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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] in der Festung Maracande 5. Monat belägert/
mit 300. Reitern zernichtet/ hernach sich Jndi-
ens biß an Ganges gar bemächtiget hätte. Wie
aber des Encradites Sohn und Reichs-Geferte
Zariaspes die Unterthanen allzu harte gehalten/
wären die Sogdianer von ihm abgefallen/ und
als Zariaspes endlich gar seinen Vater ermor-
det/ über seinen blutigen Leib/ gleich als über ei-
nen besiegten Feind mit den Pferden gespren-
get/ und die Leiche zu begraben verboten/ hätten
die über dem Jaxarthes wohnenden Nomades/
und Mithridates/ der Parther König/ das Ba-
ctrianische Reich unter einander getheilet/ und
den unferne von dar flüssenden Oxus zu ihrer
Reichs-Gräntze gemacht. Jtzo beherrschte dis
Land der grosse König der sämmtlichen Scythen/
dessen Gebiete sich von dem Flusse Rha biß an
das Reich des Königs Sophites/ welcher sich dem
grossen Alexander ohne Schwerdt-Streich un-
terworffen/ erstreckete. Hierauf deutete uns der
ansehlichste unter diesen Scythen an/ daß wir ih-
nen zu ihrem von dar nicht weit entfernten Für-
sten folgen müsten; wordurch die mit uns ge-
strandeten Gefärthen nicht wenig erschrecket wur-
den. Dieses nahm vorerwehnter Scythe wahr;
daher redete er uns aufs freundlichste zu: Wir
möchten kühnlich alle Furcht und Verdacht sin-
cken lassen. Sie wüsten gar wohl/ daß einige
Ausländer sie nur für Halb-Menschen hielten/
welche alle Frembdlinge schlachteten/ sich mit ih-
rem gerösteten Fleische speiseten/ und aus ihren
Hirnschälen träncken. Alleine die Erfahrung
würde ihnen die Scythen nicht nur als vollkom-
mene Menschen/ sondern auch als die gerechtesten
unter allen Sterblichen fürbilden. Jnsonderheit
solten sie nicht gläuben/ daß man daselbst wider
sie grausamer/ als die ihrer verschonende wilde
Wellen seyn würde. Wir kamen nach ein paar
Stunden an den berühmten Strom Oxus/ an
dessen Ufer der Königliche Stadthalter über
Sogdiana sein Zelt aufgeschlagen hatte. Dieser
bewillkommte uns mit freundlichen Geberden/
und nachdem er unser Vaterland und Unfall
[Spaltenumbruch] verstanden/ ließ er uns alsofort eine Trachtvoll
Speisen/ unter denen gesäuerte Pferde-Milch
und gebratenes Cameel-Fleisch die köstlichsten
Gerüchte waren/ auftragen. Hierauf tranck
er uns dreyen selbst eine Schale Wasser aus dem
See Kia zu/ wor aus der Fluß Ganges entsprin-
get/ welches alle Grossen bey den Scythen holen
lassen. Nach vielen erwiesenen Höfligkeiten sagte
er uns: Weil der grosse König der Scythen Hu-
hansien gegen die Seren einen mächtigen Zug
für hätte/ zu dem er bey dem Ursprunge des Flus-
ses Ganges zu stossen befehlicht wäre/ müsten
wir zwar nach ihren Reichs-Gesetzen/ welche alle
streitbare Frembdlingen in Königs-Dienste nö-
thiget/ dem Königlichen Heerlager folgen; er
versicherte uns aber/ daß der König/ als ein Lieb-
haber der Ausländer/ uns gnädig empfangen/
und ehrlich verhalten werde. Als wir nun aus
der Noth eine Tugend machen/ und also unsere
Freywilligkeit dem Zwange vorkommen muste/
ließ er uns etliche schöne Pferde/ und einen Vor-
rath Scythischer Waffen herzu bringen/ wor-
durch wir uns nach eigener Wahl ausrüsteten.
Wir reiseten also drey Tage harte an dem Ufer
des Oxus/ aber weil wir alles Wasser mit uns
führen musten/ nicht ohne grosse Beschwerlig-
keit/ und derogestalt bey einem so grossen Stro-
me in grosser Armuth des Wassers. Sintemal
das in dem Flusse Oxus so schwer und so trübe/
daß man von dessen offteren Genüß gefährlich er-
krancket. Den vierdten Taglenckten wir uns
Nordwerts/ und reiseten über eine sändichte Flä-
che/ welche aber durch unzehlich viel aus dem
Flusse Oxus abgeleitete Bäche/ die seinen be-
rühmten Strom so sehr vermindern/ daß seine
gäntzliche Versändung mit der Zeit zu besorgen/
bewässert/ auch sein sonst untrinckbares Wasser
durch so vielen Sand mercklich geläutert und
verbessert ward. Den siebenden Tag lendeten
wir nicht ferne von dem Sogdianischen Steinfels
an/ welcher 30. Stadia hoch seyn soll/ und eine
unüberwindliche Festung auf sich hat/ die Ale-
xander durch Verrätherey erobert. Wir über-

nach-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] in der Feſtung Maracande 5. Monat belaͤgert/
mit 300. Reitern zernichtet/ hernach ſich Jndi-
ens biß an Ganges gar bemaͤchtiget haͤtte. Wie
aber des Encradites Sohn und Reichs-Geferte
Zariaſpes die Unterthanen allzu harte gehalten/
waͤren die Sogdianer von ihm abgefallen/ und
als Zariaſpes endlich gar ſeinen Vater ermor-
det/ uͤber ſeinen blutigen Leib/ gleich als uͤber ei-
nen beſiegten Feind mit den Pferden geſpren-
get/ und die Leiche zu begraben verboten/ haͤtten
die uͤber dem Jaxarthes wohnenden Nomades/
und Mithridates/ der Parther Koͤnig/ das Ba-
ctrianiſche Reich unter einander getheilet/ und
den unferne von dar fluͤſſenden Oxus zu ihrer
Reichs-Graͤntze gemacht. Jtzo beherrſchte dis
Land der groſſe Koͤnig der ſaͤm̃tlichen Scythen/
deſſen Gebiete ſich von dem Fluſſe Rha biß an
das Reich des Koͤnigs Sophites/ welcher ſich dem
groſſen Alexander ohne Schwerdt-Streich un-
terworffen/ erſtreckete. Hierauf deutete uns der
anſehlichſte unter dieſen Scythen an/ daß wir ih-
nen zu ihrem von dar nicht weit entfernten Fuͤr-
ſten folgen muͤſten; wordurch die mit uns ge-
ſtrandetẽ Gefaͤrthen nicht wenig erſchrecket wur-
den. Dieſes nahm vorerwehnter Scythe wahr;
daher redete er uns aufs freundlichſte zu: Wir
moͤchten kuͤhnlich alle Furcht und Verdacht ſin-
cken laſſen. Sie wuͤſten gar wohl/ daß einige
Auslaͤnder ſie nur fuͤr Halb-Menſchen hielten/
welche alle Frembdlinge ſchlachteten/ ſich mit ih-
rem geroͤſteten Fleiſche ſpeiſeten/ und aus ihren
Hirnſchaͤlen traͤncken. Alleine die Erfahrung
wuͤrde ihnen die Scythen nicht nur als vollkom-
mene Menſchen/ ſondern auch als die gerechteſtẽ
unter allen Sterblichen fuͤrbilden. Jnſonderheit
ſolten ſie nicht glaͤuben/ daß man daſelbſt wider
ſie grauſamer/ als die ihrer verſchonende wilde
Wellen ſeyn wuͤrde. Wir kamen nach ein paar
Stunden an den beruͤhmten Strom Oxus/ an
deſſen Ufer der Koͤnigliche Stadthalter uͤber
Sogdiana ſein Zelt aufgeſchlagen hatte. Dieſer
bewillkom̃te uns mit freundlichen Geberden/
und nachdem er unſer Vaterland und Unfall
[Spaltenumbruch] verſtanden/ ließ er uns alſofort eine Trachtvoll
Speiſen/ unter denen geſaͤuerte Pferde-Milch
und gebratenes Cameel-Fleiſch die koͤſtlichſten
Geruͤchte waren/ auftragen. Hierauf tranck
er uns dreyen ſelbſt eine Schale Waſſer aus dem
See Kia zu/ wor aus der Fluß Ganges entſprin-
get/ welches alle Groſſen bey den Scythen holen
laſſen. Nach vielen erwieſenẽ Hoͤfligkeiten ſagte
er uns: Weil der groſſe Koͤnig der Scythen Hu-
hanſien gegen die Seren einen maͤchtigen Zug
fuͤr haͤtte/ zu dem er bey dem Urſprunge des Fluſ-
ſes Ganges zu ſtoſſen befehlicht waͤre/ muͤſten
wir zwar nach ihren Reichs-Geſetzen/ welche alle
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thiget/ dem Koͤniglichen Heerlager folgen; er
verſicherte uns aber/ daß der Koͤnig/ als ein Lieb-
haber der Auslaͤnder/ uns gnaͤdig empfangen/
und ehrlich verhalten werde. Als wir nun aus
der Noth eine Tugend machen/ und alſo unſere
Freywilligkeit dem Zwange vorkommen muſte/
ließ er uns etliche ſchoͤne Pferde/ und einen Vor-
rath Scythiſcher Waffen herzu bringen/ wor-
durch wir uns nach eigener Wahl ausruͤſteten.
Wir reiſeten alſo drey Tage harte an dem Ufer
des Oxus/ aber weil wir alles Waſſer mit uns
fuͤhren muſten/ nicht ohne groſſe Beſchwerlig-
keit/ und derogeſtalt bey einem ſo groſſen Stro-
me in groſſer Armuth des Waſſers. Sintemal
das in dem Fluſſe Oxus ſo ſchwer und ſo truͤbe/
daß man von deſſen offterẽ Genuͤß gefaͤhrlich er-
krancket. Den vierdten Taglenckten wir uns
Nordwerts/ und reiſeten uͤber eine ſaͤndichte Flaͤ-
che/ welche aber durch unzehlich viel aus dem
Fluſſe Oxus abgeleitete Baͤche/ die ſeinen be-
ruͤhmten Strom ſo ſehr vermindern/ daß ſeine
gaͤntzliche Verſaͤndung mit der Zeit zu beſorgen/
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durch ſo vielen Sand mercklich gelaͤutert und
verbeſſert ward. Den ſiebenden Tag lendeten
wir nicht ferne von dem Sogdianiſchẽ Steinfels
an/ welcher 30. Stadia hoch ſeyn ſoll/ und eine
unuͤberwindliche Feſtung auf ſich hat/ die Ale-
xander durch Verraͤtherey erobert. Wir uͤber-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/647>, abgerufen am 22.11.2024.