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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Aus allem diesem läst sich nun so vielmehr schlüs-
sen/ daß die Natur in denen vollkommenern
Thieren so viel weniger eine Stieff-Mutter ge-
wesen/ und sie mit einem gewissen Lichte des Ver-
standes betheilet haben müsse. Denn ob zwar
sie keinesweges dem Menschen/ welcher gegen
sie seiner Weißheit halber für einen Gott zu hal-
ten/ zu vergleichen wären; so bliebe doch ein ge-
ringer Verstand eben so wohl ein Theil der Ver-
nunfft/ als ein Zwerg so wohl ein Mensch/ als
die Riesen. Man spürte an ihnen den Ver-
stand/ das Gedächtniß/ und die Wahl ihres Wil-
lens. Diß aber wären die sämtlichen Kräfften
der Vernunfft. Der Wolff fiele nicht zwey
mahl in eine Grube; der Fuchs käme sein Leb-
tage nicht wieder dahin/ wo ein Fußeisen gele-
gen; die Hunde stritten biß auff den Tod für ih-
ren Herrn und Wohlthäter; die Tauben gäben
so wohl/ als jene verschmitzte Krähe des Königs
Martes/ in Egypten richtige Brieffträger ab;
die Hüner warnigten ihre Jungen für dem Sper-
ber; die Ameißen versorgten sich über Winter/
bissen die Weitzkörner an/ daß sie nicht käumen/
und begrüben ihre Todten; die Kranche hielten
wechselsweise Wache; die Ochsen übten sich vor-
her zum vorstehenden Streite; die Löwen gin-
gen um den Jägern zu entrinnen/ rückwerts in
ihre Hölen/ und zügen im Gange ihre Kreilen
ein; die Cilicischen über den Taurus fliegende
Gänse nehmen Kieselsteine in die Schnäbel/
daß sie ihr gewohntes Geschrey nicht den auff-
wartenden Adlern verrathe; die Cretensischen
Bienen machten sich/ wenn es windicht/ mit
Sandsteinlein schwerer. Die Vogel bauten
ihre Nester so künstlich/ und nachdem ein Land
heiß oder regenhaft/ an einem Orte oben am an-
dern unten offen; die Papegoyen hiengen sie/ um
ihre Jungen für den Schlangen zu bewahren/
mit Fädemen an die Bäume; die Affen lernten
in Africa auff der Flöten und Laute spielen; die
Kranche kündigten den Winter/ die Störche
und Schwalben den Sommer an. Das
[Spaltenumbruch] Schwein hätte das Ackern/ die Spinne das
Weben/ der Esel das Hacken der Weinberge/
und viel Thiere die meisten Artzeneyen erfunden.
Es sind diß schon die Gedancken des Anaxago-
ras gewest/ versetzte Rhemetalces/ welcher aber
den Thieren nur einen in ihnen würckenden
Verstand enthangen/ selbst aber nachgeben müs-
sen/ daß ihnen keine Fähigkeit etwas mehrers/
als ihnen angebohren ist/ zu begreiffen verlie-
hen sey. Zu welchem letztern doch der Kern
der Vernunfft steckte; weil der Mensch selbst
von der Geburt her einem ungehobelten Hol-
tze und ungeschliffenem Steine ähnlich wäre;
woraus der Fleiß als die rechte dem Prome-
theus an der Hand stehende Minerva allererst
ein Bild des Mercur machen müste. Jnson-
derheit mangelt es den Thieren an dem vor-
nehmsten Werckzeuge der Vernunfft/ nehm-
lich der Sprache/ welche das einige Mittel ist/
so wohl seine Gedancken zu entdecken/ als von
andern zu vernehmen. Hertzog Jubil begeg-
nete ihm/ beydes schiene ihm sehr zweiffelhafft zu
seyn. Sintemahl die Thiere zwar keine Spra-
che der Menschen/ aber doch eine solche hätten/
daß sie einander verstünden; ja auch nach und
nach die Sprachen der Menschen verstehen
lernten/ und also mehr von der Vernunfft/ als
Anaxagoras wahrgenommen/ in sich stecken ha-
ben müsten. Melampus/ Tiresias und Tha-
les hätten sich gerühmt/ daß sie die Rede der
Thiere verstanden/ und hiervon käme der Ruff/
daß die Schlangen vor Alters geredet hätten.
Daher lehrten so wol die Schwalben und Nach-
tigalen die Jungen ihren Gesang/ als die Stör-
che und Adler ihren Flug; Wie sollen sie aber
nicht was anders zu begreiffen fähig seyn/ da sie
selbst fremde Sprachen lernen? wie die dem Pto-
lomäus aus Jndien geschickte Hinde die Grie-
chische/ und der aus eben diesem Vaterlande
kommende Papegoy die Britannische/ welcher
aus des Königs Fenster in die Temse fiel/ und
um zwantzig Pfund einen Kahn zu bringen ruf-

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Erster Theil. H h h h

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Aus allem dieſem laͤſt ſich nun ſo vielmehr ſchluͤſ-
ſen/ daß die Natur in denen vollkommenern
Thieren ſo viel weniger eine Stieff-Mutter ge-
weſen/ und ſie mit einem gewiſſen Lichte des Ver-
ſtandes betheilet haben muͤſſe. Denn ob zwar
ſie keinesweges dem Menſchen/ welcher gegen
ſie ſeiner Weißheit halber fuͤr einen Gott zu hal-
ten/ zu vergleichen waͤren; ſo bliebe doch ein ge-
ringer Verſtand eben ſo wohl ein Theil der Ver-
nunfft/ als ein Zwerg ſo wohl ein Menſch/ als
die Rieſen. Man ſpuͤrte an ihnen den Ver-
ſtand/ das Gedaͤchtniß/ und die Wahl ihres Wil-
lens. Diß aber waͤren die ſaͤmtlichen Kraͤfften
der Vernunfft. Der Wolff fiele nicht zwey
mahl in eine Grube; der Fuchs kaͤme ſein Leb-
tage nicht wieder dahin/ wo ein Fußeiſen gele-
gen; die Hunde ſtritten biß auff den Tod fuͤr ih-
ren Herrn und Wohlthaͤter; die Tauben gaͤben
ſo wohl/ als jene verſchmitzte Kraͤhe des Koͤnigs
Martes/ in Egypten richtige Briefftraͤger ab;
die Huͤner warnigten ihre Jungẽ fuͤr dem Sper-
ber; die Ameißen verſorgten ſich uͤber Winter/
biſſen die Weitzkoͤrner an/ daß ſie nicht kaͤumen/
und begruͤben ihre Todten; die Kranche hielten
wechſelsweiſe Wache; die Ochſen uͤbten ſich vor-
her zum vorſtehenden Streite; die Loͤwen gin-
gen um den Jaͤgern zu entrinnen/ ruͤckwerts in
ihre Hoͤlen/ und zuͤgen im Gange ihre Kreilen
ein; die Ciliciſchen uͤber den Taurus fliegende
Gaͤnſe nehmen Kieſelſteine in die Schnaͤbel/
daß ſie ihr gewohntes Geſchrey nicht den auff-
wartenden Adlern verrathe; die Cretenſiſchen
Bienen machten ſich/ wenn es windicht/ mit
Sandſteinlein ſchwerer. Die Vogel bauten
ihre Neſter ſo kuͤnſtlich/ und nachdem ein Land
heiß oder regenhaft/ an einem Orte oben am an-
dern unten offen; die Papegoyen hiengen ſie/ um
ihre Jungen fuͤr den Schlangen zu bewahren/
mit Faͤdemen an die Baͤume; die Affen lernten
in Africa auff der Floͤten und Laute ſpielen; die
Kranche kuͤndigten den Winter/ die Stoͤrche
und Schwalben den Sommer an. Das
[Spaltenumbruch] Schwein haͤtte das Ackern/ die Spinne das
Weben/ der Eſel das Hacken der Weinberge/
und viel Thiere die meiſten Artzeneyen erfunden.
Es ſind diß ſchon die Gedancken des Anaxago-
ras geweſt/ verſetzte Rhemetalces/ welcher aber
den Thieren nur einen in ihnen wuͤrckenden
Verſtand enthangen/ ſelbſt aber nachgeben muͤſ-
ſen/ daß ihnen keine Faͤhigkeit etwas mehrers/
als ihnen angebohren iſt/ zu begreiffen verlie-
hen ſey. Zu welchem letztern doch der Kern
der Vernunfft ſteckte; weil der Menſch ſelbſt
von der Geburt her einem ungehobelten Hol-
tze und ungeſchliffenem Steine aͤhnlich waͤre;
woraus der Fleiß als die rechte dem Prome-
theus an der Hand ſtehende Minerva allererſt
ein Bild des Mercur machen muͤſte. Jnſon-
derheit mangelt es den Thieren an dem vor-
nehmſten Werckzeuge der Vernunfft/ nehm-
lich der Sprache/ welche das einige Mittel iſt/
ſo wohl ſeine Gedancken zu entdecken/ als von
andern zu vernehmen. Hertzog Jubil begeg-
nete ihm/ beydes ſchiene ihm ſehr zweiffelhafft zu
ſeyn. Sintemahl die Thiere zwar keine Spra-
che der Menſchen/ aber doch eine ſolche haͤtten/
daß ſie einander verſtuͤnden; ja auch nach und
nach die Sprachen der Menſchen verſtehen
lernten/ und alſo mehr von der Vernunfft/ als
Anaxagoras wahrgenommen/ in ſich ſtecken ha-
ben muͤſten. Melampus/ Tireſias und Tha-
les haͤtten ſich geruͤhmt/ daß ſie die Rede der
Thiere verſtanden/ und hiervon kaͤme der Ruff/
daß die Schlangen vor Alters geredet haͤtten.
Daher lehrten ſo wol die Schwalben und Nach-
tigalen die Jungen ihren Geſang/ als die Stoͤr-
che und Adler ihren Flug; Wie ſollen ſie aber
nicht was anders zu begreiffen faͤhig ſeyn/ da ſie
ſelbſt fremde Sprachen lernen? wie die dem Pto-
lomaͤus aus Jndien geſchickte Hinde die Grie-
chiſche/ und der aus eben dieſem Vaterlande
kommende Papegoy die Britanniſche/ welcher
aus des Koͤnigs Fenſter in die Temſe fiel/ und
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Erſter Theil. H h h h
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/665>, abgerufen am 22.11.2024.