Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Fünfftes Buch [Spaltenumbruch]
aber durch offentlichen Verkauff zur Geilheitärgerlich entweihet wird. Biß hieher kamen mir zwey Reichs-Räthe entgegen/ diese führten mich auff ein überaus prächtiges Schiff/ wel- ches mit der Vorderspitze einen schrecklichen Schlangen-Kopff/ auf welchem ein vergoldeter Götze saß/ unten aber viel lebendige Endten hiengen/ mit dem Hintertheile einen langen Schlangenschwantz/ an dem ein sich schwen- ckender Gauckler oben und unter dem Wasser allerhand Kurtzweil machte/ das Mitteltheil a- ber mit grün- und gelbichten Schuppen einen Schlangen-Bauch abbildete. Uns bedeckte ein schneeweisses Dach; auf der Seiten waren goldgestückte Vorhänge fürgezogen/ und an wol zwantzig hohen Säulen weheten unzehlba- re seidene Fahnen/ zwölf Bootsknechte warf- fen mit ihren nach Art der Löffel gehöleten Ru- dern das geschöpffte Wasser so behende hinter sich/ daß das Schif wie ein Blitz bey denen gleich- sam verschwindenden Ufern vorbey flog. Wir kamen also in weniger Zeit auff der noch immer währenden Farth in den überaus grossen Fluß Kiang/ welcher wol den Nahmen eines Meer- Sohnes verdienet. Allhier fuhren wir strom- ab bey der grossen Stadt Changcheu auf die Jn- sel Zingkiang/ unter welcher dieser Fluß nun nicht mehr zu übersehen ist/ und sich mit dem grossen Meere vermählet. An der eusersten Ecke ragen zwey Steinklippen aus dem Was- ser/ auff diesen zweyen stehet das Bild des Flus- ses Kiang/ aus Ertzt/ achzig Ellen hoch/ also/ daß zwischen denen zwey Schenckeln so gut/ als durch den Rhodischen Sonnen-Colossus/ wel- cher noch um zehn Ellen niedriger gewest/ die Schisse durchsegeln können. Dieses Wun- derbild/ gegen welches ohne diß der Apollonische Apollo/ der Tarentinische Jupiter und Hercu- les für Zwerge zu achten/ wird dardurch noch mehr vergrössert/ daß es aus einem güldenen Kruge eine Bach süssen Wassers in das unten strömende Saltz-Wasser ausgeust/ welches für [Spaltenumbruch] so köstlich gehalten wird/ daß darvon alle Tage dem Serischen Könige seine Nothdurfft zu dem gesunden Cha-Trancke aufgefangen/ und nach Hoffe gebracht wird; weil im gantzen Reiche sich keines besser darzu schicken soll. Wie ich nun alles dieses/ sagte Zeno/ erstarrende ansah; erzehlte mir einer von den Reichs-Räthen/ diß wäre gleicher gestalt ein Werck des grossen Xius/ der die lange Mauer gebauet hätte. Das her- ausschüssende süsse Wasser habe er aus einem starcken Qvelle auf dem Berge Hoei/ den sie mir Sud-Ost-wärts von ferne zeigeten/ steinernen Röhren biß in dieses Riesen-Bild/ welches er iederzeit höher als die Mauer geschätzt/ mit un- glaublicher Müh und Unkosten geleitet. Weil man mich nun ohne diß dieses Wunder zu be- schauen durch einen Umweg hieher geführet hatte/ fuhren wir etliche mal unter diesem Bilde durch/ endlich stiegen wir gar aus/ und auff de- nen in den Felß gehauenen Staffeln empor; da ich denn unten an dem rechten Fusse diese aus dichtem Golde geetzte Uberschrifft zu lesen be- kam: Halt' allen Flüssen nicht ich Meer-Sohn das Gewicht? Mein Wasserreicher Krug kan Länder überschwemmen/ Doch meinen strengen Strom kein Berg noch Felß umtämmen. Wie kommt's denn/ daß allhier das Wasser mir gebricht? Bin ich getrocknet aus durch's heisse Sonnen-Licht? Kan ein Medusen Kopff die flücht' gen Wellen hemmen? Was weiß für Zauberey in Ertzt mich einzuklemmen? Die Fluth wird ja wol Stein/ zu Ertzte nir gends nicht. Nein es ist's Xius Werck. Der mir hier Lufft verleiht/ Den müden Lauff benimmt den Blitz-geschwinden Füssen; Mich trocknet/ daß von mir solln keine Thränen flüssen/ Mich anhält; weil er auch den Zügel hemmt der Zeit/ Mein flüchtig Wesen bringt zu Stande/ daß wir wissen: Er könn' auch irrdisch Ding verkehrn in Ewigkeit. Auf der andern Seite war an den in der ausge- Des Monden Thau-Horn trörsst ja Wasser in den Sand/ Der Wolcken fruchtbar Schwamm befeuchtet Feld und Auen/ Man sieht aus Qvellen Oel/ aus Standen Balsam thauen/ Ja Feuer-Brunnen sind bey uns nicht unbekand. Die
Fuͤnfftes Buch [Spaltenumbruch]
aber durch offentlichen Verkauff zur Geilheitaͤrgerlich entweihet wird. Biß hieher kamen mir zwey Reichs-Raͤthe entgegen/ dieſe fuͤhrten mich auff ein uͤberaus praͤchtiges Schiff/ wel- ches mit der Vorderſpitze einen ſchrecklichen Schlangen-Kopff/ auf welchem ein vergoldeter Goͤtze ſaß/ unten aber viel lebendige Endten hiengen/ mit dem Hintertheile einen langen Schlangenſchwantz/ an dem ein ſich ſchwen- ckender Gauckler oben und unter dem Waſſer allerhand Kurtzweil machte/ das Mitteltheil a- ber mit gruͤn- und gelbichten Schuppen einen Schlangen-Bauch abbildete. Uns bedeckte ein ſchneeweiſſes Dach; auf der Seiten waren goldgeſtuͤckte Vorhaͤnge fuͤrgezogen/ und an wol zwantzig hohen Saͤulen weheten unzehlba- re ſeidene Fahnen/ zwoͤlf Bootsknechte warf- fen mit ihren nach Art der Loͤffel gehoͤleten Ru- dern das geſchoͤpffte Waſſer ſo behende hinter ſich/ daß das Schif wie ein Blitz bey denen gleich- ſam verſchwindenden Ufern vorbey flog. Wir kamen alſo in weniger Zeit auff der noch immer waͤhrenden Farth in den uͤberaus groſſen Fluß Kiang/ welcher wol den Nahmen eines Meer- Sohnes verdienet. Allhier fuhren wir ſtrom- ab bey der groſſen Stadt Changcheu auf die Jn- ſel Zingkiang/ unter welcher dieſer Fluß nun nicht mehr zu uͤberſehen iſt/ und ſich mit dem groſſen Meere vermaͤhlet. An der euſerſten Ecke ragen zwey Steinklippen aus dem Waſ- ſer/ auff dieſen zweyen ſtehet das Bild des Fluſ- ſes Kiang/ aus Ertzt/ achzig Ellen hoch/ alſo/ daß zwiſchen denen zwey Schenckeln ſo gut/ als durch den Rhodiſchen Sonnen-Coloſſus/ wel- cher noch um zehn Ellen niedriger geweſt/ die Schiſſe durchſegeln koͤnnen. Dieſes Wun- derbild/ gegen welches ohne diß der Apolloniſche Apollo/ der Tarentiniſche Jupiter und Hercu- les fuͤr Zwerge zu achten/ wird dardurch noch mehr vergroͤſſert/ daß es aus einem guͤldenen Kruge eine Bach ſuͤſſen Waſſers in das unten ſtroͤmende Saltz-Waſſer ausgeuſt/ welches fuͤr [Spaltenumbruch] ſo koͤſtlich gehalten wird/ daß darvon alle Tage dem Seriſchen Koͤnige ſeine Nothdurfft zu dem geſunden Cha-Trancke aufgefangen/ und nach Hoffe gebracht wird; weil im gantzen Reiche ſich keines beſſer darzu ſchicken ſoll. Wie ich nun alles dieſes/ ſagte Zeno/ erſtarrende anſah; erzehlte mir einer von den Reichs-Raͤthen/ diß waͤre gleicher geſtalt ein Werck des groſſen Xius/ der die lange Mauer gebauet haͤtte. Das her- ausſchuͤſſende ſuͤſſe Waſſer habe er aus einem ſtarcken Qvelle auf dem Berge Hoei/ den ſie mir Sud-Oſt-waͤrts von ferne zeigeten/ ſteinernen Roͤhren biß in dieſes Rieſen-Bild/ welches er iederzeit hoͤher als die Mauer geſchaͤtzt/ mit un- glaublicher Muͤh und Unkoſten geleitet. Weil man mich nun ohne diß dieſes Wunder zu be- ſchauen durch einen Umweg hieher gefuͤhret hatte/ fuhren wir etliche mal unter dieſem Bilde durch/ endlich ſtiegen wir gar aus/ und auff de- nen in den Felß gehauenen Staffeln empor; da ich denn unten an dem rechten Fuſſe dieſe aus dichtem Golde geetzte Uberſchrifft zu leſen be- kam: Halt’ allen Fluͤſſen nicht ich Meer-Sohn das Gewicht? Mein Waſſerreicher Krug kan Laͤnder uͤberſchwemmen/ Doch meinen ſtrengen Strom kein Berg noch Felß umtaͤmmen. Wie kommt’s denn/ daß allhier das Waſſer mir gebricht? Bin ich getrocknet aus durch’s heiſſe Sonnen-Licht? Kan ein Meduſen Kopff die fluͤcht’ gen Wellen hemmen? Was weiß fuͤr Zauberey in Ertzt mich einzuklemmen? Die Fluth wird ja wol Stein/ zu Ertzte nir gends nicht. Nein es iſt’s Xius Werck. Der mir hier Lufft verleiht/ Den muͤden Lauff benimmt den Blitz-geſchwinden Fuͤſſen; Mich trocknet/ daß von mir ſolln keine Thraͤnen fluͤſſen/ Mich anhaͤlt; weil er auch den Zuͤgel hemmt der Zeit/ Mein fluͤchtig Weſen bringt zu Stande/ daß wir wiſſen: Er koͤnn’ auch irrdiſch Ding verkehrn in Ewigkeit. Auf der andern Seite war an den in der ausge- Des Monden Thau-Horn troͤrſſt ja Waſſer in den Sand/ Der Wolcken fruchtbar Schwamm befeuchtet Feld und Auen/ Man ſieht aus Qvellen Oel/ aus Standen Balſam thauen/ Ja Feuer-Brunnen ſind bey uns nicht unbekand. Die
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Fuͤnfftes Buch
aber durch offentlichen Verkauff zur Geilheit
aͤrgerlich entweihet wird. Biß hieher kamen
mir zwey Reichs-Raͤthe entgegen/ dieſe fuͤhrten
mich auff ein uͤberaus praͤchtiges Schiff/ wel-
ches mit der Vorderſpitze einen ſchrecklichen
Schlangen-Kopff/ auf welchem ein vergoldeter
Goͤtze ſaß/ unten aber viel lebendige Endten
hiengen/ mit dem Hintertheile einen langen
Schlangenſchwantz/ an dem ein ſich ſchwen-
ckender Gauckler oben und unter dem Waſſer
allerhand Kurtzweil machte/ das Mitteltheil a-
ber mit gruͤn- und gelbichten Schuppen einen
Schlangen-Bauch abbildete. Uns bedeckte
ein ſchneeweiſſes Dach; auf der Seiten waren
goldgeſtuͤckte Vorhaͤnge fuͤrgezogen/ und an
wol zwantzig hohen Saͤulen weheten unzehlba-
re ſeidene Fahnen/ zwoͤlf Bootsknechte warf-
fen mit ihren nach Art der Loͤffel gehoͤleten Ru-
dern das geſchoͤpffte Waſſer ſo behende hinter
ſich/ daß das Schif wie ein Blitz bey denen gleich-
ſam verſchwindenden Ufern vorbey flog. Wir
kamen alſo in weniger Zeit auff der noch immer
waͤhrenden Farth in den uͤberaus groſſen Fluß
Kiang/ welcher wol den Nahmen eines Meer-
Sohnes verdienet. Allhier fuhren wir ſtrom-
ab bey der groſſen Stadt Changcheu auf die Jn-
ſel Zingkiang/ unter welcher dieſer Fluß nun
nicht mehr zu uͤberſehen iſt/ und ſich mit dem
groſſen Meere vermaͤhlet. An der euſerſten
Ecke ragen zwey Steinklippen aus dem Waſ-
ſer/ auff dieſen zweyen ſtehet das Bild des Fluſ-
ſes Kiang/ aus Ertzt/ achzig Ellen hoch/ alſo/
daß zwiſchen denen zwey Schenckeln ſo gut/ als
durch den Rhodiſchen Sonnen-Coloſſus/ wel-
cher noch um zehn Ellen niedriger geweſt/ die
Schiſſe durchſegeln koͤnnen. Dieſes Wun-
derbild/ gegen welches ohne diß der Apolloniſche
Apollo/ der Tarentiniſche Jupiter und Hercu-
les fuͤr Zwerge zu achten/ wird dardurch noch
mehr vergroͤſſert/ daß es aus einem guͤldenen
Kruge eine Bach ſuͤſſen Waſſers in das unten
ſtroͤmende Saltz-Waſſer ausgeuſt/ welches fuͤr
ſo koͤſtlich gehalten wird/ daß darvon alle Tage
dem Seriſchen Koͤnige ſeine Nothdurfft zu dem
geſunden Cha-Trancke aufgefangen/ und nach
Hoffe gebracht wird; weil im gantzen Reiche
ſich keines beſſer darzu ſchicken ſoll. Wie ich
nun alles dieſes/ ſagte Zeno/ erſtarrende anſah;
erzehlte mir einer von den Reichs-Raͤthen/ diß
waͤre gleicher geſtalt ein Werck des groſſen Xius/
der die lange Mauer gebauet haͤtte. Das her-
ausſchuͤſſende ſuͤſſe Waſſer habe er aus einem
ſtarcken Qvelle auf dem Berge Hoei/ den ſie mir
Sud-Oſt-waͤrts von ferne zeigeten/ ſteinernen
Roͤhren biß in dieſes Rieſen-Bild/ welches er
iederzeit hoͤher als die Mauer geſchaͤtzt/ mit un-
glaublicher Muͤh und Unkoſten geleitet. Weil
man mich nun ohne diß dieſes Wunder zu be-
ſchauen durch einen Umweg hieher gefuͤhret
hatte/ fuhren wir etliche mal unter dieſem Bilde
durch/ endlich ſtiegen wir gar aus/ und auff de-
nen in den Felß gehauenen Staffeln empor; da
ich denn unten an dem rechten Fuſſe dieſe aus
dichtem Golde geetzte Uberſchrifft zu leſen be-
kam:
Halt’ allen Fluͤſſen nicht ich Meer-Sohn das Gewicht?
Mein Waſſerreicher Krug kan Laͤnder uͤberſchwemmen/
Doch meinen ſtrengen Strom kein Berg noch Felß umtaͤmmen.
Wie kommt’s denn/ daß allhier das Waſſer mir gebricht?
Bin ich getrocknet aus durch’s heiſſe Sonnen-Licht?
Kan ein Meduſen Kopff die fluͤcht’ gen Wellen hemmen?
Was weiß fuͤr Zauberey in Ertzt mich einzuklemmen?
Die Fluth wird ja wol Stein/ zu Ertzte nir gends nicht.
Nein es iſt’s Xius Werck. Der mir hier Lufft verleiht/
Den muͤden Lauff benimmt den Blitz-geſchwinden Fuͤſſen;
Mich trocknet/ daß von mir ſolln keine Thraͤnen fluͤſſen/
Mich anhaͤlt; weil er auch den Zuͤgel hemmt der Zeit/
Mein fluͤchtig Weſen bringt zu Stande/ daß wir wiſſen:
Er koͤnn’ auch irrdiſch Ding verkehrn in Ewigkeit.
Auf der andern Seite war an den in der ausge-
ſtreckten lincken Hand gehaltenen guͤldenen
Waſſer-Krug eingepraͤget:
Des Monden Thau-Horn troͤrſſt ja Waſſer in den Sand/
Der Wolcken fruchtbar Schwamm befeuchtet Feld und Auen/
Man ſieht aus Qvellen Oel/ aus Standen Balſam thauen/
Ja Feuer-Brunnen ſind bey uns nicht unbekand.
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