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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] eignet. Sintemahl die Pflantzen nichts min-
der/ als die Thiere durch den Mund ihrer Wur-
tzeln Nahrung an sich saugten/ ihre eingewur-
tzelte Feuchtigkeiten sorgfältig erhielten/ durch
die Rinden Hartzt und andere Unsauberkeiten
ausschwitzten/ trächtig würden/ des Winters
gleichsam so lange als die Bären und Ratzen
schlieffen/ im Frühlinge sich ermunterten/ und
zu gewisser Zeit ihre Freude und Traurigkeit
bezeigeten. Zeno bestätigte diß/ und meldete:
Er hätte diß allzudeutlich in Jndien wahrge-
nommen/ allwo er den so genennten/ und einem
klein blätterichten Pflaum-Baume nicht un-
ähnlichen Trauer-Baume mit Augen betrach-
tet; welcher auff iedem seiner wöllichten Blät-
ter einen röthlichen Stiel/ und darauff vier
rund blättrichte Knospen hätte/ auff welchen
fünff weisse/ der Granat-Aepffel-Blüthe nicht
ungleiche aber noch viel annehmlicher rüchende
Blumen/ und endlich Früchte in Gestalt grüner
Hertzen wüchsen. Mit diesem Reichthume a-
ber prangte dieser Baum nur des Nachts/ bey
auff gehender Sonne aber liesse er nicht nur al-
len Schmuck seiner Blumen fallen/ sondern der
Baum selbst stünde den Tag über mit sei-
nen Blättern gantz welck. Hingegen wüch-
se daselbst ein dem weiblichen Farren-Kraute
ähnlicher Dorn-Strauch/ welcher des Tages/
ie heisser die Sonne stäche/ ie schöner er grünete/
und seine Blätter allezeit diesem beliebten Him-
mels-Auge zukehrete/ herentgegen für Traurig-
keit gleichsam in der betrübten Nacht erstürbe.
Daß aber die Pflantzen ein nichts minder em-
pfindliches Fühlen/ als die Thiere an sich hät-
ten/ wiese der Jndianer mit gelben Blumen
prangendes und verschämtes Fühl-Kraut/ des-
sen Blätter sich bey einer nur nähernden Hand/
oder Berührung vom Staube welcken/ und
zusammenschlüssen. Welchem eine Krafft nicht
nur die Liebe einzupflantzen/ sondern auch die
verlohrne Schamhafftigkeit zu erstatten zuge-
eignet wird; seinem Geheimnüsse aber ein Wei-
[Spaltenumbruch] ser in Jndien so fleißig nachgedacht/ daß er dar-
über unsinnig worden. Ein ander Kraut in
Jndien lässet von Anrühren die Blätter gar
fallen; ja auff dem Eylande Taprobana lauffen
die von einem Baume gefallenen Blätter/ wenn
man daran stösset/ auff zweyen kleinen Füssen
davon; Und die Blätter der Staude Charito-
blepharon werden vom Anrühren gantz harte.
Hertzog Herrmann fügte bey: Es hätten ihm
die Friesen von eben derogleichen für dem An-
rühren erschreckenden Pflantzen/ und deren vom
Anfühlen verwelckenden Gerste-Stengeln des
Atlantischen Eylandes umständliche Nachricht
ertheilet. Allein man dörffte das Fühlen
der Kräuter nicht aus so fernen Landen holen/
in seinem Garten wüchse eines/ dessen Frucht
vom Anrühren zerspringe/ und daher den Nah-
men hätte: Rühre mich nicht an. De-
nen deutschen Förstern würde man auch küm-
merlich ausreden/ daß die Bäume eine Em-
pfindligkeit hätten; als welche allein die Ursache
wäre: warum in dem ersten unvermutheten
Hau die Axt viel tieffer in Baum dringe/ als
hernach/ da der leidende Baum sich so viel mög-
lich verhärtete. Für die Meinung aber/ daß die
Pflantzen beseelte Thiere wären/ oder aber zum
minsten es zwischen den Thieren und Pflantzen/
wie zwischen den Menschen und Thieren eine
Mittel-Gattung gäbe/ schiene nicht wenig zu
streiten/ daß aus denen in das Meer fallen-
den Baum-Blättern bey den Orcadischen Ey-
landen/ Endten; bey den Serern in dem See
Vo Schwalben; und in Griechenland aus den
Feigen Würmer wüchsen. Zeno sagte: Jn
Scythien habe ich mit meinen Augen ein Ge-
wächse mit einem Lamme/ und in Suchuen bey
der Stadt Chingung Bäume gesehen/ welche
die Blume Thunghoa tragen/ auff derer ieder
ein vollkommener Vogel mit einem Zinoberfar-
benem Schnabel wächst; aber mit der verwel-
ckenden Blume nichts minder sein Leben/ als
Schönheit einbüst. Hertzog Arpus fing an:

Aus

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] eignet. Sintemahl die Pflantzen nichts min-
der/ als die Thiere durch den Mund ihrer Wur-
tzeln Nahrung an ſich ſaugten/ ihre eingewur-
tzelte Feuchtigkeiten ſorgfaͤltig erhielten/ durch
die Rinden Hartzt und andere Unſauberkeiten
ausſchwitzten/ traͤchtig wuͤrden/ des Winters
gleichſam ſo lange als die Baͤren und Ratzen
ſchlieffen/ im Fruͤhlinge ſich ermunterten/ und
zu gewiſſer Zeit ihre Freude und Traurigkeit
bezeigeten. Zeno beſtaͤtigte diß/ und meldete:
Er haͤtte diß allzudeutlich in Jndien wahrge-
nommen/ allwo er den ſo genennten/ und einem
klein blaͤtterichten Pflaum-Baume nicht un-
aͤhnlichen Trauer-Baume mit Augen betrach-
tet; welcher auff iedem ſeiner woͤllichten Blaͤt-
ter einen roͤthlichen Stiel/ und darauff vier
rund blaͤttrichte Knoſpen haͤtte/ auff welchen
fuͤnff weiſſe/ der Granat-Aepffel-Bluͤthe nicht
ungleiche aber noch viel annehmlicher ruͤchende
Blumen/ und endlich Fruͤchte in Geſtalt gruͤner
Hertzen wuͤchſen. Mit dieſem Reichthume a-
ber prangte dieſer Baum nur des Nachts/ bey
auff gehender Sonne aber lieſſe er nicht nur al-
len Schmuck ſeiner Blumen fallen/ ſondern der
Baum ſelbſt ſtuͤnde den Tag uͤber mit ſei-
nen Blaͤttern gantz welck. Hingegen wuͤch-
ſe daſelbſt ein dem weiblichen Farren-Kraute
aͤhnlicher Dorn-Strauch/ welcher des Tages/
ie heiſſer die Sonne ſtaͤche/ ie ſchoͤner er gruͤnete/
und ſeine Blaͤtter allezeit dieſem beliebten Him-
mels-Auge zukehrete/ herentgegen fuͤr Traurig-
keit gleichſam in der betruͤbten Nacht erſtuͤrbe.
Daß aber die Pflantzen ein nichts minder em-
pfindliches Fuͤhlen/ als die Thiere an ſich haͤt-
ten/ wieſe der Jndianer mit gelben Blumen
prangendes und verſchaͤmtes Fuͤhl-Kraut/ deſ-
ſen Blaͤtter ſich bey einer nur naͤhernden Hand/
oder Beruͤhrung vom Staube welcken/ und
zuſammenſchluͤſſen. Welchem eine Krafft nicht
nur die Liebe einzupflantzen/ ſondern auch die
verlohrne Schamhafftigkeit zu erſtatten zuge-
eignet wird; ſeinem Geheimnuͤſſe aber ein Wei-
[Spaltenumbruch] ſer in Jndien ſo fleißig nachgedacht/ daß er dar-
uͤber unſinnig worden. Ein ander Kraut in
Jndien laͤſſet von Anruͤhren die Blaͤtter gar
fallen; ja auff dem Eylande Taprobana lauffen
die von einem Baume gefallenen Blaͤtter/ wenn
man daran ſtoͤſſet/ auff zweyen kleinen Fuͤſſen
davon; Und die Blaͤtter der Staude Charito-
blepharon werden vom Anruͤhren gantz harte.
Hertzog Herrmann fuͤgte bey: Es haͤtten ihm
die Frieſen von eben derogleichen fuͤr dem An-
ruͤhren erſchreckenden Pflantzen/ und deren vom
Anfuͤhlen verwelckenden Gerſte-Stengeln des
Atlantiſchen Eylandes umſtaͤndliche Nachricht
ertheilet. Allein man doͤrffte das Fuͤhlen
der Kraͤuter nicht aus ſo fernen Landen holen/
in ſeinem Garten wuͤchſe eines/ deſſen Frucht
vom Anruͤhren zerſpringe/ und daher den Nah-
men haͤtte: Ruͤhre mich nicht an. De-
nen deutſchen Foͤrſtern wuͤrde man auch kuͤm-
merlich ausreden/ daß die Baͤume eine Em-
pfindligkeit haͤtten; als welche allein die Urſache
waͤre: warum in dem erſten unvermutheten
Hau die Axt viel tieffer in Baum dringe/ als
hernach/ da der leidende Baum ſich ſo viel moͤg-
lich verhaͤrtete. Fuͤr die Meinung aber/ daß die
Pflantzen beſeelte Thiere waͤren/ oder aber zum
minſten es zwiſchen den Thieren und Pflantzen/
wie zwiſchen den Menſchen und Thieren eine
Mittel-Gattung gaͤbe/ ſchiene nicht wenig zu
ſtreiten/ daß aus denen in das Meer fallen-
den Baum-Blaͤttern bey den Orcadiſchen Ey-
landen/ Endten; bey den Serern in dem See
Vo Schwalben; und in Griechenland aus den
Feigen Wuͤrmer wuͤchſen. Zeno ſagte: Jn
Scythien habe ich mit meinen Augen ein Ge-
waͤchſe mit einem Lamme/ und in Suchuen bey
der Stadt Chingung Baͤume geſehen/ welche
die Blume Thunghoa tragen/ auff derer ieder
ein vollkommener Vogel mit einem Zinoberfar-
benem Schnabel waͤchſt; aber mit der verwel-
ckenden Blume nichts minder ſein Leben/ als
Schoͤnheit einbuͤſt. Hertzog Arpus fing an:

Aus
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/664>, abgerufen am 22.11.2024.