Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
sel zur Gerichts-Stube eingehändigt. DerEifer des Gottes-Dienstes habe sie zu Reichs- Cantzlern/ zu Hertzogen/ Fürsten/ und geheim- sten Räthen gemacht/ und die/ welche fürzeiten nur denen Kriegsheeren ein Hertze zugespro- chen/ wären endlich gar zu Heerführern worden. Ja etlicher der Freyheit gehässigen Fürsten ei- gene Anstalt hätte mit Händ und Füssen geholf- fen/ daß die Priesterschafft unter sich selbst ge- wisse Häupter empor gehoben/ weil sie diese als Werckzeuge der Dienstbarkeit wider die Frey- heit des Volcks zu brauchen angezielet/ welche bey durchdringender Gleichheit der gehorchen- den erhalten wird/ ihrer weniger Bothmässigkeit aber der Königlichen Macht am nähesten kommt und am dienlichsten ist. Wolte aber Gott! es wäre die Priesterschafft noch in diesen mittel- mässigen Schrancken blieben. Denn wo ha- ben sie nicht ihnen fast alle liegende Gründe zins- bar gemacht? Jn wie vielen Ländern besitzen sie nicht das dritte Theil des fettesten Bodens/ und der gewissesten Einkünfte? Wo aber ent- ziehen sie sich nicht von den allgemeinen Mitlei- dungen anderer treuen undviel ärmerer Unter- thanen? Wo machen sie nicht das Seil der weltli- chen Herrschaft von ihren Hörnern loß? An wie vielen Orten lassen sie sich die allgemeinen Richtschnuren nicht binden? Aus wie vielen Richter-Stülen verstossen sie nicht alle Weltli- che/ und wo schwingen sie ihre Flügel nicht über die Grund-Gesetze der Reiche/ und über die Ho- heit der Könige? Haben sie nicht die ersten Stim- men bey ihrer Wahl? An wie viel Kronen empfangen Fürsten Kron und Zepter aus ihren Händen? Jch wil der üppigen Priester auf der Atlantischen Jnsel/ denen aller Bräute Jung- frauschaften geopfert werden müssen/ der grimmi- gen in Mohrenland/ auf derer Befehl sich sein König hinrichten muß/ geschweigen/ und allein von dem Comanischen Priester in Armenien fragen: Ob Sesostris für so übermüthig zu schel- [Spaltenumbruch] ten sey/ daß er vier Könige an seinen Siegswa- gen angespannet/ oder Tigranes/ daß er ihrer vier zu seinen Aufwärtern hatte/ oder auch jener Scythe/ der einen grossen Fürsten zum Fuß- Schemmel brauchte/ als dieser Comanische Prie- ster/ welcher nicht nur seinem/ sondern auch frem- den Königen Gesetze fürschreibet/ und ihnen in Anstalten des Gottes-Dienstes die Hände bin- det? Welchem Ariarathes die Füsse küssen/ und seine Ferse auf seiner Königlichen Scheitel er- dulden müssen? Zu geschweigen/ daß übermäs- siges Reichthum und Gewalt sich mit inbrünsti- ger Andacht/ und also mit der Priester eigenen Pflicht nicht verträget/ sondern sie bey dem Be- sitzthume zur Uppigkeit verleite; Ehrsüchtigen aber Anlaß gebe nach diesem güldenen Apfel durch alle verbotene Künste zu streben. Ju- lius hatte gegen dem Lentulus das Recht gebeu- get/ den Pöfel angebetet/ und nahe sein gantzes Vermögan verschencket/ daß er nur den Quin- tus Catulus/ und Publius Jsaurius/ welche nebst ihm sich umb das Priesterthum bewarben/ wegstechen konte. Diese Pest sey auch leider bey den Deutschen eingerissen. Denn seine Vorfahren hätten nicht nur aus einer allzugros- sen Gutwilligkeit verhangen/ daß die Misse- thäter zu binden/ zu schlagen/ oder zu tödten nie- manden als den Priestern freystehe; sondern es habe auch Segesthes sein Gewissen an Nagel gehenckt/ die deutsche Freyheit auf die Schippe gesetzt/ daß er seinem Sohne Siegmund nur das Ubische Priesterthum zuwege gebracht. Endlich wäre es so weit kommen/ daß solche ehrsüchtige hohe Priester sich selbst vergöttert/ ihnen selbst ge- wisse Priester/ welche diese Würde vorher theuer erkauffen müssen/ angenommen/ und die nied- lichsten Opfer von Samischen Pfauen/ Persi- schen Hünern/ Fasanen/ und Phönicopter-Zun- gen zu liefern angeordnet hätten. Diese Miß- bräuche zu unrecht angemaßter Gewalt hätte jener König zu Meroe mit Hinrichtung aller Prie- Erster Theil. B b b b
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ſel zur Gerichts-Stube eingehaͤndigt. DerEifer des Gottes-Dienſtes habe ſie zu Reichs- Cantzlern/ zu Hertzogen/ Fuͤrſten/ und geheim- ſten Raͤthen gemacht/ und die/ welche fuͤrzeiten nur denen Kriegsheeren ein Hertze zugeſpro- chen/ waͤren endlich gar zu Heerfuͤhrern worden. Ja etlicher der Freyheit gehaͤſſigen Fuͤrſten ei- gene Anſtalt haͤtte mit Haͤnd und Fuͤſſen geholf- fen/ daß die Prieſterſchafft unter ſich ſelbſt ge- wiſſe Haͤupter empor gehoben/ weil ſie dieſe als Werckzeuge der Dienſtbarkeit wider die Frey- heit des Volcks zu brauchen angezielet/ welche bey durchdringender Gleichheit der gehorchen- den erhalten wird/ ihrer weniger Bothmaͤſſigkeit aber der Koͤniglichen Macht am naͤheſten kom̃t und am dienlichſten iſt. Wolte aber Gott! es waͤre die Prieſterſchafft noch in dieſen mittel- maͤſſigen Schrancken blieben. Denn wo ha- ben ſie nicht ihnen faſt alle liegende Gruͤnde zins- bar gemacht? Jn wie vielen Laͤndern beſitzen ſie nicht das dritte Theil des fetteſten Bodens/ und der gewiſſeſten Einkuͤnfte? Wo aber ent- ziehen ſie ſich nicht von den allgemeinen Mitlei- dungen anderer treuen undviel aͤrmerer Unter- thanen? Wo machen ſie nicht das Seil der weltli- chen Herrſchaft von ihren Hoͤrnern loß? An wie vielen Orten laſſen ſie ſich die allgemeinen Richtſchnuren nicht binden? Aus wie vielen Richter-Stuͤlen verſtoſſen ſie nicht alle Weltli- che/ und wo ſchwingen ſie ihre Fluͤgel nicht uͤber die Grund-Geſetze der Reiche/ und uͤber die Ho- heit der Koͤnige? Haben ſie nicht die erſten Stim- men bey ihrer Wahl? An wie viel Kronen empfangen Fuͤrſten Kron und Zepter aus ihren Haͤnden? Jch wil der uͤppigen Prieſter auf der Atlantiſchen Jnſel/ denen aller Braͤute Jung- frauſchaften geopfert werden muͤſſen/ der grim̃i- gen in Mohrenland/ auf derer Befehl ſich ſein Koͤnig hinrichten muß/ geſchweigen/ und allein von dem Comaniſchen Prieſter in Armenien fragen: Ob Seſoſtris fuͤr ſo uͤbermuͤthig zu ſchel- [Spaltenumbruch] ten ſey/ daß er vier Koͤnige an ſeinen Siegswa- gen angeſpannet/ oder Tigranes/ daß er ihrer vier zu ſeinen Aufwaͤrtern hatte/ oder auch jener Scythe/ der einen groſſen Fuͤrſten zum Fuß- Schemmel brauchte/ als dieſer Comaniſche Prie- ſter/ welcher nicht nur ſeinem/ ſondern auch frem- den Koͤnigen Geſetze fuͤrſchreibet/ und ihnen in Anſtalten des Gottes-Dienſtes die Haͤnde bin- det? Welchem Ariarathes die Fuͤſſe kuͤſſen/ und ſeine Ferſe auf ſeiner Koͤniglichen Scheitel er- dulden muͤſſen? Zu geſchweigen/ daß uͤbermaͤſ- ſiges Reichthum und Gewalt ſich mit inbruͤnſti- ger Andacht/ und alſo mit der Prieſter eigenen Pflicht nicht vertraͤget/ ſondern ſie bey dem Be- ſitzthume zur Uppigkeit verleite; Ehrſuͤchtigen aber Anlaß gebe nach dieſem guͤldenen Apfel durch alle verbotene Kuͤnſte zu ſtreben. Ju- lius hatte gegen dem Lentulus das Recht gebeu- get/ den Poͤfel angebetet/ und nahe ſein gantzes Vermoͤgan verſchencket/ daß er nur den Quin- tus Catulus/ und Publius Jſaurius/ welche nebſt ihm ſich umb das Prieſterthum bewarben/ wegſtechen konte. Dieſe Peſt ſey auch leider bey den Deutſchen eingeriſſen. Denn ſeine Vorfahren haͤtten nicht nur aus einer allzugroſ- ſen Gutwilligkeit verhangen/ daß die Miſſe- thaͤter zu binden/ zu ſchlagen/ oder zu toͤdten nie- manden als den Prieſtern freyſtehe; ſondern es habe auch Segeſthes ſein Gewiſſen an Nagel gehenckt/ die deutſche Freyheit auf die Schippe geſetzt/ daß er ſeinem Sohne Siegmund nur das Ubiſche Prieſterthum zuwege gebracht. Endlich waͤre es ſo weit kommen/ daß ſolche ehrſuͤchtige hohe Prieſter ſich ſelbſt vergoͤttert/ ihnen ſelbſt ge- wiſſe Prieſter/ welche dieſe Wuͤrde vorher theuer erkauffen muͤſſen/ angenommen/ und die nied- lichſten Opfer von Samiſchen Pfauen/ Perſi- ſchen Huͤnern/ Faſanen/ und Phoͤnicopter-Zun- gen zu liefern angeordnet haͤtten. Dieſe Miß- braͤuche zu unrecht angemaßter Gewalt haͤtte jener Koͤnig zu Meroe mit Hinrichtung aller Prie- Erſter Theil. B b b b
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Arminius und Thußnelda.
ſel zur Gerichts-Stube eingehaͤndigt. Der
Eifer des Gottes-Dienſtes habe ſie zu Reichs-
Cantzlern/ zu Hertzogen/ Fuͤrſten/ und geheim-
ſten Raͤthen gemacht/ und die/ welche fuͤrzeiten
nur denen Kriegsheeren ein Hertze zugeſpro-
chen/ waͤren endlich gar zu Heerfuͤhrern worden.
Ja etlicher der Freyheit gehaͤſſigen Fuͤrſten ei-
gene Anſtalt haͤtte mit Haͤnd und Fuͤſſen geholf-
fen/ daß die Prieſterſchafft unter ſich ſelbſt ge-
wiſſe Haͤupter empor gehoben/ weil ſie dieſe als
Werckzeuge der Dienſtbarkeit wider die Frey-
heit des Volcks zu brauchen angezielet/ welche
bey durchdringender Gleichheit der gehorchen-
den erhalten wird/ ihrer weniger Bothmaͤſſigkeit
aber der Koͤniglichen Macht am naͤheſten kom̃t
und am dienlichſten iſt. Wolte aber Gott! es
waͤre die Prieſterſchafft noch in dieſen mittel-
maͤſſigen Schrancken blieben. Denn wo ha-
ben ſie nicht ihnen faſt alle liegende Gruͤnde zins-
bar gemacht? Jn wie vielen Laͤndern beſitzen
ſie nicht das dritte Theil des fetteſten Bodens/
und der gewiſſeſten Einkuͤnfte? Wo aber ent-
ziehen ſie ſich nicht von den allgemeinen Mitlei-
dungen anderer treuen undviel aͤrmerer Unter-
thanen? Wo machen ſie nicht das Seil der weltli-
chen Herrſchaft von ihren Hoͤrnern loß? An
wie vielen Orten laſſen ſie ſich die allgemeinen
Richtſchnuren nicht binden? Aus wie vielen
Richter-Stuͤlen verſtoſſen ſie nicht alle Weltli-
che/ und wo ſchwingen ſie ihre Fluͤgel nicht uͤber
die Grund-Geſetze der Reiche/ und uͤber die Ho-
heit der Koͤnige? Haben ſie nicht die erſten Stim-
men bey ihrer Wahl? An wie viel Kronen
empfangen Fuͤrſten Kron und Zepter aus ihren
Haͤnden? Jch wil der uͤppigen Prieſter auf der
Atlantiſchen Jnſel/ denen aller Braͤute Jung-
frauſchaften geopfert werden muͤſſen/ der grim̃i-
gen in Mohrenland/ auf derer Befehl ſich ſein
Koͤnig hinrichten muß/ geſchweigen/ und allein
von dem Comaniſchen Prieſter in Armenien
fragen: Ob Seſoſtris fuͤr ſo uͤbermuͤthig zu ſchel-
ten ſey/ daß er vier Koͤnige an ſeinen Siegswa-
gen angeſpannet/ oder Tigranes/ daß er ihrer
vier zu ſeinen Aufwaͤrtern hatte/ oder auch jener
Scythe/ der einen groſſen Fuͤrſten zum Fuß-
Schemmel brauchte/ als dieſer Comaniſche Prie-
ſter/ welcher nicht nur ſeinem/ ſondern auch frem-
den Koͤnigen Geſetze fuͤrſchreibet/ und ihnen in
Anſtalten des Gottes-Dienſtes die Haͤnde bin-
det? Welchem Ariarathes die Fuͤſſe kuͤſſen/ und
ſeine Ferſe auf ſeiner Koͤniglichen Scheitel er-
dulden muͤſſen? Zu geſchweigen/ daß uͤbermaͤſ-
ſiges Reichthum und Gewalt ſich mit inbruͤnſti-
ger Andacht/ und alſo mit der Prieſter eigenen
Pflicht nicht vertraͤget/ ſondern ſie bey dem Be-
ſitzthume zur Uppigkeit verleite; Ehrſuͤchtigen
aber Anlaß gebe nach dieſem guͤldenen Apfel
durch alle verbotene Kuͤnſte zu ſtreben. Ju-
lius hatte gegen dem Lentulus das Recht gebeu-
get/ den Poͤfel angebetet/ und nahe ſein gantzes
Vermoͤgan verſchencket/ daß er nur den Quin-
tus Catulus/ und Publius Jſaurius/ welche
nebſt ihm ſich umb das Prieſterthum bewarben/
wegſtechen konte. Dieſe Peſt ſey auch leider
bey den Deutſchen eingeriſſen. Denn ſeine
Vorfahren haͤtten nicht nur aus einer allzugroſ-
ſen Gutwilligkeit verhangen/ daß die Miſſe-
thaͤter zu binden/ zu ſchlagen/ oder zu toͤdten nie-
manden als den Prieſtern freyſtehe; ſondern es
habe auch Segeſthes ſein Gewiſſen an Nagel
gehenckt/ die deutſche Freyheit auf die Schippe
geſetzt/ daß er ſeinem Sohne Siegmund nur das
Ubiſche Prieſterthum zuwege gebracht. Endlich
waͤre es ſo weit kommen/ daß ſolche ehrſuͤchtige
hohe Prieſter ſich ſelbſt vergoͤttert/ ihnen ſelbſt ge-
wiſſe Prieſter/ welche dieſe Wuͤrde vorher theuer
erkauffen muͤſſen/ angenommen/ und die nied-
lichſten Opfer von Samiſchen Pfauen/ Perſi-
ſchen Huͤnern/ Faſanen/ und Phoͤnicopter-Zun-
gen zu liefern angeordnet haͤtten. Dieſe Miß-
braͤuche zu unrecht angemaßter Gewalt haͤtte
jener Koͤnig zu Meroe mit Hinrichtung aller
Prie-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/617>, abgerufen am 01.07.2024. |