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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] bey ihrer Beschwerung ihr Gift weglegen/ selb-
tes doch bald/ wenn sie aus dem Zauber-Kreisse
kommen/ wieder an sich ziehen. Dieses war
das traurige Ende der wunder-würdigen Teuta/
iedoch war von den Hochzeit-Fackeln der einfäl-
tigen Tritevta so wenig verbrennet/ daß der
Uberrest ihr noch konte zu Grabe leuchten.
Denn weil die Herrschens-Sucht der Ursprung
dieser Heyrath war/ ward Tritevta fast ehe Lei-
che als Gemahlin. Der Hochzeit-Tag/ der
doch auch Sclaven heimlich ist/ und ihren Ket-
ten einen annehmlichen Klang zueignet/ umb-
wölckte sich schon mit tausenderley Unvergnü-
gen. Ja sie war in des Demetrius Bette
kaum warm worden/ als sie von seiner eigenen
Faust durchstochen schon in dem Sarche erkal-
ten muste.

O ihr Götter! rieff hierüber die holdselige
Königin Erato. Warumb ist das Verhäng-
nüß dem weiblichen Geschlechte so aufsätzig?
Oder warumb ist das Glücke gegen die Tu-
gend so eifersichtig? Warumb preßt das Elend
die Thränen aus den schönsten Augen? Und
warumb verdüstert der Rauch der Betrübnüsse
die reinesten Kertzen edelster Seelen? Die be-
hertzte Thußnelda antwortete ihr: Lasset uns
weder dardurch der Tugend was ab-noch dem
Verhängnüsse was auflegen. Jene hat ihre
Vergnügung nicht in dem Tocken - Wercke
des Glückes/ sondern in der Ruhe des Gemü-
thes; nicht in der Ergetzligkeit des Pöfels/ son-
dern in der Freude des Gewissens. Auch die
durch gerechteste Göttliche Versehung in eine
untadelhafte Ordnung versetzte Natur hat ihren
herrlichsten Geschöpfen gleichsam eine Unglück-
seligkeit angekleibet. Keine gemeine Ster-
nen/ sondern nur die zwey grossen Lichter des
Tages und der Nacht haben ihre scheinbare
Flecken/ und sind der Verfinsterung unter-
worffen. Der Blumen Königin die Rose
[Spaltenumbruch] pranget zwar mit dem schönsten Purper/ sie
wird aber von den Dornen am ärgsten ver-
wundet/ sie leidet am meisten von der Hitze des
Mittags/ und von den Sturmwinden der
Mitternacht. Die Perlen werden in der
Schoß des Ungewitters gezeuget/ und die Co-
rallen wachsen in dem bittersten Meer-Wasser.
Hingegen blühen Napell und andere giftige
Kräuter auf keinen Distel-Stengeln/ und was
der Pöfel für Glückseligkeit hält/ ist eine Dienst-
barkeit der Wollüste. Durch diese werden wir
verderbet; ja sie hecket in uns schädlichere Wür-
mer/ als ein stets unbewegter Leib Maden.
Das Unglück aber ist nicht nur die Artzney wi-
der die Wassersucht des Gemüthes/ sondern die
Anleitung zur Tugend. Keine Laster haben
eine solche Anmuth/ daß sie nicht endlich ihre
elgene Liebhaber anstincken. Und wenn ein
Boßhafter auf Sammet liegt/ so foltert ihn
doch sein Gewissen; wenn sein Nahme gleich
mit Gold an marmelnen Ehren-Säulen ste-
het/ so verwandelt sie doch die Zeit in Kohlen.
Ein unschuldiges Leben aber gibt einen so an-
nehmlichen Geruch von sich/ welcher auch in den
garstigsten Kerckern die fauleste Lufft einbisamt/
also/ daß wir keinen Athem an uns ziehen; wel-
cher nicht zugleich unserer reinen Seele ein Lab-
sal/ der Nachwelt aber ein erquickend Gedächt-
nüß abgebe. Dahero mag die Boßheit es
uns so sauer machen/ als sie kan/ weil die Hoff-
nung zu siegen alle Verdrüßligkeit des Kam-
pfes verzuckert/ so zeucht die Tugend ihre Ru-
he aus der Widerwertigkeit/ und sie findet ihre
Erlustigung mitten in der Unruh. Also hat
die Zeit in ihrem Rade keinen Unglücks-Na-
gel/ welcher der Unschuld nicht einen Weiser
auf eine glückselige Stunde abgebe; und das
Glücke kan auf sie kein so schäles Auge haben/
welches sie nicht in einen Sonnen-Schein zu
verwandeln wisse; denn auch das schlimmste
muß ihr zu Ausübung ihrer Gedult dienen.

Wenn
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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] bey ihrer Beſchwerung ihr Gift weglegen/ ſelb-
tes doch bald/ wenn ſie aus dem Zauber-Kreiſſe
kommen/ wieder an ſich ziehen. Dieſes war
das traurige Ende der wunder-wuͤrdigẽ Teuta/
iedoch war von den Hochzeit-Fackeln der einfaͤl-
tigen Tritevta ſo wenig verbrennet/ daß der
Uberreſt ihr noch konte zu Grabe leuchten.
Denn weil die Herrſchens-Sucht der Urſprung
dieſer Heyrath war/ ward Tritevta faſt ehe Lei-
che als Gemahlin. Der Hochzeit-Tag/ der
doch auch Sclaven heimlich iſt/ und ihren Ket-
ten einen annehmlichen Klang zueignet/ umb-
woͤlckte ſich ſchon mit tauſenderley Unvergnuͤ-
gen. Ja ſie war in des Demetrius Bette
kaum warm worden/ als ſie von ſeiner eigenen
Fauſt durchſtochen ſchon in dem Sarche erkal-
ten muſte.

O ihr Goͤtter! rieff hieruͤber die holdſelige
Koͤnigin Erato. Warumb iſt das Verhaͤng-
nuͤß dem weiblichen Geſchlechte ſo aufſaͤtzig?
Oder warumb iſt das Gluͤcke gegen die Tu-
gend ſo eiferſichtig? Warumb preßt das Elend
die Thraͤnen aus den ſchoͤnſten Augen? Und
warumb verduͤſtert der Rauch der Betruͤbnuͤſſe
die reineſten Kertzen edelſter Seelen? Die be-
hertzte Thußnelda antwortete ihr: Laſſet uns
weder dardurch der Tugend was ab-noch dem
Verhaͤngnuͤſſe was auflegen. Jene hat ihre
Vergnuͤgung nicht in dem Tocken - Wercke
des Gluͤckes/ ſondern in der Ruhe des Gemuͤ-
thes; nicht in der Ergetzligkeit des Poͤfels/ ſon-
dern in der Freude des Gewiſſens. Auch die
durch gerechteſte Goͤttliche Verſehung in eine
untadelhafte Ordnung verſetzte Natur hat ihren
herrlichſten Geſchoͤpfen gleichſam eine Ungluͤck-
ſeligkeit angekleibet. Keine gemeine Ster-
nen/ ſondern nur die zwey groſſen Lichter des
Tages und der Nacht haben ihre ſcheinbare
Flecken/ und ſind der Verfinſterung unter-
worffen. Der Blumen Koͤnigin die Roſe
[Spaltenumbruch] pranget zwar mit dem ſchoͤnſten Purper/ ſie
wird aber von den Dornen am aͤrgſten ver-
wundet/ ſie leidet am meiſten von der Hitze des
Mittags/ und von den Sturmwinden der
Mitternacht. Die Perlen werden in der
Schoß des Ungewitters gezeuget/ und die Co-
rallen wachſen in dem bitterſten Meer-Waſſer.
Hingegen bluͤhen Napell und andere giftige
Kraͤuter auf keinen Diſtel-Stengeln/ und was
der Poͤfel fuͤr Gluͤckſeligkeit haͤlt/ iſt eine Dienſt-
barkeit der Wolluͤſte. Durch dieſe werden wir
verderbet; ja ſie hecket in uns ſchaͤdlichere Wuͤr-
mer/ als ein ſtets unbewegter Leib Maden.
Das Ungluͤck aber iſt nicht nur die Artzney wi-
der die Waſſerſucht des Gemuͤthes/ ſondern die
Anleitung zur Tugend. Keine Laſter haben
eine ſolche Anmuth/ daß ſie nicht endlich ihre
elgene Liebhaber anſtincken. Und wenn ein
Boßhafter auf Sammet liegt/ ſo foltert ihn
doch ſein Gewiſſen; wenn ſein Nahme gleich
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het/ ſo verwandelt ſie doch die Zeit in Kohlen.
Ein unſchuldiges Leben aber gibt einen ſo an-
nehmlichen Geruch von ſich/ welcher auch in den
garſtigſten Kerckern die fauleſte Lufft einbiſamt/
alſo/ daß wir keinen Athem an uns ziehen; wel-
cher nicht zugleich unſerer reinen Seele ein Lab-
ſal/ der Nachwelt aber ein erquickend Gedaͤcht-
nuͤß abgebe. Dahero mag die Boßheit es
uns ſo ſauer machen/ als ſie kan/ weil die Hoff-
nung zu ſiegen alle Verdruͤßligkeit des Kam-
pfes verzuckert/ ſo zeucht die Tugend ihre Ru-
he aus der Widerwertigkeit/ und ſie findet ihre
Erluſtigung mitten in der Unruh. Alſo hat
die Zeit in ihrem Rade keinen Ungluͤcks-Na-
gel/ welcher der Unſchuld nicht einen Weiſer
auf eine gluͤckſelige Stunde abgebe; und das
Gluͤcke kan auf ſie kein ſo ſchaͤles Auge haben/
welches ſie nicht in einen Sonnen-Schein zu
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muß ihr zu Ausuͤbung ihrer Gedult dienen.

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[539/0595] Arminius und Thußnelda. bey ihrer Beſchwerung ihr Gift weglegen/ ſelb- tes doch bald/ wenn ſie aus dem Zauber-Kreiſſe kommen/ wieder an ſich ziehen. Dieſes war das traurige Ende der wunder-wuͤrdigẽ Teuta/ iedoch war von den Hochzeit-Fackeln der einfaͤl- tigen Tritevta ſo wenig verbrennet/ daß der Uberreſt ihr noch konte zu Grabe leuchten. Denn weil die Herrſchens-Sucht der Urſprung dieſer Heyrath war/ ward Tritevta faſt ehe Lei- che als Gemahlin. Der Hochzeit-Tag/ der doch auch Sclaven heimlich iſt/ und ihren Ket- ten einen annehmlichen Klang zueignet/ umb- woͤlckte ſich ſchon mit tauſenderley Unvergnuͤ- gen. Ja ſie war in des Demetrius Bette kaum warm worden/ als ſie von ſeiner eigenen Fauſt durchſtochen ſchon in dem Sarche erkal- ten muſte. O ihr Goͤtter! rieff hieruͤber die holdſelige Koͤnigin Erato. Warumb iſt das Verhaͤng- nuͤß dem weiblichen Geſchlechte ſo aufſaͤtzig? Oder warumb iſt das Gluͤcke gegen die Tu- gend ſo eiferſichtig? Warumb preßt das Elend die Thraͤnen aus den ſchoͤnſten Augen? Und warumb verduͤſtert der Rauch der Betruͤbnuͤſſe die reineſten Kertzen edelſter Seelen? Die be- hertzte Thußnelda antwortete ihr: Laſſet uns weder dardurch der Tugend was ab-noch dem Verhaͤngnuͤſſe was auflegen. Jene hat ihre Vergnuͤgung nicht in dem Tocken - Wercke des Gluͤckes/ ſondern in der Ruhe des Gemuͤ- thes; nicht in der Ergetzligkeit des Poͤfels/ ſon- dern in der Freude des Gewiſſens. Auch die durch gerechteſte Goͤttliche Verſehung in eine untadelhafte Ordnung verſetzte Natur hat ihren herrlichſten Geſchoͤpfen gleichſam eine Ungluͤck- ſeligkeit angekleibet. Keine gemeine Ster- nen/ ſondern nur die zwey groſſen Lichter des Tages und der Nacht haben ihre ſcheinbare Flecken/ und ſind der Verfinſterung unter- worffen. Der Blumen Koͤnigin die Roſe pranget zwar mit dem ſchoͤnſten Purper/ ſie wird aber von den Dornen am aͤrgſten ver- wundet/ ſie leidet am meiſten von der Hitze des Mittags/ und von den Sturmwinden der Mitternacht. Die Perlen werden in der Schoß des Ungewitters gezeuget/ und die Co- rallen wachſen in dem bitterſten Meer-Waſſer. Hingegen bluͤhen Napell und andere giftige Kraͤuter auf keinen Diſtel-Stengeln/ und was der Poͤfel fuͤr Gluͤckſeligkeit haͤlt/ iſt eine Dienſt- barkeit der Wolluͤſte. Durch dieſe werden wir verderbet; ja ſie hecket in uns ſchaͤdlichere Wuͤr- mer/ als ein ſtets unbewegter Leib Maden. Das Ungluͤck aber iſt nicht nur die Artzney wi- der die Waſſerſucht des Gemuͤthes/ ſondern die Anleitung zur Tugend. Keine Laſter haben eine ſolche Anmuth/ daß ſie nicht endlich ihre elgene Liebhaber anſtincken. Und wenn ein Boßhafter auf Sammet liegt/ ſo foltert ihn doch ſein Gewiſſen; wenn ſein Nahme gleich mit Gold an marmelnen Ehren-Saͤulen ſte- het/ ſo verwandelt ſie doch die Zeit in Kohlen. Ein unſchuldiges Leben aber gibt einen ſo an- nehmlichen Geruch von ſich/ welcher auch in den garſtigſten Kerckern die fauleſte Lufft einbiſamt/ alſo/ daß wir keinen Athem an uns ziehen; wel- cher nicht zugleich unſerer reinen Seele ein Lab- ſal/ der Nachwelt aber ein erquickend Gedaͤcht- nuͤß abgebe. Dahero mag die Boßheit es uns ſo ſauer machen/ als ſie kan/ weil die Hoff- nung zu ſiegen alle Verdruͤßligkeit des Kam- pfes verzuckert/ ſo zeucht die Tugend ihre Ru- he aus der Widerwertigkeit/ und ſie findet ihre Erluſtigung mitten in der Unruh. Alſo hat die Zeit in ihrem Rade keinen Ungluͤcks-Na- gel/ welcher der Unſchuld nicht einen Weiſer auf eine gluͤckſelige Stunde abgebe; und das Gluͤcke kan auf ſie kein ſo ſchaͤles Auge haben/ welches ſie nicht in einen Sonnen-Schein zu verwandeln wiſſe; denn auch das ſchlim̃ſte muß ihr zu Ausuͤbung ihrer Gedult dienen. Wenn Y y y 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/595>, abgerufen am 25.11.2024.