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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] von der Art ihrer Länder/ noch mehr aber ih-
rer Eltern her. Daher vertragen sich die Me-
den und Armenier/ wie auch die vielerley Scy-
then so wohl mit einander. Die Europeer
und Asiatischen Völcker/ wie auch die Mohren
und Römer können zusammen gar selten stehen.
Zwischen den Galliern und Celtiberiern/ zwi-
schen den Britanniern und Caledoniern ist fast
ein unauff hörlicher Krieg; Weil der erstern
Vaterland einander gantz gleiche/ der andern
gantz ungleiche ist; Auch von denen hierbey sehr
viel würckenden Sternen unterschiedene Ein-
flüsse hat.

Zeno pflichtete dem Feldherrn bey/ und
meldete: Er hätte auff seinen Reisen eben diß
angemerckt/ und so bald er über das Euxini-
sche Meer kommen/ den grossen Unterscheid
zwischen desselbten Sud- und Nord-Nachbarn
verspührt; Hingegen bey denen se weit entfern-
ten Serern etlicher Völcker nahe Verwand-
niß mit seinem Vaterlande wahrgenommen.
Weil nun der Anwesenden Stillschweigen ihm
eine Andeutung ihres Verlangens zu seyn
schien/ fuhr er in seiner Erzehlung fort: Jch
verfügte mich noch selbigen Abend mit zwey-
en Edelleuten/ und einem Knaben/ und
zwar in meiner gewöhnlichen Frauen-Tracht/
in ein Schiff/ nicht so wohl/ weil es an einen von
mir erkieseten Ort fahren wolte/ sondern weil
es seegel-fertig war/ um mich nur desto geschwin-
der dieses unglückseligen Ufers zu entbrechen.
Nachdem wir bereits die gantze Nacht Nord-
Ostwerts gesegelt hatten/ erfuhr ich aller-
erst vom Schiffer/ daß der Lauff gegen der
Moschischen Küste auff die berühmte See-
und Handels-Stadt Dioscurias zwischen dem
Flusse Anthemus und Charus gerichtet wäre;
Allwo man täglich wohl dreyhunderterley Völ-
cker anzutreffen pfleget/ und die Römischen
Kauffleute hundert Dolmetscher zu Auslegung
dreyhundert alldar im Schwange gehender
[Spaltenumbruch] Sprachen unterhielten. Welches mir so viel
lieber war/ weil ich in einer Versammlung
so vieler Völcker nicht nur desto unkenntlicher
zu bleiben/ sondern auch so viel mehr mein an-
derwärtig Glück zu finden verhoffte. Nach-
folgenden Tag gegen Abend fing der auffm
Mastkorbe sitzende Boots-Knecht an zu ruffen/
wir solten die Waffen ergreiffen/ und uns zum
Streit fertig machen/ denn er sehe ein Raub-
Schiff seinen Lauff recht gegen uns zu richten.
Dieser Ruff erregte im Schiffe ein nicht gerin-
ges Lermen/ und/ weil es nicht sonderlich zum
Kriege ausgerüstet/ darzu kaum dreißig bewehr-
te Männer darauff waren/ bey den meisten em-
pfindliches Schrecken. Diesemnach ich zu Ver-
wunderung der Schiffenden nicht allein mich
selbst zum Gefechte fertig machte/ sondern auch
denen Kleinmüthigen ein Hertze zusprach; nebst
dem zugleich erkundigte: Woher man in sol-
cher Ferne so genau erkiesen könte/ daß diß e-
ben ein Raub-Schiff seyn müste? Der Schiff-
herr/ welcher aus der Stadt Tanais bürtig
war/ sagte mir: Es wäre dieses unschwer an der
Art der Schiffe zu erkennen/ welche die auff
denen in dem Flusse Boristhenes sich befindli-
chen häuffigen Jnseln/ und an dem Strome
Hippanis und Tyras wohnenden Räuber zu
führen pflegten. Dieses wäre ein von Kind-
auff zum Kriege abgerichtetes Volck/ dessen
Reichthum zu Hauße allein in Viehzucht be-
stünde/ also alles andere auff dem Euxini-
schen Meere suchte/ ja an die daran stossenden
Länder mit seinen flachen Schiffen anlände-
te/ und mehrmahls reiche Beuten darvon bräch-
te. Sie erkennten theils der Geten/ theils der
Sarmater König für ihren Ober-Herrn/ a-
ber mehr zum Scheine als wesentlich. Denn
sie gäben ihm nicht allein keine Schatzung/ er-
wehlten ihnen selbst ihre Obersten und Richter/
sondern die Könige liessen ihnen auch selbst jähr-
lich ein gewisses von allerhand Haus- und Krie-
ges - Geräthe austheilen; iedoch hätte er in

Krie-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] von der Art ihrer Laͤnder/ noch mehr aber ih-
rer Eltern her. Daher vertragen ſich die Me-
den und Armenier/ wie auch die vielerley Scy-
then ſo wohl mit einander. Die Europeer
und Aſiatiſchen Voͤlcker/ wie auch die Mohren
und Roͤmer koͤnnen zuſammen gar ſelten ſtehen.
Zwiſchen den Galliern und Celtiberiern/ zwi-
ſchen den Britanniern und Caledoniern iſt faſt
ein unauff hoͤrlicher Krieg; Weil der erſtern
Vaterland einander gantz gleiche/ der andern
gantz ungleiche iſt; Auch von denen hierbey ſehr
viel wuͤrckenden Sternen unterſchiedene Ein-
fluͤſſe hat.

Zeno pflichtete dem Feldherrn bey/ und
meldete: Er haͤtte auff ſeinen Reiſen eben diß
angemerckt/ und ſo bald er uͤber das Euxini-
ſche Meer kommen/ den groſſen Unterſcheid
zwiſchen deſſelbten Sud- und Nord-Nachbarn
verſpuͤhrt; Hingegen bey denen ſe weit entfern-
ten Serern etlicher Voͤlcker nahe Verwand-
niß mit ſeinem Vaterlande wahrgenommen.
Weil nun der Anweſenden Stillſchweigen ihm
eine Andeutung ihres Verlangens zu ſeyn
ſchien/ fuhr er in ſeiner Erzehlung fort: Jch
verfuͤgte mich noch ſelbigen Abend mit zwey-
en Edelleuten/ und einem Knaben/ und
zwar in meiner gewoͤhnlichen Frauen-Tracht/
in ein Schiff/ nicht ſo wohl/ weil es an einen von
mir erkieſeten Ort fahren wolte/ ſondern weil
es ſeegel-fertig war/ um mich nur deſto geſchwin-
der dieſes ungluͤckſeligen Ufers zu entbrechen.
Nachdem wir bereits die gantze Nacht Nord-
Oſtwerts geſegelt hatten/ erfuhr ich aller-
erſt vom Schiffer/ daß der Lauff gegen der
Moſchiſchen Kuͤſte auff die beruͤhmte See-
und Handels-Stadt Dioſcurias zwiſchen dem
Fluſſe Anthemus und Charus gerichtet waͤre;
Allwo man taͤglich wohl dreyhunderterley Voͤl-
cker anzutreffen pfleget/ und die Roͤmiſchen
Kauffleute hundert Dolmetſcher zu Auslegung
dreyhundert alldar im Schwange gehender
[Spaltenumbruch] Sprachen unterhielten. Welches mir ſo viel
lieber war/ weil ich in einer Verſammlung
ſo vieler Voͤlcker nicht nur deſto unkenntlicher
zu bleiben/ ſondern auch ſo viel mehr mein an-
derwaͤrtig Gluͤck zu finden verhoffte. Nach-
folgenden Tag gegen Abend fing der auffm
Maſtkorbe ſitzende Boots-Knecht an zu ruffen/
wir ſolten die Waffen ergreiffen/ und uns zum
Streit fertig machen/ denn er ſehe ein Raub-
Schiff ſeinen Lauff recht gegen uns zu richten.
Dieſer Ruff erregte im Schiffe ein nicht gerin-
ges Lermen/ und/ weil es nicht ſonderlich zum
Kriege ausgeruͤſtet/ darzu kaum dreißig bewehr-
te Maͤnner darauff waren/ bey den meiſten em-
pfindliches Schrecken. Dieſemnach ich zu Ver-
wunderung der Schiffenden nicht allein mich
ſelbſt zum Gefechte fertig machte/ ſondern auch
denen Kleinmuͤthigen ein Hertze zuſprach; nebſt
dem zugleich erkundigte: Woher man in ſol-
cher Ferne ſo genau erkieſen koͤnte/ daß diß e-
ben ein Raub-Schiff ſeyn muͤſte? Der Schiff-
herr/ welcher aus der Stadt Tanais buͤrtig
war/ ſagte mir: Es waͤre dieſes unſchwer an der
Art der Schiffe zu erkennen/ welche die auff
denen in dem Fluſſe Boriſthenes ſich befindli-
chen haͤuffigen Jnſeln/ und an dem Strome
Hippanis und Tyras wohnenden Raͤuber zu
fuͤhren pflegten. Dieſes waͤre ein von Kind-
auff zum Kriege abgerichtetes Volck/ deſſen
Reichthum zu Hauße allein in Viehzucht be-
ſtuͤnde/ alſo alles andere auff dem Euxini-
ſchen Meere ſuchte/ ja an die daran ſtoſſenden
Laͤnder mit ſeinen flachen Schiffen anlaͤnde-
te/ und mehrmahls reiche Beuten darvon braͤch-
te. Sie erkennten theils der Geten/ theils der
Sarmater Koͤnig fuͤr ihren Ober-Herrn/ a-
ber mehr zum Scheine als weſentlich. Denn
ſie gaͤben ihm nicht allein keine Schatzung/ er-
wehlten ihnen ſelbſt ihre Oberſten und Richter/
ſondern die Koͤnige lieſſen ihnen auch ſelbſt jaͤhr-
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ges - Geraͤthe austheilen; iedoch haͤtte er in

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[519/0575] Arminius und Thußnelda. von der Art ihrer Laͤnder/ noch mehr aber ih- rer Eltern her. Daher vertragen ſich die Me- den und Armenier/ wie auch die vielerley Scy- then ſo wohl mit einander. Die Europeer und Aſiatiſchen Voͤlcker/ wie auch die Mohren und Roͤmer koͤnnen zuſammen gar ſelten ſtehen. Zwiſchen den Galliern und Celtiberiern/ zwi- ſchen den Britanniern und Caledoniern iſt faſt ein unauff hoͤrlicher Krieg; Weil der erſtern Vaterland einander gantz gleiche/ der andern gantz ungleiche iſt; Auch von denen hierbey ſehr viel wuͤrckenden Sternen unterſchiedene Ein- fluͤſſe hat. Zeno pflichtete dem Feldherrn bey/ und meldete: Er haͤtte auff ſeinen Reiſen eben diß angemerckt/ und ſo bald er uͤber das Euxini- ſche Meer kommen/ den groſſen Unterſcheid zwiſchen deſſelbten Sud- und Nord-Nachbarn verſpuͤhrt; Hingegen bey denen ſe weit entfern- ten Serern etlicher Voͤlcker nahe Verwand- niß mit ſeinem Vaterlande wahrgenommen. Weil nun der Anweſenden Stillſchweigen ihm eine Andeutung ihres Verlangens zu ſeyn ſchien/ fuhr er in ſeiner Erzehlung fort: Jch verfuͤgte mich noch ſelbigen Abend mit zwey- en Edelleuten/ und einem Knaben/ und zwar in meiner gewoͤhnlichen Frauen-Tracht/ in ein Schiff/ nicht ſo wohl/ weil es an einen von mir erkieſeten Ort fahren wolte/ ſondern weil es ſeegel-fertig war/ um mich nur deſto geſchwin- der dieſes ungluͤckſeligen Ufers zu entbrechen. Nachdem wir bereits die gantze Nacht Nord- Oſtwerts geſegelt hatten/ erfuhr ich aller- erſt vom Schiffer/ daß der Lauff gegen der Moſchiſchen Kuͤſte auff die beruͤhmte See- und Handels-Stadt Dioſcurias zwiſchen dem Fluſſe Anthemus und Charus gerichtet waͤre; Allwo man taͤglich wohl dreyhunderterley Voͤl- cker anzutreffen pfleget/ und die Roͤmiſchen Kauffleute hundert Dolmetſcher zu Auslegung dreyhundert alldar im Schwange gehender Sprachen unterhielten. Welches mir ſo viel lieber war/ weil ich in einer Verſammlung ſo vieler Voͤlcker nicht nur deſto unkenntlicher zu bleiben/ ſondern auch ſo viel mehr mein an- derwaͤrtig Gluͤck zu finden verhoffte. Nach- folgenden Tag gegen Abend fing der auffm Maſtkorbe ſitzende Boots-Knecht an zu ruffen/ wir ſolten die Waffen ergreiffen/ und uns zum Streit fertig machen/ denn er ſehe ein Raub- Schiff ſeinen Lauff recht gegen uns zu richten. Dieſer Ruff erregte im Schiffe ein nicht gerin- ges Lermen/ und/ weil es nicht ſonderlich zum Kriege ausgeruͤſtet/ darzu kaum dreißig bewehr- te Maͤnner darauff waren/ bey den meiſten em- pfindliches Schrecken. Dieſemnach ich zu Ver- wunderung der Schiffenden nicht allein mich ſelbſt zum Gefechte fertig machte/ ſondern auch denen Kleinmuͤthigen ein Hertze zuſprach; nebſt dem zugleich erkundigte: Woher man in ſol- cher Ferne ſo genau erkieſen koͤnte/ daß diß e- ben ein Raub-Schiff ſeyn muͤſte? Der Schiff- herr/ welcher aus der Stadt Tanais buͤrtig war/ ſagte mir: Es waͤre dieſes unſchwer an der Art der Schiffe zu erkennen/ welche die auff denen in dem Fluſſe Boriſthenes ſich befindli- chen haͤuffigen Jnſeln/ und an dem Strome Hippanis und Tyras wohnenden Raͤuber zu fuͤhren pflegten. Dieſes waͤre ein von Kind- auff zum Kriege abgerichtetes Volck/ deſſen Reichthum zu Hauße allein in Viehzucht be- ſtuͤnde/ alſo alles andere auff dem Euxini- ſchen Meere ſuchte/ ja an die daran ſtoſſenden Laͤnder mit ſeinen flachen Schiffen anlaͤnde- te/ und mehrmahls reiche Beuten darvon braͤch- te. Sie erkennten theils der Geten/ theils der Sarmater Koͤnig fuͤr ihren Ober-Herrn/ a- ber mehr zum Scheine als weſentlich. Denn ſie gaͤben ihm nicht allein keine Schatzung/ er- wehlten ihnen ſelbſt ihre Oberſten und Richter/ ſondern die Koͤnige lieſſen ihnen auch ſelbſt jaͤhr- lich ein gewiſſes von allerhand Haus- und Krie- ges - Geraͤthe austheilen; iedoch haͤtte er in Krie-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/575>, abgerufen am 20.05.2024.