Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfftes Buch
[Spaltenumbruch] umzukehren/ und anitzt von seinem Herrn/
an den er bereit durch einen Nachen hiervon
Nachricht ertheilet/ ferneren Befehl zu er-
warten. Er hatte noch nicht ausgeredet/ als
unterschiedene hohe Beamptete/ so wohl des
Königs Polemon/ als Ariobarzanes ins Schiff
traten/ und mir andeuteten: Es wäre im
Tempel alles zur Vermählung fertig/ beyde
Könige selbst schon anwesend/ und würde ich
mit höchster Begierde erwartet. Jch hätte
für Unlust vergehen mögen/ auch würde mich
niemand lebendig aus dem Schiffe bracht ha-
ben/ da ich nicht noch in dem wider alle Ge-
waltthat und Beleidigung befreyten Heilig-
thume eine Ausflucht zu finden/ oder Hülffe
von den Göttern zu erbitten gehoffet. Also
folgte ich denen Leitenden in die Halle des Tem-
pels/ da mir ein prächtiges Braut-Kleid ange-
leget/ und ich so denn ferner in den innersten
Tempel geführet ward. Das in- und um den
Tempel versammlete unzehlbare Volck fro-
lockte/ als mein Hertze Blut weinte/ und die
Königin Dynamis in dem innersten Gemache
der Priester/ in unaufhörliche Ohnmachten fiel;
König Polemon/ der dem Altare gegen über
auff einem hohen Stuhle saß/ bewillkommte
mich mit einem zornigen Blicke/ und ich mühe-
te mich alle Galle meines Hertzens durch mei-
ne Augen über den neben ihm sitzenden Ario-
barzanes auszuschütten. Alles dessen unge-
achtet/ gab der König den Priestern ein Zei-
chen/ daß sie der Göttin Derceto/ die ihr ge-
wiedmeten Fische abschlachten/ selbige über
dem heiligen Feuer sieden/ rösten/ und in de-
nen an iedem Pfeiler angehenckten Rauchfäs-
sern den Weyrauch anzünden solten. Ario-
barzanes-stieg von seinem mit Gold und Pur-
pur ausgeputzten Sitze herab/ und stützte sich
auff die Achseln der Königlichen Stadthalter
in den Ländern Bogdomanis und Timonitis.
Sein eigener Unter-König zu Ecbatane trug
[Spaltenumbruch] das ewige Feuer/ der zu Thospia eine güldene
Schale voll Syrischen Balsams/ die Stadt-
halter zu Tigranocerta und Satala zwey
Schüsseln mit güldenen und silbernen Fischen
für ihm her; welches der König alles der Göt-
tin ablieferte/ und den Balsam in das Opffer-
Feuer goß. Er fassete auch die rechte Hand der
Göttin/ und der oberste Priester winckte mir/
daß ich nun auch mein Opffer/ nehmlich ein paar
weisse Tauben herzu bringen solte. Jch aber
ergriff der Derceto von silbernen Schoppen
gläntzenden Fisch-Schwantz/ welches eine Ab-
schwerungs-Art ist/ und fing an: Heilige Der-
ceto/ die du wegen unrechter Gewalt dich in den
See bey Ascalon gestürtzet/ und von den Fi-
schen erhalten worden bist/ nimm auch mich all-
hier in deine Schutz-Armen/ und beschirme
mich wider die Gewalt dieses Fremdlings/ wel-
chen ich/ bey deinen Augen schwerende/ nimmer-
mehr ehlichen kan. Alle Zuschauer wurden
über dieser meiner Enteuserung bestürtzet/ der
oberste Priester ließ das in der Hand gehaltene
Rauchfaß fallen; Ariobarzanes schäumte für
Zorn/ und König Polemon sprang von seinem
Stuhle zu dem Opffer-Tische/ ergrief das
Schlachtmesser/ und wolte es mir in die Brust
stossen. Ein Priester aber erwischte ihm den
Arm/ und ermahnte ihn/ daß er mit Blutver-
giessen nicht das Heiligthum entweihen/ und
der Göttin Rache/ derer Zorn ohne diß aus al-
len Opffern herfür blickte/ nicht auff sich laden
solte. Zwey andere Priester führten mich in
ihr eigenes Behältnüß/ darinnen die Königin
Dynamis sich in Thränen badete/ wenn ihr
noch die stete Ohnmacht so viel Kräfften über-
ließ. Der König mit dem obersten Priester
folgten mir auf dem Fusse nach/ und weil jener
für Ungedult kein Wort fürbringen konte/ er-
mahnte mich dieser bey der Gottheit/ die selbi-
gen Tempel bewohnte/ die Ursache meiner Ab-
scheu für dem so tapfferen Ariobarzanes zu ent-

decken.

Fuͤnfftes Buch
[Spaltenumbruch] umzukehren/ und anitzt von ſeinem Herrn/
an den er bereit durch einen Nachen hiervon
Nachricht ertheilet/ ferneren Befehl zu er-
warten. Er hatte noch nicht ausgeredet/ als
unterſchiedene hohe Beamptete/ ſo wohl des
Koͤnigs Polemon/ als Ariobarzanes ins Schiff
traten/ und mir andeuteten: Es waͤre im
Tempel alles zur Vermaͤhlung fertig/ beyde
Koͤnige ſelbſt ſchon anweſend/ und wuͤrde ich
mit hoͤchſter Begierde erwartet. Jch haͤtte
fuͤr Unluſt vergehen moͤgen/ auch wuͤrde mich
niemand lebendig aus dem Schiffe bracht ha-
ben/ da ich nicht noch in dem wider alle Ge-
waltthat und Beleidigung befreyten Heilig-
thume eine Ausflucht zu finden/ oder Huͤlffe
von den Goͤttern zu erbitten gehoffet. Alſo
folgte ich denen Leitenden in die Halle des Tem-
pels/ da mir ein praͤchtiges Braut-Kleid ange-
leget/ und ich ſo denn ferner in den innerſten
Tempel gefuͤhret ward. Das in- und um den
Tempel verſammlete unzehlbare Volck fro-
lockte/ als mein Hertze Blut weinte/ und die
Koͤnigin Dynamis in dem innerſten Gemache
der Prieſter/ in unaufhoͤrliche Ohnmachten fiel;
Koͤnig Polemon/ der dem Altare gegen uͤber
auff einem hohen Stuhle ſaß/ bewillkommte
mich mit einem zornigen Blicke/ und ich muͤhe-
te mich alle Galle meines Hertzens durch mei-
ne Augen uͤber den neben ihm ſitzenden Ario-
barzanes auszuſchuͤtten. Alles deſſen unge-
achtet/ gab der Koͤnig den Prieſtern ein Zei-
chen/ daß ſie der Goͤttin Derceto/ die ihr ge-
wiedmeten Fiſche abſchlachten/ ſelbige uͤber
dem heiligen Feuer ſieden/ roͤſten/ und in de-
nen an iedem Pfeiler angehenckten Rauchfaͤſ-
ſern den Weyrauch anzuͤnden ſolten. Ario-
barzanes-ſtieg von ſeinem mit Gold und Pur-
pur ausgeputzten Sitze herab/ und ſtuͤtzte ſich
auff die Achſeln der Koͤniglichen Stadthalter
in den Laͤndern Bogdomanis und Timonitis.
Sein eigener Unter-Koͤnig zu Ecbatane trug
[Spaltenumbruch] das ewige Feuer/ der zu Thoſpia eine guͤldene
Schale voll Syriſchen Balſams/ die Stadt-
halter zu Tigranocerta und Satala zwey
Schuͤſſeln mit guͤldenen und ſilbernen Fiſchen
fuͤr ihm her; welches der Koͤnig alles der Goͤt-
tin ablieferte/ und den Balſam in das Opffer-
Feuer goß. Er faſſete auch die rechte Hand der
Goͤttin/ und der oberſte Prieſter winckte mir/
daß ich nun auch mein Opffer/ nehmlich ein paar
weiſſe Tauben herzu bringen ſolte. Jch aber
ergriff der Derceto von ſilbernen Schoppen
glaͤntzenden Fiſch-Schwantz/ welches eine Ab-
ſchwerungs-Art iſt/ und fing an: Heilige Der-
ceto/ die du wegen unrechter Gewalt dich in den
See bey Aſcalon geſtuͤrtzet/ und von den Fi-
ſchen erhalten worden biſt/ nimm auch mich all-
hier in deine Schutz-Armen/ und beſchirme
mich wider die Gewalt dieſes Fremdlings/ wel-
chen ich/ bey deinen Augen ſchwerende/ nimmeꝛ-
mehr ehlichen kan. Alle Zuſchauer wurden
uͤber dieſer meiner Enteuſerung beſtuͤrtzet/ der
oberſte Prieſter ließ das in der Hand gehaltene
Rauchfaß fallen; Ariobarzanes ſchaͤumte fuͤr
Zorn/ und Koͤnig Polemon ſprang von ſeinem
Stuhle zu dem Opffer-Tiſche/ ergrief das
Schlachtmeſſer/ und wolte es mir in die Bruſt
ſtoſſen. Ein Prieſter aber erwiſchte ihm den
Arm/ und ermahnte ihn/ daß er mit Blutver-
gieſſen nicht das Heiligthum entweihen/ und
der Goͤttin Rache/ derer Zorn ohne diß aus al-
len Opffern herfuͤr blickte/ nicht auff ſich laden
ſolte. Zwey andere Prieſter fuͤhrten mich in
ihr eigenes Behaͤltnuͤß/ darinnen die Koͤnigin
Dynamis ſich in Thraͤnen badete/ wenn ihr
noch die ſtete Ohnmacht ſo viel Kraͤfften uͤber-
ließ. Der Koͤnig mit dem oberſten Prieſter
folgten mir auf dem Fuſſe nach/ und weil jener
fuͤr Ungedult kein Wort fuͤrbringen konte/ er-
mahnte mich dieſer bey der Gottheit/ die ſelbi-
gen Tempel bewohnte/ die Urſache meiner Ab-
ſcheu fuͤr dem ſo tapfferen Ariobarzanes zu ent-

decken.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0566" n="510"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfftes Buch</hi></fw><lb/><cb/>
umzukehren/ und anitzt von &#x017F;einem Herrn/<lb/>
an den er bereit durch einen Nachen hiervon<lb/>
Nachricht ertheilet/ ferneren Befehl zu er-<lb/>
warten. Er hatte noch nicht ausgeredet/ als<lb/>
unter&#x017F;chiedene hohe Beamptete/ &#x017F;o wohl des<lb/>
Ko&#x0364;nigs Polemon/ als Ariobarzanes ins Schiff<lb/>
traten/ und mir andeuteten: Es wa&#x0364;re im<lb/>
Tempel alles zur Verma&#x0364;hlung fertig/ beyde<lb/>
Ko&#x0364;nige &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon anwe&#x017F;end/ und wu&#x0364;rde ich<lb/>
mit ho&#x0364;ch&#x017F;ter Begierde erwartet. Jch ha&#x0364;tte<lb/>
fu&#x0364;r Unlu&#x017F;t vergehen mo&#x0364;gen/ auch wu&#x0364;rde mich<lb/>
niemand lebendig aus dem Schiffe bracht ha-<lb/>
ben/ da ich nicht noch in dem wider alle Ge-<lb/>
waltthat und Beleidigung befreyten Heilig-<lb/>
thume eine Ausflucht zu finden/ oder Hu&#x0364;lffe<lb/>
von den Go&#x0364;ttern zu erbitten gehoffet. Al&#x017F;o<lb/>
folgte ich denen Leitenden in die Halle des Tem-<lb/>
pels/ da mir ein pra&#x0364;chtiges Braut-Kleid ange-<lb/>
leget/ und ich &#x017F;o denn ferner in den inner&#x017F;ten<lb/>
Tempel gefu&#x0364;hret ward. Das in- und um den<lb/>
Tempel ver&#x017F;ammlete unzehlbare Volck fro-<lb/>
lockte/ als mein Hertze Blut weinte/ und die<lb/>
Ko&#x0364;nigin Dynamis in dem inner&#x017F;ten Gemache<lb/>
der Prie&#x017F;ter/ in unaufho&#x0364;rliche Ohnmachten fiel;<lb/>
Ko&#x0364;nig Polemon/ der dem Altare gegen u&#x0364;ber<lb/>
auff einem hohen Stuhle &#x017F;aß/ bewillkommte<lb/>
mich mit einem zornigen Blicke/ und ich mu&#x0364;he-<lb/>
te mich alle Galle meines Hertzens durch mei-<lb/>
ne Augen u&#x0364;ber den neben ihm &#x017F;itzenden Ario-<lb/>
barzanes auszu&#x017F;chu&#x0364;tten. Alles de&#x017F;&#x017F;en unge-<lb/>
achtet/ gab der Ko&#x0364;nig den Prie&#x017F;tern ein Zei-<lb/>
chen/ daß &#x017F;ie der Go&#x0364;ttin Derceto/ die ihr ge-<lb/>
wiedmeten Fi&#x017F;che ab&#x017F;chlachten/ &#x017F;elbige u&#x0364;ber<lb/>
dem heiligen Feuer &#x017F;ieden/ ro&#x0364;&#x017F;ten/ und in de-<lb/>
nen an iedem Pfeiler angehenckten Rauchfa&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern den Weyrauch anzu&#x0364;nden &#x017F;olten. Ario-<lb/>
barzanes-&#x017F;tieg von &#x017F;einem mit Gold und Pur-<lb/>
pur ausgeputzten Sitze herab/ und &#x017F;tu&#x0364;tzte &#x017F;ich<lb/>
auff die Ach&#x017F;eln der Ko&#x0364;niglichen Stadthalter<lb/>
in den La&#x0364;ndern Bogdomanis und Timonitis.<lb/>
Sein eigener Unter-Ko&#x0364;nig zu Ecbatane trug<lb/><cb/>
das ewige Feuer/ der zu Tho&#x017F;pia eine gu&#x0364;ldene<lb/>
Schale voll Syri&#x017F;chen Bal&#x017F;ams/ die Stadt-<lb/>
halter zu Tigranocerta und Satala zwey<lb/>
Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;eln mit gu&#x0364;ldenen und &#x017F;ilbernen Fi&#x017F;chen<lb/>
fu&#x0364;r ihm her; welches der Ko&#x0364;nig alles der Go&#x0364;t-<lb/>
tin ablieferte/ und den Bal&#x017F;am in das Opffer-<lb/>
Feuer goß. Er fa&#x017F;&#x017F;ete auch die rechte Hand der<lb/>
Go&#x0364;ttin/ und der ober&#x017F;te Prie&#x017F;ter winckte mir/<lb/>
daß ich nun auch mein Opffer/ nehmlich ein paar<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;e Tauben herzu bringen &#x017F;olte. Jch aber<lb/>
ergriff der Derceto von &#x017F;ilbernen Schoppen<lb/>
gla&#x0364;ntzenden Fi&#x017F;ch-Schwantz/ welches eine Ab-<lb/>
&#x017F;chwerungs-Art i&#x017F;t/ und fing an: Heilige Der-<lb/>
ceto/ die du wegen unrechter Gewalt dich in den<lb/>
See bey A&#x017F;calon ge&#x017F;tu&#x0364;rtzet/ und von den Fi-<lb/>
&#x017F;chen erhalten worden bi&#x017F;t/ nimm auch mich all-<lb/>
hier in deine Schutz-Armen/ und be&#x017F;chirme<lb/>
mich wider die Gewalt die&#x017F;es Fremdlings/ wel-<lb/>
chen ich/ bey deinen Augen &#x017F;chwerende/ nimme&#xA75B;-<lb/>
mehr ehlichen kan. Alle Zu&#x017F;chauer wurden<lb/>
u&#x0364;ber die&#x017F;er meiner Enteu&#x017F;erung be&#x017F;tu&#x0364;rtzet/ der<lb/>
ober&#x017F;te Prie&#x017F;ter ließ das in der Hand gehaltene<lb/>
Rauchfaß fallen; Ariobarzanes &#x017F;cha&#x0364;umte fu&#x0364;r<lb/>
Zorn/ und Ko&#x0364;nig Polemon &#x017F;prang von &#x017F;einem<lb/>
Stuhle zu dem Opffer-Ti&#x017F;che/ ergrief das<lb/>
Schlachtme&#x017F;&#x017F;er/ und wolte es mir in die Bru&#x017F;t<lb/>
&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en. Ein Prie&#x017F;ter aber erwi&#x017F;chte ihm den<lb/>
Arm/ und ermahnte ihn/ daß er mit Blutver-<lb/>
gie&#x017F;&#x017F;en nicht das Heiligthum entweihen/ und<lb/>
der Go&#x0364;ttin Rache/ derer Zorn ohne diß aus al-<lb/>
len Opffern herfu&#x0364;r blickte/ nicht auff &#x017F;ich laden<lb/>
&#x017F;olte. Zwey andere Prie&#x017F;ter fu&#x0364;hrten mich in<lb/>
ihr eigenes Beha&#x0364;ltnu&#x0364;ß/ darinnen die Ko&#x0364;nigin<lb/>
Dynamis &#x017F;ich in Thra&#x0364;nen badete/ wenn ihr<lb/>
noch die &#x017F;tete Ohnmacht &#x017F;o viel Kra&#x0364;fften u&#x0364;ber-<lb/>
ließ. Der Ko&#x0364;nig mit dem ober&#x017F;ten Prie&#x017F;ter<lb/>
folgten mir auf dem Fu&#x017F;&#x017F;e nach/ und weil jener<lb/>
fu&#x0364;r Ungedult kein Wort fu&#x0364;rbringen konte/ er-<lb/>
mahnte mich die&#x017F;er bey der Gottheit/ die &#x017F;elbi-<lb/>
gen Tempel bewohnte/ die Ur&#x017F;ache meiner Ab-<lb/>
&#x017F;cheu fu&#x0364;r dem &#x017F;o tapfferen Ariobarzanes zu ent-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">decken.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[510/0566] Fuͤnfftes Buch umzukehren/ und anitzt von ſeinem Herrn/ an den er bereit durch einen Nachen hiervon Nachricht ertheilet/ ferneren Befehl zu er- warten. Er hatte noch nicht ausgeredet/ als unterſchiedene hohe Beamptete/ ſo wohl des Koͤnigs Polemon/ als Ariobarzanes ins Schiff traten/ und mir andeuteten: Es waͤre im Tempel alles zur Vermaͤhlung fertig/ beyde Koͤnige ſelbſt ſchon anweſend/ und wuͤrde ich mit hoͤchſter Begierde erwartet. Jch haͤtte fuͤr Unluſt vergehen moͤgen/ auch wuͤrde mich niemand lebendig aus dem Schiffe bracht ha- ben/ da ich nicht noch in dem wider alle Ge- waltthat und Beleidigung befreyten Heilig- thume eine Ausflucht zu finden/ oder Huͤlffe von den Goͤttern zu erbitten gehoffet. Alſo folgte ich denen Leitenden in die Halle des Tem- pels/ da mir ein praͤchtiges Braut-Kleid ange- leget/ und ich ſo denn ferner in den innerſten Tempel gefuͤhret ward. Das in- und um den Tempel verſammlete unzehlbare Volck fro- lockte/ als mein Hertze Blut weinte/ und die Koͤnigin Dynamis in dem innerſten Gemache der Prieſter/ in unaufhoͤrliche Ohnmachten fiel; Koͤnig Polemon/ der dem Altare gegen uͤber auff einem hohen Stuhle ſaß/ bewillkommte mich mit einem zornigen Blicke/ und ich muͤhe- te mich alle Galle meines Hertzens durch mei- ne Augen uͤber den neben ihm ſitzenden Ario- barzanes auszuſchuͤtten. Alles deſſen unge- achtet/ gab der Koͤnig den Prieſtern ein Zei- chen/ daß ſie der Goͤttin Derceto/ die ihr ge- wiedmeten Fiſche abſchlachten/ ſelbige uͤber dem heiligen Feuer ſieden/ roͤſten/ und in de- nen an iedem Pfeiler angehenckten Rauchfaͤſ- ſern den Weyrauch anzuͤnden ſolten. Ario- barzanes-ſtieg von ſeinem mit Gold und Pur- pur ausgeputzten Sitze herab/ und ſtuͤtzte ſich auff die Achſeln der Koͤniglichen Stadthalter in den Laͤndern Bogdomanis und Timonitis. Sein eigener Unter-Koͤnig zu Ecbatane trug das ewige Feuer/ der zu Thoſpia eine guͤldene Schale voll Syriſchen Balſams/ die Stadt- halter zu Tigranocerta und Satala zwey Schuͤſſeln mit guͤldenen und ſilbernen Fiſchen fuͤr ihm her; welches der Koͤnig alles der Goͤt- tin ablieferte/ und den Balſam in das Opffer- Feuer goß. Er faſſete auch die rechte Hand der Goͤttin/ und der oberſte Prieſter winckte mir/ daß ich nun auch mein Opffer/ nehmlich ein paar weiſſe Tauben herzu bringen ſolte. Jch aber ergriff der Derceto von ſilbernen Schoppen glaͤntzenden Fiſch-Schwantz/ welches eine Ab- ſchwerungs-Art iſt/ und fing an: Heilige Der- ceto/ die du wegen unrechter Gewalt dich in den See bey Aſcalon geſtuͤrtzet/ und von den Fi- ſchen erhalten worden biſt/ nimm auch mich all- hier in deine Schutz-Armen/ und beſchirme mich wider die Gewalt dieſes Fremdlings/ wel- chen ich/ bey deinen Augen ſchwerende/ nimmeꝛ- mehr ehlichen kan. Alle Zuſchauer wurden uͤber dieſer meiner Enteuſerung beſtuͤrtzet/ der oberſte Prieſter ließ das in der Hand gehaltene Rauchfaß fallen; Ariobarzanes ſchaͤumte fuͤr Zorn/ und Koͤnig Polemon ſprang von ſeinem Stuhle zu dem Opffer-Tiſche/ ergrief das Schlachtmeſſer/ und wolte es mir in die Bruſt ſtoſſen. Ein Prieſter aber erwiſchte ihm den Arm/ und ermahnte ihn/ daß er mit Blutver- gieſſen nicht das Heiligthum entweihen/ und der Goͤttin Rache/ derer Zorn ohne diß aus al- len Opffern herfuͤr blickte/ nicht auff ſich laden ſolte. Zwey andere Prieſter fuͤhrten mich in ihr eigenes Behaͤltnuͤß/ darinnen die Koͤnigin Dynamis ſich in Thraͤnen badete/ wenn ihr noch die ſtete Ohnmacht ſo viel Kraͤfften uͤber- ließ. Der Koͤnig mit dem oberſten Prieſter folgten mir auf dem Fuſſe nach/ und weil jener fuͤr Ungedult kein Wort fuͤrbringen konte/ er- mahnte mich dieſer bey der Gottheit/ die ſelbi- gen Tempel bewohnte/ die Urſache meiner Ab- ſcheu fuͤr dem ſo tapfferen Ariobarzanes zu ent- decken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/566
Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/566>, abgerufen am 20.05.2024.