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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] decken. Jch sahe die Königin mit bestürtzten
Augen und Gemüthe an/ sie aber erholete
sich/ und fing an: Fordert von mir diese Re-
chenschafft/ und höret auff/ der Natur Ge-
walt anzuthun. Denn so wenig ihr aus kal-
ten Brunnen Feuer schöpffen könnet/ so we-
nig werdet ihr diesen meinen Sohn ohne
Greuel einem andern Mann verheyrathen.
Polemon sprang über diesem Berichte auff/
und stieß diese Worte gegen der Königin aus:
Was sagst du? Jst diß nicht meine Tochter
Arsinoe? Nein sicher/ versetzte sie/ selbige ist
schon/ als du zu Rom gewest/ in ihrer Kind-
heit verblichen/ und du wirst ihren eingebal-
samten Leib noch in dem Begräbnüsse Mi-
thridatens finden. Aber wie ist dieser denn
dein Sohn? fragte Polemon. Dynamis ver-
setzte: Eben so/ wie er deiner ist. Denn nach
dem Arsinoe gestorben/ hat meine Mutter-
Liebe unsern Sohn/ welchem du den Nah-
men Polemon/ ich Zeno gab/ von seiner Am-
me Pythodoris abgefordert/ und unter dem
Schein unserer Tochter aufferzogen. Jhr
Götter! ruffte Polemon/ hast du eine Schlan-
ge in deinem Busen auferziehen können/ von
der du der unfehlbaren Götter Ausspruch wohl
gewüst hast/ daß ich von ihr solte verschlungen
werden? Von der mir die Wahrsagung schon
heute wahr wird/ in dem mein über ihr ge-
schöpffter Eiffer mir zweiffels frey mein Leben
verkürtzet/ und mich in die Grufft stürtzen wird?
Dynamis antwortete: Glaubst du wohl/ daß/
da der Götter Wille ihren Worten gemäß ist/
selbter durch menschliche Klugheit zu hinter-
treiben sey? Hast du den Ausspruch des wei-
sen Pittacus nie gehöret/ daß die Götter selbst
sich dem Nothzwange des Verhängnüsses zu
widersetzen allzu ohnmächtig sind? Magst du
deinem eignen Sohn eine Schlange/ und
dardurch dich selbst einen Vater eines so giffti-
gen Thieres schelten? Kanst du das Erbar-
[Spaltenumbruch] men einer empfindlichen Mutter für ein so ar-
ges Laster verdammen? Welche doch diß/ was
sie neun Monden unter dem Hertzen getra-
gen/ mit so viel Schmertzen gebohren/ mehr
als ein Vater zu lieben berechtiget ist. Oder
hast du ihm nicht selbst das Leben geschencket?
Polemon versetzte: Aber nicht verstattet/ ihn
unter meinem Dache zu beherbergen. Bist du
aber deinem Ehherrn nicht mehr Liebe/ als
deinem Unglücks-Kinde schuldig gewest/ für
welche andere glüende Kohlen verschlungen/
und um den Wolstand ihres Reiches und Ge-
mahles zu erhalten ihre Söhne auff glüenden
Rösten geopffert haben? Jch gestehe es/ Pole-
mon/ antwortete die ihm zu Fusse fallende Kö-
nigin/ daß auff der Wagschale der Mütter-
und Ehelichen Liebe diese überschlagen solle.
Aber wie schwer ist zwischen beyde sein Hertz
nach dem rechten Maaß abtheilen! sonderlich
wenn die Erbarmnüß einem Theile ihr heimli-
ches Gewichte beylegt? Wie viel Väter haben
ihre Kinder mehr als sich selbst geliebet? Ario-
barzanes in Cappadocien nahm seine Krone
vom Haupte/ und setzte sie in Beyseyn des gros-
sen Pompejus seinem Sohn auf. Octavius
Balbus wolte lieber in die Hände seiner ihn
verfolgenden Mörder fallen/ als seinen zurück
gebliebenen Sohn nicht noch einmahl sehen.
Und du wilst über meiner Mutter-Liebe mit
deinem Sohne eiffern? Glaube aber/ hertz-
liebster Polemon/ daß/ da ich mein Kind mit
einer/ ich dich sicher mit zweyen Adern ge-
liebt/ und von einem so tugendhafften Geiste
deines eigenen Fleisches mich keiner so grim-
men That besorget/ sondern vielmehr eine
sanfftere Auslegung über die meist schwer-
deutige Wahrsagungen gemacht habe. Jch
habe erwogen/ daß unsere Gefahr nicht so
wohl von der Boßheit unserer Wieder-
sacher/ als von dem unversehrlichen Fade-
me unserer Versehung den Hang habe;

Ja

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] decken. Jch ſahe die Koͤnigin mit beſtuͤrtzten
Augen und Gemuͤthe an/ ſie aber erholete
ſich/ und fing an: Fordert von mir dieſe Re-
chenſchafft/ und hoͤret auff/ der Natur Ge-
walt anzuthun. Denn ſo wenig ihr aus kal-
ten Brunnen Feuer ſchoͤpffen koͤnnet/ ſo we-
nig werdet ihr dieſen meinen Sohn ohne
Greuel einem andern Mann verheyrathen.
Polemon ſprang uͤber dieſem Berichte auff/
und ſtieß dieſe Worte gegen der Koͤnigin aus:
Was ſagſt du? Jſt diß nicht meine Tochter
Arſinoe? Nein ſicher/ verſetzte ſie/ ſelbige iſt
ſchon/ als du zu Rom geweſt/ in ihrer Kind-
heit verblichen/ und du wirſt ihren eingebal-
ſamten Leib noch in dem Begraͤbnuͤſſe Mi-
thridatens finden. Aber wie iſt dieſer denn
dein Sohn? fragte Polemon. Dynamis ver-
ſetzte: Eben ſo/ wie er deiner iſt. Denn nach
dem Arſinoe geſtorben/ hat meine Mutter-
Liebe unſern Sohn/ welchem du den Nah-
men Polemon/ ich Zeno gab/ von ſeiner Am-
me Pythodoris abgefordert/ und unter dem
Schein unſerer Tochter aufferzogen. Jhr
Goͤtter! ruffte Polemon/ haſt du eine Schlan-
ge in deinem Buſen auferziehen koͤnnen/ von
der du der unfehlbaren Goͤtter Ausſpruch wohl
gewuͤſt haſt/ daß ich von ihr ſolte verſchlungen
werden? Von der mir die Wahrſagung ſchon
heute wahr wird/ in dem mein uͤber ihr ge-
ſchoͤpffter Eiffer mir zweiffels frey mein Leben
verkuͤrtzet/ und mich in die Grufft ſtuͤrtzen wird?
Dynamis antwortete: Glaubſt du wohl/ daß/
da der Goͤtter Wille ihren Worten gemaͤß iſt/
ſelbter durch menſchliche Klugheit zu hinter-
treiben ſey? Haſt du den Ausſpruch des wei-
ſen Pittacus nie gehoͤret/ daß die Goͤtter ſelbſt
ſich dem Nothzwange des Verhaͤngnuͤſſes zu
widerſetzen allzu ohnmaͤchtig ſind? Magſt du
deinem eignen Sohn eine Schlange/ und
dardurch dich ſelbſt einen Vater eines ſo giffti-
gen Thieres ſchelten? Kanſt du das Erbar-
[Spaltenumbruch] men einer empfindlichen Mutter fuͤr ein ſo ar-
ges Laſter verdammen? Welche doch diß/ was
ſie neun Monden unter dem Hertzen getra-
gen/ mit ſo viel Schmertzen gebohren/ mehr
als ein Vater zu lieben berechtiget iſt. Oder
haſt du ihm nicht ſelbſt das Leben geſchencket?
Polemon verſetzte: Aber nicht verſtattet/ ihn
unter meinem Dache zu beherbergen. Biſt du
aber deinem Ehherrn nicht mehr Liebe/ als
deinem Ungluͤcks-Kinde ſchuldig geweſt/ fuͤr
welche andere gluͤende Kohlen verſchlungen/
und um den Wolſtand ihres Reiches und Ge-
mahles zu erhalten ihre Soͤhne auff gluͤenden
Roͤſten geopffert haben? Jch geſtehe es/ Pole-
mon/ antwortete die ihm zu Fuſſe fallende Koͤ-
nigin/ daß auff der Wagſchale der Muͤtter-
und Ehelichen Liebe dieſe uͤberſchlagen ſolle.
Aber wie ſchwer iſt zwiſchen beyde ſein Hertz
nach dem rechten Maaß abtheilen! ſonderlich
wenn die Erbarmnuͤß einem Theile ihr heimli-
ches Gewichte beylegt? Wie viel Vaͤter haben
ihre Kinder mehr als ſich ſelbſt geliebet? Ario-
barzanes in Cappadocien nahm ſeine Krone
vom Haupte/ und ſetzte ſie in Beyſeyn des groſ-
ſen Pompejus ſeinem Sohn auf. Octavius
Balbus wolte lieber in die Haͤnde ſeiner ihn
verfolgenden Moͤrder fallen/ als ſeinen zuruͤck
gebliebenen Sohn nicht noch einmahl ſehen.
Und du wilſt uͤber meiner Mutter-Liebe mit
deinem Sohne eiffern? Glaube aber/ hertz-
liebſter Polemon/ daß/ da ich mein Kind mit
einer/ ich dich ſicher mit zweyen Adern ge-
liebt/ und von einem ſo tugendhafften Geiſte
deines eigenen Fleiſches mich keiner ſo grim-
men That beſorget/ ſondern vielmehr eine
ſanfftere Auslegung uͤber die meiſt ſchwer-
deutige Wahrſagungen gemacht habe. Jch
habe erwogen/ daß unſere Gefahr nicht ſo
wohl von der Boßheit unſerer Wieder-
ſacher/ als von dem unverſehrlichen Fade-
me unſerer Verſehung den Hang habe;

Ja
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[511/0567] Arminius und Thußnelda. decken. Jch ſahe die Koͤnigin mit beſtuͤrtzten Augen und Gemuͤthe an/ ſie aber erholete ſich/ und fing an: Fordert von mir dieſe Re- chenſchafft/ und hoͤret auff/ der Natur Ge- walt anzuthun. Denn ſo wenig ihr aus kal- ten Brunnen Feuer ſchoͤpffen koͤnnet/ ſo we- nig werdet ihr dieſen meinen Sohn ohne Greuel einem andern Mann verheyrathen. Polemon ſprang uͤber dieſem Berichte auff/ und ſtieß dieſe Worte gegen der Koͤnigin aus: Was ſagſt du? Jſt diß nicht meine Tochter Arſinoe? Nein ſicher/ verſetzte ſie/ ſelbige iſt ſchon/ als du zu Rom geweſt/ in ihrer Kind- heit verblichen/ und du wirſt ihren eingebal- ſamten Leib noch in dem Begraͤbnuͤſſe Mi- thridatens finden. Aber wie iſt dieſer denn dein Sohn? fragte Polemon. Dynamis ver- ſetzte: Eben ſo/ wie er deiner iſt. Denn nach dem Arſinoe geſtorben/ hat meine Mutter- Liebe unſern Sohn/ welchem du den Nah- men Polemon/ ich Zeno gab/ von ſeiner Am- me Pythodoris abgefordert/ und unter dem Schein unſerer Tochter aufferzogen. Jhr Goͤtter! ruffte Polemon/ haſt du eine Schlan- ge in deinem Buſen auferziehen koͤnnen/ von der du der unfehlbaren Goͤtter Ausſpruch wohl gewuͤſt haſt/ daß ich von ihr ſolte verſchlungen werden? Von der mir die Wahrſagung ſchon heute wahr wird/ in dem mein uͤber ihr ge- ſchoͤpffter Eiffer mir zweiffels frey mein Leben verkuͤrtzet/ und mich in die Grufft ſtuͤrtzen wird? Dynamis antwortete: Glaubſt du wohl/ daß/ da der Goͤtter Wille ihren Worten gemaͤß iſt/ ſelbter durch menſchliche Klugheit zu hinter- treiben ſey? Haſt du den Ausſpruch des wei- ſen Pittacus nie gehoͤret/ daß die Goͤtter ſelbſt ſich dem Nothzwange des Verhaͤngnuͤſſes zu widerſetzen allzu ohnmaͤchtig ſind? Magſt du deinem eignen Sohn eine Schlange/ und dardurch dich ſelbſt einen Vater eines ſo giffti- gen Thieres ſchelten? Kanſt du das Erbar- men einer empfindlichen Mutter fuͤr ein ſo ar- ges Laſter verdammen? Welche doch diß/ was ſie neun Monden unter dem Hertzen getra- gen/ mit ſo viel Schmertzen gebohren/ mehr als ein Vater zu lieben berechtiget iſt. Oder haſt du ihm nicht ſelbſt das Leben geſchencket? Polemon verſetzte: Aber nicht verſtattet/ ihn unter meinem Dache zu beherbergen. Biſt du aber deinem Ehherrn nicht mehr Liebe/ als deinem Ungluͤcks-Kinde ſchuldig geweſt/ fuͤr welche andere gluͤende Kohlen verſchlungen/ und um den Wolſtand ihres Reiches und Ge- mahles zu erhalten ihre Soͤhne auff gluͤenden Roͤſten geopffert haben? Jch geſtehe es/ Pole- mon/ antwortete die ihm zu Fuſſe fallende Koͤ- nigin/ daß auff der Wagſchale der Muͤtter- und Ehelichen Liebe dieſe uͤberſchlagen ſolle. Aber wie ſchwer iſt zwiſchen beyde ſein Hertz nach dem rechten Maaß abtheilen! ſonderlich wenn die Erbarmnuͤß einem Theile ihr heimli- ches Gewichte beylegt? Wie viel Vaͤter haben ihre Kinder mehr als ſich ſelbſt geliebet? Ario- barzanes in Cappadocien nahm ſeine Krone vom Haupte/ und ſetzte ſie in Beyſeyn des groſ- ſen Pompejus ſeinem Sohn auf. Octavius Balbus wolte lieber in die Haͤnde ſeiner ihn verfolgenden Moͤrder fallen/ als ſeinen zuruͤck gebliebenen Sohn nicht noch einmahl ſehen. Und du wilſt uͤber meiner Mutter-Liebe mit deinem Sohne eiffern? Glaube aber/ hertz- liebſter Polemon/ daß/ da ich mein Kind mit einer/ ich dich ſicher mit zweyen Adern ge- liebt/ und von einem ſo tugendhafften Geiſte deines eigenen Fleiſches mich keiner ſo grim- men That beſorget/ ſondern vielmehr eine ſanfftere Auslegung uͤber die meiſt ſchwer- deutige Wahrſagungen gemacht habe. Jch habe erwogen/ daß unſere Gefahr nicht ſo wohl von der Boßheit unſerer Wieder- ſacher/ als von dem unverſehrlichen Fade- me unſerer Verſehung den Hang habe; Ja

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/567>, abgerufen am 24.11.2024.