Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] ansehnliches Gebiete unterworffen hätte. Die-
se Würde wäre der Königlichen in vielem so na-
he/ daß er jährlich auch zwey Tage die Königli-
che Krone trüge/ und alle Königliche Gewalt
ausübte/ daß er Fürstliche Einkommen genüs-
se/ und allein sechs tausend Opffer-Knechte un-
terhielte; in vielem giengen sie auch gar über
den König/ indem dieser ihn als einen Vater
verehrete/ von ihm nicht allein Erinnerungen
annehmen/ sondern er auch die Beschwerden
des Volckes wider den König entscheiden mü-
ste. Uberdiß wäre das Glücke ihm so an die
Hand gegangen/ daß durch sein Anstifften der
König in Cappadocien Ariarathes vom Anto-
nius wäre getödtet/ ihm aber selbigen Reiches
Krone aufgesetzt worden. Ja/ ob er wol in der
Schlacht bey Actium dem Antonius beygestan-
den/ hätte er sich doch bey dem Augustus ausge-
föhnet/ und derogestalt eingeliebet/ daß er ihm
noch das kleinere Armenien und Cilicien ge-
schencket. Wie er aber derogestalt dem Glü-
cke gar in der Schooß zu sitzen vermeinet/ hätte
es ihn über Hals und Kopff herab gestürtzet/ in-
dem ihn der Landvogt in Syrien Titus beym
Käyser derogestalt ver gället/ daß er sich für den
Römischen Waffen und des Titus Nachstellun-
gen in das Taurische Gebürge flüchten müssen/
über welches ihn ein Armenier in diese glückse-
lige Gegend geführet; Gottes wunderbare
Versehung aber und die mehr hieraus/ als aus
seiner Geschickligkeit sich entspinnende Zunei-
gung dieses hier wohnenden Volckes ihn zu ei-
nem Priester der Natur gemacht/ also seinen
vorigen eitelen Gottesdienst allhier in einen viel
heiligern und glückseligern verwandelt hätte.
Allhier habe Gott und die Natur allererst seiner
angenommenen Blindheit abgeholffen/ die
Larve dem Glücke vom Gesichte gezogen/ und
mit dem Elende zeitlicher Würden und königli-
cher Höffe die Herrligkeit der Gemüths-Ruh/
und einer vergnüglichen Einsamkeit entdecket;
also/ daß ihn nun nach nichts weniger als seinem
[Spaltenumbruch] mit so viel Seufzern erworbenem/ und so unver-
hofft ihm aus den Händen gewundenem Zepter
gelüstete. Wormit er auch hierüber für uns so
viel mehr sein Gemüthe ausschüttete/ führete er
uns zu einem nahe darbey gelegenen Steinfelß/
darein er nachfolgende Gedancken/ von denen
ich mir gegenwärtige Abschrift auff gehoben/ mit
grosser Mühe eingegraben hatte:

Du Wetterhahn der Welt/ du Fallbret unsers Lebens/
Du Gauckelspiel der Zeit/ Gelücke/ gute Nacht!
Die Menschen zünden dir den Weyrauch an vergebens;
Und dein taub Ohr giebt nie auf Wunsch und Andacht acht.
Wenn du einmal dein Rad/ wir eine Hand umdrehen/
Sehn wir Colossen falln/ und schweres Ertzt verwehen.
Jch aber schätze dich weit über Gangens Schätze/
Du irrd'sches Paradiß/ du Hafen süsser Ruh/
Weil hier kein Wüterich giebt knechtische Gesetze/
Weil die Natur uns hier läst allen Willen zu/
Wo die Begierde nie aus dem Geschirre schläget/
Vergnügung und Vernunfft sich in ein Bette leget.
Verdammter Heyrath-Schluß/ unselige Vermählung!
Wo Geitz ein gülden Aas bebrütet Tag und Nacht;
Wo der sonst todte Schatz nur lebt zu unser Qvälung/
Wo Uberfluß uns arm und unersättlich macht;
Wo wir wie Tantalus beym Reichthum Hunger leiden/
Des Nachbars dicke Saat'/ und fettes Eyter neiden.
Hier herrschet die Natur/ die wenig nur verlanget/
Die läst die Wurtzel nicht des Bösen wurtzeln ein.
Kein Berg-Marck ist das so wie Pomerantzen pranget/
Woran die Früchte Gold/ die Blüte Perlen seyn;
Ja eingebalsamt Gold/ das Ambra von sich hauchet/
Und Perlen die man recht zur Hertzens-Stärckung brauchet.
Die güldnen Berge sind kein Merckmal güldner Länder/
Wo Gold in Flüssen schwimmt/ da rinnt auch Uppigkeit.
Diß Ertzt heckt aus den Geitz/ der Geitz gebiehrt Verschwender;
Wo man das Gold nicht kennt/ da ist die güldne Zeit.
Und da die eiserne/ wo man schärfft Stahl zu Degen/
Und nicht das Eisen schmeltzt zu Pflugschar'n und zu Eegen.
Wiewol der Acker trägt hier Weitzen und Getreide/
Wo gleich kein Pflug streicht hin/ die Eege nicht fährt ein.
Der Baum/ der anderwärts bringt Wolle/ giebt hier Seide/
Die Kiefer köstlich Oel/ der Schleedorn süssen Wein.
Der Zucker wächst auff Schilff/ die Buche trägt Muscaten/
Die Mantel Dattelkern/ der Apffelbaum Granaten.
Die Ameiß sammlet hier zusammen Weyrauch-Körner/
Die Holder-Staude treifft von Balsam und Jasmin/
Die Disteln stehn voll Lilg- und Rosen ohne Dörner/
Und auf Wacholdern sieh't man Nelck' und Zimmet blüh'n/
Die

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] anſehnliches Gebiete unterworffen haͤtte. Die-
ſe Wuͤrde waͤre der Koͤniglichen in vielem ſo na-
he/ daß er jaͤhrlich auch zwey Tage die Koͤnigli-
che Krone truͤge/ und alle Koͤnigliche Gewalt
ausuͤbte/ daß er Fuͤrſtliche Einkommen genuͤſ-
ſe/ und allein ſechs tauſend Opffer-Knechte un-
terhielte; in vielem giengen ſie auch gar uͤber
den Koͤnig/ indem dieſer ihn als einen Vater
verehrete/ von ihm nicht allein Erinnerungen
annehmen/ ſondern er auch die Beſchwerden
des Volckes wider den Koͤnig entſcheiden muͤ-
ſte. Uberdiß waͤre das Gluͤcke ihm ſo an die
Hand gegangen/ daß durch ſein Anſtifften der
Koͤnig in Cappadocien Ariarathes vom Anto-
nius waͤre getoͤdtet/ ihm aber ſelbigen Reiches
Krone aufgeſetzt worden. Ja/ ob er wol in der
Schlacht bey Actium dem Antonius beygeſtan-
den/ haͤtte er ſich doch bey dem Auguſtus ausge-
foͤhnet/ und derogeſtalt eingeliebet/ daß er ihm
noch das kleinere Armenien und Cilicien ge-
ſchencket. Wie er aber derogeſtalt dem Gluͤ-
cke gar in der Schooß zu ſitzen vermeinet/ haͤtte
es ihn uͤber Hals und Kopff herab geſtuͤrtzet/ in-
dem ihn der Landvogt in Syrien Titus beym
Kaͤyſer derogeſtalt ver gaͤllet/ daß er ſich fuͤr den
Roͤmiſchen Waffen und des Titus Nachſtellun-
gen in das Tauriſche Gebuͤrge fluͤchten muͤſſen/
uͤber welches ihn ein Armenier in dieſe gluͤckſe-
lige Gegend gefuͤhret; Gottes wunderbare
Verſehung aber und die mehr hieraus/ als aus
ſeiner Geſchickligkeit ſich entſpinnende Zunei-
gung dieſes hier wohnenden Volckes ihn zu ei-
nem Prieſter der Natur gemacht/ alſo ſeinen
vorigen eitelen Gottesdienſt allhier in einen viel
heiligern und gluͤckſeligern verwandelt haͤtte.
Allhier habe Gott und die Natur allererſt ſeiner
angenommenen Blindheit abgeholffen/ die
Larve dem Gluͤcke vom Geſichte gezogen/ und
mit dem Elende zeitlicher Wuͤrden und koͤnigli-
cher Hoͤffe die Herrligkeit der Gemuͤths-Ruh/
und einer vergnuͤglichen Einſamkeit entdecket;
alſo/ daß ihn nun nach nichts weniger als ſeinem
[Spaltenumbruch] mit ſo viel Seufzern erworbenem/ und ſo unver-
hofft ihm aus den Haͤnden gewundenem Zepter
geluͤſtete. Wormit er auch hieruͤber fuͤr uns ſo
viel mehr ſein Gemuͤthe ausſchuͤttete/ fuͤhrete er
uns zu einem nahe darbey gelegenen Steinfelß/
darein er nachfolgende Gedancken/ von denen
ich mir gegenwaͤrtige Abſchrift auff gehoben/ mit
groſſer Muͤhe eingegraben hatte:

Du Wetterhahn der Welt/ du Fallbret unſers Lebens/
Du Gauckelſpiel der Zeit/ Geluͤcke/ gute Nacht!
Die Menſchen zuͤnden dir den Weyrauch an vergebens;
Und dein taub Ohr giebt nie auf Wunſch und Andacht acht.
Wenn du einmal dein Rad/ wir eine Hand umdrehen/
Sehn wir Coloſſen falln/ und ſchweres Ertzt verwehen.
Jch aber ſchaͤtze dich weit uͤber Gangens Schaͤtze/
Du irrd’ſches Paradiß/ du Hafen ſuͤſſer Ruh/
Weil hier kein Wuͤterich giebt knechtiſche Geſetze/
Weil die Natur uns hier laͤſt allen Willen zu/
Wo die Begierde nie aus dem Geſchirre ſchlaͤget/
Vergnuͤgung und Vernunfft ſich in ein Bette leget.
Verdammter Heyrath-Schluß/ unſelige Vermaͤhlung!
Wo Geitz ein guͤlden Aas bebruͤtet Tag und Nacht;
Wo der ſonſt todte Schatz nur lebt zu unſer Qvaͤlung/
Wo Uberfluß uns arm und unerſaͤttlich macht;
Wo wir wie Tantalus beym Reichthum Hunger leiden/
Des Nachbars dicke Saat’/ und fettes Eyter neiden.
Hier herrſchet die Natur/ die wenig nur verlanget/
Die laͤſt die Wurtzel nicht des Boͤſen wurtzeln ein.
Kein Berg-Marck iſt das ſo wie Pomerantzen pranget/
Woran die Fruͤchte Gold/ die Bluͤte Perlen ſeyn;
Ja eingebalſamt Gold/ das Ambra von ſich hauchet/
Und Perlen die man recht zur Hertzens-Staͤrckung brauchet.
Die guͤldnen Berge ſind kein Merckmal guͤldner Laͤnder/
Wo Gold in Fluͤſſen ſchwimmt/ da rinnt auch Uppigkeit.
Diß Ertzt heckt aus den Geitz/ der Geitz gebiehrt Verſchwender;
Wo man das Gold nicht kennt/ da iſt die guͤldne Zeit.
Und da die eiſerne/ wo man ſchaͤrfft Stahl zu Degen/
Und nicht das Eiſen ſchmeltzt zu Pflugſchar’n und zu Eegen.
Wiewol der Acker traͤgt hier Weitzen und Getreide/
Wo gleich kein Pflug ſtreicht hin/ die Eege nicht faͤhrt ein.
Der Baum/ der anderwaͤrts bringt Wolle/ giebt hier Seide/
Die Kiefer koͤſtlich Oel/ der Schleedorn ſuͤſſen Wein.
Der Zucker waͤchſt auff Schilff/ die Buche traͤgt Muſcaten/
Die Mantel Dattelkern/ der Apffelbaum Granaten.
Die Ameiß ſammlet hier zuſammen Weyrauch-Koͤrner/
Die Holder-Staude treifft von Balſam und Jaſmin/
Die Diſteln ſtehn voll Lilg- und Roſen ohne Doͤrner/
Und auf Wacholdern ſieh’t man Nelck’ und Zimmet bluͤh’n/
Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0612" n="556"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
an&#x017F;ehnliches Gebiete unterworffen ha&#x0364;tte. Die-<lb/>
&#x017F;e Wu&#x0364;rde wa&#x0364;re der Ko&#x0364;niglichen in vielem &#x017F;o na-<lb/>
he/ daß er ja&#x0364;hrlich auch zwey Tage die Ko&#x0364;nigli-<lb/>
che Krone tru&#x0364;ge/ und alle Ko&#x0364;nigliche Gewalt<lb/>
ausu&#x0364;bte/ daß er Fu&#x0364;r&#x017F;tliche Einkommen genu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e/ und allein &#x017F;echs tau&#x017F;end Opffer-Knechte un-<lb/>
terhielte; in vielem giengen &#x017F;ie auch gar u&#x0364;ber<lb/>
den Ko&#x0364;nig/ indem die&#x017F;er ihn als einen Vater<lb/>
verehrete/ von ihm nicht allein Erinnerungen<lb/>
annehmen/ &#x017F;ondern er auch die Be&#x017F;chwerden<lb/>
des Volckes wider den Ko&#x0364;nig ent&#x017F;cheiden mu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;te. Uberdiß wa&#x0364;re das Glu&#x0364;cke ihm &#x017F;o an die<lb/>
Hand gegangen/ daß durch &#x017F;ein An&#x017F;tifften der<lb/>
Ko&#x0364;nig in Cappadocien Ariarathes vom Anto-<lb/>
nius wa&#x0364;re geto&#x0364;dtet/ ihm aber &#x017F;elbigen Reiches<lb/>
Krone aufge&#x017F;etzt worden. Ja/ ob er wol in der<lb/>
Schlacht bey Actium dem Antonius beyge&#x017F;tan-<lb/>
den/ ha&#x0364;tte er &#x017F;ich doch bey dem Augu&#x017F;tus ausge-<lb/>
fo&#x0364;hnet/ und deroge&#x017F;talt eingeliebet/ daß er ihm<lb/>
noch das kleinere Armenien und Cilicien ge-<lb/>
&#x017F;chencket. Wie er aber deroge&#x017F;talt dem Glu&#x0364;-<lb/>
cke gar in der Schooß zu &#x017F;itzen vermeinet/ ha&#x0364;tte<lb/>
es ihn u&#x0364;ber Hals und Kopff herab ge&#x017F;tu&#x0364;rtzet/ in-<lb/>
dem ihn der Landvogt in Syrien Titus beym<lb/>
Ka&#x0364;y&#x017F;er deroge&#x017F;talt ver ga&#x0364;llet/ daß er &#x017F;ich fu&#x0364;r den<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Waffen und des Titus Nach&#x017F;tellun-<lb/>
gen in das Tauri&#x017F;che Gebu&#x0364;rge flu&#x0364;chten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
u&#x0364;ber welches ihn ein Armenier in die&#x017F;e glu&#x0364;ck&#x017F;e-<lb/>
lige Gegend gefu&#x0364;hret; Gottes wunderbare<lb/>
Ver&#x017F;ehung aber und die mehr hieraus/ als aus<lb/>
&#x017F;einer Ge&#x017F;chickligkeit &#x017F;ich ent&#x017F;pinnende Zunei-<lb/>
gung die&#x017F;es hier wohnenden Volckes ihn zu ei-<lb/>
nem Prie&#x017F;ter der Natur gemacht/ al&#x017F;o &#x017F;einen<lb/>
vorigen eitelen Gottesdien&#x017F;t allhier in einen viel<lb/>
heiligern und glu&#x0364;ck&#x017F;eligern verwandelt ha&#x0364;tte.<lb/>
Allhier habe Gott und die Natur allerer&#x017F;t &#x017F;einer<lb/>
angenommenen Blindheit abgeholffen/ die<lb/>
Larve dem Glu&#x0364;cke vom Ge&#x017F;ichte gezogen/ und<lb/>
mit dem Elende zeitlicher Wu&#x0364;rden und ko&#x0364;nigli-<lb/>
cher Ho&#x0364;ffe die Herrligkeit der Gemu&#x0364;ths-Ruh/<lb/>
und einer vergnu&#x0364;glichen Ein&#x017F;amkeit entdecket;<lb/>
al&#x017F;o/ daß ihn nun nach nichts weniger als &#x017F;einem<lb/><cb/>
mit &#x017F;o viel Seufzern erworbenem/ und &#x017F;o unver-<lb/>
hofft ihm aus den Ha&#x0364;nden gewundenem Zepter<lb/>
gelu&#x0364;&#x017F;tete. Wormit er auch hieru&#x0364;ber fu&#x0364;r uns &#x017F;o<lb/>
viel mehr &#x017F;ein Gemu&#x0364;the aus&#x017F;chu&#x0364;ttete/ fu&#x0364;hrete er<lb/>
uns zu einem nahe darbey gelegenen Steinfelß/<lb/>
darein er nachfolgende Gedancken/ von denen<lb/>
ich mir gegenwa&#x0364;rtige Ab&#x017F;chrift auff gehoben/ mit<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;er Mu&#x0364;he eingegraben hatte:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Du Wetterhahn der Welt/ du Fallbret un&#x017F;ers Lebens/</l><lb/>
              <l>Du Gauckel&#x017F;piel der Zeit/ Gelu&#x0364;cke/ gute Nacht!</l><lb/>
              <l>Die Men&#x017F;chen zu&#x0364;nden dir den Weyrauch an vergebens;</l><lb/>
              <l>Und dein taub Ohr giebt nie auf Wun&#x017F;ch und Andacht acht.</l><lb/>
              <l>Wenn du einmal dein Rad/ wir eine Hand umdrehen/</l><lb/>
              <l>Sehn wir Colo&#x017F;&#x017F;en falln/ und &#x017F;chweres Ertzt verwehen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Jch aber &#x017F;cha&#x0364;tze dich weit u&#x0364;ber Gangens Scha&#x0364;tze/</l><lb/>
              <l>Du irrd&#x2019;&#x017F;ches Paradiß/ du Hafen &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Ruh/</l><lb/>
              <l>Weil hier kein Wu&#x0364;terich giebt knechti&#x017F;che Ge&#x017F;etze/</l><lb/>
              <l>Weil die Natur uns hier la&#x0364;&#x017F;t allen Willen zu/</l><lb/>
              <l>Wo die Begierde nie aus dem Ge&#x017F;chirre &#x017F;chla&#x0364;get/</l><lb/>
              <l>Vergnu&#x0364;gung und Vernunfft &#x017F;ich in ein Bette leget.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Verdammter Heyrath-Schluß/ un&#x017F;elige Verma&#x0364;hlung!</l><lb/>
              <l>Wo Geitz ein gu&#x0364;lden Aas bebru&#x0364;tet Tag und Nacht;</l><lb/>
              <l>Wo der &#x017F;on&#x017F;t todte Schatz nur lebt zu un&#x017F;er Qva&#x0364;lung/</l><lb/>
              <l>Wo Uberfluß uns arm und uner&#x017F;a&#x0364;ttlich macht;</l><lb/>
              <l>Wo wir wie Tantalus beym Reichthum Hunger leiden/</l><lb/>
              <l>Des Nachbars dicke Saat&#x2019;/ und fettes Eyter neiden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Hier herr&#x017F;chet die Natur/ die wenig nur verlanget/</l><lb/>
              <l>Die la&#x0364;&#x017F;t die Wurtzel nicht des Bo&#x0364;&#x017F;en wurtzeln ein.</l><lb/>
              <l>Kein Berg-Marck i&#x017F;t das &#x017F;o wie Pomerantzen pranget/</l><lb/>
              <l>Woran die Fru&#x0364;chte Gold/ die Blu&#x0364;te Perlen &#x017F;eyn;</l><lb/>
              <l>Ja eingebal&#x017F;amt Gold/ das Ambra von &#x017F;ich hauchet/</l><lb/>
              <l>Und Perlen die man recht zur Hertzens-Sta&#x0364;rckung brauchet.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Die gu&#x0364;ldnen Berge &#x017F;ind kein Merckmal gu&#x0364;ldner La&#x0364;nder/</l><lb/>
              <l>Wo Gold in Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chwimmt/ da rinnt auch Uppigkeit.</l><lb/>
              <l>Diß Ertzt heckt aus den Geitz/ der Geitz gebiehrt Ver&#x017F;chwender;</l><lb/>
              <l>Wo man das Gold nicht kennt/ da i&#x017F;t die gu&#x0364;ldne Zeit.</l><lb/>
              <l>Und da die ei&#x017F;erne/ wo man &#x017F;cha&#x0364;rfft Stahl zu Degen/</l><lb/>
              <l>Und nicht das Ei&#x017F;en &#x017F;chmeltzt zu Pflug&#x017F;char&#x2019;n und zu Eegen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Wiewol der Acker tra&#x0364;gt hier Weitzen und Getreide/</l><lb/>
              <l>Wo gleich kein Pflug &#x017F;treicht hin/ die Eege nicht fa&#x0364;hrt ein.</l><lb/>
              <l>Der Baum/ der anderwa&#x0364;rts bringt Wolle/ giebt hier Seide/</l><lb/>
              <l>Die Kiefer ko&#x0364;&#x017F;tlich Oel/ der Schleedorn &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Wein.</l><lb/>
              <l>Der Zucker wa&#x0364;ch&#x017F;t auff Schilff/ die Buche tra&#x0364;gt Mu&#x017F;caten/</l><lb/>
              <l>Die Mantel Dattelkern/ der Apffelbaum Granaten.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Die Ameiß &#x017F;ammlet hier zu&#x017F;ammen Weyrauch-Ko&#x0364;rner/</l><lb/>
              <l>Die Holder-Staude treifft von Bal&#x017F;am und Ja&#x017F;min/</l><lb/>
              <l>Die Di&#x017F;teln &#x017F;tehn voll Lilg- und Ro&#x017F;en ohne Do&#x0364;rner/</l><lb/>
              <l>Und auf Wacholdern &#x017F;ieh&#x2019;t man Nelck&#x2019; und Zimmet blu&#x0364;h&#x2019;n/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[556/0612] Fuͤnfftes Buch anſehnliches Gebiete unterworffen haͤtte. Die- ſe Wuͤrde waͤre der Koͤniglichen in vielem ſo na- he/ daß er jaͤhrlich auch zwey Tage die Koͤnigli- che Krone truͤge/ und alle Koͤnigliche Gewalt ausuͤbte/ daß er Fuͤrſtliche Einkommen genuͤſ- ſe/ und allein ſechs tauſend Opffer-Knechte un- terhielte; in vielem giengen ſie auch gar uͤber den Koͤnig/ indem dieſer ihn als einen Vater verehrete/ von ihm nicht allein Erinnerungen annehmen/ ſondern er auch die Beſchwerden des Volckes wider den Koͤnig entſcheiden muͤ- ſte. Uberdiß waͤre das Gluͤcke ihm ſo an die Hand gegangen/ daß durch ſein Anſtifften der Koͤnig in Cappadocien Ariarathes vom Anto- nius waͤre getoͤdtet/ ihm aber ſelbigen Reiches Krone aufgeſetzt worden. Ja/ ob er wol in der Schlacht bey Actium dem Antonius beygeſtan- den/ haͤtte er ſich doch bey dem Auguſtus ausge- foͤhnet/ und derogeſtalt eingeliebet/ daß er ihm noch das kleinere Armenien und Cilicien ge- ſchencket. Wie er aber derogeſtalt dem Gluͤ- cke gar in der Schooß zu ſitzen vermeinet/ haͤtte es ihn uͤber Hals und Kopff herab geſtuͤrtzet/ in- dem ihn der Landvogt in Syrien Titus beym Kaͤyſer derogeſtalt ver gaͤllet/ daß er ſich fuͤr den Roͤmiſchen Waffen und des Titus Nachſtellun- gen in das Tauriſche Gebuͤrge fluͤchten muͤſſen/ uͤber welches ihn ein Armenier in dieſe gluͤckſe- lige Gegend gefuͤhret; Gottes wunderbare Verſehung aber und die mehr hieraus/ als aus ſeiner Geſchickligkeit ſich entſpinnende Zunei- gung dieſes hier wohnenden Volckes ihn zu ei- nem Prieſter der Natur gemacht/ alſo ſeinen vorigen eitelen Gottesdienſt allhier in einen viel heiligern und gluͤckſeligern verwandelt haͤtte. Allhier habe Gott und die Natur allererſt ſeiner angenommenen Blindheit abgeholffen/ die Larve dem Gluͤcke vom Geſichte gezogen/ und mit dem Elende zeitlicher Wuͤrden und koͤnigli- cher Hoͤffe die Herrligkeit der Gemuͤths-Ruh/ und einer vergnuͤglichen Einſamkeit entdecket; alſo/ daß ihn nun nach nichts weniger als ſeinem mit ſo viel Seufzern erworbenem/ und ſo unver- hofft ihm aus den Haͤnden gewundenem Zepter geluͤſtete. Wormit er auch hieruͤber fuͤr uns ſo viel mehr ſein Gemuͤthe ausſchuͤttete/ fuͤhrete er uns zu einem nahe darbey gelegenen Steinfelß/ darein er nachfolgende Gedancken/ von denen ich mir gegenwaͤrtige Abſchrift auff gehoben/ mit groſſer Muͤhe eingegraben hatte: Du Wetterhahn der Welt/ du Fallbret unſers Lebens/ Du Gauckelſpiel der Zeit/ Geluͤcke/ gute Nacht! Die Menſchen zuͤnden dir den Weyrauch an vergebens; Und dein taub Ohr giebt nie auf Wunſch und Andacht acht. Wenn du einmal dein Rad/ wir eine Hand umdrehen/ Sehn wir Coloſſen falln/ und ſchweres Ertzt verwehen. Jch aber ſchaͤtze dich weit uͤber Gangens Schaͤtze/ Du irrd’ſches Paradiß/ du Hafen ſuͤſſer Ruh/ Weil hier kein Wuͤterich giebt knechtiſche Geſetze/ Weil die Natur uns hier laͤſt allen Willen zu/ Wo die Begierde nie aus dem Geſchirre ſchlaͤget/ Vergnuͤgung und Vernunfft ſich in ein Bette leget. Verdammter Heyrath-Schluß/ unſelige Vermaͤhlung! Wo Geitz ein guͤlden Aas bebruͤtet Tag und Nacht; Wo der ſonſt todte Schatz nur lebt zu unſer Qvaͤlung/ Wo Uberfluß uns arm und unerſaͤttlich macht; Wo wir wie Tantalus beym Reichthum Hunger leiden/ Des Nachbars dicke Saat’/ und fettes Eyter neiden. Hier herrſchet die Natur/ die wenig nur verlanget/ Die laͤſt die Wurtzel nicht des Boͤſen wurtzeln ein. Kein Berg-Marck iſt das ſo wie Pomerantzen pranget/ Woran die Fruͤchte Gold/ die Bluͤte Perlen ſeyn; Ja eingebalſamt Gold/ das Ambra von ſich hauchet/ Und Perlen die man recht zur Hertzens-Staͤrckung brauchet. Die guͤldnen Berge ſind kein Merckmal guͤldner Laͤnder/ Wo Gold in Fluͤſſen ſchwimmt/ da rinnt auch Uppigkeit. Diß Ertzt heckt aus den Geitz/ der Geitz gebiehrt Verſchwender; Wo man das Gold nicht kennt/ da iſt die guͤldne Zeit. Und da die eiſerne/ wo man ſchaͤrfft Stahl zu Degen/ Und nicht das Eiſen ſchmeltzt zu Pflugſchar’n und zu Eegen. Wiewol der Acker traͤgt hier Weitzen und Getreide/ Wo gleich kein Pflug ſtreicht hin/ die Eege nicht faͤhrt ein. Der Baum/ der anderwaͤrts bringt Wolle/ giebt hier Seide/ Die Kiefer koͤſtlich Oel/ der Schleedorn ſuͤſſen Wein. Der Zucker waͤchſt auff Schilff/ die Buche traͤgt Muſcaten/ Die Mantel Dattelkern/ der Apffelbaum Granaten. Die Ameiß ſammlet hier zuſammen Weyrauch-Koͤrner/ Die Holder-Staude treifft von Balſam und Jaſmin/ Die Diſteln ſtehn voll Lilg- und Roſen ohne Doͤrner/ Und auf Wacholdern ſieh’t man Nelck’ und Zimmet bluͤh’n/ Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/612
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/612>, abgerufen am 23.11.2024.