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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] Qvirinius und Juba theilten das Garamanti-
sche Reich mit einander/ und schafften diesem
halb viehischem Volcke die Gemeinschafft der
Weiber und andere wilde Unarten bey Lebens-
Straffe ab. Jener zohe sieghafft/ und mit zwey-
fachem Ruhme nach Rom/ weil er das ihm ver-
laubte Siegs-Gepränge unterließ/ und sich des
gegebenen Zunahmens Marmaricus und Ga-
ramanticus nicht gebrauchen wolte. Jch kam
mit dem Juba gleichfals wieder in Numidien/
welcher mich neben ihm auff einem mit sechs E-
lefanten bespannten güldenen Siegs-Wagen
zu Cirtha einzufahren nöthigte. Aber diese
Freude war viel zu schlecht meinem nun wieder
auffwachendem Liebes-Kummer abzuhelffen/
denn die steten Kriegs-Geschäffte nur ein wenig
eingeschläfft hatten. Jnsonderheit goß die der
Diana in meinem Ansehen opffernde Dido a-
bermahls mehr Oel in das Feuer meines Her-
tzens als sie Weyrauch in die glüenden Kohlen
des Opffer-Tisches streuete. Dahero Juba
und Cleopatra so wohl mit mir/ als ihrer nichts
minder verliebten und mit Unwillen opffernden
Tochter Mitleiden hatten/ mir auch alles eusserste
zu versuchen anboten/ was zu meiner Vergnü-
gung gereichen möchte. Hierauff fügten sie sich
fast täglich in den Tempel/ und ward einen gan-
tzen Monat lang mit den Priestern über der Di-
do Befreyung Rath gehalten. Nach solcher Zeit
kamen Juba/ Dido/ und der oberste Priester des
Morgens früh bey auffgehender Sonnen voller
Freuden in mein Schlaffgemach/ weckten mich
auff/ weil mir gleich träumte: Wie ein Falcke
mir eine an dem Meer-Ufer gefundene herrli-
che Perlen-Muschel aus den Händen riße/ selb-
te empor führte/ und nachdem er die darinnen
gewesene köstliche Perle verschlungen/ sie wieder
in meine Schoos fallen liesse. Uber dieser Be-
gebung erwachte ich/ und vernahm mit grosser
Vergnügung die gewünschte Zeitung/ welche
mich meines Traumes und aller Sorgen ver-
gessen ließ. Wie mir denn auch die grosse Hoff-
[Spaltenumbruch] nung den Beysatz nicht verdrüßlich machte/ daß
unser Beylager noch drey Monat verschoben
werden müste. Den dritten Tag ward ein gros-
ses Feyer in dem Dianischen Tempel gehalten.
Der Diana wurden hundert Löwen geopffert/
hundert zehnjährige edle Mägdlein auff Athe-
niensische Art eingeweyhet/ und selbte auff zehn
mit Bären bespannten Wagen in Tempel ge-
führet. Die den Tempel ringsum bewachen-
den drey hundert Löwen wurden nach Getulien
geschickt/ und in der Wüsteney frey gelassen. Den
vierdten Tag ward Dido auff einem prächtigen
Siegs-wagen nach Aphrodisium in den an dem
Meer-Strande stehenden Tempel der Aphro-
ditischen Venus geführet/ welcher sie daselbst auf
gewisse Zeit eingeweyhet werden solte. Mir kam
zwar nachdencklich für/ daß ich bey solchem Auf-
zuge der Fürstin Dido Haupt mit fremden
Haaren bedeckt; und über diß/ daß die Abschnei-
dung der Haare ein Zeichen des Traurens/ und
ein Opffer der Schiff bruch-leidenden ist/ sie noch
in der traurigsten Bestürtzung sahe; meine Liebe
aber/ welche insgemein zwar argwöhnisch/ aber
auch leichtgläubig ist/ ließ sich leicht durch den
Vorwand beruhigen/ daß die Traurigkeit zwei-
felsfrey nur aus einer verliebten Ungedult we-
gen verschobener Hochzeit herrührte/ ihre Haare
aber hätte sie an statt ihrer Jungfrauschafft Di-
anen zur Veute lassen/ wie bey denen Trözeniern
die Heyrathenden ihre dem Hippolytus/ und bey
den Assyriern der Derceto wiedmeten. Also hätte
schon Orestes auf Befehl der Götter der Tauri-
schen Diana einen Tempel bauen/ undseine ab-
geschnittene Haare darein lieffern müssen. Man
überredete mich zwar auch/ daß Dido in selbi-
gem Tempel drey Monat ihre Andacht verrich-
ten müßte; ein ins geheim dahin abgeschick-
ter Deutscher aber brachte mir die Nachricht/
daß sie bald die andere Nacht von Aphrodisi-
um weg gesegelt wäre; Welches mich so un-
ruhig machte/ daß/ als Cleopatra von mir die Ur-
sache meiner ungewohnten Ungedult zu wissen

ver-

Vierdtes Buch
[Spaltenumbruch] Qvirinius und Juba theilten das Garamanti-
ſche Reich mit einander/ und ſchafften dieſem
halb viehiſchem Volcke die Gemeinſchafft der
Weiber und andere wilde Unarten bey Lebens-
Straffe ab. Jener zohe ſieghafft/ und mit zwey-
fachem Ruhme nach Rom/ weil er das ihm ver-
laubte Siegs-Gepraͤnge unterließ/ und ſich des
gegebenen Zunahmens Marmaricus und Ga-
ramanticus nicht gebrauchen wolte. Jch kam
mit dem Juba gleichfals wieder in Numidien/
welcher mich neben ihm auff einem mit ſechs E-
lefanten beſpannten guͤldenen Siegs-Wagen
zu Cirtha einzufahren noͤthigte. Aber dieſe
Freude war viel zu ſchlecht meinem nun wieder
auffwachendem Liebes-Kummer abzuhelffen/
denn die ſteten Kriegs-Geſchaͤffte nur ein wenig
eingeſchlaͤfft hatten. Jnſonderheit goß die der
Diana in meinem Anſehen opffernde Dido a-
bermahls mehr Oel in das Feuer meines Her-
tzens als ſie Weyrauch in die gluͤenden Kohlen
des Opffer-Tiſches ſtreuete. Dahero Juba
und Cleopatra ſo wohl mit mir/ als ihrer nichts
minder verliebten und mit Unwillen opffernden
Tochter Mitleiden hattẽ/ mir auch alles euſſerſte
zu verſuchen anboten/ was zu meiner Vergnuͤ-
gung gereichen moͤchte. Hierauff fuͤgten ſie ſich
faſt taͤglich in den Tempel/ und ward einen gan-
tzen Monat lang mit den Prieſtern uͤber der Di-
do Befreyung Rath gehalten. Nach ſolcher Zeit
kamen Juba/ Dido/ und der oberſte Prieſter des
Morgens fruͤh bey auffgehender Sonnen voller
Freuden in mein Schlaffgemach/ weckten mich
auff/ weil mir gleich traͤumte: Wie ein Falcke
mir eine an dem Meer-Ufer gefundene herrli-
che Perlen-Muſchel aus den Haͤnden riße/ ſelb-
te empor fuͤhrte/ und nachdem er die darinnen
geweſene koͤſtliche Perle verſchlungen/ ſie wieder
in meine Schoos fallen lieſſe. Uber dieſer Be-
gebung erwachte ich/ und vernahm mit groſſer
Vergnuͤgung die gewuͤnſchte Zeitung/ welche
mich meines Traumes und aller Sorgen ver-
geſſen ließ. Wie mir denn auch die groſſe Hoff-
[Spaltenumbruch] nung den Beyſatz nicht verdruͤßlich machte/ daß
unſer Beylager noch drey Monat verſchoben
werden muͤſte. Den dritten Tag ward ein groſ-
ſes Feyer in dem Dianiſchen Tempel gehalten.
Der Diana wurden hundert Loͤwen geopffert/
hundert zehnjaͤhrige edle Maͤgdlein auff Athe-
nienſiſche Art eingeweyhet/ und ſelbte auff zehn
mit Baͤren beſpannten Wagen in Tempel ge-
fuͤhret. Die den Tempel ringsum bewachen-
den drey hundert Loͤwen wurden nach Getulien
geſchickt/ uñ in der Wuͤſteney frey gelaſſen. Den
vierdten Tag ward Dido auff einem praͤchtigen
Siegs-wagen nach Aphrodiſium in den an dem
Meer-Strande ſtehenden Tempel der Aphro-
ditiſchen Venus gefuͤhret/ welcher ſie daſelbſt auf
gewiſſe Zeit eingeweyhet werden ſolte. Mir kam
zwar nachdencklich fuͤr/ daß ich bey ſolchem Auf-
zuge der Fuͤrſtin Dido Haupt mit fremden
Haaren bedeckt; und uͤber diß/ daß die Abſchnei-
dung der Haare ein Zeichen des Traurens/ und
ein Opffer der Schiff bruch-leidenden iſt/ ſie noch
in der traurigſten Beſtuͤrtzung ſahe; meine Liebe
aber/ welche insgemein zwar argwoͤhniſch/ aber
auch leichtglaͤubig iſt/ ließ ſich leicht durch den
Vorwand beruhigen/ daß die Traurigkeit zwei-
felsfrey nur aus einer verliebten Ungedult we-
gen verſchobener Hochzeit herruͤhrte/ ihre Haare
aber haͤtte ſie an ſtatt ihrer Jungfrauſchafft Di-
anen zuꝛ Veute laſſen/ wie bey denen Troͤzeniern
die Heyrathenden ihre dem Hippolytus/ und bey
den Aſſyriern der Derceto wiedmeten. Alſo haͤtte
ſchon Oreſtes auf Befehl der Goͤtter der Tauri-
ſchen Diana einen Tempel bauen/ undſeine ab-
geſchnittene Haare darein lieffern muͤſſen. Man
uͤberredete mich zwar auch/ daß Dido in ſelbi-
gem Tempel drey Monat ihre Andacht verrich-
ten muͤßte; ein ins geheim dahin abgeſchick-
ter Deutſcher aber brachte mir die Nachricht/
daß ſie bald die andere Nacht von Aphrodiſi-
um weg geſegelt waͤre; Welches mich ſo un-
ruhig machte/ daß/ als Cleopatra von mir die Ur-
ſache meiner ungewohnten Ungedult zu wiſſen

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[486/0540] Vierdtes Buch Qvirinius und Juba theilten das Garamanti- ſche Reich mit einander/ und ſchafften dieſem halb viehiſchem Volcke die Gemeinſchafft der Weiber und andere wilde Unarten bey Lebens- Straffe ab. Jener zohe ſieghafft/ und mit zwey- fachem Ruhme nach Rom/ weil er das ihm ver- laubte Siegs-Gepraͤnge unterließ/ und ſich des gegebenen Zunahmens Marmaricus und Ga- ramanticus nicht gebrauchen wolte. Jch kam mit dem Juba gleichfals wieder in Numidien/ welcher mich neben ihm auff einem mit ſechs E- lefanten beſpannten guͤldenen Siegs-Wagen zu Cirtha einzufahren noͤthigte. Aber dieſe Freude war viel zu ſchlecht meinem nun wieder auffwachendem Liebes-Kummer abzuhelffen/ denn die ſteten Kriegs-Geſchaͤffte nur ein wenig eingeſchlaͤfft hatten. Jnſonderheit goß die der Diana in meinem Anſehen opffernde Dido a- bermahls mehr Oel in das Feuer meines Her- tzens als ſie Weyrauch in die gluͤenden Kohlen des Opffer-Tiſches ſtreuete. Dahero Juba und Cleopatra ſo wohl mit mir/ als ihrer nichts minder verliebten und mit Unwillen opffernden Tochter Mitleiden hattẽ/ mir auch alles euſſerſte zu verſuchen anboten/ was zu meiner Vergnuͤ- gung gereichen moͤchte. Hierauff fuͤgten ſie ſich faſt taͤglich in den Tempel/ und ward einen gan- tzen Monat lang mit den Prieſtern uͤber der Di- do Befreyung Rath gehalten. Nach ſolcher Zeit kamen Juba/ Dido/ und der oberſte Prieſter des Morgens fruͤh bey auffgehender Sonnen voller Freuden in mein Schlaffgemach/ weckten mich auff/ weil mir gleich traͤumte: Wie ein Falcke mir eine an dem Meer-Ufer gefundene herrli- che Perlen-Muſchel aus den Haͤnden riße/ ſelb- te empor fuͤhrte/ und nachdem er die darinnen geweſene koͤſtliche Perle verſchlungen/ ſie wieder in meine Schoos fallen lieſſe. Uber dieſer Be- gebung erwachte ich/ und vernahm mit groſſer Vergnuͤgung die gewuͤnſchte Zeitung/ welche mich meines Traumes und aller Sorgen ver- geſſen ließ. Wie mir denn auch die groſſe Hoff- nung den Beyſatz nicht verdruͤßlich machte/ daß unſer Beylager noch drey Monat verſchoben werden muͤſte. Den dritten Tag ward ein groſ- ſes Feyer in dem Dianiſchen Tempel gehalten. Der Diana wurden hundert Loͤwen geopffert/ hundert zehnjaͤhrige edle Maͤgdlein auff Athe- nienſiſche Art eingeweyhet/ und ſelbte auff zehn mit Baͤren beſpannten Wagen in Tempel ge- fuͤhret. Die den Tempel ringsum bewachen- den drey hundert Loͤwen wurden nach Getulien geſchickt/ uñ in der Wuͤſteney frey gelaſſen. Den vierdten Tag ward Dido auff einem praͤchtigen Siegs-wagen nach Aphrodiſium in den an dem Meer-Strande ſtehenden Tempel der Aphro- ditiſchen Venus gefuͤhret/ welcher ſie daſelbſt auf gewiſſe Zeit eingeweyhet werden ſolte. Mir kam zwar nachdencklich fuͤr/ daß ich bey ſolchem Auf- zuge der Fuͤrſtin Dido Haupt mit fremden Haaren bedeckt; und uͤber diß/ daß die Abſchnei- dung der Haare ein Zeichen des Traurens/ und ein Opffer der Schiff bruch-leidenden iſt/ ſie noch in der traurigſten Beſtuͤrtzung ſahe; meine Liebe aber/ welche insgemein zwar argwoͤhniſch/ aber auch leichtglaͤubig iſt/ ließ ſich leicht durch den Vorwand beruhigen/ daß die Traurigkeit zwei- felsfrey nur aus einer verliebten Ungedult we- gen verſchobener Hochzeit herruͤhrte/ ihre Haare aber haͤtte ſie an ſtatt ihrer Jungfrauſchafft Di- anen zuꝛ Veute laſſen/ wie bey denen Troͤzeniern die Heyrathenden ihre dem Hippolytus/ und bey den Aſſyriern der Derceto wiedmeten. Alſo haͤtte ſchon Oreſtes auf Befehl der Goͤtter der Tauri- ſchen Diana einen Tempel bauen/ undſeine ab- geſchnittene Haare darein lieffern muͤſſen. Man uͤberredete mich zwar auch/ daß Dido in ſelbi- gem Tempel drey Monat ihre Andacht verrich- ten muͤßte; ein ins geheim dahin abgeſchick- ter Deutſcher aber brachte mir die Nachricht/ daß ſie bald die andere Nacht von Aphrodiſi- um weg geſegelt waͤre; Welches mich ſo un- ruhig machte/ daß/ als Cleopatra von mir die Ur- ſache meiner ungewohnten Ungedult zu wiſſen ver-

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/540>, abgerufen am 22.11.2024.