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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] nungen der Priester gehauen sind/ einigerley
Weise den Schatten reichten. Auff dem Na-
gel der kleinen Zehe im rechten Fusse lese man
folgende Uberschrifft:

Laß/ dreymahl grosser GOtt/ diß Zwerg-Bild dir belieben/
Das der/ den du gemacht zum Grösten in der Welt/
Dir hier aus Andacht hat zum Denckmahl auffgestellt.
Jst doch dein Bild so gar in Sand und Kraut beklieben/
Jn Schneckenhäuser ein-dein Nahm und Lob geschrieben/
Weil deiner Weißheit auch/ was klein ist/ wohlgefällt;
Die auch Colossen nur für Ameiß-Haussen hält/
Und steile Berge kan wie Asch' und Staub durchsieben.
So schau nun nicht das Werck/ nur deinen Werckzeug an/
Der dir mehr seinen Geist/ als diesen Steinfels weihet.
So viel dem Menschen Gott Vernunfft und Kräfften leihet/
So viel ist's/ was er ihm auch bau'n und wiedmen kan.
Hält doch dein Bau/ die Welt/ dir selber nicht's Gewichte/
Und dein blaß Schatten steckt in Stern- und Sonnen-Lichte.

Der König Huhansien/ fuhr Zeno fort/ hielt
sich theils um sein Kriegs-Heer durch die Früch-
te dieser Gegend und die aus diesem Götzen ent-
springende Bäche zu erfrischen/ theils dieses
Wunderbild genau zu betrachten zwey Tage
darbey auff/ verrichtete für ihm seiner Lan-
des-Art nach sein Opffer/ kriegte aber den drit-
ten von einem überlauffenden Serer die Nach-
richt/ daß König Juen/ welcher wegen falscher
Kundschafft seine gantze Macht in die Land-
schafft Xensi gezogen hatte/ nach verlautetem
Einbruche in Suchuen/ nur ein Theil seines
Kriegs-Volcks alldar zur Beschirmung ge-
lassen/ er aber mit der grösten Macht sich auff
den Strom Sung gesetzt/ und bey der Stadt
Chunking/ wo selbter in den Fluß Kiang fällt/
ausgeladen hätte/ also nun nahe an ihm mit dem
gantzen Heere in vollem Anzuge wäre. Auf den
Abend ließ sich schon der Serer Vortrab sehen/
mit welchem die berittensten Scythen nur etli-
che Scharmützel ausübeten. Um Mitter-
nacht stellte Huhansien und seine Feld-Obersten
in der bey Piexan liegenden zwey hundert Sta-
dien langen Fläche das Kriegs-Heer schon in
Schlacht-Ordnung; iedoch derogestalt/ daß ein
grosses Theil des Volcks hinter dem Berge
Chungpie verborgen stand. Als es begunte zu
[Spaltenumbruch] tagen/ sahen wir schon/ daß König Juen mit sei-
nen vier mahl hundert tausend Serern in voller
Schlacht-Ordnung gegen uns ankam. Oropa-
stes/ ich und die als eine Amazone ausgerüstete
Syrmanis musten nahe bey dem Könige blei-
ben. Es ist unmöglich zu beschreiben die grau-
same Blutstürtzung; Die Serer waren zwar
an Menge stärcker/ und thäten durch ihre
vortheilhafftige Gewehre/ insonderheit durch
viel von Gewalt des Feuers geschossene Bley-
Kugeln grossen Abbruch. Die in denen sän-
dichten Wüsteneyen/ aber mehr ausgehärte-
ten Scythen/ waren doch denen durch Uber-
fluß ihres von Fruchtbarkeit schwimmenden
Landes/ und durch übermäßige Ubungen der
Weltweißheit halb weibisch gemachten Serern
überlegen. Wie? sagte Rhemetalces/ soll die
Weltweißheit/ welche das Gemüthe wider alle
Zufälle befestiget/ welche einen erst zum Man-
ne macht/ welche als eine unersteigliche Mauer
durch keinen Rüstzeug des Glücks übermeistert
werden kan; welche die Foltern der Hencker ver-
lachet/ für der Sichel des Todes und den schim-
mernden Klingen der Feinde kein Auge verwen-
det/ eine Mutter weibischer Zagheit/ und eine
Vorläufferin des Untergangs seyn? Der Feld-
herr nahm sich des Zeno an: die rechte und un-
verfälschte Weltweißheit/ welche das Gemüthe
durch Tugend ausarbeitet/ die Richtschnur des
Lebens/ was zu thun oder zu lassen sey/ fürschrei-
bet/ bey dem Steuer-Ruder der Vernunfft sitzet/
und durch die stürmenden Wellen des trüben
Welt-Meeres glücklich durchführet/ ist in alle-
wege ein eisernes Bollwerck der Königreiche/
nicht ihre Verzärtlerin. Aber insgemein tauch-
ten die Menschen nur einen Finger in ihre Leh-
re/ weil diese im Anfange herber als Wermuth/
die liebkosenden Wollüste aber ihnen süsser als
Zucker schmeckten. Also umbhüllten ihrer
viel sich mit dem Mantel der Welt-Weisen/
derer Gemüthe mit Uppigkeit angefüllt wä-
re. Uberdiß mengte man allerhand schein-
bare Waare unter ihre Würtzen/ welche

zwar

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] nungen der Prieſter gehauen ſind/ einigerley
Weiſe den Schatten reichten. Auff dem Na-
gel der kleinen Zehe im rechten Fuſſe leſe man
folgende Uberſchrifft:

Laß/ dreymahl groſſer GOtt/ diß Zwerg-Bild dir belieben/
Das der/ den du gemacht zum Groͤſten in der Welt/
Dir hier aus Andacht hat zum Denckmahl auffgeſtellt.
Jſt doch dein Bild ſo gar in Sand und Kraut beklieben/
Jn Schneckenhaͤuſer ein-dein Nahm und Lob geſchrieben/
Weil deiner Weißheit auch/ was klein iſt/ wohlgefaͤllt;
Die auch Coloſſen nur fuͤr Ameiß-Hauſſen haͤlt/
Und ſteile Berge kan wie Aſch’ und Staub durchſieben.
So ſchau nun nicht das Werck/ nur deinen Werckzeug an/
Der dir mehr ſeinen Geiſt/ als dieſen Steinfels weihet.
So viel dem Menſchen Gott Vernunfft und Kraͤfften leihet/
So viel iſt’s/ was er ihm auch bau’n und wiedmen kan.
Haͤlt doch dein Bau/ die Welt/ dir ſelber nicht’s Gewichte/
Und dein blaß Schatten ſteckt in Stern- und Sonnen-Lichte.

Der Koͤnig Huhanſien/ fuhr Zeno fort/ hielt
ſich theils um ſein Kriegs-Heer durch die Fruͤch-
te dieſer Gegend und die aus dieſem Goͤtzen ent-
ſpringende Baͤche zu erfriſchen/ theils dieſes
Wunderbild genau zu betrachten zwey Tage
darbey auff/ verrichtete fuͤr ihm ſeiner Lan-
des-Art nach ſein Opffer/ kriegte aber den drit-
ten von einem uͤberlauffenden Serer die Nach-
richt/ daß Koͤnig Juen/ welcher wegen falſcher
Kundſchafft ſeine gantze Macht in die Land-
ſchafft Xenſi gezogen hatte/ nach verlautetem
Einbruche in Suchuen/ nur ein Theil ſeines
Kriegs-Volcks alldar zur Beſchirmung ge-
laſſen/ er aber mit der groͤſten Macht ſich auff
den Strom Sung geſetzt/ und bey der Stadt
Chunking/ wo ſelbter in den Fluß Kiang faͤllt/
ausgeladen haͤtte/ alſo nun nahe an ihm mit dem
gantzen Heere in vollem Anzuge waͤre. Auf den
Abend ließ ſich ſchon der Serer Vortrab ſehen/
mit welchem die berittenſten Scythen nur etli-
che Scharmuͤtzel ausuͤbeten. Um Mitter-
nacht ſtellte Huhanſien und ſeine Feld-Oberſten
in der bey Piexan liegenden zwey hundert Sta-
dien langen Flaͤche das Kriegs-Heer ſchon in
Schlacht-Ordnung; iedoch derogeſtalt/ daß ein
groſſes Theil des Volcks hinter dem Berge
Chungpie verborgen ſtand. Als es begunte zu
[Spaltenumbruch] tagen/ ſahen wir ſchon/ daß Koͤnig Juen mit ſei-
nen vier mahl hundert tauſend Serern in voller
Schlacht-Ordnung gegen uns ankam. Oropa-
ſtes/ ich und die als eine Amazone ausgeruͤſtete
Syrmanis muſten nahe bey dem Koͤnige blei-
ben. Es iſt unmoͤglich zu beſchreiben die grau-
ſame Blutſtuͤrtzung; Die Serer waren zwar
an Menge ſtaͤrcker/ und thaͤten durch ihre
vortheilhafftige Gewehre/ inſonderheit durch
viel von Gewalt des Feuers geſchoſſene Bley-
Kugeln groſſen Abbruch. Die in denen ſaͤn-
dichten Wuͤſteneyen/ aber mehr ausgehaͤrte-
ten Scythen/ waren doch denen durch Uber-
fluß ihres von Fruchtbarkeit ſchwimmenden
Landes/ und durch uͤbermaͤßige Ubungen der
Weltweißheit halb weibiſch gemachten Serern
uͤberlegen. Wie? ſagte Rhemetalces/ ſoll die
Weltweißheit/ welche das Gemuͤthe wider alle
Zufaͤlle befeſtiget/ welche einen erſt zum Man-
ne macht/ welche als eine unerſteigliche Mauer
durch keinen Ruͤſtzeug des Gluͤcks uͤbermeiſtert
werden kan; welche die Foltern der Hencker ver-
lachet/ fuͤr der Sichel des Todes und den ſchim-
mernden Klingen der Feinde kein Auge verwen-
det/ eine Mutter weibiſcher Zagheit/ und eine
Vorlaͤufferin des Untergangs ſeyn? Der Feld-
herr nahm ſich des Zeno an: die rechte und un-
verfaͤlſchte Weltweißheit/ welche das Gemuͤthe
durch Tugend ausarbeitet/ die Richtſchnur des
Lebens/ was zu thun oder zu laſſen ſey/ fuͤrſchrei-
bet/ bey dem Steuer-Ruder der Vernunfft ſitzet/
und durch die ſtuͤrmenden Wellen des truͤben
Welt-Meeres gluͤcklich durchfuͤhret/ iſt in alle-
wege ein eiſernes Bollwerck der Koͤnigreiche/
nicht ihre Verzaͤrtlerin. Aber insgemein tauch-
ten die Menſchen nur einen Finger in ihre Leh-
re/ weil dieſe im Anfange herber als Wermuth/
die liebkoſenden Wolluͤſte aber ihnen ſuͤſſer als
Zucker ſchmeckten. Alſo umbhuͤllten ihrer
viel ſich mit dem Mantel der Welt-Weiſen/
derer Gemuͤthe mit Uppigkeit angefuͤllt waͤ-
re. Uberdiß mengte man allerhand ſchein-
bare Waare unter ihre Wuͤrtzen/ welche

zwar
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[612/0668] Fuͤnfftes Buch nungen der Prieſter gehauen ſind/ einigerley Weiſe den Schatten reichten. Auff dem Na- gel der kleinen Zehe im rechten Fuſſe leſe man folgende Uberſchrifft: Laß/ dreymahl groſſer GOtt/ diß Zwerg-Bild dir belieben/ Das der/ den du gemacht zum Groͤſten in der Welt/ Dir hier aus Andacht hat zum Denckmahl auffgeſtellt. Jſt doch dein Bild ſo gar in Sand und Kraut beklieben/ Jn Schneckenhaͤuſer ein-dein Nahm und Lob geſchrieben/ Weil deiner Weißheit auch/ was klein iſt/ wohlgefaͤllt; Die auch Coloſſen nur fuͤr Ameiß-Hauſſen haͤlt/ Und ſteile Berge kan wie Aſch’ und Staub durchſieben. So ſchau nun nicht das Werck/ nur deinen Werckzeug an/ Der dir mehr ſeinen Geiſt/ als dieſen Steinfels weihet. So viel dem Menſchen Gott Vernunfft und Kraͤfften leihet/ So viel iſt’s/ was er ihm auch bau’n und wiedmen kan. Haͤlt doch dein Bau/ die Welt/ dir ſelber nicht’s Gewichte/ Und dein blaß Schatten ſteckt in Stern- und Sonnen-Lichte. Der Koͤnig Huhanſien/ fuhr Zeno fort/ hielt ſich theils um ſein Kriegs-Heer durch die Fruͤch- te dieſer Gegend und die aus dieſem Goͤtzen ent- ſpringende Baͤche zu erfriſchen/ theils dieſes Wunderbild genau zu betrachten zwey Tage darbey auff/ verrichtete fuͤr ihm ſeiner Lan- des-Art nach ſein Opffer/ kriegte aber den drit- ten von einem uͤberlauffenden Serer die Nach- richt/ daß Koͤnig Juen/ welcher wegen falſcher Kundſchafft ſeine gantze Macht in die Land- ſchafft Xenſi gezogen hatte/ nach verlautetem Einbruche in Suchuen/ nur ein Theil ſeines Kriegs-Volcks alldar zur Beſchirmung ge- laſſen/ er aber mit der groͤſten Macht ſich auff den Strom Sung geſetzt/ und bey der Stadt Chunking/ wo ſelbter in den Fluß Kiang faͤllt/ ausgeladen haͤtte/ alſo nun nahe an ihm mit dem gantzen Heere in vollem Anzuge waͤre. Auf den Abend ließ ſich ſchon der Serer Vortrab ſehen/ mit welchem die berittenſten Scythen nur etli- che Scharmuͤtzel ausuͤbeten. Um Mitter- nacht ſtellte Huhanſien und ſeine Feld-Oberſten in der bey Piexan liegenden zwey hundert Sta- dien langen Flaͤche das Kriegs-Heer ſchon in Schlacht-Ordnung; iedoch derogeſtalt/ daß ein groſſes Theil des Volcks hinter dem Berge Chungpie verborgen ſtand. Als es begunte zu tagen/ ſahen wir ſchon/ daß Koͤnig Juen mit ſei- nen vier mahl hundert tauſend Serern in voller Schlacht-Ordnung gegen uns ankam. Oropa- ſtes/ ich und die als eine Amazone ausgeruͤſtete Syrmanis muſten nahe bey dem Koͤnige blei- ben. Es iſt unmoͤglich zu beſchreiben die grau- ſame Blutſtuͤrtzung; Die Serer waren zwar an Menge ſtaͤrcker/ und thaͤten durch ihre vortheilhafftige Gewehre/ inſonderheit durch viel von Gewalt des Feuers geſchoſſene Bley- Kugeln groſſen Abbruch. Die in denen ſaͤn- dichten Wuͤſteneyen/ aber mehr ausgehaͤrte- ten Scythen/ waren doch denen durch Uber- fluß ihres von Fruchtbarkeit ſchwimmenden Landes/ und durch uͤbermaͤßige Ubungen der Weltweißheit halb weibiſch gemachten Serern uͤberlegen. Wie? ſagte Rhemetalces/ ſoll die Weltweißheit/ welche das Gemuͤthe wider alle Zufaͤlle befeſtiget/ welche einen erſt zum Man- ne macht/ welche als eine unerſteigliche Mauer durch keinen Ruͤſtzeug des Gluͤcks uͤbermeiſtert werden kan; welche die Foltern der Hencker ver- lachet/ fuͤr der Sichel des Todes und den ſchim- mernden Klingen der Feinde kein Auge verwen- det/ eine Mutter weibiſcher Zagheit/ und eine Vorlaͤufferin des Untergangs ſeyn? Der Feld- herr nahm ſich des Zeno an: die rechte und un- verfaͤlſchte Weltweißheit/ welche das Gemuͤthe durch Tugend ausarbeitet/ die Richtſchnur des Lebens/ was zu thun oder zu laſſen ſey/ fuͤrſchrei- bet/ bey dem Steuer-Ruder der Vernunfft ſitzet/ und durch die ſtuͤrmenden Wellen des truͤben Welt-Meeres gluͤcklich durchfuͤhret/ iſt in alle- wege ein eiſernes Bollwerck der Koͤnigreiche/ nicht ihre Verzaͤrtlerin. Aber insgemein tauch- ten die Menſchen nur einen Finger in ihre Leh- re/ weil dieſe im Anfange herber als Wermuth/ die liebkoſenden Wolluͤſte aber ihnen ſuͤſſer als Zucker ſchmeckten. Alſo umbhuͤllten ihrer viel ſich mit dem Mantel der Welt-Weiſen/ derer Gemuͤthe mit Uppigkeit angefuͤllt waͤ- re. Uberdiß mengte man allerhand ſchein- bare Waare unter ihre Wuͤrtzen/ welche zwar

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/668>, abgerufen am 22.11.2024.