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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] ansehnliches Gebiete unterworffen hätte. Die-
se Würde wäre der Königlichen in vielem so na-
he/ daß er jährlich auch zwey Tage die Königli-
che Krone trüge/ und alle Königliche Gewalt
ausübte/ daß er Fürstliche Einkommen genüs-
se/ und allein sechs tausend Opffer-Knechte un-
terhielte; in vielem giengen sie auch gar über
den König/ indem dieser ihn als einen Vater
verehrete/ von ihm nicht allein Erinnerungen
annehmen/ sondern er auch die Beschwerden
des Volckes wider den König entscheiden mü-
ste. Uberdiß wäre das Glücke ihm so an die
Hand gegangen/ daß durch sein Anstifften der
König in Cappadocien Ariarathes vom Anto-
nius wäre getödtet/ ihm aber selbigen Reiches
Krone aufgesetzt worden. Ja/ ob er wol in der
Schlacht bey Actium dem Antonius beygestan-
den/ hätte er sich doch bey dem Augustus ausge-
föhnet/ und derogestalt eingeliebet/ daß er ihm
noch das kleinere Armenien und Cilicien ge-
schencket. Wie er aber derogestalt dem Glü-
cke gar in der Schooß zu sitzen vermeinet/ hätte
es ihn über Hals und Kopff herab gestürtzet/ in-
dem ihn der Landvogt in Syrien Titus beym
Käyser derogestalt ver gället/ daß er sich für den
Römischen Waffen und des Titus Nachstellun-
gen in das Taurische Gebürge flüchten müssen/
über welches ihn ein Armenier in diese glückse-
lige Gegend geführet; Gottes wunderbare
Versehung aber und die mehr hieraus/ als aus
seiner Geschickligkeit sich entspinnende Zunei-
gung dieses hier wohnenden Volckes ihn zu ei-
nem Priester der Natur gemacht/ also seinen
vorigen eitelen Gottesdienst allhier in einen viel
heiligern und glückseligern verwandelt hätte.
Allhier habe Gott und die Natur allererst seiner
angenommenen Blindheit abgeholffen/ die
Larve dem Glücke vom Gesichte gezogen/ und
mit dem Elende zeitlicher Würden und königli-
cher Höffe die Herrligkeit der Gemüths-Ruh/
und einer vergnüglichen Einsamkeit entdecket;
also/ daß ihn nun nach nichts weniger als seinem
[Spaltenumbruch] mit so viel Seufzern erworbenem/ und so unver-
hofft ihm aus den Händen gewundenem Zepter
gelüstete. Wormit er auch hierüber für uns so
viel mehr sein Gemüthe ausschüttete/ führete er
uns zu einem nahe darbey gelegenen Steinfelß/
darein er nachfolgende Gedancken/ von denen
ich mir gegenwärtige Abschrift auff gehoben/ mit
grosser Mühe eingegraben hatte:

Du Wetterhahn der Welt/ du Fallbret unsers Lebens/
Du Gauckelspiel der Zeit/ Gelücke/ gute Nacht!
Die Menschen zünden dir den Weyrauch an vergebens;
Und dein taub Ohr giebt nie auf Wunsch und Andacht acht.
Wenn du einmal dein Rad/ wir eine Hand umdrehen/
Sehn wir Colossen falln/ und schweres Ertzt verwehen.
Jch aber schätze dich weit über Gangens Schätze/
Du irrd'sches Paradiß/ du Hafen süsser Ruh/
Weil hier kein Wüterich giebt knechtische Gesetze/
Weil die Natur uns hier läst allen Willen zu/
Wo die Begierde nie aus dem Geschirre schläget/
Vergnügung und Vernunfft sich in ein Bette leget.
Verdammter Heyrath-Schluß/ unselige Vermählung!
Wo Geitz ein gülden Aas bebrütet Tag und Nacht;
Wo der sonst todte Schatz nur lebt zu unser Qvälung/
Wo Uberfluß uns arm und unersättlich macht;
Wo wir wie Tantalus beym Reichthum Hunger leiden/
Des Nachbars dicke Saat'/ und fettes Eyter neiden.
Hier herrschet die Natur/ die wenig nur verlanget/
Die läst die Wurtzel nicht des Bösen wurtzeln ein.
Kein Berg-Marck ist das so wie Pomerantzen pranget/
Woran die Früchte Gold/ die Blüte Perlen seyn;
Ja eingebalsamt Gold/ das Ambra von sich hauchet/
Und Perlen die man recht zur Hertzens-Stärckung brauchet.
Die güldnen Berge sind kein Merckmal güldner Länder/
Wo Gold in Flüssen schwimmt/ da rinnt auch Uppigkeit.
Diß Ertzt heckt aus den Geitz/ der Geitz gebiehrt Verschwender;
Wo man das Gold nicht kennt/ da ist die güldne Zeit.
Und da die eiserne/ wo man schärfft Stahl zu Degen/
Und nicht das Eisen schmeltzt zu Pflugschar'n und zu Eegen.
Wiewol der Acker trägt hier Weitzen und Getreide/
Wo gleich kein Pflug streicht hin/ die Eege nicht fährt ein.
Der Baum/ der anderwärts bringt Wolle/ giebt hier Seide/
Die Kiefer köstlich Oel/ der Schleedorn süssen Wein.
Der Zucker wächst auff Schilff/ die Buche trägt Muscaten/
Die Mantel Dattelkern/ der Apffelbaum Granaten.
Die Ameiß sammlet hier zusammen Weyrauch-Körner/
Die Holder-Staude treifft von Balsam und Jasmin/
Die Disteln stehn voll Lilg- und Rosen ohne Dörner/
Und auf Wacholdern sieh't man Nelck' und Zimmet blüh'n/
Die

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] anſehnliches Gebiete unterworffen haͤtte. Die-
ſe Wuͤrde waͤre der Koͤniglichen in vielem ſo na-
he/ daß er jaͤhrlich auch zwey Tage die Koͤnigli-
che Krone truͤge/ und alle Koͤnigliche Gewalt
ausuͤbte/ daß er Fuͤrſtliche Einkommen genuͤſ-
ſe/ und allein ſechs tauſend Opffer-Knechte un-
terhielte; in vielem giengen ſie auch gar uͤber
den Koͤnig/ indem dieſer ihn als einen Vater
verehrete/ von ihm nicht allein Erinnerungen
annehmen/ ſondern er auch die Beſchwerden
des Volckes wider den Koͤnig entſcheiden muͤ-
ſte. Uberdiß waͤre das Gluͤcke ihm ſo an die
Hand gegangen/ daß durch ſein Anſtifften der
Koͤnig in Cappadocien Ariarathes vom Anto-
nius waͤre getoͤdtet/ ihm aber ſelbigen Reiches
Krone aufgeſetzt worden. Ja/ ob er wol in der
Schlacht bey Actium dem Antonius beygeſtan-
den/ haͤtte er ſich doch bey dem Auguſtus ausge-
foͤhnet/ und derogeſtalt eingeliebet/ daß er ihm
noch das kleinere Armenien und Cilicien ge-
ſchencket. Wie er aber derogeſtalt dem Gluͤ-
cke gar in der Schooß zu ſitzen vermeinet/ haͤtte
es ihn uͤber Hals und Kopff herab geſtuͤrtzet/ in-
dem ihn der Landvogt in Syrien Titus beym
Kaͤyſer derogeſtalt ver gaͤllet/ daß er ſich fuͤr den
Roͤmiſchen Waffen und des Titus Nachſtellun-
gen in das Tauriſche Gebuͤrge fluͤchten muͤſſen/
uͤber welches ihn ein Armenier in dieſe gluͤckſe-
lige Gegend gefuͤhret; Gottes wunderbare
Verſehung aber und die mehr hieraus/ als aus
ſeiner Geſchickligkeit ſich entſpinnende Zunei-
gung dieſes hier wohnenden Volckes ihn zu ei-
nem Prieſter der Natur gemacht/ alſo ſeinen
vorigen eitelen Gottesdienſt allhier in einen viel
heiligern und gluͤckſeligern verwandelt haͤtte.
Allhier habe Gott und die Natur allererſt ſeiner
angenommenen Blindheit abgeholffen/ die
Larve dem Gluͤcke vom Geſichte gezogen/ und
mit dem Elende zeitlicher Wuͤrden und koͤnigli-
cher Hoͤffe die Herrligkeit der Gemuͤths-Ruh/
und einer vergnuͤglichen Einſamkeit entdecket;
alſo/ daß ihn nun nach nichts weniger als ſeinem
[Spaltenumbruch] mit ſo viel Seufzern erworbenem/ und ſo unver-
hofft ihm aus den Haͤnden gewundenem Zepter
geluͤſtete. Wormit er auch hieruͤber fuͤr uns ſo
viel mehr ſein Gemuͤthe ausſchuͤttete/ fuͤhrete er
uns zu einem nahe darbey gelegenen Steinfelß/
darein er nachfolgende Gedancken/ von denen
ich mir gegenwaͤrtige Abſchrift auff gehoben/ mit
groſſer Muͤhe eingegraben hatte:

Du Wetterhahn der Welt/ du Fallbret unſers Lebens/
Du Gauckelſpiel der Zeit/ Geluͤcke/ gute Nacht!
Die Menſchen zuͤnden dir den Weyrauch an vergebens;
Und dein taub Ohr giebt nie auf Wunſch und Andacht acht.
Wenn du einmal dein Rad/ wir eine Hand umdrehen/
Sehn wir Coloſſen falln/ und ſchweres Ertzt verwehen.
Jch aber ſchaͤtze dich weit uͤber Gangens Schaͤtze/
Du irrd’ſches Paradiß/ du Hafen ſuͤſſer Ruh/
Weil hier kein Wuͤterich giebt knechtiſche Geſetze/
Weil die Natur uns hier laͤſt allen Willen zu/
Wo die Begierde nie aus dem Geſchirre ſchlaͤget/
Vergnuͤgung und Vernunfft ſich in ein Bette leget.
Verdammter Heyrath-Schluß/ unſelige Vermaͤhlung!
Wo Geitz ein guͤlden Aas bebruͤtet Tag und Nacht;
Wo der ſonſt todte Schatz nur lebt zu unſer Qvaͤlung/
Wo Uberfluß uns arm und unerſaͤttlich macht;
Wo wir wie Tantalus beym Reichthum Hunger leiden/
Des Nachbars dicke Saat’/ und fettes Eyter neiden.
Hier herrſchet die Natur/ die wenig nur verlanget/
Die laͤſt die Wurtzel nicht des Boͤſen wurtzeln ein.
Kein Berg-Marck iſt das ſo wie Pomerantzen pranget/
Woran die Fruͤchte Gold/ die Bluͤte Perlen ſeyn;
Ja eingebalſamt Gold/ das Ambra von ſich hauchet/
Und Perlen die man recht zur Hertzens-Staͤrckung brauchet.
Die guͤldnen Berge ſind kein Merckmal guͤldner Laͤnder/
Wo Gold in Fluͤſſen ſchwimmt/ da rinnt auch Uppigkeit.
Diß Ertzt heckt aus den Geitz/ der Geitz gebiehrt Verſchwender;
Wo man das Gold nicht kennt/ da iſt die guͤldne Zeit.
Und da die eiſerne/ wo man ſchaͤrfft Stahl zu Degen/
Und nicht das Eiſen ſchmeltzt zu Pflugſchar’n und zu Eegen.
Wiewol der Acker traͤgt hier Weitzen und Getreide/
Wo gleich kein Pflug ſtreicht hin/ die Eege nicht faͤhrt ein.
Der Baum/ der anderwaͤrts bringt Wolle/ giebt hier Seide/
Die Kiefer koͤſtlich Oel/ der Schleedorn ſuͤſſen Wein.
Der Zucker waͤchſt auff Schilff/ die Buche traͤgt Muſcaten/
Die Mantel Dattelkern/ der Apffelbaum Granaten.
Die Ameiß ſammlet hier zuſammen Weyrauch-Koͤrner/
Die Holder-Staude treifft von Balſam und Jaſmin/
Die Diſteln ſtehn voll Lilg- und Roſen ohne Doͤrner/
Und auf Wacholdern ſieh’t man Nelck’ und Zimmet bluͤh’n/
Die
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[556/0612] Fuͤnfftes Buch anſehnliches Gebiete unterworffen haͤtte. Die- ſe Wuͤrde waͤre der Koͤniglichen in vielem ſo na- he/ daß er jaͤhrlich auch zwey Tage die Koͤnigli- che Krone truͤge/ und alle Koͤnigliche Gewalt ausuͤbte/ daß er Fuͤrſtliche Einkommen genuͤſ- ſe/ und allein ſechs tauſend Opffer-Knechte un- terhielte; in vielem giengen ſie auch gar uͤber den Koͤnig/ indem dieſer ihn als einen Vater verehrete/ von ihm nicht allein Erinnerungen annehmen/ ſondern er auch die Beſchwerden des Volckes wider den Koͤnig entſcheiden muͤ- ſte. Uberdiß waͤre das Gluͤcke ihm ſo an die Hand gegangen/ daß durch ſein Anſtifften der Koͤnig in Cappadocien Ariarathes vom Anto- nius waͤre getoͤdtet/ ihm aber ſelbigen Reiches Krone aufgeſetzt worden. Ja/ ob er wol in der Schlacht bey Actium dem Antonius beygeſtan- den/ haͤtte er ſich doch bey dem Auguſtus ausge- foͤhnet/ und derogeſtalt eingeliebet/ daß er ihm noch das kleinere Armenien und Cilicien ge- ſchencket. Wie er aber derogeſtalt dem Gluͤ- cke gar in der Schooß zu ſitzen vermeinet/ haͤtte es ihn uͤber Hals und Kopff herab geſtuͤrtzet/ in- dem ihn der Landvogt in Syrien Titus beym Kaͤyſer derogeſtalt ver gaͤllet/ daß er ſich fuͤr den Roͤmiſchen Waffen und des Titus Nachſtellun- gen in das Tauriſche Gebuͤrge fluͤchten muͤſſen/ uͤber welches ihn ein Armenier in dieſe gluͤckſe- lige Gegend gefuͤhret; Gottes wunderbare Verſehung aber und die mehr hieraus/ als aus ſeiner Geſchickligkeit ſich entſpinnende Zunei- gung dieſes hier wohnenden Volckes ihn zu ei- nem Prieſter der Natur gemacht/ alſo ſeinen vorigen eitelen Gottesdienſt allhier in einen viel heiligern und gluͤckſeligern verwandelt haͤtte. Allhier habe Gott und die Natur allererſt ſeiner angenommenen Blindheit abgeholffen/ die Larve dem Gluͤcke vom Geſichte gezogen/ und mit dem Elende zeitlicher Wuͤrden und koͤnigli- cher Hoͤffe die Herrligkeit der Gemuͤths-Ruh/ und einer vergnuͤglichen Einſamkeit entdecket; alſo/ daß ihn nun nach nichts weniger als ſeinem mit ſo viel Seufzern erworbenem/ und ſo unver- hofft ihm aus den Haͤnden gewundenem Zepter geluͤſtete. Wormit er auch hieruͤber fuͤr uns ſo viel mehr ſein Gemuͤthe ausſchuͤttete/ fuͤhrete er uns zu einem nahe darbey gelegenen Steinfelß/ darein er nachfolgende Gedancken/ von denen ich mir gegenwaͤrtige Abſchrift auff gehoben/ mit groſſer Muͤhe eingegraben hatte: Du Wetterhahn der Welt/ du Fallbret unſers Lebens/ Du Gauckelſpiel der Zeit/ Geluͤcke/ gute Nacht! Die Menſchen zuͤnden dir den Weyrauch an vergebens; Und dein taub Ohr giebt nie auf Wunſch und Andacht acht. Wenn du einmal dein Rad/ wir eine Hand umdrehen/ Sehn wir Coloſſen falln/ und ſchweres Ertzt verwehen. Jch aber ſchaͤtze dich weit uͤber Gangens Schaͤtze/ Du irrd’ſches Paradiß/ du Hafen ſuͤſſer Ruh/ Weil hier kein Wuͤterich giebt knechtiſche Geſetze/ Weil die Natur uns hier laͤſt allen Willen zu/ Wo die Begierde nie aus dem Geſchirre ſchlaͤget/ Vergnuͤgung und Vernunfft ſich in ein Bette leget. Verdammter Heyrath-Schluß/ unſelige Vermaͤhlung! Wo Geitz ein guͤlden Aas bebruͤtet Tag und Nacht; Wo der ſonſt todte Schatz nur lebt zu unſer Qvaͤlung/ Wo Uberfluß uns arm und unerſaͤttlich macht; Wo wir wie Tantalus beym Reichthum Hunger leiden/ Des Nachbars dicke Saat’/ und fettes Eyter neiden. Hier herrſchet die Natur/ die wenig nur verlanget/ Die laͤſt die Wurtzel nicht des Boͤſen wurtzeln ein. Kein Berg-Marck iſt das ſo wie Pomerantzen pranget/ Woran die Fruͤchte Gold/ die Bluͤte Perlen ſeyn; Ja eingebalſamt Gold/ das Ambra von ſich hauchet/ Und Perlen die man recht zur Hertzens-Staͤrckung brauchet. Die guͤldnen Berge ſind kein Merckmal guͤldner Laͤnder/ Wo Gold in Fluͤſſen ſchwimmt/ da rinnt auch Uppigkeit. Diß Ertzt heckt aus den Geitz/ der Geitz gebiehrt Verſchwender; Wo man das Gold nicht kennt/ da iſt die guͤldne Zeit. Und da die eiſerne/ wo man ſchaͤrfft Stahl zu Degen/ Und nicht das Eiſen ſchmeltzt zu Pflugſchar’n und zu Eegen. Wiewol der Acker traͤgt hier Weitzen und Getreide/ Wo gleich kein Pflug ſtreicht hin/ die Eege nicht faͤhrt ein. Der Baum/ der anderwaͤrts bringt Wolle/ giebt hier Seide/ Die Kiefer koͤſtlich Oel/ der Schleedorn ſuͤſſen Wein. Der Zucker waͤchſt auff Schilff/ die Buche traͤgt Muſcaten/ Die Mantel Dattelkern/ der Apffelbaum Granaten. Die Ameiß ſammlet hier zuſammen Weyrauch-Koͤrner/ Die Holder-Staude treifft von Balſam und Jaſmin/ Die Diſteln ſtehn voll Lilg- und Roſen ohne Doͤrner/ Und auf Wacholdern ſieh’t man Nelck’ und Zimmet bluͤh’n/ Die

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/612>, abgerufen am 27.05.2024.