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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelde.
[Spaltenumbruch] ner Jagt in einer erkieseten Einsamkeit für dem
Fürsten Oropastes/ welcher zeither von allen ih-
ren Anmuths-Blicken die Augen nieder schlug/
für ihren Seuffzern die Ohren verstopffte/ ihr
gantzes Hertze auszuschütten/ ihm alle ihre
Schönheiten zu entblössen/ alle ihre Annehm-
ligkeiten zusammen zu raffen/ und endlich ihre
Rede zu schlüssen: Vermöchte er sie nicht aus
Zuneigung zu lieben/ so solte er aus Erbar-
mung sie nicht sterben lassen/ oder doch selbst
der annehmliche Werckzeug ihres Todes seyn/
und mit ihren eigenen Pfeilen/ (diese legte sie
ihm mit Bogen und Köcher zun Füßen) ih-
rem elenden Leben abhelffen. Oropastes er-
schrack über dieser verzweiffelten Entschlüssung/
wuste auch nicht/ wie er der so hefftigen Königin
vernünfftig begegnen solte. Nach etlicher Zeit
Nachdencken/ ersuchte er sie: Sie solte dem Ver-
hängnisse nicht in den Zügel fallen/ sondern
seinen weisen Schickungen in Gedult und Hoff-
nung den Lauff lassen. Vernunfft und Zeit
wären die zwey Dinge/ ohne welche weder die
Vergnügung noch die Glückseligkeit reiff wer-
den könte. Er wäre des Stromes ihrer Ge-
wogenheit/ mit der sie ihn überschüttete/ nicht
würdig/ und er bejammerte sein Unglücke/ daß
ein unversehrliches Gelübde/ das er auff ge-
wisse Zeit in dem berühmten Tempel Dianens
an dem Ausflusse des Flusses Tyras bey seiner
Absegelung gethan hatte/ ihn hinderte dieser ihm
angebotenen Süßigkeiten nicht zu geniessen. Ja
weil er bey einer so vollkommenen Königin eine
solche Ubermaß ihrer Gnade nicht verdienet
hätte/ trüge er nicht unbilliges Nachdencken/ daß
die Götter ihn hierdurch versuchten: Ob er sei-
ne Vergnügung nicht ihrer Furcht vorziehen
würde? Die Königin Minothea muste sich mit
dieser wichtigen Entschuldigung beruhigen; stieß
also nach langem Stillschweigen die Worte aus:
Jch nehme es für bekant an/ Oropastes/ daß dein
Gelübde nur auff eine gewisse Zeit ziele/ und
daß ich in Hoffnung der Zeit und dem Ver-
[Spaltenumbruch] hängniße auswarten solle. Glaube aber/ daß
ich dich aus meinen Reichs-Grentzen nicht lassen
werde/ biß das Ziel deines Gelübdes erreichet
worden sey. Hiermit verfolgte die Königin die
Jagt/ und ließ Oropasten nicht in geringer Be-
stürtzung zurücke; Welcher in tieffem Nachsin-
nen fast ausser sich gesetzet war/ als ihn ein durch
das Gestrittig dringender Hirsch gleichsam aus
dem Schlaffe erweckte/ welchem Penthasilea
sporn-streichs nachsetzte/ und selbten mit einem
Wurffspiesse glücklich erreichte/ gleichwohl mit
dem in seinen Rücken steckenden Eisen seine Flucht
verfolgete. Oropastes redete Penthasileen an:
Jhr Wurff wäre gewiß ein Meisterstreich ge-
west/ und müsse er sich wundern/ daß dieses so
hefftig verwundete Thier noch so flüchtig seyn
könte. Penthasilea versetzte: Wunder dich viel-
mehr Oropastes über mir/ daß ich noch lebe;
denn ein viel schärffer Geschoß steckt mir nicht
nur im Rücken/ sondern im Hertzen. Wie nun
aber Oropastes nur stille schwieg/ und sie starr
ansahe/ hob sie abermahls an: O unbarmhertzi-
ger Oropastes! wie bistu doch viel grimmiger
wider meine Seele/ als wir Amazonen gegen
das flüchtige Wild. Uber diesen Worten er-
blickte sie von ferne ihre einen Luchs verfolgen-
de Schwester die Königin; Daher sie zu Ver-
meidung Verdachts sich Oropastens entbre-
chen/ und der Spur ihres Hirschens nacheilen
muste. Oropastes sahe nun wohl/ daß Mino-
theens Hefftigkeit ihm nicht mehr Zeit ließ Fuß
für Fuß in dem Liebes-Gewerbe gegen mich
fort zu schreiten; Daher drückte er in einem mir
bestimmten Schreiben die Pein seines Hertzens
mit so brünstigen Worten aus/ daß selbte gleich-
sam für Feuer raucheten/ und/ da ich nicht selbst
seines Geschlechts gewest wäre/ mich/ wo nicht
zur Liebe/ doch zum Mitleiden bewegt haben
würden. Unter andern klagte er darinnen über
meine schwartze Augen/ aus derer Finsterniß
ein unauffhörlicher Blitz seine Seele verwun-
dete; Wie sie denn wohl wissen/ daß die Verlieb-

ten

Arminius und Thußnelde.
[Spaltenumbruch] ner Jagt in einer erkieſeten Einſamkeit fuͤr dem
Fuͤrſten Oropaſtes/ welcher zeither von allen ih-
ren Anmuths-Blicken die Augen nieder ſchlug/
fuͤr ihren Seuffzern die Ohren verſtopffte/ ihr
gantzes Hertze auszuſchuͤtten/ ihm alle ihre
Schoͤnheiten zu entbloͤſſen/ alle ihre Annehm-
ligkeiten zuſammen zu raffen/ und endlich ihre
Rede zu ſchluͤſſen: Vermoͤchte er ſie nicht aus
Zuneigung zu lieben/ ſo ſolte er aus Erbar-
mung ſie nicht ſterben laſſen/ oder doch ſelbſt
der annehmliche Werckzeug ihres Todes ſeyn/
und mit ihren eigenen Pfeilen/ (dieſe legte ſie
ihm mit Bogen und Koͤcher zun Fuͤßen) ih-
rem elenden Leben abhelffen. Oropaſtes er-
ſchrack uͤber dieſer verzweiffelten Entſchluͤſſung/
wuſte auch nicht/ wie er der ſo hefftigen Koͤnigin
vernuͤnfftig begegnen ſolte. Nach etlicher Zeit
Nachdencken/ erſuchte er ſie: Sie ſolte dem Ver-
haͤngniſſe nicht in den Zuͤgel fallen/ ſondern
ſeinen weiſen Schickungen in Gedult und Hoff-
nung den Lauff laſſen. Vernunfft und Zeit
waͤren die zwey Dinge/ ohne welche weder die
Vergnuͤgung noch die Gluͤckſeligkeit reiff wer-
den koͤnte. Er waͤre des Stromes ihrer Ge-
wogenheit/ mit der ſie ihn uͤberſchuͤttete/ nicht
wuͤrdig/ und er bejammerte ſein Ungluͤcke/ daß
ein unverſehrliches Geluͤbde/ das er auff ge-
wiſſe Zeit in dem beruͤhmten Tempel Dianens
an dem Ausfluſſe des Fluſſes Tyras bey ſeiner
Abſegelung gethan hatte/ ihn hinderte dieſer ihm
angebotenen Suͤßigkeiten nicht zu genieſſen. Ja
weil er bey einer ſo vollkommenen Koͤnigin eine
ſolche Ubermaß ihrer Gnade nicht verdienet
haͤtte/ truͤge er nicht unbilliges Nachdencken/ daß
die Goͤtter ihn hierdurch verſuchten: Ob er ſei-
ne Vergnuͤgung nicht ihrer Furcht vorziehen
wuͤrde? Die Koͤnigin Minothea muſte ſich mit
dieſer wichtigen Entſchuldigung beruhigen; ſtieß
alſo nach langem Stillſchweigen die Worte aus:
Jch nehme es fuͤr bekant an/ Oropaſtes/ daß dein
Geluͤbde nur auff eine gewiſſe Zeit ziele/ und
daß ich in Hoffnung der Zeit und dem Ver-
[Spaltenumbruch] haͤngniße auswarten ſolle. Glaube aber/ daß
ich dich aus meinen Reichs-Grentzen nicht laſſen
werde/ biß das Ziel deines Geluͤbdes erreichet
worden ſey. Hiermit verfolgte die Koͤnigin die
Jagt/ und ließ Oropaſten nicht in geringer Be-
ſtuͤrtzung zuruͤcke; Welcher in tieffem Nachſin-
nen faſt auſſer ſich geſetzet war/ als ihn ein durch
das Geſtrittig dringender Hirſch gleichſam aus
dem Schlaffe erweckte/ welchem Penthaſilea
ſporn-ſtreichs nachſetzte/ und ſelbten mit einem
Wurffſpieſſe gluͤcklich erreichte/ gleichwohl mit
dem in ſeinẽ Ruͤcken ſteckenden Eiſen ſeine Flucht
verfolgete. Oropaſtes redete Penthaſileen an:
Jhr Wurff waͤre gewiß ein Meiſterſtreich ge-
weſt/ und muͤſſe er ſich wundern/ daß dieſes ſo
hefftig verwundete Thier noch ſo fluͤchtig ſeyn
koͤnte. Penthaſilea verſetzte: Wunder dich viel-
mehr Oropaſtes uͤber mir/ daß ich noch lebe;
denn ein viel ſchaͤrffer Geſchoß ſteckt mir nicht
nur im Ruͤcken/ ſondern im Hertzen. Wie nun
aber Oropaſtes nur ſtille ſchwieg/ und ſie ſtarr
anſahe/ hob ſie abermahls an: O unbarmhertzi-
ger Oropaſtes! wie biſtu doch viel grimmiger
wider meine Seele/ als wir Amazonen gegen
das fluͤchtige Wild. Uber dieſen Worten er-
blickte ſie von ferne ihre einen Luchs verfolgen-
de Schweſter die Koͤnigin; Daher ſie zu Ver-
meidung Verdachts ſich Oropaſtens entbre-
chen/ und der Spur ihres Hirſchens nacheilen
muſte. Oropaſtes ſahe nun wohl/ daß Mino-
theens Hefftigkeit ihm nicht mehr Zeit ließ Fuß
fuͤr Fuß in dem Liebes-Gewerbe gegen mich
fort zu ſchreiten; Daher druͤckte er in einem mir
beſtimmten Schreiben die Pein ſeines Hertzens
mit ſo bruͤnſtigen Worten aus/ daß ſelbte gleich-
ſam fuͤr Feuer raucheten/ und/ da ich nicht ſelbſt
ſeines Geſchlechts geweſt waͤre/ mich/ wo nicht
zur Liebe/ doch zum Mitleiden bewegt haben
wuͤrden. Unter andern klagte er darinnen uͤber
meine ſchwartze Augen/ aus derer Finſterniß
ein unauffhoͤrlicher Blitz ſeine Seele verwun-
dete; Wie ſie denn wohl wiſſen/ daß die Verlieb-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/599>, abgerufen am 20.05.2024.