Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ster in die Rede/ und sagte: So höre ich wohl/dieses Bild sey nicht das Abbild euerer Göttin/ und ihr haltet die Natur auch selbst nicht dar- für. Jn keinerley weise/ antwortete mir der Priester. Diese Säule ist ein Spiegel der Natur/ die Natur aber Gottes. Jene ist die Harffe/ welche dieser stimmet; jene eine Strahl seiner überschwenglichen Herrligkeit/ nicht a- ber die selbstständige Gottheit/ welche/ ob sie zwar alles erfüllt/ erhält/ erleuchtet/ erwär- met/ erfreuet/ beseelet/ schwängert/ doch keine Verwunderung in ihrem Wesen/ keinen Ab- fall in ihren Kräfften leidet. Ob sie zwar auch in der Seele des Menschen mit Kräfften des Verstandes/ in den Gestirnen durch Wärmde/ Licht und andere Einflüsse in der irrdischen Welt durch Bewegung und Fruchtbarkeit würcket/ ja iedem Kraute etwas absonderliches einflöst/ so bestehet sie doch nur in einer einigen Einigkeit/ als aus welcher so vieler widriger Dinge Eintracht rinnet. Diese Einigkeit ist eine Mutter eines so unzehlbaren Vorraths/ welcher nirgends einigen Gebrechen zeigt/ gleichwol aber in aller dieser Menge keinen un- nützen Uberfluß hat. Sie würcket in dem gros- sen mit nichtbeschwerlicher Bemühung/ als in dem kleinen; Sie reget so leicht einen Wald voll Elefanten/ und ein Meer voll Wallfische/ als einen Ameiß-Hauffen. Alleine sie ist in grossen Dingen nur derogestalt eine so grosse Künstlerin/ daß sie gleichwol nicht kleiner in dem kleinen sey. Ja sie hat in dem kleinen mehr- mahls solch Belieben/ daß sie nirgends mehr gantz/ als in den kleinsten Geschöpffen zu seyn scheinet. Wormit aber gleichwol diese Gott- heit sich nicht selbst verkleinere/ noch ihre Uner- mäßligkeit gegen das grosse eine Abneigung zei- gen möchte/ hat sie in der Welt die grosse Son- ne/ das Hertze und Mittelpunct der Welt/ das unverseigende Qvell alles Lichtes zu ihrem Spiegel aufgethürmet. Denn wie diese allein machet/ daß man alle Sachen siehet/ sich aber doch selbst nicht recht sehen läst/ wie dieser ihr [Spaltenumbruch] Glantz alle andere Lichter verdüstert; Also er- öfnet auch Gott allen Thieren die Augen/ und dem Menschen den Verstand/ beydes aber kan ihn nicht sehen/ und alle andere Abgötter sind gegen ihm verdüsterte Schatten. Herentge- gen ist der Monde der Spiegel der kleinern Welt/ nehmlich des Menschen/ in dem beyde bald ab-bald zunehmen/ bald gebohren/ bald be- graben werden/ bald alles/ bald nichts sind/ bey- de ihr Licht nicht aus sich selbst/ sondern von der Sonne nehmen; wenn sie am vollkommensten sind/ die meisten Flecken haben/ und von der Er- de verfinstert werden. Wie der Monde alle- zeit sein Antlitz gegen der Sonnen kehret/ und seinen Morgenthau der Sonnen zu einem tä- glichen Opffer liefert; also soll das menschliche Hertze auch sich niemals von dieser Sonne der Gottheit abwenden/ sondern seine Seufzer und Gedancken ihr zu einem süssen Geruch andäch- tig abliefern. Dieses ist das rechte von GOtt verlangte Opffer/ welcher ihm nur zu einem eu- serlichen Kennzeichen das siebende Theil ihres Zuwachses auf dem nahe alldar stehenden Alta- re darreichen läst; massen die Kinder im Früh- linge die siebende Blume/ die mannbaren Jüng- linge und Jungfrauen im Sommer die sieben- de Garbe alles Getreydes/ die Männer das siebende Theil aller Baum-Gewächse zu brin- gen pflegen. Mit diesem wenigen seines eige- nen Geschenckes vergnügt sich Gott/ damit der Mensch so viel mehr ihm sein gantzes Hertze zu wiedmen Ursach haben möge. Wir hörten die- sen Eisgrauen (erzehlte Fürst Zeno ferner) mit grosser Vergnügung an; und weil er so wohl Griechisch redete/ bat ich ihn meinem Vorwitze zu ver geben/ und mir zu sagen: Ob er ein Einge- bohrner in diesem Lande/ oder ein Fremder wä- re? Dieser antwortete: Er wäre Meherdates/ ein gebohrner Armenier/ des Comanischen Prie- sters Archelaus/ mit dem Sylla und Gabinius verträuliche Freundschafft gepflogen hätte/ leib- licher Sohn/ dem Pompejus nicht allein zu die- sem Priesterthume verholffen/ sondern auch ein ansehn- A a a a 2
Arminius und Thußnelda. [Spaltenumbruch]
ſter in die Rede/ und ſagte: So hoͤre ich wohl/dieſes Bild ſey nicht das Abbild euerer Goͤttin/ und ihr haltet die Natur auch ſelbſt nicht dar- fuͤr. Jn keinerley weiſe/ antwortete mir der Prieſter. Dieſe Saͤule iſt ein Spiegel der Natur/ die Natur aber Gottes. Jene iſt die Harffe/ welche dieſer ſtimmet; jene eine Strahl ſeiner uͤberſchwenglichen Herrligkeit/ nicht a- ber die ſelbſtſtaͤndige Gottheit/ welche/ ob ſie zwar alles erfuͤllt/ erhaͤlt/ erleuchtet/ erwaͤr- met/ erfreuet/ beſeelet/ ſchwaͤngert/ doch keine Verwunderung in ihrem Weſen/ keinen Ab- fall in ihren Kraͤfften leidet. Ob ſie zwar auch in der Seele des Menſchen mit Kraͤfften des Verſtandes/ in den Geſtirnen durch Waͤrmde/ Licht und andere Einfluͤſſe in der irrdiſchen Welt durch Bewegung und Fruchtbarkeit wuͤrcket/ ja iedem Kraute etwas abſonderliches einfloͤſt/ ſo beſtehet ſie doch nur in einer einigen Einigkeit/ als aus welcher ſo vieler widriger Dinge Eintracht rinnet. Dieſe Einigkeit iſt eine Mutter eines ſo unzehlbaren Vorraths/ welcher nirgends einigen Gebrechen zeigt/ gleichwol aber in aller dieſer Menge keinen un- nuͤtzen Uberfluß hat. Sie wuͤrcket in dem groſ- ſen mit nichtbeſchwerlicher Bemuͤhung/ als in dem kleinen; Sie reget ſo leicht einen Wald voll Elefanten/ und ein Meer voll Wallfiſche/ als einen Ameiß-Hauffen. Alleine ſie iſt in groſſen Dingen nur derogeſtalt eine ſo groſſe Kuͤnſtlerin/ daß ſie gleichwol nicht kleiner in dem kleinen ſey. Ja ſie hat in dem kleinen mehr- mahls ſolch Belieben/ daß ſie nirgends mehr gantz/ als in den kleinſten Geſchoͤpffen zu ſeyn ſcheinet. Wormit aber gleichwol dieſe Gott- heit ſich nicht ſelbſt verkleinere/ noch ihre Uner- maͤßligkeit gegen das groſſe eine Abneigung zei- gen moͤchte/ hat ſie in der Welt die groſſe Son- ne/ das Hertze und Mittelpunct der Welt/ das unverſeigende Qvell alles Lichtes zu ihrem Spiegel aufgethuͤrmet. Denn wie dieſe allein machet/ daß man alle Sachen ſiehet/ ſich aber doch ſelbſt nicht recht ſehen laͤſt/ wie dieſer ihr [Spaltenumbruch] Glantz alle andere Lichter verduͤſtert; Alſo er- oͤfnet auch Gott allen Thieren die Augen/ und dem Menſchen den Verſtand/ beydes aber kan ihn nicht ſehen/ und alle andere Abgoͤtter ſind gegen ihm verduͤſterte Schatten. Herentge- gen iſt der Monde der Spiegel der kleinern Welt/ nehmlich des Menſchen/ in dem beyde bald ab-bald zunehmen/ bald gebohren/ bald be- graben werden/ bald alles/ bald nichts ſind/ bey- de ihr Licht nicht aus ſich ſelbſt/ ſondern von der Sonne nehmen; wenn ſie am vollkommenſten ſind/ die meiſten Flecken haben/ und von der Er- de verfinſtert werden. Wie der Monde alle- zeit ſein Antlitz gegen der Sonnen kehret/ und ſeinen Morgenthau der Sonnen zu einem taͤ- glichen Opffer liefert; alſo ſoll das menſchliche Hertze auch ſich niemals von dieſer Sonne der Gottheit abwenden/ ſondern ſeine Seufzer und Gedancken ihr zu einem ſuͤſſen Geruch andaͤch- tig abliefern. Dieſes iſt das rechte von GOtt verlangte Opffer/ welcher ihm nur zu einem eu- ſerlichen Kennzeichen das ſiebende Theil ihres Zuwachſes auf dem nahe alldar ſtehenden Alta- re darreichen laͤſt; maſſen die Kinder im Fruͤh- linge die ſiebende Blume/ die mannbaren Juͤng- linge und Jungfrauen im Sommer die ſieben- de Garbe alles Getreydes/ die Maͤnner das ſiebende Theil aller Baum-Gewaͤchſe zu brin- gen pflegen. Mit dieſem wenigen ſeines eige- nen Geſchenckes vergnuͤgt ſich Gott/ damit der Menſch ſo viel mehr ihm ſein gantzes Hertze zu wiedmen Urſach haben moͤge. Wir hoͤrten die- ſen Eisgrauen (erzehlte Fuͤrſt Zeno ferner) mit groſſer Vergnuͤgung an; und weil er ſo wohl Griechiſch redete/ bat ich ihn meinem Vorwitze zu ver geben/ und mir zu ſagen: Ob er ein Einge- bohrner in dieſem Lande/ oder ein Fremder waͤ- re? Dieſer antwortete: Er waͤre Meherdates/ ein gebohrneꝛ Armenier/ des Comaniſchen Prie- ſters Archelaus/ mit dem Sylla und Gabinius vertraͤuliche Freundſchafft gepflogen haͤtte/ leib- licher Sohn/ dem Pompejus nicht allein zu die- ſem Prieſterthume verholffen/ ſondern auch ein anſehn- A a a a 2
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Arminius und Thußnelda.
ſter in die Rede/ und ſagte: So hoͤre ich wohl/
dieſes Bild ſey nicht das Abbild euerer Goͤttin/
und ihr haltet die Natur auch ſelbſt nicht dar-
fuͤr. Jn keinerley weiſe/ antwortete mir der
Prieſter. Dieſe Saͤule iſt ein Spiegel der
Natur/ die Natur aber Gottes. Jene iſt die
Harffe/ welche dieſer ſtimmet; jene eine Strahl
ſeiner uͤberſchwenglichen Herrligkeit/ nicht a-
ber die ſelbſtſtaͤndige Gottheit/ welche/ ob ſie
zwar alles erfuͤllt/ erhaͤlt/ erleuchtet/ erwaͤr-
met/ erfreuet/ beſeelet/ ſchwaͤngert/ doch keine
Verwunderung in ihrem Weſen/ keinen Ab-
fall in ihren Kraͤfften leidet. Ob ſie zwar auch
in der Seele des Menſchen mit Kraͤfften des
Verſtandes/ in den Geſtirnen durch Waͤrmde/
Licht und andere Einfluͤſſe in der irrdiſchen
Welt durch Bewegung und Fruchtbarkeit
wuͤrcket/ ja iedem Kraute etwas abſonderliches
einfloͤſt/ ſo beſtehet ſie doch nur in einer einigen
Einigkeit/ als aus welcher ſo vieler widriger
Dinge Eintracht rinnet. Dieſe Einigkeit iſt
eine Mutter eines ſo unzehlbaren Vorraths/
welcher nirgends einigen Gebrechen zeigt/
gleichwol aber in aller dieſer Menge keinen un-
nuͤtzen Uberfluß hat. Sie wuͤrcket in dem groſ-
ſen mit nichtbeſchwerlicher Bemuͤhung/ als in
dem kleinen; Sie reget ſo leicht einen Wald
voll Elefanten/ und ein Meer voll Wallfiſche/
als einen Ameiß-Hauffen. Alleine ſie iſt in
groſſen Dingen nur derogeſtalt eine ſo groſſe
Kuͤnſtlerin/ daß ſie gleichwol nicht kleiner in dem
kleinen ſey. Ja ſie hat in dem kleinen mehr-
mahls ſolch Belieben/ daß ſie nirgends mehr
gantz/ als in den kleinſten Geſchoͤpffen zu ſeyn
ſcheinet. Wormit aber gleichwol dieſe Gott-
heit ſich nicht ſelbſt verkleinere/ noch ihre Uner-
maͤßligkeit gegen das groſſe eine Abneigung zei-
gen moͤchte/ hat ſie in der Welt die groſſe Son-
ne/ das Hertze und Mittelpunct der Welt/ das
unverſeigende Qvell alles Lichtes zu ihrem
Spiegel aufgethuͤrmet. Denn wie dieſe allein
machet/ daß man alle Sachen ſiehet/ ſich aber
doch ſelbſt nicht recht ſehen laͤſt/ wie dieſer ihr
Glantz alle andere Lichter verduͤſtert; Alſo er-
oͤfnet auch Gott allen Thieren die Augen/ und
dem Menſchen den Verſtand/ beydes aber kan
ihn nicht ſehen/ und alle andere Abgoͤtter ſind
gegen ihm verduͤſterte Schatten. Herentge-
gen iſt der Monde der Spiegel der kleinern
Welt/ nehmlich des Menſchen/ in dem beyde
bald ab-bald zunehmen/ bald gebohren/ bald be-
graben werden/ bald alles/ bald nichts ſind/ bey-
de ihr Licht nicht aus ſich ſelbſt/ ſondern von der
Sonne nehmen; wenn ſie am vollkommenſten
ſind/ die meiſten Flecken haben/ und von der Er-
de verfinſtert werden. Wie der Monde alle-
zeit ſein Antlitz gegen der Sonnen kehret/ und
ſeinen Morgenthau der Sonnen zu einem taͤ-
glichen Opffer liefert; alſo ſoll das menſchliche
Hertze auch ſich niemals von dieſer Sonne der
Gottheit abwenden/ ſondern ſeine Seufzer und
Gedancken ihr zu einem ſuͤſſen Geruch andaͤch-
tig abliefern. Dieſes iſt das rechte von GOtt
verlangte Opffer/ welcher ihm nur zu einem eu-
ſerlichen Kennzeichen das ſiebende Theil ihres
Zuwachſes auf dem nahe alldar ſtehenden Alta-
re darreichen laͤſt; maſſen die Kinder im Fruͤh-
linge die ſiebende Blume/ die mannbaren Juͤng-
linge und Jungfrauen im Sommer die ſieben-
de Garbe alles Getreydes/ die Maͤnner das
ſiebende Theil aller Baum-Gewaͤchſe zu brin-
gen pflegen. Mit dieſem wenigen ſeines eige-
nen Geſchenckes vergnuͤgt ſich Gott/ damit der
Menſch ſo viel mehr ihm ſein gantzes Hertze zu
wiedmen Urſach haben moͤge. Wir hoͤrten die-
ſen Eisgrauen (erzehlte Fuͤrſt Zeno ferner) mit
groſſer Vergnuͤgung an; und weil er ſo wohl
Griechiſch redete/ bat ich ihn meinem Vorwitze
zu ver geben/ und mir zu ſagen: Ob er ein Einge-
bohrner in dieſem Lande/ oder ein Fremder waͤ-
re? Dieſer antwortete: Er waͤre Meherdates/
ein gebohrneꝛ Armenier/ des Comaniſchen Prie-
ſters Archelaus/ mit dem Sylla und Gabinius
vertraͤuliche Freundſchafft gepflogen haͤtte/ leib-
licher Sohn/ dem Pompejus nicht allein zu die-
ſem Prieſterthume verholffen/ ſondern auch ein
anſehn-
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/611>, abgerufen am 26.06.2024. |