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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] verlangte/ ich ihr diß/ und meine deßhalben ge-
schöpffte Bekümmerniß rund heraus entdeckte.
Sie aber gab mir lächelnde diese scheinbare Ant-
wort: Es wäre wahr/ daß sie eine Wallfarth
in den Lyceischen Tempel bey der Stadt Trö-
zen verrichten/ und daselbst ihr Gelübde abstat-
ten müste. Sie würde aber auff bestimmte Zeit
unfehlbar zu Cirtha seyn. Und hätte man we-
gen der ohne diß bey mir verspürten Traurig-
keit nur diese Entfernung verhölet. Jch war
hiermit abermahls vergnügt; ungeachtet ich
mehrmahls fürhatte/ ihr in Griechenland zu
folgen. Juba unterhielt mich inzwischen mit
allen nur ersinnlichen Ergetzligkeiten/ mit Jag-
ten auff die Löwen und Elefanten/ wie auch mit
Mohrischen Ritterspielen auff. Die drey Mo-
nat waren noch nicht gar verflossen/ als Dido
wieder zu Aphrodisium anländete; dahin ich
denn sie zu bewillkommen selbst eilete. Sie
war zwar in dem Tempel noch verwahret/ ie-
doch kriegte ich Erlaubniß sie darinnen in An-
wesenheit der Priesterin zu sprechen. Die Trau-
rigkeit war bey ihr noch nicht verschwunden/ ihr
gantzes Thun war vermischt von Kaltsinnig-
keit und Liebes-Bezeugungen/ welche aber im-
mer wider ihre vorhin gewohnte Freyheit und
Freudigkeit etwas gezwungenes an sich hatten.
Als ich das dritte mahl mit ihr sprach/ und die
Priesterin anderwerts hin Augen und Gemüth
wendete/ steckte sie mir ein Schreiben mit einer
solchen Empfindligkeit zu/ daß an statt der ihr
auff der zitternden Zunge ersterbenden Wörter
sie ihre Wehmuth mit einem Zeugnisse etlicher
hundert Thränen erhärtete. Nachdem ich wie-
der in mein Zimmer kam/ erstarrte ich mehr denn
der in Stein verwandelte Atlas/ als ich darin-
nen folgende Zeilen laß:

Wenn ich dich/ edler Flavius nicht so sehr lieb-
te/ würde ich mich deiner Liebe nicht berauben.
Nim also diese meine selbsteigene Verunglück-
seligung für ein unverfälschtes Zeugniß auf/ daß
ich lieber gehasst und verstossen seyn wil/ als mei-
[Spaltenumbruch] ne Liebe mit einiger Unreinigkeit besudeln. Ach
leider! aber/ ist gleich mein Leib/ so ist doch mei-
ne Seele nicht beflecket. Der Wahn des A-
berglaubens/ und der Zwang meiner verleiteten
Eltern hat mich mir selbst zu einem Greuel/
und dir zu einer unwürdigen Anbeterin ge-
macht. Denn ich habe die dir gewiedmete
Jungfrauschafft einem geilen Priester der zu
Cirtha so unzüchtigen Diane opffern müssen.
Alleine dieser Verlust war noch zu wenig. Man
spottete noch der Geschändeten/ und machte sie
aus einer Verunehrten zu einer Närrin. Denn
man schickte mich in Argia/ badete mich bey der
Stadt Nauplia in dem Brunnen Canathus/
in welchem alle Jahr Juno ihre Jungfrau-
schafft wieder bekommen soll. O des abscheu-
lichen Aberglaubens! daß auch die Götter den
Schwachheiten der Begierden unterworffen/
und des Abbruchs ihrer Vollkommenheit fä-
hig seyn sollen! O des albern Wahnwitzes!
daß das Wasser/ welches ja zuweilen einigen
Schwachheiten des Leibes abhilfft/ den Ver-
lust dessen/ was die Natur und die Götter nicht
ergäntzen können/ erstatten solle! Höre mich
diesemnach auff zu lieben/ Flavius; wormit du
von mir geliebt zu seyn nicht allzu würdig blei-
best. Verstoß mich Flavius/ und enteussere
dich einer solchen Braut/ welche mit Ehren
weder einer keuschen Gottheit Priesterin blei-
ben/ noch eine Ehefrau werden kan. Erlaube
mir aber nur aus Erbarmniß/ daß die/ welche
du einsmahls die Beherrscherin deiner Seele
zu nennen würdigtest/ deine Magd und Leibei-
gene sterben möge.

Jch ward/ sagte Flavius/ über dieser Greuel-
That des Priesters beynahe rasend. Bald ver-
fluchte ich den abscheulichen Priester/ bald schalt
ich die wahnwitzige Dido; bald verwandelte sich
mein Grimm in das wehmüthigste Mitleiden.
Also brachte ich gantzer zwey Tage und Nächte
zu. Endlich überwand die Begierde mich an
dem Priester zu rächen meine andere Gemüths-

Re-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] verlangte/ ich ihr diß/ und meine deßhalben ge-
ſchoͤpffte Bekuͤmmerniß rund heraus entdeckte.
Sie aber gab mir laͤchelnde dieſe ſcheinbare Ant-
wort: Es waͤre wahr/ daß ſie eine Wallfarth
in den Lyceiſchen Tempel bey der Stadt Troͤ-
zen verrichten/ und daſelbſt ihr Geluͤbde abſtat-
ten muͤſte. Sie wuͤrde aber auff beſtimmte Zeit
unfehlbar zu Cirtha ſeyn. Und haͤtte man we-
gen der ohne diß bey mir verſpuͤrten Traurig-
keit nur dieſe Entfernung verhoͤlet. Jch war
hiermit abermahls vergnuͤgt; ungeachtet ich
mehrmahls fuͤrhatte/ ihr in Griechenland zu
folgen. Juba unterhielt mich inzwiſchen mit
allen nur erſinnlichen Ergetzligkeiten/ mit Jag-
ten auff die Loͤwen und Elefanten/ wie auch mit
Mohriſchen Ritterſpielen auff. Die drey Mo-
nat waren noch nicht gar verfloſſen/ als Dido
wieder zu Aphrodiſium anlaͤndete; dahin ich
denn ſie zu bewillkommen ſelbſt eilete. Sie
war zwar in dem Tempel noch verwahret/ ie-
doch kriegte ich Erlaubniß ſie darinnen in An-
weſenheit der Prieſterin zu ſprechen. Die Trau-
rigkeit war bey ihr noch nicht verſchwunden/ ihr
gantzes Thun war vermiſcht von Kaltſinnig-
keit und Liebes-Bezeugungen/ welche aber im-
mer wider ihre vorhin gewohnte Freyheit und
Freudigkeit etwas gezwungenes an ſich hatten.
Als ich das dritte mahl mit ihr ſprach/ und die
Prieſterin anderwerts hin Augen und Gemuͤth
wendete/ ſteckte ſie mir ein Schreiben mit einer
ſolchen Empfindligkeit zu/ daß an ſtatt der ihr
auff der zitternden Zunge erſterbenden Woͤrter
ſie ihre Wehmuth mit einem Zeugniſſe etlicher
hundert Thraͤnen erhaͤrtete. Nachdem ich wie-
der in mein Zimmer kam/ erſtarrte ich mehr deñ
der in Stein verwandelte Atlas/ als ich darin-
nen folgende Zeilen laß:

Wenn ich dich/ edler Flavius nicht ſo ſehr lieb-
te/ wuͤrde ich mich deiner Liebe nicht berauben.
Nim alſo dieſe meine ſelbſteigene Verungluͤck-
ſeligung fuͤr ein unverfaͤlſchtes Zeugniß auf/ daß
ich lieber gehaſſt und verſtoſſen ſeyn wil/ als mei-
[Spaltenumbruch] ne Liebe mit einiger Unreinigkeit beſudeln. Ach
leider! aber/ iſt gleich mein Leib/ ſo iſt doch mei-
ne Seele nicht beflecket. Der Wahn des A-
berglaubens/ und der Zwang meiner verleiteten
Eltern hat mich mir ſelbſt zu einem Greuel/
und dir zu einer unwuͤrdigen Anbeterin ge-
macht. Denn ich habe die dir gewiedmete
Jungfrauſchafft einem geilen Prieſter der zu
Cirtha ſo unzuͤchtigen Diane opffern muͤſſen.
Alleine dieſer Verluſt war noch zu wenig. Man
ſpottete noch der Geſchaͤndeten/ und machte ſie
aus einer Verunehrten zu einer Naͤrrin. Denn
man ſchickte mich in Argia/ badete mich bey der
Stadt Nauplia in dem Brunnen Canathus/
in welchem alle Jahr Juno ihre Jungfrau-
ſchafft wieder bekommen ſoll. O des abſcheu-
lichen Aberglaubens! daß auch die Goͤtter den
Schwachheiten der Begierden unterworffen/
und des Abbruchs ihrer Vollkommenheit faͤ-
hig ſeyn ſollen! O des albern Wahnwitzes!
daß das Waſſer/ welches ja zuweilen einigen
Schwachheiten des Leibes abhilfft/ den Ver-
luſt deſſen/ was die Natur und die Goͤtter nicht
ergaͤntzen koͤnnen/ erſtatten ſolle! Hoͤre mich
dieſemnach auff zu lieben/ Flavius; wormit du
von mir geliebt zu ſeyn nicht allzu wuͤrdig blei-
beſt. Verſtoß mich Flavius/ und enteuſſere
dich einer ſolchen Braut/ welche mit Ehren
weder einer keuſchen Gottheit Prieſterin blei-
ben/ noch eine Ehefrau werden kan. Erlaube
mir aber nur aus Erbarmniß/ daß die/ welche
du einsmahls die Beherrſcherin deiner Seele
zu nennen wuͤrdigteſt/ deine Magd und Leibei-
gene ſterben moͤge.

Jch ward/ ſagte Flavius/ uͤber dieſer Greuel-
That des Prieſters beynahe raſend. Bald ver-
fluchte ich den abſcheulichen Prieſter/ bald ſchalt
ich die wahnwitzige Dido; bald verwandelte ſich
mein Grimm in das wehmuͤthigſte Mitleiden.
Alſo brachte ich gantzer zwey Tage und Naͤchte
zu. Endlich uͤberwand die Begierde mich an
dem Prieſter zu raͤchen meine andere Gemuͤths-

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[487/0541] Arminius und Thußnelda. verlangte/ ich ihr diß/ und meine deßhalben ge- ſchoͤpffte Bekuͤmmerniß rund heraus entdeckte. Sie aber gab mir laͤchelnde dieſe ſcheinbare Ant- wort: Es waͤre wahr/ daß ſie eine Wallfarth in den Lyceiſchen Tempel bey der Stadt Troͤ- zen verrichten/ und daſelbſt ihr Geluͤbde abſtat- ten muͤſte. Sie wuͤrde aber auff beſtimmte Zeit unfehlbar zu Cirtha ſeyn. Und haͤtte man we- gen der ohne diß bey mir verſpuͤrten Traurig- keit nur dieſe Entfernung verhoͤlet. Jch war hiermit abermahls vergnuͤgt; ungeachtet ich mehrmahls fuͤrhatte/ ihr in Griechenland zu folgen. Juba unterhielt mich inzwiſchen mit allen nur erſinnlichen Ergetzligkeiten/ mit Jag- ten auff die Loͤwen und Elefanten/ wie auch mit Mohriſchen Ritterſpielen auff. Die drey Mo- nat waren noch nicht gar verfloſſen/ als Dido wieder zu Aphrodiſium anlaͤndete; dahin ich denn ſie zu bewillkommen ſelbſt eilete. Sie war zwar in dem Tempel noch verwahret/ ie- doch kriegte ich Erlaubniß ſie darinnen in An- weſenheit der Prieſterin zu ſprechen. Die Trau- rigkeit war bey ihr noch nicht verſchwunden/ ihr gantzes Thun war vermiſcht von Kaltſinnig- keit und Liebes-Bezeugungen/ welche aber im- mer wider ihre vorhin gewohnte Freyheit und Freudigkeit etwas gezwungenes an ſich hatten. Als ich das dritte mahl mit ihr ſprach/ und die Prieſterin anderwerts hin Augen und Gemuͤth wendete/ ſteckte ſie mir ein Schreiben mit einer ſolchen Empfindligkeit zu/ daß an ſtatt der ihr auff der zitternden Zunge erſterbenden Woͤrter ſie ihre Wehmuth mit einem Zeugniſſe etlicher hundert Thraͤnen erhaͤrtete. Nachdem ich wie- der in mein Zimmer kam/ erſtarrte ich mehr deñ der in Stein verwandelte Atlas/ als ich darin- nen folgende Zeilen laß: Wenn ich dich/ edler Flavius nicht ſo ſehr lieb- te/ wuͤrde ich mich deiner Liebe nicht berauben. Nim alſo dieſe meine ſelbſteigene Verungluͤck- ſeligung fuͤr ein unverfaͤlſchtes Zeugniß auf/ daß ich lieber gehaſſt und verſtoſſen ſeyn wil/ als mei- ne Liebe mit einiger Unreinigkeit beſudeln. Ach leider! aber/ iſt gleich mein Leib/ ſo iſt doch mei- ne Seele nicht beflecket. Der Wahn des A- berglaubens/ und der Zwang meiner verleiteten Eltern hat mich mir ſelbſt zu einem Greuel/ und dir zu einer unwuͤrdigen Anbeterin ge- macht. Denn ich habe die dir gewiedmete Jungfrauſchafft einem geilen Prieſter der zu Cirtha ſo unzuͤchtigen Diane opffern muͤſſen. Alleine dieſer Verluſt war noch zu wenig. Man ſpottete noch der Geſchaͤndeten/ und machte ſie aus einer Verunehrten zu einer Naͤrrin. Denn man ſchickte mich in Argia/ badete mich bey der Stadt Nauplia in dem Brunnen Canathus/ in welchem alle Jahr Juno ihre Jungfrau- ſchafft wieder bekommen ſoll. O des abſcheu- lichen Aberglaubens! daß auch die Goͤtter den Schwachheiten der Begierden unterworffen/ und des Abbruchs ihrer Vollkommenheit faͤ- hig ſeyn ſollen! O des albern Wahnwitzes! daß das Waſſer/ welches ja zuweilen einigen Schwachheiten des Leibes abhilfft/ den Ver- luſt deſſen/ was die Natur und die Goͤtter nicht ergaͤntzen koͤnnen/ erſtatten ſolle! Hoͤre mich dieſemnach auff zu lieben/ Flavius; wormit du von mir geliebt zu ſeyn nicht allzu wuͤrdig blei- beſt. Verſtoß mich Flavius/ und enteuſſere dich einer ſolchen Braut/ welche mit Ehren weder einer keuſchen Gottheit Prieſterin blei- ben/ noch eine Ehefrau werden kan. Erlaube mir aber nur aus Erbarmniß/ daß die/ welche du einsmahls die Beherrſcherin deiner Seele zu nennen wuͤrdigteſt/ deine Magd und Leibei- gene ſterben moͤge. Jch ward/ ſagte Flavius/ uͤber dieſer Greuel- That des Prieſters beynahe raſend. Bald ver- fluchte ich den abſcheulichen Prieſter/ bald ſchalt ich die wahnwitzige Dido; bald verwandelte ſich mein Grimm in das wehmuͤthigſte Mitleiden. Alſo brachte ich gantzer zwey Tage und Naͤchte zu. Endlich uͤberwand die Begierde mich an dem Prieſter zu raͤchen meine andere Gemuͤths- Re-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/541>, abgerufen am 19.05.2024.