuͤrde ohne groſſe Ungerechtigkeit keine heßliche Seele in wohlgeſtalten Gliedern wohnen; noch auch die veraͤchtliche Aſche unſerer Leiber von Gott mit der Zeit gewuͤrdiget werden/ daß ſie wieder zu einem viel verklaͤrtern Leibe werden/ und in unausſprechlicher Freude mit ihrer durch den Tod abgeſonderten Seele ewig vereinigt bleiben ſolte. Welch Geheimnuͤß aber den Augen euerer eitelen Weltweiſen gaͤntzlich verborgen iſt. Die Egyptier hingegen habẽ einen Blick von dieſem Lichte erſehen/ und die Leichen ſo fleiſſig mit Phe- niciſchem Weine gewaſchen/ mit Myrrhen/ Aloe und koͤſtlichẽ Hartzte eingebalſamet; daß die See- le mit der Zeitdarein/ als in eine unverſehrte und ihr anſtaͤndige Wohnung wieder einkehrẽ koͤnte. Wormit die aber/ mein Sohn/ unſer Glaube nicht ſo unglaublich fuͤrkomme; wil ich dir zeigen/ daß das Feuer den Dingen ſeine innerliche Ei- genſchaften nicht benehme/ ſondern ſelbte mit ih- rer Saamens-Krafft in der Aſche uͤbrig bleibe. Hiermit nahm er ein an Blaͤttern und Wurtzeln ſo duͤrres Kraut: daß man es mit den Fingern in Staub zerreiben konte/ ſetzte es in ein Glas voll kraͤfftigen Waſſers/ welches/ ſeinem Berichte nach/ aus gewiſſẽ Berg-Gewaͤſſern gezogẽwar. Es waren aber kaum drey Stunden verſtrichen; als aus der Bein-duͤrren Wurtzel ein friſches Kraut zu meiner hoͤchſten Erſtaunung herfuͤr gruͤnete. Uber diß nahm er ein ander gantz fri- ſches Kraut/ welches er zu ſeiner Speiſe mitge- nommen hatte/ zerſchnitt ſelbtes zu Staube/ ver- breñete es zu Aſche/ und ſaͤete es in ein mit friſcher Erde gefuͤlltes Gefaͤſſe; mit der Verſicherung; daß eben ſelbiges Kraut in wenig Tagen wieder herfuͤr wachſen wuͤrde. Als es ſich auch hernach wahrhaftig ereignete. Urtheile nun/ ſagte Zar- mar/ ob es dem allmaͤchtigen Gotte ſchwerer ſeyn werde/ die Aſche unſers Leibes in einen friſchen Leib zu verwandeln/ als dem ohnmaͤchtigen Menſchen ein Kraut aus ſeinem Staube/ oder einem Seidenwurme ſich aus ſeinem Grabe le- bendig heraus zu wickeln. Brenne/ verbrenne/ wan- Erſter Theil. P p p p

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/721
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/721>, abgerufen am 23.11.2024.